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Ein Urteil mit Signalwirkung für betroffene Solarinvestoren“ – Interview mit Rechtsanwalt Reime

michaelyeoman (CC0), Pixabay
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diebewertung: Herr Reime, Sie haben im Januar 2025 in einem Berufungsverfahren vor dem OLG Schleswig ein wichtiges Urteil für einen Ihrer Mandanten erstritten, der in eine Photovoltaikanlage investiert hatte, diese aber nie erhalten hat. Was macht dieses Urteil so bedeutend?

RA Reime: Dieses Urteil ist aus mehreren Gründen von großer Relevanz. Zum einen wurde unserem Mandanten ein Schadensersatz in Höhe von über 300.000 Euro zugesprochen. Zum anderen hat das Oberlandesgericht klargestellt, dass sich der beklagte Geschäftsführer des Unternehmens nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich täuschend verhalten hat und damit den Tatbestand des Betrugs erfüllt. Das ist von grundlegender Bedeutung für alle Investoren, die in Solaranlagen investiert haben und nun vor einem wirtschaftlichen Totalschaden stehen. Es zeigt, dass Geschäftsführer nicht nur innerhalb der Gesellschaft haften, sondern auch persönlich für vorsätzliche Täuschungen belangt werden können.

diebewertung: Worum genau ging es in dem Fall?

RA Reime: Mein Mandant hatte 2019 einen Vertrag über den Kauf eines Anteils einer Aufdach-Solaranlage in Brandenburg abgeschlossen. Er zahlte den vollen Kaufpreis, im Glauben, damit sowohl Eigentum an der Anlage als auch die entsprechenden Nutzungsrechte zu erhalten. Der Verkäufer, ein inzwischen insolventes Unternehmen, hatte dies vertraglich zugesichert. Doch in Wahrheit war dieses Unternehmen gar nicht Eigentümer der Solaranlage und besaß auch keine Nutzungsrechte für den Betrieb der Anlage, da es nie einen wirksamen Gestattungsvertrag mit dem Grundstückseigentümer gab.

Das bedeutet, dass unser Mandant eine rechtlich wertlose Position erwarb. Weder konnte er über die Photovoltaikanlage verfügen, noch konnte er Einnahmen aus der Einspeisung von Solarstrom generieren. Trotz mehrfacher Anfragen erhielt er keine klaren Antworten, bis das Unternehmen schließlich insolvent wurde und unser Mandant sich mit einem Totalverlust konfrontiert sah.

diebewertung: Das Landgericht hatte die Klage zunächst abgewiesen. Warum war die Berufung erfolgreich?

RA Reime: Das Landgericht hatte argumentiert, dass der Geschäftsführer keinen Betrugsvorsatz hatte, sondern lediglich fahrlässig handelte. Unserer Auffassung nach war diese Einschätzung unzutreffend. Das Oberlandesgericht hat nun festgestellt, dass der Geschäftsführer bewusst falsche Angaben gemacht hat – insbesondere über das angeblich bestehende Eigentum und die angeblichen Nutzungsrechte.

Zudem wurde festgestellt, dass der Betrug nicht erst mit der Insolvenz des Unternehmens eintrat, sondern bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, da die vertraglich zugesicherten Rechte schlicht nicht existierten.

Besonders bedeutsam ist die gerichtliche Klarstellung, dass bereits die Vertragsunterzeichnung mit bewusst unwahren Angaben eine Täuschungshandlung darstellt. Es wurde also nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden anerkannt, sondern auch ein strafrechtlich relevantes Verhalten durch den Geschäftsführer.

diebewertung: Sehen Sie Parallelen zu anderen Fällen?

RA Reime: Absolut. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für viele geschädigte Investoren, die in Solaranlagen investiert haben und feststellen mussten, dass die versprochenen Anlagen entweder nie gebaut wurden oder der Betrieb rechtlich nicht gesichert war.

Ein wiederkehrendes Muster in solchen Fällen ist, dass Unternehmen mit Hochglanzprospekten und vollmundigen Versprechungen Investoren anlocken, dabei aber elementare Vertragsgrundlagen verschleiern oder sogar bewusst falsch darstellen. Oft werden Solaranlagen verkauft, obwohl das Unternehmen weder Eigentum daran noch die notwendigen Nutzungsrechte besitzt. Später stellt sich dann heraus, dass der Betrieb unmöglich ist, und die Käufer stehen ohne jede Gegenleistung da.

Das aktuelle Urteil zeigt, dass Geschäftsführer und Verantwortliche persönlich haften können, wenn sie wissentlich falsche Angaben machen. Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht nicht nur eine zivilrechtliche Haftung, sondern auch eine strafrechtliche Verantwortung sieht.

diebewertung: Was empfehlen Sie betroffenen Investoren, die sich in einer ähnlichen Situation befinden?

RA Reime: Zeit ist ein entscheidender Faktor. Wer eine Solaranlage gekauft hat, die nicht geliefert wurde oder nicht wie versprochen funktioniert, sollte umgehend seine Vertragsunterlagen prüfen lassen.

Entscheidend ist, ob der Verkäufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen konnte. Wenn das Unternehmen nicht über das zugesicherte Eigentum oder die notwendigen Nutzungsrechte verfügte, dann handelt es sich um eine bewusste Täuschung, die eine Rückforderung des investierten Kapitals begründen kann.

Betroffene sollten daher:

  1. Alle Vertragsdokumente, E-Mails und Zahlungsnachweise sichern.
  2. Rechtsberatung einholen, um mögliche Ansprüche zu prüfen.
  3. Nicht auf die Insolvenz eines Unternehmens warten, sondern aktiv versuchen, Ansprüche frühzeitig geltend zu machen.

Insbesondere kann auch eine strafrechtliche Anzeige wegen Betrugs eine Möglichkeit sein, um Druck auf die Verantwortlichen auszuüben.

diebewertung: Gibt es Fristen, die Investoren beachten müssen?

RA Reime: Ja. Schadensersatzansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren. Diese Frist beginnt in der Regel mit dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte von der Täuschung Kenntnis erlangt. Das bedeutet, dass betroffene Investoren nicht zu lange warten sollten, um rechtliche Schritte einzuleiten.

Zudem kann in manchen Fällen eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen durch eine rechtzeitige Anzeige dazu beitragen, weitere Investoren vor Schäden zu bewahren.

diebewertung: Könnte dieses Urteil eine größere Signalwirkung haben?

RA Reime: Unbedingt. Dieses Urteil ist nicht nur für meinen Mandanten ein Erfolg, sondern setzt auch ein klares Zeichen für den gesamten Markt. Die Photovoltaikbranche ist zwar grundsätzlich ein zukunftsträchtiger und seriöser Sektor, aber leider gibt es immer wieder unseriöse Anbieter, die mit unhaltbaren Versprechungen Geld einsammeln und Investoren in die Irre führen.

Das Gericht hat deutlich gemacht, dass Geschäftsführer sich nicht hinter einer insolventen Gesellschaft verstecken können, wenn sie vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben. Die persönliche Haftung von Geschäftsführern und die strafrechtlichen Implikationen sind ein starkes Signal für andere Investoren, aktiv zu werden und ihre Rechte einzufordern.

diebewertung: Herr Reime, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.

Fazit für betroffene Solarinvestoren:

  • Das Urteil zeigt, dass Geschäftsführer persönlich haften können, wenn sie vorsätzlich täuschen.
  • Wer eine Solaranlage gekauft hat, die nicht geliefert oder nicht betriebsfähig ist, sollte unverzüglich rechtliche Beratung einholen.
  • Verjährungsfristen von drei Jahren sind zu beachten – schnelles Handeln ist geboten.
  • Mögliche strafrechtliche Schritte sollten ebenfalls geprüft werden.

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