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Gericht: Lebensrettende Medikamentenversorgung schwerkranker Kinder geht vor Arzneizulassungsrecht

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat entschieden, dass das Interesse schwerkranker Krebspatienten an der weiteren Versorgung mit einem noch nicht zugelassenen Medikament schwerer wiegt als das allgemeine öffentliche Interesse an der strikten Einhaltung von Arzneimittelzulassungsregeln. Das Gericht wies damit einen Eilantrag eines Wirtschaftsverbands zurück, der einem Apotheker im Taunus Herstellung und Vertrieb eines experimentellen Krebsmedikaments untersagen wollte.

Im Mittelpunkt des Falls steht ein Apotheker, der ein Krebsmedikament für eine seltene, vor allem bei Kindern auftretende, oft tödlich verlaufende Tumorerkrankung herstellt. Die Wirkstoffe entsprechen jenen, die ein US-Pharmakonzern derzeit im Rahmen klinischer Studien testet. Die Antragstellerin – ein Wirtschaftsverband – warf dem Apotheker vor, Nachbauten des US-Produkts ohne Zulassung in Verkehr zu bringen. Der Apotheker hingegen erklärte, er habe ein eigenes verbessertes Herstellungsverfahren entwickelt.

Der für Wettbewerbsrecht zuständige Senat des OLG Frankfurt sah keinen Grund für eine einstweilige Verfügung. Zwar sei der Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel grundsätzlich problematisch, in diesem Fall jedoch überwiege das unmittelbare Lebensinteresse der betroffenen Patienten. Die Richter betonten, dass es sich um einen sehr kleinen, konkret betroffenen Personenkreis handele – Menschen, die an einer seltenen Krebserkrankung leiden, für die es keine alternative Therapie gibt und deren mittlere Überlebenszeit nur zehn Monate beträgt.

In ihrer Abwägung führten die Richter aus, dass das Risiko möglicher Nebenwirkungen durch das nicht zugelassene Präparat angesichts der ausweglosen Krankheitssituation der Patienten zurücktrete. Das Medikament biete zumindest eine reale Chance auf Stabilisierung oder gar Heilung. Eine Unterbrechung der Versorgung bis zum Abschluss eines Hauptverfahrens sei mit der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum Schutz des Lebens nicht vereinbar.

Besonders ausschlaggebend sei, so das Gericht, dass die Behandlung ausschließlich bei Patienten erfolge, für die keine andere Therapieoption mehr zur Verfügung stehe – und dass diese ihre informierte Zustimmung zur Behandlung gegeben hätten.

Das Urteil wurde am 3. April 2025 gefällt (Az. 6 UKl 2/25). Die Entscheidung im Eilverfahren ist unanfechtbar.

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