Abkassieren bei den Ärmsten

Ein Girokonto ist Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am modernen Wirtschaftsleben. Ohne ein Girokonto ist die Anmietung einer Wohnung, die Auszahlung von Lohn oder Gehalt, der Abschluss von Handyverträgen und vieles mehr nicht möglich. Dennoch mussten viele Menschen jahrzehntelang ohne ein Girokonto auskommen. Sie waren für die Kreditinstitute als Kunden wirtschaftlich nicht interessant genug oder wurden gar als problematisch abgestempelt und abgewiesen. Seit dem 18. Juni 2016 haben bislang kontolose Verbraucher nun das Recht auf ein sogenanntes Basiskonto.

Basiskonto: Oft ganz schön teuer und schlecht zu finden

Für die Führung eines Basiskontos dürfen Banken und Sparkassen nur ein „angemessenes“ Entgelt verlangen, das sich im Rahmen des durchschnittlichen „marktüblichen“ Preises für Girokonten allgemein in Deutschland bewegt.

Die Stiftung Warentest hat bundesweit die Angebote für Basiskonten unter die Lupe genommen und für die Ausgabe der Zeitschrift Finanztest im Dezember 2017 einen Vergleich der Kosten für einen Modellkunden gemacht. Die Tester haben dabei Preise von 0 bis über 300 Euro im Jahr festgestellt. Vier Regional­banken schröpfen ihre Kunden besonders stark: die Volksbank Magdeburg mit 204,85 Euro, die Hanno­versche Volks­bank mit 214,05 Euro, die VR Bank West­thüringen mit 232,18 Euro und die Bremische Volks­bank mit 328,30 Euro. Auch vier der fünf Groß­banken langen kräftig zu und verlangen folgende Entgelte: Post­bank 106,44 Euro, Commerz­bank 136,80 Euro, Deutsche Bank 163,38 Euro und die Targo­bank 163,90 Euro. Mehr über den aktuellen Preisvergleich lesen Sie auf der Internetseite der Stiftung Warentest.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen wir im Herbst 2016, als wir uns 15 Basiskonten genauer angeschaut und untersucht hatten, wie gut Banken, Sparkassen und Volksbanken auf das damals neue Konto hinweisen und zu welchen Konditionen sie es anbieten.

Die Kosten: Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung des Kontos nur schwammige Vorgaben zu den Kosten gemacht: Der Preis solle „angemessen und marktüblich“ sein. Diese unkonkrete Formulierung machen sich die Kreditinstitute nun zunutze und legen sie oft zu ihren Gunsten aus.

  • Die Targobank, die Sparkasse Holstein, die Deutsche Bank und die Santander Bank verlangen fast zehn Euro pro Monat für die Führung des Kontos. Dazu kommt bei der Deutschen Bank und der Santander Bank sogar ein zusätzliches Entgelt für beleghafte Überweisungen.
  • Drei Konten von HypoVereinsbank, Haspa und Hamburger Volksbank bleiben beim monatlichen Grundentgelt unter vier Euro. Dafür gibt es oft weitere Kosten, bei der Hamburger Sparkasse beispielsweise kostet jede Buchung zusätzlich Geld.
  • Nur die Basiskonten bei Sparda Bank, Comdirect, DKB und ING DiBa waren per se unentgeltlich. Doch auch bei diesen sind weitere Kosten für Buchungen, beleghafte Überweisungen oder die Girocard möglich.

Die Transparenz: Viele Anbieter geizen mit Informationen zum Basiskonto. Nur wenige Kreditinstitute stellen das Basiskonto als ein mögliches Girokonto gleichberechtigt neben anderen Kontomodellen auf ihrer Website dar. Umständliches Suchen ist an der Tagesordnung. Die Kosten weisen manche Banken nur unvollständig oder sogar ausschließlich im Kleingedruckten der Preis- und Leistungsverzeichnisse aus.

Unser Rat: Greifen Sie nicht gleich beim erstbesten Angebot einer Bank zu. Ein Preisvergleich lohnt sich. Je nach inviduellem Nutzungsverhalten kann das eine oder andere Konto günstiger für Sie sein. Wer beispielsweise viele Überweisungen tätigt, sollte darauf achten, dass diese möglichst inklusive sind. Insbesondere Schuldnern empfehlen wir außerdem, das Basiskonto nach einer Kontokündigung bei einem neuem Kreditinstiut zu eröffnen, um Altschulden und Neuanfang klar zu trennen. Unsere Schuldnerberatung unterstützt Sie dabei.

Wichtige Fragen und Antworten zum Basiskonto

Wir erklären Ihnen, was Sie über das Basiskonto wissen müssen und wie Sie es beantragen können:

1. Was kann das Basiskonto?

Mit einem Basiskonto können Sie – wie mit einem „normalen“ Girokonto auch – Bargeld ein- und auszahlen, Überweisungen tätigen, Lastschriften erteilen, Daueraufträge einrichten und mit Karte zahlen.

2. Was kann das Basiskonto nicht?

Ein Basiskonto kann nicht überzogen werden; es gibt keinen Dispokredit und auch keine Kreditkarte als Zahlungsmittel.

3. Wer hat Anspruch auf ein Basiskonto?

Ein Basiskonto können Sie beantragen, wenn Sie sich in der Europäischen Union aufhalten – auch dann, wenn Sie ohne festen Wohnsitz sind oder asylsuchend und ohne Aufenthaltstitel, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können.

Dennoch wurden insbesondere Flüchtlinge, die keinen Pass- oder ein anderes Identitätsdokument vorweisen konnten, in der Vergangenheit von Kreditinstituten weggeschickt – und das trotz einer der durch die BaFin erlassenen Übergangsregel. Doch damit ist jetzt Schluss. Seit dem 7. Juli 2016 ist die sogenannte Identifikations­prüfungs­verordnung in Kraft. Danach haben nun auch rechtssicher alle Personen mit einem Ankunfts­nachweis nach § 63a des Asylgesetzes oder einer Duldung nach § 60a Abs. 4 des Aufenthalts­gesetzes einen Anspruch auf die Eröffnung eines Zahlungskontos bei Banken und Sparkassen – selbst diejenigen mit dem häufigen Vermerk nach D2b „Genügt nicht der Pass- und Ausweispflicht“.

4. Was ist noch zu beachten?

Voraussetzung, um ein Basiskonto zu eröffnen ist, dass Sie nicht bereits Inhaber eines anderen Zahlungskontos innerhalb der Europäischen Union sind. Außerdem können Sie auch dann ein Basiskonto beantragen, wenn Sie zwar ein Konto haben, dieses aber nicht mehr nutzen können, weil es beispielsweise überzogen ist und das eingehende Geld immer sofort gepfändet wird. Denn: Die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit eines Kontos setzt voraus, dass Sie als Kunde am Zahlungsverkehr teilnehmen können. Das Kreditinstitut, bei dem Sie den Antrag auf ein Basiskonto stellen, darf Ihren Antrag nicht ablehnen, wenn Sie Ihr bestehendes Zahlungskonto gekündigt haben oder Sie über dessen Schließung benachrichtigt wurden.

5. Dürfen Banken ein Basiskonto kündigen?

Kreditinstitute dürfen Ihr Basiskonto nur in sehr speziellen, vom Gesetzgeber festgelegten Fällen kündigen, beispielsweise wenn

  • Sie das Konto 24 Monate nicht genutzt haben,
  • Sie keinen Anspruch mehr auf ein Basiskonto haben, weil Sie zum Beispiel nicht mehr in der Europäischen Union leben,
  • Sie ein weiteres Basiskonto eröffnet haben,
  • Sie Straftaten gegen Ihre Bank oder Sparkasse bzw. deren Mitarbeiter begangen haben (z.B. Kreditbetrug oder Beleidigung) oder
  • Sie mit dem Kontoentgelt für mehr als drei Monate in Rückstand sind.

6. Was darf das Basiskonto kosten?

Für die Führung eines Basiskontos dürfen Kreditinstitute nur ein angemessenes Entgelt verlangen, das sich im Rahmen des durchschnittlichen marktüblichen Preises für Girokonten allgemein in Deutschland bewegt. Unser Marktcheck hat gezeigt, dass Banken und Sparkassen diese Vorgabe sehr unterschiedlich auslegen.

Wie bei anderen Girokonten müssen sämtliche Entgelte für die Kontonutzung jährlich ausgewiesen werden.

7. Wann kann ein Basiskonto beantragt werden?

Das sogenannte Zahlungskontengesetz wurde am 26. Februar 2016 im Bundestag verabschiedet, am 18. April 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist seit dem 18. Juni 2016 in Kraft.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hält auf ihrer Internetseite ein

zum Download bereit. Füllen Sie dieses Formular aus und reichen Sie es bei Ihrem Kreditinstitut ein.

Informieren Sie uns, wenn Ihr Kreditinstitut Sie abweist. Wir sammeln die Fälle Betroffener in der Hansestadt und werden sie öffentlich machen.

8. Wie kann ich meinen Anspruch auf das Basiskonto durchsetzen?

Sollte Ihnen die Eröffnung eines Basiskontos verweigert werden, haben Sie drei Möglichkeiten:

  1. Sie beschweren sich bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und beantragen ein Verwaltungsverfahren. Der BaFin wurde die Überwachung der Einhaltung aller Pflichten des Zahlungskontengesetzes – soweit sie Zahlungsdienstleister betreffen – als neue Aufgabe zugewiesen.
  2. Sie wenden sich an die Schlichtungsstellen der Kreditinstitute – also den Ombudsmann der privaten Banken, der Sparkassen oder der Volks- und Raiffeisenbanken.
  3. Sie gehen vor Gericht und verklagen Ihr Kreditinstitut.

Für eine erste Einschätzung können Sie sich auch gerne an uns wenden. Hier finden Sie ein Übersicht unserer Beratungsangebote und -zeiten.

Zum Hintergrund

Der Bundesregierung war seit Jahrzehnten klar, dass viel zu viele Menschen ihr Leben ohne ein Konto bestreiten müssen. Sie beschränkte sich jedoch darauf, regelmäßig auf den Mangel hinzuweisen und an die Kreditinstitute zu appellieren, freiwillig Abhilfe zu schaffen. Die im Jahr 1995 eingeführte Empfehlung des „Zentralen Kreditausschusses der Banken und Sparkassen“ (heute: „Die Deutsche Kreditwirtschaft“) zum „Girokonto für Jedermann“ wurde allerdings bis zuletzt nur unzureichend umgesetzt.

So musste erst der Europäische Gesetzgeber tätig werden, um die Bundesregierung zur Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf ein Girokonto zu bewegen. Bereits 2014 hat das EU-Parlament die Richtlinie 2014/92/EU („Zahlungskontenrichtlinie“) verabschiedet, wonach die Mitgliedstaaten sicher stellen sollen, dass Verbraucher das Recht haben, ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen bei in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Kreditinstituten zu eröffnen und zu nutzen. In Deutschland wird diese Richtlinie nun endlich durch das Zahlungskontengesetz umgesetzt.

Stand vom Dienstag, 14. November 2017 /Quelle VZ HH

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