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Fünf Erkenntnisse aus dem großen TV-Duell der kanadischen Parteichefs

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Die Spitzenkandidaten der vier großen kanadischen Bundesparteien haben sich in ihrer zweiten und letzten Fernsehdebatte vor der Parlamentswahl Ende April ein spannendes Duell geliefert.

Doch nicht einer der Kandidaten stand im Mittelpunkt – sondern ein Abwesender: US-Präsident Donald Trump.

Eine zentrale Frage im Vorfeld der zweistündigen Debatte war, ob der liberalen Spitzenkandidat Mark Carney, der in den Umfragen vorne liegt, ein Fehler unterlaufen würde.

Carney, der frühere Chef der Bank of England, hatte die französische Debatte am Mittwoch zwar überstanden, obwohl er in Kanadas zweiter Amtssprache weniger geübt ist. Am Donnerstag aber wurde er in der englischen Debatte wiederholt von seinen drei Kontrahenten – Pierre Poilievre (Konservative), Jagmeet Singh (NDP) und Yves-François Blanchet (Bloc Québécois) – in die Defensive gedrängt.

Neben der Frage, wie Kanada mit dem anhaltenden Handelsstreit mit den USA umgehen soll, wurde über Themen wie Bezahlbarkeit, Kriminalität und Klimapolitik gestritten.

Hier sind fünf zentrale Erkenntnisse aus dem TV-Duell am Donnerstagabend:


1. Trudeaus Schatten lastet auf Carney

Carneys Gegner ließen keinen Zweifel daran, dass sie ihn mit seinem Vorgänger Justin Trudeau, der bei vielen Wählern als zunehmend unpopulär gilt, in Verbindung bringen.

Pierre Poilievre sprach von einem „verlorenen liberalen Jahrzehnt“ unter Trudeau und führte Themen wie steigende Lebenshaltungskosten und die Wohnkrise an. Seine Frage an Carney:

„Warum sollten wir glauben, dass Sie anders sind?“

Auch Blanchet forderte Carney offensiv heraus:

„Sie behaupten, anders zu sein – dann beweisen Sie, dass Sie besser sind.“

Carney verteidigte sich mehrmals und betonte, er sei erst seit einem Monat im Amt des Premierministers – trotz Parteizugehörigkeit zu Trudeau.

„Ich bin ein ganz anderer Mensch als Justin Trudeau“, sagte er.


2. Trump-Zölle: Ein realpolitischer Ton setzt sich durch

Alle Kandidaten mussten erklären, wie sie mit Trump und seinen Strafzöllen auf kanadische Waren umgehen wollen.

Der US-Präsident hat pauschale 25 % Zölle auf kanadische Produkte verhängt – mit Ausnahmen für Waren im Rahmen des USMCA-Handelsabkommens. Zusätzlich gelten globale US-Zölle auf Stahl, Aluminium und Autos.

Trump hatte jüngst sogar öffentlich erklärt, Kanada solle zum 51. Bundesstaat der USA werden.

Bisher lautete Kanadas Position: „Dollar für Dollar“ – also Gegenzölle zur maximalen Vergeltung. In der Debatte räumten die Kandidaten jedoch ein, dass das Kräfteverhältnis asymmetrisch sei.

„Wir haben uns von der Dollar-für-Dollar-Logik verabschiedet“, sagte Carney.
Stattdessen wolle man gezielt Zölle einsetzen, die den USA weh tun, Kanada aber möglichst schonen.

Nach einem Telefonat mit Trump Ende März sagte Carney, das Gespräch sei „konstruktiv“ gewesen, und Trump habe „Kanadas Souveränität respektiert“.

Nach der Wahl am 28. April sollen Verhandlungen über Handel und Sicherheit beginnen.


3. Details, nicht Schlagzeilen: Es ging auch um Inhalte

Neben Trump und Handel gab es auch substantielle Diskussionen über zentrale innenpolitische Themen:
Wohnen, Kriminalität, Einwanderung, Gesundheitsversorgung.

Poilievre präsentierte sich als Verfechter eines kleinen Staates, niedriger Steuern und harter Sicherheitspolitik.
Singh forderte mehr Investitionen in soziale Programme – unter anderem eine Ausweitung der Zahn- und Arzneimittelversorgung.
Carney positionierte sich gemäßigt:

„Der Staat kann eine Rolle spielen – aber eine katalytische.“

Die Wähler haben tatsächlich sehr unterschiedliche Zukunftsmodelle zur Auswahl.


4. Kleine Parteien kämpfen ums Überleben

Kanadas Mehrparteiensystem – mit Liberalen, Konservativen, NDP und Bloc – bietet Vielfalt, doch diesmal stehen vor allem Liberale und Konservative im Fokus.

Die Grünen wurden wegen unzureichender Kandidatenanzahl von der Debatte ausgeschlossen.

Die NDP von Jagmeet Singh liegt laut Umfragen bei nur 8,5 % – das könnte etwa fünf Sitze bedeuten, ein drastischer Rückgang gegenüber den 24 Sitzen von 2021.

Singh kämpfte entsprechend lautstark um Aufmerksamkeit – oft unterbrach er Poilievre und Carney:

„Man kann nicht Herrn Carney die ganze Macht anvertrauen.“

Blanchet nutzte die Bühne, um konsequent Themen aus Québec in die Debatte zu bringen – obwohl auch seine Partei mit Sitzverlusten rechnen muss.


5. Kanadische Höflichkeit siegt

Trotz teils hitziger Momente blieb der Grundton respektvoll – eine Wohltat im Vergleich zu politischen Debatten etwa in den USA.

Besonders auffällig: Als Carney Poilievre im Zusammenhang mit der Wohnungsnot widersprechen wollte, stoppte er sich selbst mitten im Satz mit den Worten:

„Ein Missverständnis … ich bleibe höflich.“

Am Ende schüttelten Carney und Poilievre die Hände – lachend.

Die Debatte war nicht nur zivilisiert, sondern sogar freundlicher als manche früherer Wahlkämpfe in Kanada.


Fazit:
Mit dem Wahltag am 28. April rückt Kanada in eine entscheidende Phase. Die Debatte zeigte: Es gibt klare politische Alternativen – aber auch einen gemeinsamen demokratischen Grundton, auf den das Land stolz sein kann.

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