Bundeskanzler Friedrich Merz hat mal wieder tief in die rhetorische Mottenkiste gegriffen – und prompt eine Debatte ausgelöst, die irgendwo zwischen Stammtisch, Springer-Kommentarspalte und Integrationsrat pendelt. Seine große Erkenntnis beim Bürgergespräch in Potsdam: „Das Stadtbild ist ein Problem.“
Ach so. Also nicht Wohnungsnot, Infrastruktur oder Schlaglöcher. Sondern… Menschen.
„Stadtbild als Problem“ – wer braucht noch Dogwhistles, wenn man ein Megafon hat?
Merz wurde von einem Journalisten auf das Erstarken der AfD angesprochen. Seine Antwort: Eine Mischung aus Verwaltungsdeutsch und Wahlkampfslogans. Rückführungen seien wichtig – weil: Das Stadtbild. Was das konkret heißen soll, bleibt diffus. Vielleicht meint er zu viele Dönerbuden. Oder zu wenige Trachtenvereine. Vielleicht auch einfach Menschen, die nicht wie Friedrich Merz aussehen.
Die Opposition? Nicht amüsiert. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge stellte im Bundestag die logische Frage:
„Wie erkennt man ein Problem im Stadtbild – außer an der Hautfarbe?“
Und ehrlich: Wenn das Stadtbild das Problem ist, wären Sonnenbrillen doch die einfachere Lösung.
Kretschmer eilt zur Rettung – mit dem rhetorischen Staubwedel
Zum Glück gibt’s Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen und langjähriger CDU-Feuerlöscher, wenn der Parteichef wieder mit der Gießkanne durchs rhetorische Minenfeld marschiert ist. In einem Spiegel-Interview versucht Kretschmer, das Ganze umzudeuten:
„Es geht doch gar nicht um Migration an sich. Es geht um unsere Werte!“
Ja klar – das altbewährte „Ich hab nichts gegen Ausländer, aber…“-Argument in Anzug und Krawatte. Er verweist auf Kriminalität, integrationsunwillige Geflüchtete und kulturelle Unterschiede – als gäbe es im Erzgebirge keine Jugendbanden, sondern nur Trachten und Tüchtigkeit.
Und zur Erklärung, warum Merz überhaupt so danebenreden durfte, sagt Kretschmer sinngemäß:
„Merz kommt halt aus dem Sauerland. Da ist Migration voll chillig.“
Ach so, ja dann.
Und weil’s so schön ist: gleich noch ein Schlenker zur Wehrpflicht
Im selben Interview holt Kretschmer auch zum Rundumschlag gegen das geplante Losverfahren für die neue Wehrpflicht aus. Motto:
„Wenn unten der Knopf schief sitzt, kann oben nichts Gutes rauskommen.“
Was wie ein Modetipp von Guido Maria Kretschmer klingt, meint er ernst: Statt Losglück braucht’s laut Kretschmer mehr Freiwilligkeit und gesellschaftlichen Konsens. Oder mit anderen Worten: Bitte keine Schnapsideen mehr im Verteidigungsministerium.
Zwischen Stadtbild und Bundeswehr – die Union kämpft mit sich selbst
Während Friedrich Merz mit Worten kämpft, kämpft Michael Kretschmer um die Deutungshoheit – und beide kämpfen gegen die AfD, aber auch irgendwie gegeneinander. Wer dabei noch den Überblick behält, hat entweder Politikwissenschaft studiert oder ein sehr robustes Nervenkostüm.
Fazit: Wenn das „Stadtbild“ das größte Problem der Kanzlerschaft ist, könnten wir eigentlich aufatmen. Aber leider steht das Ganze symptomatisch für eine Politik, die Integration gern fordert – aber selten fördert. Statt das Problem zu benennen, deutet man diffus ins Bild. Hauptsache, irgendwas sieht deutsch genug aus.
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