Startseite Interviews Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek: „Einlagengeschäft ohne Erlaubnis – das ist kein Kavaliersdelikt“
Interviews

Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek: „Einlagengeschäft ohne Erlaubnis – das ist kein Kavaliersdelikt“

Tumisu (CC0), Pixabay
Teilen

Die Finanzaufsicht BaFin hat der Schweizer ASM Projekt AG und einem ihrer Verwaltungsräte untersagt, in Deutschland weiter Einlagengeschäfte zu betreiben. Im Raum stehen private Darlehensverträge mit festen Rückzahlungsversprechen – ohne BaFin-Erlaubnis. Rechtsanwalt Daniel Blazek, Experte für Kapitalmarktrecht, erklärt die rechtliche Tragweite und die Folgen für Anleger.

Redaktion: Herr Blazek, die BaFin hat gegen die ASM Projekt AG und Herrn Achim Dieter Seeger eine Abwicklungsanordnung erlassen. Was bedeutet das konkret?

Daniel Blazek: Die BaFin hat festgestellt, dass die ASM Projekt AG in Deutschland das sogenannte Einlagengeschäft betreibt – und zwar ohne die erforderliche Erlaubnis gemäß § 32 Absatz 1 Kreditwesengesetz (KWG). Das Unternehmen hat von Anlegern Gelder angenommen, offenbar über sogenannte „Private Darlehensverträge“, und eine unbedingte Rückzahlung versprochen. Dadurch wird das Ganze rechtlich als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft eingestuft. Die BaFin hat deshalb die sofortige Einstellung und Rückabwicklung angeordnet. Die Bescheide sind bestandskräftig – also unanfechtbar.

Redaktion: Worin liegt der Unterschied zwischen einem legalen Darlehen und einem erlaubnispflichtigen Einlagengeschäft?

Blazek: Die Unterscheidung liegt im Zweck und der Struktur der Verträge. Wenn ein Unternehmen von einer Vielzahl von Personen Gelder annimmt und die unbedingte Rückzahlung unabhängig vom wirtschaftlichen Risiko verspricht, spricht man im aufsichtsrechtlichen Sinne vom Einlagengeschäft. Diese Geschäftstätigkeit ist aus gutem Grund erlaubnispflichtig – es geht hier um Anlegerschutz. Einzelne private Darlehensverträge sind nicht automatisch problematisch, aber wenn sie systematisch und massenhaft mit Rückzahlungsversprechen durchgeführt werden, greift das KWG.

Redaktion: Die ASM Projekt AG hat ihren Sitz in der Schweiz. Warum greift überhaupt deutsches Recht?

Blazek: Entscheidend ist nicht der Sitz des Unternehmens, sondern der Markt, auf dem es tätig wird. Wenn sich ein Unternehmen gezielt an deutsche Anleger richtet – etwa mit deutschsprachigen Angeboten, Kontakten oder Werbung –, gilt deutsches Aufsichtsrecht. Diese sogenannte Inlandsklausel stellt sicher, dass Anleger hierzulande geschützt werden – unabhängig davon, ob ein Anbieter in Feusisberg, London oder Panama sitzt.

Redaktion: Was sind die rechtlichen Folgen für die ASM Projekt AG und ihren Verwaltungsrat?

Blazek: Zunächst muss das Unternehmen sämtliche Gelder, die es im Rahmen dieser Verträge entgegengenommen hat, unverzüglich und vollständig zurückzahlen. Diese Rückzahlungspflicht ist keine Empfehlung, sondern eine behördlich verbindliche Anordnung. Sollte dieser Pflicht nicht nachgekommen werden, kann die BaFin weitere Maßnahmen einleiten, bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung und internationalen Amtshilfeersuchen. Auch Herr Seeger als Verwaltungsrat wurde persönlich in die Verfügung einbezogen – das bedeutet, dass auch er unter Umständen zivil- und strafrechtlich haftbar gemacht werden kann.

Redaktion: Und was bedeutet das für betroffene Anleger?

Blazek: Anleger haben jetzt einen offiziellen Rückzahlungsanspruch – und zwar unabhängig vom Inhalt der ursprünglichen Verträge. Sie sollten die Rückzahlung umgehend verlangen, nachweislich per Einschreiben oder E-Mail mit Lesebestätigung. Kommt das Unternehmen der Rückzahlung nicht nach, empfehle ich den Gang zu einem spezialisierten Anwalt, um Ansprüche notfalls gerichtlich durchzusetzen oder im Fall einer Insolvenz Forderungen anzumelden.

Redaktion: Ist auch eine Strafanzeige sinnvoll?

Blazek: Das hängt vom Einzelfall ab. Wenn beispielsweise der Verdacht besteht, dass von Anfang an keine echte Rückzahlungsabsicht bestand oder Anleger in betrügerischer Weise über Risiken und Genehmigungslage getäuscht wurden, ist eine Strafanzeige wegen Betrugs (§ 263 StGB) durchaus angezeigt. Ich rate betroffenen Anlegern, sich rechtlich beraten zu lassen, bevor sie den nächsten Schritt gehen.

Redaktion: Wie können sich Anleger künftig besser schützen?

Blazek: Indem sie sehr genau hinschauen, wenn Unternehmen ihnen feste Zinsen und Rückzahlungen versprechen – insbesondere bei sogenannten „privaten Darlehen“ oder „nachrangigen Beteiligungen“. Der wichtigste Schritt ist die Überprüfung, ob das Unternehmen bei der BaFin registriert ist. Die Datenbank der BaFin ist öffentlich zugänglich. Wenn dort kein Eintrag zu finden ist – Finger weg.

Redaktion: Zum Schluss: Was sagt dieser Fall über den Zustand des grauen Kapitalmarkts aus?

Blazek: Der Fall zeigt, wie anfällig der graue Kapitalmarkt für Regelverstöße ist – und wie wichtig es ist, dass Aufsichtsbehörden wie die BaFin konsequent eingreifen. Anleger haben ein Recht auf Schutz vor intransparenten, unregulierten Modellen. Gleichzeitig gilt: Wer hohe Renditen versprochen bekommt, sollte sich immer fragen, welches Risiko dahintersteht – und wer das Produkt überhaupt anbietet.

Redaktion: Vielen Dank für Ihre fundierten Einschätzungen, Herr Blazek.

Blazek: Sehr gerne.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Interviews

Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: Was Anleger über die Kings Point International Company (Konsal) wissen sollten

Interviewer: Herr Reime, die Kings Point International Company (Konsal) bietet eine Vielzahl...

Interviews

Yachtunglück der „Bayesian“: Schwere Versäumnisse bei Sicherheitsmaßnahmen

Rechtsanwalt Michael Iwanow von Cramer Rechtsanwälte bewertet den aktuellen Untersuchungsbericht der UK...

Interviews

Interview: Krypto-Trading für deutsche Anleger – Chancen und Risiken

Interviewer: Herr Reime, als erfahrener Anwalt für Anlegerrecht – wie sehen Sie...

Interviews

Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow: Nachhaltige Geldanlagen – Chancen und Risiken

Frage: Herr Iwanow, nachhaltige Geldanlagen liegen im Trend. Viele Verbraucher wollen ihr...