Ein Fall für die BaFin?

Anlass der Fragestellung

Die Firma R & R mit der Marke und Internetseite Aurimentum ist uns vor einiger Zeit aufgefallen, weil keine aktuellen Bilanzen veröffentlicht wurden. Durch einen Kommentar eines Vertrieblers haben wir diskutiert, ob nicht ein Einlagegeschäft vorliegt. Daraufhin kommentierte das ein USER. Diese Frage diskutieren wir hier. Um es ganz klar zu sagen: es handelt sich um ein Beispiel und wir können nicht beurteilen, ob ein Einlagegeschäft ohne Genehmigung betrieben wurde. Der Bericht nimmt nur diesen Fall zum Anlass der Diskussion um die Frage nach den Auswirkungen des Schweigens der Aufsichtsbehörde über lange Zeit.

Ein User kommentierte einen Artikel zum Thema Aurimentum mit der Frage:

„Und warum schreitet die BaFin nicht ein und verbietet Aurimentum nicht dieses Einlagegeschäft?“

Wir haben hierzu Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin befragt:

Der Polizist und der Verkehrssünder

Die Untätigkeit des Staates bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Handels von Firmen und Privatpersonen irritiert die Öffentlichkeit immer wieder. Klassisches Beispiel: Ein Polizist in einem Polizeiauto wird vor der roten Ampel überholt und schreitet nicht ein, obwohl ein frecher Mensch das Rotlicht einfach missachtet. Zudem ist der Fahrer offenbar betrunken und hupt zusätzlich laut, um Schulkinder, die zur Seite springen müssen, von der Fahrbahn zu scheuchen.

Der Polizist guckt aber lieber weg und lässt den Autofahrer einfach ziehen. Das Extrembeispiel ist sehr selten und dient nur der Verdeutlichung!

Ein solches Verhalten seitens der staatlichen Autoritäten ist nach wissenschaftlichen Untersuchungen zerstörerisch für den Rechtsfrieden und das gesellschaftliche Miteinander. Dem stimmt die Mehrheit zu.

Warum zerstört ein solches Verhalten den Rechtsfrieden?

Die Zahl derjenigen, die keine Steuern mehr zahlen wollen für einen solchen Staat, steigt dramatisch, auch nehmen die Verkehrssünden massiv zu. Die Bürger erwarten von dem Staat aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch entsprechende Maßnahmen bei Fehlverhalten.

Ansonsten müssten die Bürger durch Bürgerwehren selbst die Schulwege sichern und notfalls betrunkene und aggressive Rotlichtsünder aus dem Verkehr ziehen.

Das ist unüblich in einer arbeitsteiligen Gesellschaft: es hat sich bewährt, dass Behörden das Verhalten sanktionieren und nicht jeder selber über den anderen wacht. Ansonsten hätten wir auch einen schlimmen Bürgerkrieg. Bekanntlich wünscht jeder jedem im Straßenverkehr für die kleinste Sünde aus seiner Sicht mindestens die Pest an den Hals. Dem stimmt die Mehrheit zu.

Opportunitätsprinzip der Behörden

Behörden müssen aber nicht in jedem Falle eingreifen, z.B. bei Ordungswidrigkeiten wie einem nicht angeleinten Hund, Fahren ohne Licht mit dem Fahrrad oder Falschparken.

Dort gibt es die Entschliessungsfreiheit der Behörden. Sie kann, muss aber nicht eingreifen. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein weit verbreiteter Irrtum ist dann aber, dass das Verhalten sozusagen staatlich hingenommen werden wird für alle Zeit.

Nein: Das bestimmt sozusagen der Chef der Behörde. Er kann sagen, „ab jetzt gehen wir gegen das Parken in zweiter Reihe stärker vor“ oder Bußgelder gegen Hundehalter und so weiter verteilen. Nur weil etwas Verbotenes hingenommen wurde, entsteht kein Vertrauen in der Bevölkerung getreu dem Motto: „Mein Rottweiler durfte immer auf dem Spielplatz! Was soll das jetzt mit dem blöden Maulkorb!“ Dem stimmt vermutlich die Hälfte der Leser zu.

Straftaten und so weiter

Für viele Straftaten gilt das Opportunitätsprinzip natürlich nicht: bei einem Mord muss ermittelt und der Täter verfolgt werden. Ansonsten würden sich die Polizisten und Staatsanwälte selber strafbar machen und auch aus dem Dienst entfernt werden müssen.

Wirtschaftsstraftaten

Hier ist die Sache komplizierter. Ein Mord ist ziemlich klar: es liegt einer tot in der Wohnung und der andere hat ein Messer in der Hand. Bei einer Wirtschaftsstraftat wird das schwieriger, weil per se erst einmal im Kapitalismus Verträge, Handel und Geldverkehr erlaubt sind. Also müssen hier anders als bei dem Fall mit dem Messer und einem Toten erst einmal die Fälle getrennt werden, die in Ordnung gehen, und diejenigen, die kriminell sind. Soweit, so Recht.

Gewerbefreiheit als Ausgangspunkt

Im Grunde ist der König von Preußen Schuld an der Misere. Unter diesem wurde Mitte des 19. Jahrhunderts etwas Bahnbrechendes erfunden: die Gewerbefreiheit und das Vertrauen in den Bürger, er werde sich schon korrekt verhalten. Der Staat erlaubt dem Bürger grundsätzlich, sich gewerblich zu betätigen und er vertraut erst einmal darauf, dass dieser sich an Recht und Gesetz hält. Das war sozusagen eine Sensation: früher hatten komplizierte Standesregeln gegolten oder man brauchte die Gestattung eines Königs, um eine Mühle zu betreiben und ähnliches. Heute gilt: jeder ergreift den Beruf, den er mag, und er hat erst einmal einen Vertrauensvorschuss seitens des Staates. Das liegt auch daran, dass es allen nutzt, wenn sich jeder nach seinen Interessen und Begabungen wirtschaftlich betätigt. Kontrolle kostet Geld und ist vielfach überflüssig, weil die Fälle, bei denen wirklich betrogen wird, statistisch sehr selten sind. Das ist belegt.

Einschränkung der Gewerbe und Berufsfreiheit

Jeder darf den Hammer schwingen und sich Klempner nennen? Nein. Die Freiheit des Berufs und des Gewerbes hat eine Grenze. Die Grenze ergibt sich aus dem Schutz anderer. Z.B. darf ein stark zitternder Chirurg nicht mehr arbeiten, darf niemand eine Bank betreiben ohne eine qualifizierten Chef und eine Genehmigung und so weiter. Wenn aber einer sich einfach einer Klempner nennt und Wasserleitungen repariert ohne Zulassung und Berufsausbildung? Dann ist er ein schlimmer Finger und der Staat kann ihm sein schändliches Tun rund um Rohre und Toiletten einfach verbieten.

Vertrauensaspekt durch Nichteingreifen des Staates

Viele Menschen leiten aus dem Nichteingreifen des Staates ein Vertrauen her. Das ist rechtlich problematisch und im Grunde falsch. Staatliches Nichtstun hat keinerlei Gestattungswirkung, außer in Ausnahmefällen, die gesetzlich positiv geregelt sind. Zum Beispiel gibt es in Bauordnungen Bestimmungen, die sagen: wenn jemand ein Bauvorhaben der Behörde meldet, dann gilt das Vorhaben als genehmigt, falls die Behörde es nicht verbietet.

Tut der Staat nichts, bedeutet das gar nichts. Das spricht weder für die noch gegen die Richtigkeit eines Geschäftsmodells.

Das nervt natürlich, weil die Bevölkerung sich auf den Staat verlassen möchte und deshalb auch Steuern zahlt. Es gibt aber viele Gründe, warum der Staat nicht oder noch nicht eingreift:

  • Klärungsbedarf des Sachverhaltes
  • Rechte des Täters auf Anhörung und Klagen vor Gericht
  • Überlastung der Behörde
  • Abstimmungsbedarf zwischen Behörden
  • Beweissammlung seitens der Behörden
  • Unfähigkeit der Behörden
  • Auch Täter haben Rechte. Firmen können nicht einfach zerschlagen werden.

Zwischenergebnis: Und warum schreitet die BaFin nicht ein und verbietet Aurimentum nicht dieses Einlagegeschäft?

Mit dem Nichteinschreiten der Behörde sind keinerlei Rechtswirkungen verbunden. Es kann sein, dass die Behörde (BaFin) nach dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung gemäß Art. 20 GG intern bereits tätig ist. Dabei gilt es zuerst die Zuständigkeit der Behörde zu klären. Nach der Rechtsordnung arbeitet die BaFin nach dem Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG). Hier gilt die Vertraulichkeit gemäß § 11 FinDAG. Ein mögliches Versagen von Mitarbeitern der BaFin löst keine Staatshaftungsansprüche aus.

Vertrauen nur bei einem positiven Bescheid

Rechtswirkungen entfalten nach dem Verwaltungsrecht nur positive Bescheide – also zum Bespiel ein Verwaltungsakt, der feststellt: dieses oder jenes Rechtsgeschäft unterfällt nicht diesem oder jenem Gesetz. Deshalb ist es üblich, die Behörden nach Rechtseinschätzungen anzugehen und deren schriftliche Bestätigung zu erlangen (so zum Beispiel nach § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz).

Ergebnis

Niemand darf sich darauf verlassen, dass der andere legal handelt, nur weil der Staat ihm sein Handeln nicht verbietet. Aufgrund der Geschichte und Struktur der Berufe darf jeder erst einmal alles anfangen. Der Staat vertraut auf den Bürger, er werde sich schon an die Gesetze halten. Bei Gesetzesverstößen handelt der Staat oftmals nicht. Vertrauen in die Richtigkeit des Handels kann daraus keiner herleiten (siehe das Beispiel mit dem faulen Polizisten).

Anmerkung der Redaktion:

Die Darstellung nimmt nur die Frage eines Lesers zu Aurimentum zum Anlass, einmal grundsätzlich diese Frage zu klären. Keinesfalls ist sicher, dass die Goldgeschäfte gegen rechtliche Regeln verstoßen. Außerdem gilt, dass selbst bei einem Verstoß gegen formale Regeln wie der Notwendigkeit der Einholung einer Genehmigung der BaFin bei einem Einlagegeschäft irgendjemand geschädigt werden muss. Es gibt so viele Gesetze und Normen, dass selbst der ehrlichste Kaufmann schnell gegen sogenannte Dunkelnormen verstossen kann. Die Regelungen rund um die Finanzaufsicht gelten als extrem komplex.

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