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TikTok-Tschüss in Tirana: Albanien macht Schluss mit Scrollen

8268513 (CC0), Pixabay
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Ein Land sagt „Nein“ zu Tanzvideos, Lippen-Sync und Filtergesichtern – und „Ja“ zu… ja, wozu eigentlich?

Was passiert, wenn ein Land TikTok den digitalen Stecker zieht? Richtig: Man hört plötzlich wieder das Rascheln von Zeitungen, Jugendliche entdecken Bücher – und Premierminister Edi Rama wird zum letzten Influencer auf Erden.

Albanien hat als erstes europäisches Land im März 2025 TikTok für zwölf Monate verbannt. Offiziell aus Jugendschutzgründen, inoffiziell – sagen Kritiker – weil Herr Rama keine Lust mehr hatte, gegen 14-jährige TikToker mit Neon-Haar und Schminkskills zu verlieren.

Der TikTok-Krimi – ganz ohne App

Auslöser des Verbots war ein tragischer Mord an einer Schule in Tirana. Das Opfer: ein 14-jähriger Junge, der – und das ist der Plot-Twist – nicht mal TikTok hatte. Während der Täter schweigt, tut die Regierung das Gegenteil und erklärte kurzerhand: TikTok ist schuld. Oder zumindest: TikTok ist praktisch. Fürs Durchregieren.

Denn wer braucht konkrete Täterprofile, wenn man eine globale App zur Verfügung hat, die man problemlos zum Sündenbock machen kann?

Rama unplugged

Edi Rama, Ex-Basketballer, Kunstmaler und vermutlich heimlicher Besitzer der größten Jogginghosensammlung Südosteuropas, hat sich in Szene gesetzt wie sonst nur… tja, TikTok-User eben. Zwei Mal pro Woche geht er auf Facebook live. Man stelle sich vor: Ein Politiker, der TikTok verbietet, aber Facebook liebt – das ist, als würde man Fast Food hassen, aber jeden Tag Ketchup trinken.

Rama hat die Parlamentswahl im Mai mit absoluter Mehrheit gewonnen. Ob das am TikTok-Verbot lag oder an der Tatsache, dass niemand mehr TikTok hatte, um über Alternativen zu diskutieren, bleibt offen.

Deep Packet… was?

Cybersicherheitsexperte Besmir Semanaj enthüllte im März, dass die Regierung beim TikTok-Verbot auf „Deep Packet Inspection“ setzt – eine Methode, mit der man nicht nur TikTok blockieren, sondern im Prinzip auch den Internet-Traffic wie einen Netflix-Account kontrollieren kann: Wer darf schauen, wann und wie lange?

Die Regierung versichert natürlich: Alles nur gegen TikTok! Und ganz sicher nicht gegen Facebook-Kommentare mit zu vielen Satzzeichen oder regierungskritische Memes.

Die EU sagt: …nichts

Brüssel schaut derweil schweigend zu. Vielleicht, weil man gerade damit beschäftigt ist, neue TikTok-Regeln zu entwerfen. Oder weil man hofft, dass Albanien bis zum Beitritt einfach keinen WLAN-Zugang mehr hat.

Zukunft ohne Filter

Was bleibt? Drei mögliche Szenarien:

  1. Das Beste: Das Ganze war nur ein politischer Detox-Trip – ab Herbst darf wieder gescrollt werden.

  2. Das Wahrscheinlichste: Das Verbot bleibt – aber Rama startet bald seine eigene App: „RamTok – für patriotische Tänze in Jogginghose“.

  3. Das Bitterste: Albanien hat still und heimlich das Handbuch für digitale Demokratieabschaffung geschrieben – und niemand hat’s gemerkt, weil der Hashtag nicht trendete.


Fazit:
Wenn Albanien 2025 eines gezeigt hat, dann das: Wer TikTok verbietet, ist nicht automatisch medienkompetent – nur medienkontrollierend. Und wenn Politiker anfangen, die Plattformen zu sperren, auf denen sie selbst am liebsten tanzen würden, wird’s Zeit, den eigenen Algorithmus zu hinterfragen.

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