Startseite Allgemeines Warum steckt British Steel in der Krise – und wem gehört das Unternehmen?
Allgemeines

Warum steckt British Steel in der Krise – und wem gehört das Unternehmen?

qimono (CC0), Pixabay
Teilen

Die britische Regierung steht kurz davor, die Kontrolle über das Stahlwerk von British Steel im nordenglischen Scunthorpe zu übernehmen. Der Standort ist akut von der Schließung bedroht – und das hat weitreichende wirtschaftliche wie politische Konsequenzen.

Was ist British Steel und wie viele Menschen arbeiten dort?

British Steel betreibt in Scunthorpe das letzte Werk Großbritanniens, das noch sogenannten Virgin Steel – also Stahl aus Roheisen – produzieren kann. Hier arbeiten rund 2.700 Menschen, das sind etwa drei Viertel der gesamten Belegschaft des Unternehmens.

Der Stahl aus Scunthorpe wird in großen Bauprojekten und im Eisenbahnwesen verwendet. Produziert wird er in zwei riesigen Hochöfen – eine Technik, die im Vergleich zu recyceltem Stahl hochwertigere Ergebnisse liefert. Sollte dieses Werk schließen, wäre Großbritannien das einzige G7-Land ohne eigene Produktion von Virgin Steel – ein Szenario, das die Regierung als Bedrohung für die wirtschaftliche Sicherheit einstuft.

Wem gehört British Steel – und warum schreibt das Unternehmen Verluste?

Gegründet wurde British Steel 2016, als der indische Konzern Tata Steel seine defizitäre Sparte für Langprodukte für symbolische 1 Pfund an die Investmentfirma Greybull Capital verkaufte. Nach nur wenigen Jahren geriet das Unternehmen erneut in Schwierigkeiten.

2019 übernahm der britische Staat vorübergehend das Unternehmen, bevor es 2020 von der chinesischen Firma Jingye gekauft wurde – einem der größten Stahlhersteller der Welt.

Trotz eines angekündigten Investments von 1,2 Milliarden Pfund schreibt das Werk laut Jingye Verluste von rund 700.000 Pfund pro Tag. Grund seien hohe Energiepreise, sinkende Nachfrage, Zollbarrieren sowie der teure Umstieg auf CO₂-ärmere Produktionsverfahren.

Hinzu kommt ein akutes Problem: Die Rohstoffe für die Hochöfen – wie Koks und Eisenerz – gehen zur Neige. Ein Neustart abgeschalteter Hochöfen ist kostspielig und technisch komplex. Deshalb zählt jetzt jeder Tag.

Droht eine Verstaatlichung?

Die britische Regierung reagierte mit einem ungewöhnlichen Schritt: Abgeordnete wurden aus der Osterpause zurückgerufen, um eine Notgesetzgebung auf den Weg zu bringen. Diese soll es dem Staat ermöglichen, Teile der Werksführung zu übernehmen, Rohstoffe zu beschaffen und entlassene Mitarbeiter:innen wieder einzustellen.

Zwar handelt es sich noch nicht um eine vollständige Verstaatlichung, doch Premierminister Keir Starmer betonte, man werde „alles Notwendige tun“, um den Stahlstandort zu retten. Die Regierung hatte zuvor angeboten, selbst die Rohstoffe für das Werk zu kaufen – das Angebot wurde von Jingye jedoch abgelehnt.

Gewerkschaften sprechen von einer Situation am „Abgrund“, und fordern offen die Verstaatlichung, um die Stahlproduktion langfristig zu sichern. Einige kritisieren zudem das Management von Jingye und werfen dem Unternehmen vor, notwendige Lieferungen zu verschleppen.

Wie steht es um die britische Stahlindustrie insgesamt?

Die britische Stahlindustrie besteht aus etwa 1.160 Unternehmen und ist direkt mit 40.000 weiteren Betrieben verbunden. Insgesamt trägt sie 0,1 % zur Wirtschaftsleistung und 1 % zur industriellen Produktion bei.

Andere Produzenten im Land sind etwa Liberty Steel, Celsa, Outokumpu und Marcegaglia. Auch sie kämpfen mit hohen Kosten – insbesondere bei Strompreisen. Das Werk von Liberty Steel in Scunthorpe ist ebenfalls von der Schließung bedroht.

Die Lage ist prekär: Im Jahr 2023 produzierte Großbritannien nur 5,6 Millionen Tonnen Rohstahl – das entspricht 0,3 % der Weltproduktion. Zum Vergleich: China produzierte mehr als 1.000 Millionen Tonnen und hält damit mehr als die Hälfte des Weltmarkts. Die EU kam auf 126 Millionen Tonnen.

Großbritannien rutschte damit im EU-Vergleich auf Platz acht der größten Stahlproduzenten, hinter Ländern wie Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich.

Fazit: Ein Werk mit Symbolkraft

Das British-Steel-Werk in Scunthorpe ist weit mehr als nur ein Industriebetrieb. Es steht für die Frage, ob Großbritannien in der Lage ist, Schlüsselindustrien selbst zu erhalten, oder ob man in Zukunft vollständig vom Ausland abhängig wird.

Die nächsten Tage dürften entscheidend sein – nicht nur für 2.700 Beschäftigte, sondern auch für die wirtschaftspolitische Richtung des Landes.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge