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„Rendite trifft Risiko – was Anleger wissen müssen“

TheDigitalArtist (CC0), Pixabay
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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime zu nachhaltigen Investments an der Ostsee

Redaktion: Herr Reime, Exporo bewirbt derzeit zwei Investmentchancen in der Ostseeregion – ein Immobilienprojekt in Rendsburg mit 8,5 % Rendite p.a. und ein Solarpark in Göhl mit 7 % Rendite. Klingt erstmal sonnig – was sagen Sie als Jurist dazu?

Jens Reime: Erstmal: Die Ostsee ist wunderbar – aber nur, weil etwas grün aussieht, ist es noch lange kein Selbstläufer. Juristisch und anlegerseitig sind das zwei typische Beispiele für sogenannte verzinsliche Schwarmfinanzierungen. Das kann reizvoll sein – aber bitte nicht mit einem Sparkonto vergleichen. Hier trägt der Anleger unternehmerisches Risiko, und das ist erheblich.

Redaktion: Was genau bedeutet das – aus rechtlicher Sicht?

Jens Reime: Die Angebote sind nicht durch Einlagensicherungssysteme geschützt, wie man das von Banken kennt. Das steht übrigens korrekt im Risikohinweis. Im Klartext: Geht das Projekt baden – ist Ihr Geld mit unter Wasser.
Zudem handelt es sich nicht um regulierte Investmentfonds, sondern um Vermögensanlagen, oft in Form von nachrangigen Darlehen. Das bedeutet: Im Insolvenzfall sind Anleger ganz hinten in der Gläubigerschlange.

Redaktion: Viele Anleger lockt die angegebene Rendite. 8,5 % bei Immobilien – ist das realistisch?

Jens Reime: Realistisch ja – garantiert nein. Eine fast vollvermietete Immobilie mit stabiler Miete ist grundsätzlich solide. Aber: Wie sicher ist die Mietstruktur wirklich? Wie läuft die Sanierung? Welche Kostenrisiken bestehen? Anleger sollten sich unbedingt die wirtschaftlichen Kennzahlen und die Projektgesellschaft im Detail anschauen – und sich fragen: Was passiert, wenn die Projektentwicklung teurer oder langsamer wird?

Redaktion: Und beim Solarpark? Der ist ja schon in Betrieb.

Jens Reime: Das ist tatsächlich ein Pluspunkt. Eine laufende Anlage hat bereits Einnahmen, was das Risiko mindert. Aber auch hier: Technisches Risiko, Wartungskosten, Wetterabhängigkeit – nicht alles kann man planen. Auch beim Solarpark gilt: Was passiert, wenn der Strompreis einbricht oder die Einspeisevergütung sich ändert?

Redaktion: Gibt es typische Fehler, die Kleinanleger bei solchen Projekten machen?

Jens Reime: Ja – emotionale Investitionsentscheidungen. „Grün“, „nachhaltig“, „Ostsee“ – das klingt nach Urlaub, nicht nach Risikoanalyse. Viele überlesen das Kleingedruckte oder denken: „Wird schon gut gehen“. Ich sage: Diversifikation ja, aber mit gesundem Menschenverstand. Niemals alles in ein Projekt stecken. Und: Schwarmfinanzierungen sind eher Beigabe als Hauptgericht im Depot.

Redaktion: Was ist mit der rechtlichen Transparenz auf Plattformen wie Exporo?

Jens Reime: Exporo ist aus rechtlicher Sicht seriös und gut strukturiert. Die Risikohinweise sind da, die Informationen sind grundsätzlich transparent. Aber: Anleger müssen sich selbst informieren. Die Plattform stellt Daten bereit – aber niemand hält die Hand, wenn’s brenzlig wird. Man sollte das Angebot wie ein Prospekt für ein Auto lesen: Schön, aber Garantie auf lebenslanges Fahren gibt’s nicht.

Redaktion: Ihr Fazit?

Jens Reime: Wer ein bisschen Extra-Rendite sucht, in nachhaltige Themen investieren möchte und sich der Risiken bewusst ist – für den kann so ein Investment sinnvoll sein. Aber bitte nicht blind ins schöne Bild investieren. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich rechtlich beraten lassen – oder zumindest wissen, was „nicht besicherte Nachrangdarlehen“ wirklich bedeuten.

Redaktion: Vielen Dank für die klaren Worte, Herr Reime!

Jens Reime: Jederzeit gern – und falls Sie mich das nächste Mal in der Ostsee wiegen möchten: Bitte nur ohne Publikum.

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