Musterklage zulassen Frau Merkel- Jetzt!

Wenn Banken, Energieversorgern und Co. unberechtigt Gebühren erhöhen oder über Händler verkaufte Waren systematisch mangelhaft sind, ist jeder betroffene Kunde auf sich allein gestellt. Zeigt das Unternehmen keine Einsicht, gilt: Dass Geld zurückerstattet oder Schadensersatz gezahlt werden muss, muss der Kunde vor Gericht bringen und beweisen. Das kostet Zeit und kann bei ungewissem Ausgang des Verfahrens auch ins Geld gehen.

Wie hoch ist der individuelle Schaden? Ist das gekaufte Produkt von einem Mangel betroffen? Was haben das Unternehmen oder der Händler daran angepriesen? Im schlimmsten Fall entstehen darum jahrelange Rechtsstreite – und vor einigen Gerichten können erst einmal die Unternehmen und Händler Recht bekommen, während vor anderen die Kunden gewinnen, selbst wenn die Ausgangsbedingungen dieselben sind.

Viele Betroffene haben wegen dieser hohen Hürden zum Beispiel einen Kampf um Hunderte Euro gegen ihren Gasversorger in den 2000er Jahren wohl einfach sein lassen.

Musterklagen sind überfällig

Bislang ist die Einführung der Musterfeststellungsklage oder alternativer Modelle von Sammel- oder Gruppenklagen am erheblichen Widerstand von Politik und Wirtschaft gescheitert.

Die Erkenntnisse aus dem im September 2015 bekanntgewordenen Abgasskandal und die dadurch ausgelösten zahlreichen Gerichtsverfahren haben erstmals zu einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung der gravierenden Rechtsschutzlücke im Falle von Massenschädigungen geführt. Die Musterfeststellungsklage ist zentraler Bestandteil der Diskussion um die politischen Konsequenzen aus dem Abgasskandal.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass es noch viele andere Fälle von Massenschäden gab, gibt und geben wird, die ohne neue kollektive Klagemöglichkeiten – wie Musterfeststellungsverfahren – nicht bewältigt werden können.

Musterprozesse durch Verbände (so genannte „Musterfeststellungsverfahren“), die die Fragen stellvertretend für alle Betroffenen klären könnten, gibt es in Deutschland bisher nicht. Aus unserer Sicht bereitet das den Verbrauchern gleich mehrere Probleme:

  • Eine Klage muss jeder für sich allein anstrengen. Geht der Prozess verloren, kostet das viel Geld. Betroffene können zwar ihre Ansprüche abtreten, zum Beispiel an die Verbraucherzentralen – aber auch dann gelten erstrittene Urteile nur für diejenigen, die sich von Beginn an angeschlossen hatten.
  • Geht es um Beträge von einigen Hundert Euro, lohnt die Klage des Einzelnen oft gar nicht. Der Gesamtschaden, für den ein Unternehmen dann einstehen müsste, ist angesichts vieler Betroffener aber schnell sehr hoch. Dass einige wenige Verbraucher die anstrengende Klage einreichen könnten, schreckt die Unternehmen also kaum ab. Der Klassiker: Ein Energieversorger erhöht die Preise. War das unzulässig, bekommt sein Geld aber nur zurück, wer dagegen Rechtsmittel eingelegt hat.
  • Man kann kaum ein aussagekräftiges Urteil abwarten und erst dann selbst aktiv werden: Während einige sich noch durch die Instanzen klagen, können die Ansprüche anderer verjähren. Bis ein letztgültiges Urteil steht, vergehen oft viele Jahre. Bei der Gewährleistung nach dem Kauf einer Neuware zum Beispiel ist ein Anspruch aber schon nach zwei Jahren erloschen.
Statement von Klaus Müller, Vorstand des vzbv

Warum der vzbv die Einführung einer Musterklage von einer neuen Bundesregierung mit Nachdruck fordern wird, erläutert Klaus Müller, Vorstand des vzbv:

„Nach der Bundestagswahl muss die Musterfeststellungsklage schnell umgesetzt werden. Wir brauchen keine Klageindustrie, sondern einfachen Rechtsschutz für Verbraucher.

Eine Klage für alle betroffenen Verbraucher stärkt die Ansprüche der Geschädigten, ist auch für Unternehmen effizienter und entlastet die Gerichte. Es kann nicht sein, dass Schäden, verursacht durch ein und denselben Rechtsverstoß, im Zweifel tausendfach vor Gericht vorgetragen werden müssen. Das ist ineffizient und bisweilen auch nicht gerecht. Manche Verbraucher würden vor Klagen auch zurückschrecken, wenn das Risiko zu hoch ist, Kosten entstehen und Ärger droht.“

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert, eine Musterfeststellungsklage per Gesetz einzuführen. Mit entsprechenden Regelungen ließe sich eine Menge verbessern bei Fällen, in denen durch rechtswidriges Verhalten von Unternehmen finanzielle Schäden entstehen:

  • Wenn viele Menschen betroffen sind, helfen Musterverfahren, die zum Beispiel die Verbraucherzentralen führen könnten. Damit die Urteile auch nach einem jahrelangen Rechtsstreit nicht zu spät für die Betroffenen kommen, dürfen diese Fälle bis zur finalen Entscheidung nicht verjähren.
  • Von Gerichten begleitete Vergleichsverfahren oder Schlichtungsangebote können Verbrauchern zusätzlich dabei helfen, mit kleinem Aufwand für ihren Fall passende Zahlungen zu bekommen.
  • Auch wenn die Schäden jedes einzelnen so gering sind, dass die Auszahlung an die betroffenen Verbraucher unwirtschaftlich wäre, sollten Unternehmen unrechtmäßige Gewinne nicht behalten dürfen. Verbände können solche Gewinne zwar theoretisch abschöpfen, praktisch ist dies aber sehr schwierig, denn sie müssen den unrechtmäßigen Gewinn konkret beziffern und dem Unternehmen einen Vorsatz nachweisen. Hinzu kommt, dass sie das volle Prozesskostenrisiko tragen, aber im Falle eines Erfolgs vor Gericht den unrechtmäßigen Gewinn an den Bundeshaushalt abführen müssen. Der vzbv fordert, die rechtlichen Hürden zu senken und die abgeschöpften Unrechtsgewinne – beispielsweise in einem Sondervermögen – zweckgebunden für die Verbraucherarbeit zu verwenden.

Gefragt ist jetzt die Bundesregierung. Denn ein entsprechender Gesetzesentwurf könnte noch vor der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017 beschlossen werden.

Erhöhte Gaspreise, kaputte Backöfen, Rückkaufswerte von Lebensversicherungen: Der vzbv hat einige reale Beispiele gesammelt, bei denen Verbraucher durch Musterverfahren und ohne Verjährung der Ansprüche leichter zu ihrem Recht hätten kommen könne

Quelle:VZBV

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