Frage: Herr Iwanow, nachhaltige Geldanlagen liegen im Trend. Viele Verbraucher wollen ihr Geld sinnvoll und ökologisch investieren. Aber wie sicher sind solche Anlagen wirklich?
Michael Iwanow: Nachhaltige Geldanlagen sind keineswegs automatisch sicher. Viele Anleger haben die Vorstellung, dass ökologisch und ethisch sinnvolle Investments auch weniger riskant sind. Das ist ein Trugschluss. Auch grüne Geldanlagen unterliegen den klassischen Anlageprinzipien: Sicherheit, Rentabilität und Liquidität. Nachhaltigkeit schützt nicht vor Wertverlusten oder sogar Totalverlusten. Es kommt darauf an, wie die Anlage strukturiert ist und welche Risiken konkret damit verbunden sind.
Frage: Was sind typische nachhaltige Geldanlagen?
Michael Iwanow: Da gibt es verschiedene Formen. Einlagengesicherte Konten wie Tagesgeld oder Festgeld bei ökologisch orientierten Banken sind relativ sicher, aber meist wenig rentabel. Dann gibt es nachhaltige Aktien und Anleihen, die von Unternehmen oder Institutionen stammen, die ökologische und soziale Kriterien erfüllen. Diese Wertpapiere können Schwankungen unterliegen. Schließlich gibt es unternehmerische Beteiligungen an Projekten wie Windparks oder Solarparks, die potenziell hohe Renditen versprechen, aber auch Totalverluste bedeuten können.
Frage: Was halten Sie von unternehmerischen Beteiligungen an ökologischen Projekten?
Michael Iwanow: Diese Beteiligungen sind oft als geschlossene Fonds strukturiert. Das bedeutet: Anleger sind Mitunternehmer und tragen nicht nur die Gewinne, sondern auch die Verluste mit. Solche Investitionen können sich langfristig lohnen, wenn das Projekt erfolgreich ist. Aber in vielen Fällen ist die Haftung auf die Einlage beschränkt, was trotzdem den Totalverlust bedeuten kann. Anleger sollten sich bewusst sein, dass sie mitunter lange gebunden sind und ein vorzeitiger Ausstieg nur schwer möglich ist.
Frage: Wie sieht es mit Crowdinvesting aus, das in letzter Zeit ebenfalls im Bereich Nachhaltigkeit boomt?
Michael Iwanow: Crowdinvesting bietet kleinen Investoren die Möglichkeit, sich an Projekten mit geringen Beträgen zu beteiligen. Allerdings bergen viele dieser Projekte hohe Risiken. Oft sind es Start-ups oder innovative Vorhaben, deren Erfolg nicht garantiert ist. Zudem sind die Geschäftsmodelle häufig wenig transparent. Die Werbung suggeriert oft eine Sicherheit, die in Wirklichkeit nicht besteht. Anleger sollten sich hier sehr genau informieren und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen prüfen.
Frage: Was sind die typischen Risiken bei nachhaltigen Geldanlagen?
Michael Iwanow: Neben dem allgemeinen Marktrisiko ist die fehlende Transparenz ein großes Problem. Viele Anleger wissen gar nicht genau, worin ihr Geld tatsächlich fließt. Außerdem können Projekte durch politische Entscheidungen – etwa bei Subventionen für erneuerbare Energien – an Rentabilität verlieren. Auch Missmanagement und hohe Verwaltungskosten können die Rendite erheblich schmälern. Zudem sind geschlossene Fonds oft schwer handelbar und können bei wirtschaftlichen Problemen schnell wertlos werden.
Frage: Gibt es Kennzeichen für seriöse nachhaltige Geldanlagen?
Michael Iwanow: Ja, Anleger sollten auf etablierte Gütesiegel wie das FNG-Siegel oder das EU-Ecolabel achten. Diese Zertifikate geben Hinweise darauf, dass die Anlage tatsächlich nachhaltig ist. Trotzdem sollte man sich nicht allein auf Siegel verlassen, sondern auch die Anlagepolitik des Unternehmens und die verwendeten Kriterien prüfen. Wichtig ist auch, dass die Anlage transparent gestaltet ist und die Risiken klar kommuniziert werden.
Frage: Was raten Sie Anlegern, die sich für nachhaltige Investments interessieren?
Michael Iwanow: Zunächst sollte man die eigenen Erwartungen und die Risikobereitschaft ehrlich einschätzen. Nachhaltigkeit darf nicht der einzige Entscheidungsfaktor sein. Eine detaillierte Prüfung des Anlagekonzepts und eine kritische Hinterfragung der Versprechungen sind unerlässlich. Ratsam ist auch, nicht das gesamte Kapital in eine einzelne nachhaltige Anlage zu investieren, sondern eine Risikostreuung vorzunehmen.
Frage: Ist die Beratung bei nachhaltigen Anlagen ausreichend?
Michael Iwanow: Nicht immer. Seit August 2022 müssen Banken und Finanzberater bei Beratungsgesprächen die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden erfragen. Das Problem: Viele Berater sind selbst nicht ausreichend geschult und empfehlen oft Standardprodukte mit einem grünen Anstrich. Ich empfehle, sich unabhängig beraten zu lassen – idealerweise von jemandem, der kein Eigeninteresse an bestimmten Produkten hat.
Frage: Wie sieht es mit der Kontrolle durch Behörden aus?
Michael Iwanow: Nachhaltige Finanzprodukte unterliegen den allgemeinen Finanzmarktregeln. Allerdings ist die Kontrolle oft lückenhaft, vor allem bei Projekten, die über Crowdinvesting oder private Fonds finanziert werden. Der Gesetzgeber versucht zwar, mehr Transparenz zu schaffen – beispielsweise durch die EU-Taxonomie – aber die Umsetzung in die Praxis hinkt noch hinterher.
Frage: Ihr Fazit zu nachhaltigen Geldanlagen?
Michael Iwanow: Sie können sinnvoll sein, wenn die Auswahl mit Bedacht getroffen wird. Anleger sollten sich nicht von grünen Schlagworten blenden lassen, sondern genau hinschauen. Nachhaltigkeit ist kein Garant für Rentabilität oder Sicherheit. Wer das versteht und bereit ist, das Risiko zu tragen, kann jedoch interessante Möglichkeiten finden.
Frage: Vielen Dank, Herr Iwanow, für die aufschlussreichen Erläuterungen.
Michael Iwanow: Gern geschehen. Es ist wichtig, bei nachhaltigen Geldanlagen den Kopf eingeschaltet zu lassen und sich nicht allein von ethischen Motiven leiten zu lassen.
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