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„Vermieter haften auch bei Eisglätte auf Gemeinschaftsflächen“

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Ein Interview mit dem Mietrechtsexperten Rechtsanwalt Maurice Högel zur aktuellen BGH-Entscheidung zur Haftung bei Glatteisunfällen


Redaktion:
Herr Högel, der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Vermieter von Eigentumswohnungen für Glatteisunfälle ihrer Mieter auch dann haften, wenn die betroffene Fläche dem Gemeinschaftseigentum zuzurechnen ist. Was bedeutet das konkret?

Maurice Högel:
Der BGH hat hier ein sehr klares Signal gesendet: Vermieter können sich nicht hinter der Wohnungseigentümergemeinschaft verstecken, wenn es um die Verkehrssicherungspflichten im Winter geht. Auch wenn der Weg, auf dem die Mieterin gestürzt ist, Gemeinschaftseigentum war und der Winterdienst durch eine externe Firma organisiert wurde, bleibt der Vermieter aus dem Mietvertrag heraus verantwortlich.

Redaktion:

Aber die Eigentümergemeinschaft hatte doch einen professionellen Winterdienst beauftragt. Warum reicht das nicht aus?

Högel:
Das Problem liegt in der sogenannten vertraglichen Nebenpflicht des Vermieters: Nach § 535 BGB muss er die Mietsache in einem zum Gebrauch geeigneten Zustand erhalten – dazu gehört auch der sichere Zugang zur Wohnung. Selbst wenn ein externer Dienstleister den Winterdienst übernimmt, haftet der Vermieter für dessen Versäumnisse wie für eigenes Verschulden – das ergibt sich aus § 278 BGB. Juristisch sprechen wir hier von einem Erfüllungsgehilfen.

Redaktion:
Also haftet der Vermieter, obwohl er weder den Weg allein besitzt noch den Winterdienst selbst beauftragt hat?

Högel:
Genau. Der BGH sagt sehr deutlich: Der Vermieter bleibt der primäre Vertragspartner des Mieters. Ob er selbst den Winterdienst organisiert oder ob das über die Gemeinschaft läuft, ändert nichts an seiner Pflicht. Wer vermietet, übernimmt Verantwortung – auch für die Erfüllung durch Dritte.


Redaktion:
Welche Bedeutung hat dieses Urteil über den Einzelfall hinaus?

Högel:
Das Urteil sorgt für Rechtssicherheit und verhindert eine Zersplitterung des Mieterschutzes. Vorinstanzen hatten argumentiert, dass Vermieter in einer Eigentümergemeinschaft quasi aus der Haftung raus sind – das hätte bedeutet, dass Mieter in Eigentumsanlagen schlechter geschützt sind als etwa Mieter in Mietshäusern mit einem einzigen Eigentümer. Der BGH hat dem nun eine klare Absage erteilt.

Redaktion:
Gibt es etwas, das Vermieter nun konkret beachten müssen?

Högel:
Unbedingt. Wer eine Eigentumswohnung vermietet, sollte sich aktiv über die Qualität des Winterdienstes informieren, regelmäßige Kontrollen anregen und dokumentieren sowie gegebenenfalls nachbessern. Blindes Vertrauen in den Hausmeisterdienst oder die Verwaltung reicht nicht aus – bei Pflichtverletzungen steht der Vermieter juristisch in der ersten Reihe.

Redaktion:
Und für Mieter?

Högel:
Mieter können sich darauf verlassen, dass der Vermieter für die sichere Erreichbarkeit der Wohnung sorgen muss. Kommt es zu einem Unfall, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld – vorausgesetzt natürlich, der Vermieter hat seine Pflichten verletzt.


Redaktion:
Herr Högel, vielen Dank für das Gespräch!

 

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