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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Werbung auf dem Smartphone – Chancen und Risiken

styles66 (CC0), Pixabay
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Frage: Frau Bontschev, Werbung auf dem Smartphone ist allgegenwärtig. Warum hat gerade das Handy für Unternehmen so an Bedeutung gewonnen?

Kerstin Bontschev: Ganz einfach: Wir nutzen unsere Smartphones ständig und überall. Für Unternehmen ist das eine Goldgrube. Kaum ein Gerät sammelt so viele persönliche Daten wie das Handy. Ob Standort, Surfverhalten oder Vorlieben – all das lässt sich perfekt auswerten und in maßgeschneiderte Werbung umwandeln. Für Unternehmen eine Win-win-Situation, für Verbraucher leider oft ein Spießrutenlauf.

Frage: Welche Arten von Werbung begegnen uns denn auf dem Handy am häufigsten?

Kerstin Bontschev: Werbung auf dem Smartphone kommt in vielen Formen daher:

  • Pop-ups und Banner beim Surfen im Internet.

  • Werbeanzeigen in sozialen Medien, oft getarnt als Influencer-Empfehlungen.

  • E-Mail-Werbung oder Angebote über Messenger wie WhatsApp.

  • Werbevideos vor YouTube-Clips oder in Streaming-Apps.

  • In-App-Käufe in Spielen, die uns mit virtueller Währung ködern.

  • Push-Benachrichtigungen, die uns mitten in der Nacht ein Angebot präsentieren – wer will da nicht gleich zugreifen?

Das Problem: Viele dieser Anzeigen sind so geschickt platziert, dass man sie kaum vermeiden kann.

Frage: Welche Risiken bestehen dabei für die Nutzerinnen und Nutzer?

Kerstin Bontschev: Das größte Problem ist die Personalisierung. Viele Menschen wissen gar nicht, wie viele Daten sie freiwillig preisgeben – sei es durch Apps, die Zugriff auf Kamera, Standort und Kontakte verlangen, oder durch unbedachte Klicks. Diese Daten werden gesammelt, ausgewertet und genutzt, um Nutzer zielgerichtet mit Werbung zu bombardieren. Dadurch steigt das Risiko, unüberlegt Käufe zu tätigen.

Besonders perfide sind „Dark Patterns“: Das sind manipulative Tricks in Apps oder Webseiten, die uns zum Kauf drängen. Beispiele sind rückwärts zählende Uhren bei vermeintlichen Schnäppchenangeboten oder schwer auffindbare „Ablehnen“-Buttons.

Frage: Sind diese Werbeformen denn rechtlich unbedenklich?

Kerstin Bontschev: Nicht unbedingt. Das Problem ist weniger die Werbung an sich, sondern die Art und Weise, wie Daten gesammelt und verarbeitet werden. Das Datenschutzrecht schreibt vor, dass Nutzer klar und verständlich informiert werden müssen, wenn Daten erhoben werden. Viele Apps sind jedoch Meister darin, die Zustimmung quasi nebenbei einzuholen. Außerdem sind Abo-Fallen ein großes Thema: Man tippt versehentlich auf eine Werbeanzeige und hat plötzlich ein kostenpflichtiges Abo am Hals.

Frage: Was können Verbraucher tun, um sich zu schützen?

Kerstin Bontschev: Hier einige Tipps:

  1. Datenschutz-Einstellungen überprüfen: Apps nur die nötigsten Zugriffsrechte gewähren.

  2. Browser-Caches und Cookies regelmäßig löschen: So minimiert man personalisierte Werbung.

  3. Werbeblocker verwenden: Viele Browser-Apps bieten diese Funktion.

  4. Keine übereilten Käufe: Besonders bei vermeintlichen „Schnäppchen“ lohnt sich ein Preisvergleich auf anderen Geräten.

  5. Influencer-Werbung kritisch hinterfragen: Oft handelt es sich um bezahlte Kooperationen, die als persönliche Empfehlung verkauft werden.

  6. Regelmäßig Passwörter ändern: So schützen Sie sich gegen Datenmissbrauch.

Frage: Viele Nutzer sind verunsichert, weil sie plötzlich Werbung für Dinge sehen, über die sie nur gesprochen haben. Ist das wirklich Zufall?

Kerstin Bontschev: Leider nein. Manche Apps hören tatsächlich mit. Zwar behaupten die Hersteller, dass keine Daten ohne Zustimmung gesammelt werden – aber in der Praxis sieht das oft anders aus. Deswegen: Zugriffsrechte kritisch prüfen und die Sprachassistenten deaktivieren, wenn man sie nicht nutzt.

Frage: Was raten Sie, wenn man Opfer von Abo-Fallen geworden ist?

Kerstin Bontschev: Zuerst: Nicht in Panik geraten. Direkt beim Mobilfunkanbieter die ungewollten Abos kündigen und den Betrag zurückfordern. Außerdem sollte man sich bei der Verbraucherzentrale melden, die oft Musterbriefe für solche Fälle bereitstellt. Auch die Bundesnetzagentur kann helfen, dubiose Anbieter zu sperren.

Frage: Wie können Nutzer besser erkennen, ob eine Werbung seriös ist oder nicht?

Kerstin Bontschev: Ein einfacher Tipp: Finger weg von Angeboten, die zu gut klingen, um wahr zu sein. Auch die URL prüfen: Seriöse Unternehmen haben oft zertifizierte Webseiten. Und bei Werbeanzeigen, die eine schnelle Reaktion fordern, lieber einen Schritt zurücktreten und die Seriosität hinterfragen.

Frage: Vielen Dank für Ihre wertvollen Tipps, Frau Bontschev!

Kerstin Bontschev: Gern geschehen. Das Wichtigste ist, die Kontrolle über die eigenen Daten zu behalten und nicht auf jedes Lockangebot hereinzufallen. Bleiben Sie skeptisch!

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