Mal tricky eine Beitragserhöhung verkaufen

Zum Jahreswechsel haben viele Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag erhöht. Doch die „frohe Botschaft” verpacken die Kassen für ihre Versicherten in viel Selbstlob. Wir haben Beispiele gesammelt. Sollten Sie auch ein Schreiben von Ihrer Krankenkasse bekommen haben, in dem die Beitragserhöhung nur versteckt mitgeteilt wird, schicken Sie uns eine Kopie!

DAK-Gesundheit: „Fairer Beitrag – ausgezeichnete Angebote”

Eine der größten Kassen, die DAK-Gesundheit, steigert ihren Zusatzbeitrag gleich um sensationelle 0,6 Prozent, das sind monatlich 18 Euro für einen Durchschnittsverdiener mit 3.000 Euro Bruttogehalt. Damit hat die DAK-Gesundheit einen der höchsten Beiträge deutscher Kassen. Das muss sie nun ihren Versicherten mitteilen, einschließlich eines Hinweises auf das Sonderkündigungsrecht bei Beitragserhöhung.

Dafür hat die Krankenkasse einen eleganten Weg gewählt: sie verschickt ein Schreiben (siehe hier) mit der Betreff-Zeile „Fairer Beitrag – ausgezeichnete Angebote”. In der ersten Hälfte des Textes geht es ausschließlich um die tollen Angebote dieser Kasse: ein Spezialisten-Netzwerk, ein umfassendes Vorsorgeangebot, ein Arzttermin-Service und „noch vieles mehr”. Genau „5.000 DAK-Angebote”. Und es folgen weitere Lobhudeleien: „Unsere Leistungen und unser Service sind übrigens ausgezeichnet. Wir sind Langzeitsieger und beste Krankenkasse für Familien im großen Kassenvergleich von Focus Money.” Und so weiter. Erst unten auf der ersten Seite steht die korrekte Information über den steigenden Zusatzbeitrag und dann auf der Rückseite der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht, gefolgt vom Hinweis „Sie haben die beste Krankenkasse an Ihrer Seite – davon sind wir überzeugt.”

HEK: „Auch 2016 mit TOP Preis-Leistungsverhältnis”

Ähnlich überzeugt von sich ist auch die HEK (Hanseatische Ersatzkasse). Auch sie beruft sich in ihrem Schreiben (siehe hier) mit einer Art Stempel oben neben dem Briefkopf auf ein von Focus Money attestiertes „Top Preis-Leistungs-Verhältnis” und teilt im ersten Satz des Briefes gleich mit, dass ihr Zusatzbeitrag „weiterhin unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag liegt”. Sie vermeidet allerdings zu erwähnen, dass er sich gleichwohl zum Jahreswechsel erhöhen wird. Und das Sonderkündigungsrecht dreht die HEK ganz elegant zu ihrem Vorteil um: „Mit jeder Änderung des individuellen Zusatzbeitragssatzes entsteht auch ein Kündigungsrecht. Deshalb empfehlen Sie uns gerne Freunden und Verwandten, die ebenfalls von den Vorteilen der Business-K(l)asse profitieren möchten.”

Selbst auf Nachfrage vermeidet die HEK das Wort „Erhöhung”. Ein Versicherter wollte nach Erhalt dieses Schreibens wissen, ob sich denn nur der Zusatzbeitrag erhöhe oder nicht – denn nur dann gibt es das besondere Kündigungsrecht, auf das da hingewiesen wird. Die Antwort wiederholte nur die schon im ersten Schreiben breitgetretene Mitteilung, dass die HEK mit einem Zusatzbeitrag von 1,0 Prozent um 0,1 Prozent unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag liege. Erst auf nochmalige ausdrückliche Nachfrage, „ob der Zusatzbeitrag trotz des wirtschaftlichen Handelns und einer effektiven Verwaltung … steigt”, also im dritten Schreiben, kam dann die ehrliche Antwort: „… damit ist der Zusatzbeitrag um 0,2 % für Sie gestiegen. Im Jahr 2015 lag er bei 0,8 %.”

BKK Herkules: „Auf ein Neues…”

Eine Betriebskrankenkasse, die BKK Herkules, fällt mit demselben Schachzug auf. Ihr Brief (siehe hier), in dem eigentlich die Beitragserhöhung mitgeteilt werden sollte, ist überschrieben mit dem Slogan „Auf ein Neues…” und beginnt mit positiven Veränderungen zum Jahreswechsel: mehr Qualität der stationären Krankenhausbehandlung, patientenfreundlicherer Umgang mit Entlassungen, Krankenhäuser können jetzt Arzneimittel, häusliche Krankenpflege und Heilmittel für sieben Tage verordnen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen… Dann folgt die Mitteilung, dass das Bundesgesundheitsministerium den durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent bekannt gegeben hat und der Zusatzbeitrag der BKK Herkules ab 1. Januar 2016 ebenfalls 1,1 Prozent betragen werde. Das Wort „Erhöhung” fehlt völlig, nicht einmal von „Anpassung” ist die Rede, auch nicht vom bisherigen Beitragssatz, aus dem sich ja die Erhöhung indirekt ergäbe. Das Schreiben der Krankenkasse an die Arbeitgeber fällt ähnlich verschleiernd aus. Dort ist in der Überschrift zwar von „Beitragsanpassung 2016″ die Rede, im Brief jedoch wieder nur vom durchschnittlichen Zusatzbeitrag und nirgends von einer Erhöhung des Beitrags.

Rechtlich korrekt?

Diese Schreiben sollten eigentlich eine Mitteilung der Erhöhung des Zusatzbeitrags sein. Zu der sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, ebenso wie zu einer Information über das Sonderkündigungsrecht. Die Schreiben zeigen, dass hier die Rechts- und Marketingabteilungen lange an der Frage getüftelt haben, wie die Anforderungen des Gesetzgebers erfüllt werden können, ohne dass die Mitteilung als Erhöhung auffällt.

Wir halten das Vorgehen dieser Kassen für rechtswidrig und haben das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde bereits um Prüfung dieser Schreiben gebeten. Über das Ergebnis werden wir hier berichten.

Das Vorgehen der Kassen ist Folge des Wettbewerbs, in den der Gesetzgeber die Kassen seit 1996 gezwungen hat. Wir erwarten von der Politik, dass sie den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen überdenkt, und von den Kassen, dass sie uns als Mitglieder und nicht als Kunden betrachten. Denn wenn wir krank werden, können wir nicht mehr souverän und mit dem Überblick des informierten Verbrauchers handeln. Und für diesen Fall sind wir doch gerade krankenversichert, dass wir einmal krank werden und die Leistungen unserer Krankenkasse brauchen.

Quelle:VZ HH

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