Die Redaktion sprach mit Rechtsanwalt Jens Reime aus Bautzen über die aktuellen Entwicklungen rund um die Berliner Genossenschaft Cehatrol Technology eG, gegen die inzwischen zahlreiche Mitglieder wegen ausstehender Zahlungen und fragwürdiger Geschäftsmodelle rechtliche Schritte eingeleitet haben.
Frage: Herr Reime, die Cehatrol Technology eG steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Stiftung Warentest hat sie sogar auf ihre Warnliste gesetzt. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Reime:
Ich verfolge die Cehatrol Technology eG nun seit rund drei Jahren und vertrete in dieser Zeit auch immer wieder geschädigte Mitglieder. Meine Erfahrung ist leider eindeutig: Diese Genossenschaft ist aus meiner Sicht nicht empfehlenswert. Viele Versprechen, die gegenüber Mitgliedern gemacht wurden – etwa regelmäßige Erträge oder Rückzahlungen – wurden schlicht nicht eingehalten.
Frage: Cehatrol hat unter anderem mit dem sogenannten „Plan 900“ geworben, bei dem Mitglieder durch den Verkauf von Genossenschaftsanteilen monatlich Einnahmen erzielen sollten. Ist ein solches Modell überhaupt zulässig?
Reime:
Nein, das ist höchst fragwürdig. Genossenschaftsanteile sind keine Handelsware. Sie sind dafür gedacht, das gemeinsame Ziel der Genossenschaft zu fördern – nicht, um sie wie Aktien zu handeln. Wenn also ein Geschäftsmodell darauf basiert, Anteile regelmäßig zu kaufen und zu verkaufen, dann widerspricht das dem eigentlichen Genossenschaftsgedanken. Solche Konstruktionen ähneln eher einem Schneeballsystem, und genau hier muss man sehr genau hinschauen.
Frage: Laut den Recherchen liegen für 2023 keine veröffentlichten Jahresabschlüsse im Bundesanzeiger vor. Wie problematisch ist das?
Reime:
Das ist ein ernstes Warnsignal. Jede eingetragene Genossenschaft ist verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse offenzulegen. Wenn das nicht passiert, erschwert das die Kontrolle durch Mitglieder und Öffentlichkeit. In einem solchen Fall kann niemand nachvollziehen, wie es um die wirtschaftliche Lage der Genossenschaft tatsächlich steht. Genau deshalb rate ich jedem Mitglied, seine Beteiligung zu überprüfen und über einen Austritt nachzudenken.
Frage: Sie sprechen den Austritt an – viele Mitglieder fragen sich, ob und wie sie ihre eingezahlten Gelder überhaupt zurückbekommen können. Was raten Sie konkret?
Reime:
Ich rate jedem betroffenen Mitglied, aktiv zu werden. Viele glauben fälschlicherweise, dass sie ihre Mitgliedsbeiträge verloren haben. Das ist so nicht richtig. Ich habe in den letzten Jahren einen rechtlich gangbaren Weg gefunden, wie man nicht nur austreten, sondern auch die eingezahlten Beiträge zurückfordern kann. In Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft Cehatrol (IG Cehatrol) setzen wir derzeit bereits erste Forderungen durch. Erste Verfahren laufen, und ich bin zuversichtlich, dass viele Mitglieder ihr Geld zurückerhalten können.
Frage: Können Sie kurz erläutern, worin die juristische Besonderheit dieser Verfahren liegt?
Reime:
In vielen Fällen ist unklar, ob die Betroffenen überhaupt echte Genossenschaftsanteile erworben haben. Wenn Programme wie „HPP“ oder „Invest 12-12“ versprochene Renditen von bis zu 6 % im Monat enthalten, dann handelt es sich rechtlich möglicherweise gar nicht mehr um klassische Genossenschaftsbeteiligungen, sondern um Anlageprodukte. Das hat erhebliche Konsequenzen: Denn dann können nicht nur die ausgebliebenen Erträge, sondern auch die gesamten Einzahlungen zurückgefordert werden.
Frage: Wie lautet Ihr Fazit für Anleger, die sich an der Cehatrol Technology eG beteiligt haben?
Reime:
Aus meiner Sicht sollte man hier keine Zeit verlieren. Wer Mitglied ist, sollte den Austritt erklären und rechtlich prüfen lassen, ob Rückforderungsansprüche bestehen. Die Erfahrung aus ähnlichen Fällen – etwa bei Geno eG, Conet oder WSW – zeigt, dass man mit juristisch fundiertem Vorgehen sehr wohl Erfolg haben kann.
Ich empfehle ausdrücklich, sich nicht mit Vertröstungen oder internen Erklärungen abspeisen zu lassen, sondern den Rechtsweg zu nutzen.
Frage: Gibt es Hoffnung für die betroffenen Mitglieder?
Reime:
Ja, absolut. Ich bin überzeugt, dass viele Mitglieder der Cehatrol Technology eG ihre Einlagen zurückbekommen können – aber nur, wenn sie handeln. Die Zeit des Abwartens sollte vorbei sein.
Anmerkung der Redaktion:
Wir waren selbst überrascht von der Entwicklung, denn die Cehatrol Technology eG galt lange Zeit als seriöses Unternehmen im Energie- und Genossenschaftsbereich. Auch wir hatten in der Vergangenheit kritische Anmerkungen gemacht, auf die das Unternehmen teilweise reagiert hatte. Angesichts der aktuellen Verfahren scheint jedoch klar: Für viele Mitglieder geht es inzwischen um die Frage, ob sie ihr Geld überhaupt wiedersehen.
Kontakt:
Interessierte Mitglieder können sich laut Rechtsanwalt Jens Reime über die IG Cehatrol oder direkt über seine Kanzlei in Bautzen über ihre rechtlichen Möglichkeiten informieren.
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