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Iranisches Regime am Wanken – aber noch lange nicht gefallen

Alexas_Fotos (CC0), Pixabay
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Während in Tel Aviv das „Finish Him“-Plakat an der Hauswand hängt und in westlichen Redaktionsstuben euphorische Szenarien vom baldigen Kollaps des iranischen Regimes herumgereicht werden wie Gratisproben auf einem Basar, bleibt eines klar: Die Islamische Republik steht unter Druck wie nie – doch sie steht noch.

Zwar scheppert es militärisch, politisch und wirtschaftlich gehörig im Gebälk des Mullah-Systems: Führende Revolutionsgardisten sind tot, Raketen schlagen ein, die größte Bank lahmgelegt, die Ölraffinerien brennen, und obendrein macht das Internet schlapp – und mit ihm auch die Propaganda. Doch wer glaubt, Ayatollah Chamenei trete nun in ein Rücktritts-Zoommeeting ein, sollte sich lieber an die persische Geschichte erinnern: Der Iran hat ein beachtliches Talent dafür, Regime an der Macht zu halten, die längst niemand mehr will.

Kein Ziel, aber praktischer Nebeneffekt: Regime-Wackler

Israel betont zwar, das Ziel sei nicht der Sturz des Regimes, sondern „nur“ das Zerschlagen des Atomprogramms. Aber wenn nebenbei das System Chamenei in sich zusammenfällt, wird in Jerusalem sicher niemand vor Schreck das Shabbatbrot fallen lassen.

Denn derzeit gerät die Islamische Republik unter mehrfachen Beschuss: außen durch Raketen, innen durch Wut, Frust und einen leisen, aber wachsenden Ungehorsam. Während auf den Dächern „Marg bar Chamenei“ gerufen wird, schweigt der große Führer – vermutlich nicht aus Bescheidenheit.

Zwischen Zentrifugen und Zynismus: Der Fluch des Patriotismus

Wütend sind viele Iranerinnen und Iraner nicht nur wegen der israelischen Bomben, sondern weil das Regime es nicht einmal für nötig hielt, Sirenen anzuschalten – geschweige denn Schutzräume bereitzuhalten. Schutz gibt’s im Iran offenbar nur für Machteliten und Ideologie.

Und doch: Trotz des Hasses auf das System ist der Wille zur Zerschlagung des Landes gering. Patriotismus bleibt im Iran eine stille Staatsreligion, auch jenseits des Islamismus. Die Angst, dass nach einem Regimekollaps das Land in die Art Chaos abgleiten könnte, das man aus Irak und Syrien kennt, wirkt lähmender als die Drohung jeder Basidsch-Miliz.

Opposition? Nur in der Theorie. Hoffnung? Fragil wie Glas

Ein flächendeckender Aufstand scheint daher unwahrscheinlich – nicht zuletzt, weil es an einer geeinten Opposition fehlt. Die Reformer sind marginalisiert, die Exilopposition zerstritten, und wer im Land noch aufsteht, steht meist allein. Dazwischen: ein Volk, das müde, aber nicht mehr kampfbereit scheint.

Chamenei & Co.: Jetzt mit Frischhaltefolie um die Macht

Das Regime hat gelernt: nicht regieren, sondern aussitzen. Der Spruch „Das ist keine Krise, das ist Dienstag“ beschreibt die Widerstandsfähigkeit dieses Systems besser als jede Analyse. Selbst schwer angeschlagen operiert Teheran mit der stoischen Selbstüberschätzung eines untergehenden Kalifats.

Dass Reformen wie Atomverhandlungen oder das faktische Begraben des Kopftuchgesetzes mehr mit Angst als mit Einsicht zu tun haben, ist offensichtlich – doch reicht es, um das System zusammenzuhalten?

Regimebruch oder nur Riss im Mullah-Marmor?

Ein realistisches Szenario scheint derzeit eher ein interner Bruch – eine Art theokratischer „Game of Thrones“ mit Turbanen – als eine Revolution auf der Straße. Es rumort unter den Eliten: Zwischen Chamenei, seinem Sohn Modschtaba (den er womöglich als Nachfolger sieht), Reformer Peseschkian und der Tochter des früheren Präsidenten Haschemi ist die Nachfolgefrage nicht nur offen, sondern auch brandgefährlich.

Die USA als Königsmacher? Nur wenn Trump es erlaubt

Ob sich das Kräfteverhältnis wirklich verschiebt, hängt wie so oft vom Joker im geopolitischen Kartenspiel ab: den USA. Sollte Donald Trump tatsächlich die Atomverhandlungen neu aufrollen – inklusive Sanktionslockerung und nuklearem Schmusekurs mit Saudi-Arabien im Paket – könnte das dem Regime Luft zum Atmen geben.

Doch falls er sich stattdessen entscheidet, „niemandem zu sagen, was er tut“ (sein neuer Lieblingssatz), bleibt dem Iran nur die Hoffnung auf Wunder oder chinesisches Kreditgeld.

Fazit: Das Regime taumelt – fällt aber nicht

Der Iran 2025 ist ein angeschlagener Boxer, der sich am Seil festhält – stolz, blutverschmiert und unfähig zur Selbstreflexion. Der Sturz des Regimes wäre geopolitisch ein Erdbeben. Doch noch ist die Islamische Republik mehr Kakerlake als Kartenhaus: schwer zu töten, selbst wenn man schon drauftritt.

Wer auf schnellen Wandel hofft, muss Geduld haben – oder anfangen, persisch zu lernen.

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