Commerzbank AG- Beschluss in einem Verfahren gegen die Commerzbank

Landgericht Dortmund Beschluss In dem Rechtsstreit

des Herrn Dieter Heise, Ostkirchstr. 102, 44269 Dortmund,

Klägers und Antragstellers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Kälberer & Tittel,
Knesebeckstraße 59 – 61, 10719 Berlin,

g e g e n

die Commerzbank AG, vertr.d.d. Vorstand Martin Blessing, Frank Annuscheit, Markus Beumer, Stephan Engels, Michael Reuther, Stefan Schmittmann, Martin Zielke, Kaiserstr. 16, 60311 Frankfurt,

Beklagte und Antragsgegnerin,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Waldeck,
Beethovenstr. 12 – 16, 60325 Frankfurt,

hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund
am 16.09.2016
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Beckers, die Richterin am Landgericht Krömer und die Richterin Neitzel

beschlossen:

Dem Oberlandesgericht Köln wird gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 KapMuG i.V.m. § 2 der Konzentrations-VO (NW) zu § 32b ZPO und § 4 KapMuG folgender Musterverfahrensantrag betreffend die IVG EuroSelect Zwölf GmbH & Co. KG (als Emittentin von Wertpapieren oder Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen) zur Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt:

I.
Feststellungsziele des Musterverfahrensantrages:

1.
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt über die Beteiligung an der IVG Euro Select Zwölf GmbH & Co. KG in der Fassung vom 17.03.2006 (nachfolgend „Verkaufsprospekt“) unrichtig, irreführend und unvollständig ist, insbesondere wird festgestellt,

a)
dass der Verkaufsprospekt die Risiken und Besonderheiten der Swapgeschäfte des Fonds unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

b)
dass der Verkaufsprospekt die wirtschaftlichen Grunddaten der Immobilie wie Miethöhen und Mietsteigerungen aufgrund von Auswirkungen der Upwards-Only-Klausel unrichtig, irreführend und die damit verbundenen Risiken verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

c)
dass der Prospekt die wesentlichen Merkmale der sog. Loan-to-Value-Klausel fehlerhaft und unzureichend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

d)
dass der Verkaufsprospekt die durch geplante Neubauvorhaben von Büroflächen in demselben Marktsegment entstehende zusätzliche Konkurrenzsituation unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

e)
dass der Verkaufsprospekt nicht darüber informiert, dass im englischen Recht grundbuchrechtlich besicherte Immobilien von der Kreditbank freihändig ohne Zwangsversteigerungsverfahren nach Fälligstellung des Kredites verkauft werden können und damit die Risiken eines Zwangsverkaufes unrichtig, irreführend und verharmlosend darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

f)
dass der Verkaufsprospekt nur unzureichend die Weichkosten der Gesamtinvestition, insbesondere im Verhältnis zum vom Anleger eingezahlten Kapital, darstellt und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

g)
dass der Verkaufsprospekt unzureichende Angaben zum Verkäufer der Fondsimmobilie beinhaltet und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

h)
dass der Verkaufsprospekt unzureichende und irreführende Angaben zur Auszahlung des Abfindungsguthabens im Falle einer ordentlichen Kündigung enthält und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

i)
dass der Verkaufsprospekt die gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen der Treuhänderin Wert-Konzept Immobilienfonds Verwaltungsgesellschaft mbH und dem Emissionshaus, der IVG Immobilien AG, nicht ordnungsgemäß darstellt, sondern sogar falsch und irreführend mitteilt, dass es keine personellen Verflechtungen gebe, die Interessenkonflikte begründen könnten und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt.

2.
Es wird festgestellt, dass ab dem 01.09.2006 eine Prospektnachtragspflicht bestand, da der Verkaufsprospekt nicht darüber informiert, dass sich im Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 01.09.2006 die anstehenden Neubauprojekte im sog. spekulativen Bereich (ohne vorherigen feststehenden Mieter) verdoppelt haben und zudem ohnehin schon Flächen von ca. 13 Mio. sqft. leer standen und der Prospekt somit spätestens ab dem 01.09.2006 unrichtig und irreführend wurde.

3.
Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1.a) bis 1.i) und Ziffer 2 aufgeführten Prospektmängel jeweils für die Musterbeklagten bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit banküblicher Sorgfalt erkennbar waren.

4.
Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1.a) bis 1.i) und Ziffer 2 aufgeführten Prospektmängel jeweils für die Musterbeklagten auch im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung des Prospektes erkennbar waren.

5.
Es wird festgestellt, dass den Musterbeklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass die unter Ziffer 1.a) bis 1.i) und Ziffer 2 aufgeführten Prospektmängel richtig gestellt wurden.

6.
Es wird festgestellt, dass die Geschäftsberichte und Rundschreiben von 2006 bis 2013 keine hinreichenden Informationen über die unter Ziffer 1.a) bis 1.i) und Ziffer 2 aufgeführten Prospektmängel enthalten, so dass diese Geschäftsberichte allein keine für einen Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis herbeiführen können.

7.
Es wird festgestellt, dass zu vermuten ist, dass die unter 1.a) bis 1.i) und Ziffer 2 dargestellten Prospektmängel jeweils kausal für die Zeichnungen von Anlegern sind, auch wenn ein Prospekt zu spät oder gar nicht an den Anleger übergeben wurde.

II.
Den Musterverfahrensanträgen liegt zusammengefasst folgender Lebenssachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers nach Zeichnung einer von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vermittelten Beteiligung an der IVG EuroSelect Zwölf GmbH & Co. KG. Der Kläger begehrt im Wesentlichen im Wege des Schadensersatzes die Erstattung des Erwerbspreises abzüglich erhaltener Ausschüttungen, sowie die Freistellung von etwaigen Nachteilen der Zeichnung. Seine Ansprüche leitet der Kläger aus fehlerhafter Anlageberatung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten her. Diese habe ihn nicht anlegergerecht und anlagegerecht beraten, insbesondere sei nicht auf die Höhe erfolgter Rückvergütungen hingewiesen worden und die Beratung anhand eines fehlerhaften Verkaufsprospektes erfolgt. Die Fehler des Verkaufsprospektes sind insbesondere Gegenstand der klägerischen Anträge. In Kenntnis der wirtschaftlichen Risiken der Anlage hätte er, so behauptet der Kläger, die Anlage nicht getätigt. Die Beklagte tritt den Behauptungen im Einzelnen entgegen, insbesondere sei der Kläger schon nicht beratungsbedürftig gewesen, der – rechtzeitig übergebene – Prospekt nicht fehlerhaft und Ansprüche jedenfalls verjährt.

Gründe:

Das Landgericht Dortmund war für den Erlass des Vorlagebeschlusses zuständig, da bei ihm am 07.07.2015 der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt wurde (§ 6 Abs. 2 KapMuG). Insgesamt sind folgende weitere gleichgerichtete, die IVG EuroSelect Zwölf GmbH & Co. KG als Emittentin betreffenden Musterverfahrensanträge im Bundesanzeiger veröffentlicht worden:

03.03.2016 – Landgericht Chemnitz – 6 O 1028/15
03.03.2016 – Landgericht Chemnitz – 6 O 516/15
17.03.2016 – Landgericht Bochum – 1 O 152/15
21.03.2016 – Landgericht Karlsruhe – 6 OH 5/16 und 6 O 231/15
18.04.2016 – Landgericht Görlitz – 5 O 295/15
22.04.2016 – Landgericht Braunschweig – 5 O 726/15 (56)
28.04.2016 – Landgericht Berlin – 38 O 339/15 und 38 OH 5/15 KapMuG
27.07.2016 – Landgericht Dortmund – 7 O 131/15
27.07.2016 – Landgericht Dortmund – 7 O 107/15
27.07.2016 – Landgericht Dortmund – 7 O 108/15
28.07.2016 – Landgericht Köln – 22 O 544/15

Die Feststellungsziele hat das Gericht dem hiesigen Beschluss vom 21.06.2016 (Az.: 7 O 107/15) sowie den Beschlüssen der Landgerichte Bochum, Karlsruhe und Braunschweig entnommen, denn das Ziel des Musterverfahrens wird aus der Summe sämtlicher gleichgerichteter Musterverfahrensanträge gebildet, deren Feststellungsziele im Vorlagebeschluss zusammenzufassen sind.

 

Beckers                Krömer                Neitzel

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