Auf den ersten Blick scheint der Elektroauto-Boom in den USA endlich Fahrt aufgenommen zu haben: Über 1,2 Millionen Elektrofahrzeuge wurden im vergangenen Jahr verkauft – fünfmal so viele wie noch vor vier Jahren. Im August 2025 erreichten Elektroautos einen Marktanteil von 10 %, ein Rekordwert.
Doch der Aufschwung täuscht. Branchenexperten warnen, dass der Boom vor allem auf einen „Subventions-Endspurt“ zurückzuführen ist – also auf die letzten Käufe vor dem Auslaufen der staatlichen Steuervergünstigung von 7.500 US-Dollar Ende September.
Nach dem Boom droht der Einbruch
Mit dem Ende der Steuerförderung rechnen selbst große Hersteller mit einem Rückgang der Nachfrage.
Ford-Chef Jim Farley sagte offen:
„Es wird eine lebendige Branche bleiben, aber viel kleiner, als wir dachten.“
Auch General Motors prognostiziert einen „deutlichen Einbruch“ bei der Nachfrage nach E-Autos.
Trotz des Zuwachses bleibt die USA, der zweitgrößte Automarkt der Welt, im internationalen Vergleich ein Nachzügler:
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China: Fast 50 % aller Neuwagen sind bereits elektrisch oder hybrid – Tendenz steigend.
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Europa: Etwa jedes fünfte Auto fährt mit Batterie.
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Großbritannien: Rund 30 % der Neuwagen sind elektrisch oder hybrid.
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USA: Nur 10 % – und das trotz massiver Investitionen in Ladeinfrastruktur und Milliardenhilfen.
Politik als Bremsklotz
Der entscheidende Unterschied liegt laut Analysten in der staatlichen Unterstützung.
Während China, Großbritannien und die EU mit klaren Förderprogrammen, Abwrackprämien und verbindlichen CO₂-Vorgaben den Umstieg erzwingen, herrscht in den USA politischer Richtungsstreit.
Präsident Joe Biden hatte sich vorgenommen, dass bis 2030 jedes zweite neu verkaufte Auto elektrisch sein soll. Seine Regierung verschärfte Emissionsregeln, förderte Batteriewerke, finanzierte Ladestationen und baute den Steuerbonus aus.
Doch sein Nachfolger Donald Trump hat viele dieser Programme zurückgefahren oder gestrichen.
Er nennt den Klimawandel eine „Lüge“ und argumentiert, die Regierung dürfe den Markt nicht „zwingen“, Elektroautos zu produzieren:
„Ihr könnt sie bauen, aber der Markt entscheidet, nicht die Regierung.“
Trump hob auch Kaliforniens Regelung auf, die ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos zulassen wollte.
Preisproblem und Handelsbarrieren
Elektroautos sind in den USA zwar günstiger geworden, aber weiterhin teurer als Benziner.
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Durchschnittspreis: 57.000 US-Dollar (rund 16 % über dem allgemeinen Fahrzeugdurchschnitt)
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Günstigstes Modell: Nissan Leaf, etwa 30.000 US-Dollar
Zum Vergleich: In Großbritannien sind E-Autos schon ab unter 20.000 Pfund erhältlich.
Hinzu kommen hohe Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge, die sowohl Biden als auch Trump befürworten. Dadurch bleiben preiswerte Modelle von BYD oder SAIC vom US-Markt ausgeschlossen – im Gegensatz zu Europa, wo sie Marktanteile gewinnen.
Erste Hersteller reagieren
Einige Autohersteller versuchen gegenzusteuern:
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Hyundai senkte die Preise seiner Ioniq-Serie, um den Verlust der Steuervergünstigung auszugleichen.
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Tesla dagegen erhöhte die monatlichen Leasingraten.
Doch Analystin Stephanie Brinley (S&P Global Mobility) warnt:
„2026 wird ein schwieriges Jahr. Neue Zölle und das Wegfallen der Subventionen treffen die Branche doppelt.“
Rückzug bei Investitionen
Schon vor dem Subventionsende hatten Ford, GM und andere Hersteller ihre E-Auto-Pläne zurückgefahren. Nun könnten Trumps neue Maßnahmen diese Entwicklung weiter bremsen.
Forscherin Katherine Yusko vom American Security Project sagt:
„Das ist ein schwerer Schlag für die US-Elektroautoindustrie – daran gibt es nichts zu beschönigen.“
Die Subventionen hätten ursprünglich für Wettbewerbsgleichheit sorgen sollen – nun stehe Amerika wieder am Anfang.
Ein Wettlauf mit ungewissem Ausgang
Während Europa und China ihre Märkte systematisch auf Elektromobilität umstellen, streiten die USA noch über den richtigen Kurs.
Manche Experten warnen vor einem technologischen Rückstand, andere – wie Brinley – sehen das gelassener:
„Ob Elektro wirklich die einzige Zukunft ist, wissen wir noch nicht. Aber wer jetzt zögert, riskiert, dass andere Länder den Markt der Zukunft dominieren.“
Fazit:
Die USA stehen an einem Wendepunkt. Zwischen politischem Streit, hohen Preisen und fehlender Planung droht das Land, im globalen Wettlauf um die Elektromobilität den Anschluss zu verlieren. Während China und Europa mit klaren Strategien vorpreschen, bleibt Amerika im Stau – zwischen Ideologie und Industrieinteressen.
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