Amazon

Kalt erwischt hat es im vergangenen Jahr Kunden, als Amazon ihre Konten kündigte wegen erhöhter Retouren. Wir wollten von 200 Unternehmen wissen, ob sie ähnlich drastisch auf Rücksendungen reagieren. Amazon hat derweil eine Abmahnung erhalten.

Retouren im Onlinehandel sind heikel. Einerseits verursachen sie erhebliche Kosten. Eine Rücksendung kann den Händler durchaus mit 15 Euro oder mehr belasten. Das läppert sich, wenn – wie derzeit wohl Usus – jede zehnte Bestellung zurück geschickt wird. Bei Textilien und Schuhen ist es bei vielen Shops gar jede zweite. Andererseits floriert der Einkauf im Netz vor allem dank gesetzlicher sowie freiwillig eingeräumter Rückgaberechte. Für den Versandgiganten Otto sind sie „immanenter Bestandteil des Geschäftsmodells“, – da Internetshops weder über Umkleidekabinen noch über Show-Räume verfügten. Umso mehr Aufruhr verursachte Amazon im letzten Jahr. Ohne Vorwarnung kündigte der Branchenprimus die Konten vieler Kunden, nachdem sie wiederholt von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hatten. Sie hatten, nach teils eigener Schätzung, etwa jede sechste oder vierte Bestellung wegen Nichtgefallens oder Mangels zurückgeschickt. Perfide unterstellte Amazon der Gruppe, „dass Sie mit unserem Kundenservice nicht mehr zufrieden sind“. Deshalb werde das Konto geschlossen.

Zuckerl statt Peitsche

So rabiat springen viele Konkurrenten offenbar nicht mit ihrer Kundschaft um. Das belegt eine Anfrage bei 200 Unternehmen. Wie brisant das Retouren-Problem wohl gesehen wird, zeigt, dass nur jeder zehnte Onlinehändler sich äußern mochte, immerhin waren darunter größere Anbieter. Dabei wollten wir lediglich wissen, ob es Beschränkungen bei den Rücksendungen gebe, wie darüber informiert werde und ob es bereits zu Retouren-Kündigungen gekommen sei. Das Ergebnis: Vier Firmen (Tchibo, Schwab, Sheego und ein Fahrradhändler) haben ebenfalls schon die Rote Karte gezückt. Allerdings nicht wie Amazon als publikumswirksame Abstrafung von vielen, sondern lediglich „in Einzelfällen“ und bei offensichtlichen Betrügereien. Bei Görtz erwartet „hochretourige Kunden“ im Vergleich zu Amazon der Samthandschuh. Das Schuhhaus spreche bei Auffälligkeiten eine Warnung aus. Bleibe danach die Quote weiter auf hohem Niveau, werde der verbraucherfreundliche Kauf auf Rechnung gekappt. Ähnlich wie Görtz haben 80 Prozent aller auskunftsbereiten Händler kaum Probleme mit dem Thema oder lehnen einen Lieferstopp ab. Darunter waren Brands4friends, Deichmann und Ikea, darunter Klingel, Saturn, Mediamarkt sowie der Fanshop von Borussia Dortmund. Selbst bei seiner Rücklaufquote von satten 50 Prozent mag Zalando partout keine Konten sperren. „Wir halten nichts davon, unsere Kunden für Retouren zu bestrafen“, heißt es auch bei Bonprix. Das Modehaus aus dem Otto-Imperium zückt statt der Peitsche lieber ein Zuckerl. Für jede Order, die beim Besteller bleibt, gibt es nach fünf Wochen eine Gutschrift von drei Euro aufs Kundenkonto.

Abmahnung der Kündigungs-Praxis

Davon kann die verunsicherte Amazon-Kundschaft nur träumen. Ihr Dilemma: Einerseits lockt der Versandriese zum scheinbar risikolosen Shoppen. Im vergangenen Weihnachtsgeschäft wurde etwa die Rückgabefrist von 30 auf bis zu fast 60 Tage erweitert. Andererseits droht ständig das Damoklesschwert des Rauswurfs. Nirgends auf den Amazon-Seiten steht, wann es zuschlägt, wenn Käufe wieder an den Absender gehen. Ärgerlich dabei: Der Druck kann davon abhalten, das gesetzliche Widerrufsrecht auszuüben. Verständlicher wäre es, wenn Sanktionen vor allem jene träfen, die wiederholt auf missbräuchliche Einkaufstour gehen: Käufer, die Kleider nach der Party wieder zurück schicken, Trekkingbike und Wanderschuhe nach dem Kurzurlaub, Großbild-TV und Zapfanlage nach der WM. „Jeder Händler kann grundsätzlich ohne Angabe von Gründen entscheiden, mit wem er Geschäfte macht“, sagt Iwona Husemann, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Zwar müsse er das gesetzliche 14-tägige Widerrufs- oder ein erweitertes Rückgaberecht für ausgelieferte Waren einhalten. Danach sei es allen Shop-Inhabern freigestellt, Kunden weiter zu bedienen oder nicht. Dennoch brandmarkt Juristin Husemann Shopping-Sperren ohne Vorwarnung als „kundenfeindlich“. Zumal, wenn eindeutige Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) fehlen. Die rigide Kündigungs-Praxis von Amazon haben wir nun abgemahnt.

Keineswegs ausreichend ist es auch für Husemann, wenn Amazon die Trennung aus dem Nichts schwammig begründet: mit fehlendem „Einkaufs- und Retourenverhalten eines typischen Verbrauchers“. Tröstlich immerhin: Auch hier steht Amazon laut unserer Umfrage allein. Selbst Firmen, die in Ausnahmefällen Retouren bestrafen wie Tchibo und Schwab, wollen ihre Kunden erst einmal kontaktieren und vorwarnen, bevor sie Zahlungsmöglichkeiten einschränken oder gar das Konto kündigen.

Quelle:VBZ NRW

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