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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev (Dresden) zur Warnung der FMA über betrügerische WhatsApp-Trading-Gruppen

ghasoub (CC0), Pixabay
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Frage: Frau Bontschev, die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) warnt aktuell vor der WhatsApp-Gruppe „Allianz“ bzw. dem sogenannten „Allianz-Trading-Plan“. Was steckt hinter dieser Warnung?

Kerstin Bontschev: Die FMA hat völlig zu Recht Alarm geschlagen. Es handelt sich hier offensichtlich um ein betrügerisches Anlagekonstrukt, das unter dem Deckmantel eines vermeintlich seriösen Namens – in diesem Fall „Allianz“ – versucht, Menschen in WhatsApp-Gruppen zu Geldanlagen zu verleiten. Tatsächlich haben diese Gruppen aber keinerlei Verbindung zur echten Allianz Versicherung oder Allianz Global Investors. Es handelt sich um einen sogenannten Clone Firm Scam – also um eine Betrugsmasche, bei der der Name eines bekannten Unternehmens missbraucht wird.

Frage: Was macht solche Gruppen so gefährlich?

Bontschev: Die Masche wirkt oft sehr vertrauenswürdig. Man bekommt eine Einladung in eine WhatsApp-Gruppe, sieht dort angeblich erfolgreiche Anleger, tägliche Renditen, positive Screenshots – alles Fake, aber professionell gemacht. Oft treten dort vermeintliche „Berater“ auf, die dann direkt auf einzelne Mitglieder zugehen. Es wird suggeriert, man könne schnell viel Geld verdienen – mit angeblichen Garantien. Sobald aber Geld überwiesen wird, ist es meist verloren. Rückzahlungen erfolgen in der Regel nicht.

Frage: Die Telefonnummer +49 163 9573972 wird explizit genannt. Wie sollten Betroffene reagieren, wenn sie bereits kontaktiert wurden oder gar investiert haben?

Bontschev: Wer bereits kontaktiert wurde, sollte nicht reagieren, keine Links öffnen und die Nummer blockieren. Wer bereits Geld überwiesen hat, sollte sich unverzüglich an die Polizei wenden, möglichst mit allen Screenshots, Chatverläufen und Kontoauszügen. Eine Anzeige wegen Anlagebetrugs ist der erste Schritt. Zudem empfehle ich dringend, eine fachkundige Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen – auch im Hinblick auf mögliche zivilrechtliche Schritte oder Rückforderungen über Banken, falls z. B. mit Kreditkarte gezahlt wurde.

Frage: Welche Rolle spielt dabei die FMA-Warnung?

Bontschev: Die FMA-Warnung hat hohe rechtliche Relevanz. Nach § 92 Abs. 11 WAG 2018 kann die Behörde öffentlich auf Anbieter hinweisen, die ohne Konzession tätig sind. Für Anleger ist das ein klares Warnsignal, hier handelt es sich um nicht autorisierte Finanzdienstleistungen, bei denen kein Verbraucherschutz greift. Solche Warnungen haben auch Auswirkungen in Deutschland, denn Betrugsstrukturen agieren längst international.

Frage: Warum sind gerade Messaging-Dienste wie WhatsApp aktuell so beliebt für Anlagebetrug?

Bontschev: WhatsApp & Co. bieten den Betrügern eine schnelle, direkte und informelle Kommunikationsplattform, ohne Kontrollmechanismen. Die Hürde, einer Gruppe beizutreten, ist niedrig. Viele Menschen vertrauen auf die Dynamik der Gruppe – wer sich zurückhaltend äußert, wird schnell von Dutzenden „Erfolgsstorys“ überstimmt. Es entsteht ein enormer Gruppenzwang – psychologisch sehr geschickt gemacht.

Frage: Was raten Sie Menschen, die in sozialen Medien mit angeblichen Finanzangeboten konfrontiert werden?

Bontschev: Generell gilt: Vorsicht bei allem, was nach schnellem Geld klingt. Seriöse Anlageberatung findet nicht über WhatsApp statt. Wer ein Angebot nicht vollständig durchdringen kann oder das Gefühl hat, es werde Druck aufgebaut, sollte die Finger davon lassen. Es lohnt sich auch, auf Seiten wie der FMA, der BaFin oder der Verbraucherzentralen regelmäßig nach Warnungen zu schauen.

Frage: Gibt es eine Möglichkeit, solche Gruppen aus dem Netz zu bekommen?

Bontschev: Leider ist das technisch und rechtlich schwierig, da die Server im Ausland stehen und die Täter oft anonym agieren. Trotzdem kann man den Anbieter – also etwa WhatsApp – melden, die Nummern blockieren und strafrechtlich gegen unbekannt vorgehen. Öffentliche Warnungen wie die der FMA sind ein wichtiges Mittel, um zumindest künftige Opfer zu schützen.

Frage: Frau Bontschev, vielen Dank für die klaren Worte und die rechtliche Einordnung.

Bontschev: Sehr gern – und mein Rat: Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meistens auch genau das.

Hinweis:
Wenn Sie selbst betroffen sind oder unsicher, ob ein Angebot seriös ist, können Sie sich auch direkt an Ihre Verbraucherzentrale oder eine Fachanwältin bzw. einen Fachanwalt für Kapitalmarktrecht wenden.

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