OLG Hamburg: 13 Kap 6/19 Erste Lloyd Fonds TradeOn Portfolio GmbH & Co. KG

Hanseatisches Oberlandesgericht

Hamburg, den 25.11.2020

Az.: 13 Kap 6/19

Protokoll

aufgenommen in der öffentlichen Sitzung
des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 13. Zivilsenat,
am Mittwoch, 25.11.2020 in Hamburg

Gegenwärtig:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Panten

Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann
Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner
als Beisitzer

Dieses Protokoll ist mit einem Tonträger aufgezeichnet worden.

In der Sache

Elke Hildebrandt, Killingerstraße 29, 91056 Erlangen

– Musterklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KWAG, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3a, 28217 Bremen, Gz.: 51/18/Q98/sv/sv

gegen

1)

Lloyd Fonds AG, vertreten durch d. Vorstand Klaus Martin Pinter,
Amelungstraße 8-10, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –
2)

TradeOn GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Klaus Martin Pinter und Timo Wolf, Amelungstraße 8-10, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –
3)

Lloyd Treuhand GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Raik Czosnowski, Amelungstraße 8-10, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1) und 3):
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 11590 I 19 – GWA/cp

Prozessbevollmächtigte zu 2):
Rechtsanwälte Baker Tilly Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Valentinskamp 88, 20355 Hamburg-

erscheinen bei Aufruf der Sache:

als Klägervertreter Rechtsanwalt Buttler,

als Beklagtenvertreter für die Musterbeklagten zu 1) bis 3) Rechtsanwalt Dr. Wassmuth

sowie Rechtsanwältin Meyer.

Die Sach- und Rechtslage wird erörtert.

Hinsichtlich der Feststellungsziele zu Ziffer I.1. bis 3. weist der Senat darauf hin, dass er zu Ziffern 1. und 2. diese abstrakten Feststellungen für zulässig hält, sofern, was hier noch offen bleibt, Prospektfehler festgestellt werden sollten. Hinsichtlich Ziffer 3. weist er darauf hin, dass dieser Antrag nicht abstrakt, sondern eher im Sinne der tatsächlichen Feststellung einer Haftung wie z.B. in einem Grundurteil formuliert ist, und das dürfte dem Individualprozess vorzubehalten sein.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.1.a): Fehlender Hinweis auf das Risiko, das sich aus der Volatilität der Charterraten am Markt ergibt, weist der Senat darauf hin, dass er hier, und zwar auch unter Beachtung der Grundsätze von BGH III ZR 254/15 zur Annahme eines Fehlers neigt.

Auf Seiten 27 bis 29 des Prospektes findet sich nur eine Darstellung der Nachfrageseite, nämlich des Wirtschaftswachstums. Es fehlt jede Darstellung hinsichtlich des Wachstums der Angebotsseite. Irgendwelche Bezugnahmen auf Orderbuch und zulaufende Tonnage finden sich nicht. Nach der konkreten Planung, wie sie sich im Prospekt darstellt, sieht es aber so aus, dass der Fonds rasch voll investieren wollte und dass jedenfalls bis in das Jahr der Auflösung hinein praktisch alle Erträge des Fonds, die dann auch für Ausschüttungen verwandt werden sollten, aus laufenden Ergebnissen der Objektgesellschaften, in die investiert werden sollte, erlöst werden sollten. Damit aber sieht sich der Fonds genau den gleichen Risiken gegenüber wie jeder Erstmarktfonds, woraus folgt, dass dann auch auf die sich aus zulaufender Tonnage ergebenden Risiken für die Charterraten hätte hingewiesen werden müssen.

Der Verweis auf die von der TradeOn AG schon gehaltenen und als Zielfonds identifizierten Schiffe verfängt nicht. Tatsächlich gab es hier keine langfristigen Vercharterungen. Der weitaus größte Teil der Schiffe war nach den in der Tabelle genannten Daten eben gerade nicht langfristig, sondern maximal bis 2010 verchartert.

Dies zusammengenommen dürfte ein Hinweis auf die Risiken aus zulaufender Tonnage erforderlich gewesen sein, ansonsten würden die Ergebnisprognosen, wie sie sich auf Seiten 40, 41 und 46 bis 49 finden, für den Fonds vollkommen in der Luft hängen und keine tatsächliche Basis haben.

Die Auffassung des Senats wird streitig diskutiert. Unter anderem weist der Senat darauf hin, dass von Klägerseite vorgetragen wurde zum Inhalt des Orderbuchs, über die verschiedenen Schiffsklassen, und dass hier auch der Umfang des Tonnagewachstums vorgetragen wurde.

Der Beklagtenvertreter erklärt dazu, dass er bestreite, dass für alle Containerschiffsgrößenklassen der erwartete Zuwachs lt. Orderbuch über Wirtschaftswachstum lag, und stellt dies in Beweis durch Sachverständigengutachten.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.1.b): Preisschwankungen von Gebrauchtschiffen in Abhängigkeit von Charterraten und fehlende Darstellung dazu, weist der Senat darauf hin, dass er hier konsequent bezogen auf Feststellungsziel II.1.a) auch zur Annahme eines Fehlers neigt. Die Veräußerungserlöse sind ganz wesentlich. Im Jahr 2019 sollte der entscheidende Ertrag aus der Differenz zwischen An- und Verkaufspreisen erzielt werden. Dass 2008 auf einem hohen Niveau erworben werden musste, ist ohne Darstellung der Charterraten überhaupt nicht zu sehen. Es bleibt dann der sich auf Seiten 46, 47 findende Hinweis auf das Bewertungssystem von TradeOn, dessen Beschreibung auf Seite 34 aus Sicht eines interessierten Anlegers wohl aber eher wenig Substanz haben könnte.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.1.c): Umstand, dass ohne Darstellung des Orderbuchs das Tonnagewachstum in keiner Weise erkennbar sei, weist der Senat darauf hin, dass er folgerichtig dem zufolge auch insoweit wohl einen Fehler annehmen wird, denn bei völligem Weglassen der Flottenentwicklung ist nicht erkennbar, dass wohl wie von Klägerseite dargelegt tatsächlich so viel Tonnage zulief, dass das Angebotswachstum deutlich über dem auf Seite 28 prognostizierten Nachfragewachstum liegen würde.

Feststellungsziel II.1.d): Hinsichtlich Kaskadeneffekt und Transshipment-Effekt weist der Senat darauf hin, dass nach der Struktur des Fonds mit vielen verschiedenen Schiffen an denen Beteiligungen gehalten werden sollten, diese Effekte sich sowohl positiv als auch negativ auswirken könnten und damit wohl im Ergebnis neutral sein dürften. Hinsichtlich der Gruppenfreistellungsverordnung nimmt der Senat in ständiger Rechtsprechung keine Hinweispflicht an, da diese jedenfalls nach der gesetzgeberischen Intention Wachstum generieren sollte und damit auch positiv hätte sich auswirken sollen.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.1.e): Vorhersehbarkeit der Schifffahrtskrise, weist der Senat darauf hin, dass er insoweit in ständiger Rechtsprechung eine Vorhersehbarkeit nicht annimmt.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.1.f): Risiken aus Schiffsbetriebskosten und fehlendem Hinweis auf steigende Bunkerkosten, weist der Senat darauf hin, dass ihm hier die im Prospekt enthaltenen Risikohinweise auf Seiten 20 und 50 genügen würden.

Feststellungsziel II.1.g) Umfang des Versicherungsschutzes: Insoweit weist der Senat darauf hin, dass bei dem hier vorliegenden Dachfonds mehr als der sich auf Seiten 13 und 21 findende Hinweis auf den üblichen Umfang des Versicherungsschutzes nicht geschuldet sein dürfte.

Hinsichtlich Feststellungsziel F II.2.a): Darstellung von Fremdfinanzierung und Kündigungsrechten weist der Senat darauf hin, dass ihm hier die Hinweise auf Seiten 14 und 69 des Prospektes wohl genügen werden.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.2.b) weist der Senat darauf hin, dass er hinsichtlich der LtV-Klausel und der 105%-Klausel in ständiger Rechtsprechung keine Prospektfehler annimmt, zu letzterer, weil ein Hinweis auf das Fremdwährungsrisiko enthalten ist. Hinsichtlich Basel II liegt es nicht ganz fern anzunehmen, dass die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften auf die Banken einen gewissen Kostendruck ausgeübt hat. Inwieweit sich dies quantitativ auf Schiffsfinanzierungen ausgewirkt haben könnte, ist aber nicht dargelegt, deshalb wohl auch eher keine Hinweispflicht.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.a): Risiken aus der Streuung der Anlage in verschiedene Zielfonds, weist der Senat darauf hin, dass nach seiner Einschätzung jedenfalls grundlegend die Annahme richtig sein dürfte, dass eine Streuung einer Anlage zu einer Risikominimierung führt und deshalb eine gesonderte Hinweispflicht eher nicht bestehen dürfte.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.b): Investitionskriterien Seite 24 weist der Senat darauf hin, dass er eher keinen Mangel annehmen wird. Hinsichtlich der Nummern 1. bis 7. schon deshalb, weil diese nach Nummer 11 für den Anleger ersichtlich nur Sollvorschriften oder Leitlinien waren, von denen also abgewichen werden konnte; dass in Lloyds Erstmarktschiffe investiert werden konnte, ergibt sich eindeutig aus der Liste Seiten 36 bis 39.

Dass die Schiffe zur Tonnagesteuer optiert sind, ist letztlich ein durchaus sinnvolles Anlagekriterium.

Die konkrete Stellung des Beirates ergab sich für den aufmerksamen Leser jedenfalls aus dem Abdruck des Gesellschaftsvertrages, dort § 10, Seiten 99 bis 100 des Prospektes.

Feststellungsziel II.3.c) Clusterrisiko bei Containern und hauseigenen Schiffen: Hier würde der Senat den Hinweis auf Seite 15 auf möglicherweise entstehende Clusterrisiken genügen lassen. Dass tatsächlich auch und in erheblichem Maße in Lloyd Schiffe investiert werden sollte, ergab sich für den aufmerksamen Leser ohne weiteres aus der Darstellung Seiten 36 bis 39.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.d) weist der Senat darauf hin, dass ihm der Risikohinweis auf ein Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung auch bezogen auf den Fonds selbst auf Seite 17, rechte Spalte, letzter Absatz, wohl ausreichen wird.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.e): Liquiditäts- und Ergebnisprognose seien mangels Darstellung der Volatilität der Charterraten falsch, weist der Senat darauf hin, dass er insoweit dann konsequenterweise wohl auch hier mangels hinreichender Darstellung – wie oben ausgeführt – einen Fehler annehmen wird.

Feststellungsziel II.3.f), Veräußerungserlös und Schlussausschüttungen seien irreführend: Insoweit weist der Senat darauf hin, dass optimistische Prognosen nach der Rechtsprechung erlaubt sind, und dass diese so weit in die Zukunft weist, dass insoweit der Risikohinweis zur Unverlässlichkeit von Prognosen wohl ausreichen dürfte.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.g): keine realen Wertansätze bei den Sensitivitätsanalysen, weist der Senat darauf hin, dass er vermutlich den Hinweis Seite 50, rechte Spalte, zweiter Absatz, darauf, dass auch stärkere Schwankungen auftreten könnten, für ausreichend halten wird.

Feststellungsziel II.3.h), Blindpool-Risiko: Insoweit weist der Senat darauf hin, dass der Risikohinweis auf Seite 18 ausreichend sein dürfte, aus dem sich ergibt, dass unklar ist, ob genug gekauft werden kann und dass auch das Risiko des Bestehens freier Liquidität sich ergeben könnte.

Hinsichtlich des Vortrages II.3.i), dass die Platzierungsgarantie nicht werthaltig sei, weist der Senat darauf hin, dass wohl kein hinreichend konkreter Vortrag zu einer möglichen Leistungsunfähigkeit der Musterbeklagten zu 1), gerade bezogen auf den Moment der hier streitigen Platzierung, erfolgt ist.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.j): Bestehen einer möglichen Nachschusspflicht, und zwar als Risiko aus ausländischem Recht, weist der Senat darauf hin, dass der Risikohinweis Seite 13 ausreicht, da hier auch von einem anlegergefährdenden Risiko die Rede ist.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.k): Stellung der Anleger in der Insolvenz des Zielfonds, und zwar dort im letzten Rang, weist der Senat darauf hin, dass er diesen speziellen Fall als letztlich Unterfall des Totalverlustrisikos sieht, das auf Seite 14 des Prospekts hinreichend erwähnt ist.

Hinsichtlich Feststellungsziel II.3.l): Gefahr einer Majorisierung der Anleger in der Gesellschafterversammlung weist der Senat darauf hin, dass dies ein allgemeinkundiges Problem ist.

Und schließlich Feststellungsziel II.3.m): Problem der Bindung der Ausübung des Stimmrechts an bestimmte Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft, weist der Senat darauf hin, dass er einen Mangel nicht annehmen wird. Auch dies dürfte sich eher als Unterpunkt des Problems darstellen, dass der Anleger, wie ihm bewusst sein muss, in der Gesellschafterversammlung überstimmt werden kann.

Die Sitzung wird für fünf Minuten unterbrochen.

Nach Wiedereintritt in die Verhandlung trägt der Beklagtenvertreter vor, dass von den im Prospekt als identifiziert geschilderten möglichen Beteiligungen Seiten 36 bis 39 ein größerer Teil, aber nicht alle, tatsächlich gekauft worden seien, und dass im Endeffekt von den für den Dachfonds erworbenen Beteiligungen etwa ein Drittel aus Lloyd Fonds bestanden.

Der Klägervertreter erklärt:

Ich bestreite dies vorsorglich mit Nichtwissen.

Beschlossen und verkündet:

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird anberaumt auf

Mittwoch, 23. Dezember 2020, 12:00 Uhr, Raum 130.

Panten
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Hundertmark, JAng
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zugleich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übertragung vom Tonträger.
Der Tonträger wird frühestens 1 Monat nach Zugang des Protokolls gelöscht.

 

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