Frage: Herr Högel, eine aktuelle Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zeigt, dass zahlreiche Online-Plattformen trotz Verbots weiterhin manipulative Designs einsetzen. Wie bewerten Sie das Ergebnis dieser Untersuchung?
Maurice Högel: Die Ergebnisse der vzbv-Untersuchung sind besorgniserregend, aber nicht überraschend. Obwohl der Digital Services Act (DSA) eigentlich klare Regeln gegen manipulative Designs setzt, zeigt sich, dass viele Plattformen weiterhin Strategien verwenden, um Nutzer:innen in ihrem Verhalten zu beeinflussen. Das reicht von irreführenden Cookie-Bannern bis hin zu Hyper-Engaging-Dark-Patterns, die eine verstärkte Nutzung der Plattformen forcieren. Das zeigt, dass die Durchsetzung der Vorschriften noch zu lasch ist.
Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, um gegen diese manipulativen Designelemente vorzugehen?
Maurice Högel: Der DSA verbietet in Artikel 25 explizit Designs, die Verbraucher:innen in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen oder behindern. Verstöße gegen diese Regelung können von der Europäischen Kommission und der Bundesnetzagentur als Digital Services Coordinator geahndet werden. In der Praxis sehen wir aber, dass viele dieser Verstöße bislang nur durch Abmahnungen von Verbraucherschutzorganisationen verfolgt wurden. Damit das Verbot auch tatsächlich Wirkung zeigt, sind klarere Sanktionen und eine konsequentere behördliche Durchsetzung erforderlich.
Frage: Der vzbv fordert zudem eine Ausweitung des Verbots von Dark Patterns. Was halten Sie davon?
Maurice Högel: Das halte ich für absolut notwendig. Manipulative Designs gibt es nicht nur auf den großen Plattformen, sondern auch auf unzähligen Online-Marktplätzen und Händlerwebseiten. Ein allgemeines Manipulationsverbot wäre daher ein wichtiger Schritt, um Verbraucher:innen wirksam zu schützen. Insbesondere die sogenannte „Schwarze Liste“ der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sollte um spezifische Verbote erweitert werden.
Frage: Ein besonders problematischer Aspekt sind die sogenannten Hyper-Engaging-Dark-Patterns. Warum sind diese so gefährlich?
Maurice Högel: Diese Mechanismen sind darauf ausgelegt, die Verweildauer der Nutzer:innen auf den Plattformen zu erhöhen und können ein suchtähnliches Verhalten fördern. Autoplay, ständige Push-Benachrichtigungen oder Gamification-Elemente können dazu führen, dass Verbraucher:innen unbewusst mehr Zeit oder Geld investieren, als sie eigentlich möchten. Gerade bei jungen oder vulnerablen Nutzergruppen kann das langfristig negative Auswirkungen auf die mentale Gesundheit haben. Hier braucht es dringend klare Regeln, die solche Praktiken unterbinden.
Frage: Was können Verbraucher:innen tun, wenn sie auf solche manipulativen Designs stoßen?
Maurice Högel: Verbraucher:innen sollten Verstöße unbedingt melden. Der vzbv bietet hierzu verschiedene Plattformen an, um problematische Designpraktiken bei Online-Marktplätzen oder sozialen Netzwerken zu dokumentieren. Zudem lohnt es sich, bewusster mit digitalen Angeboten umzugehen, zum Beispiel indem man Benachrichtigungen gezielt deaktiviert oder alternative Plattformen nutzt, die auf Transparenz setzen. Auch Klagen oder Sammelklagen könnten in Zukunft dazu beitragen, den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen.
Frage: Welche Schritte sind jetzt von politischer Seite notwendig?
Maurice Högel: Die Europäische Kommission muss den Digital Fairness Act (DFA) nutzen, um digitale Fairness umfassender zu regulieren. Gleichzeitig müssen nationale Aufsichtsbehörden wie die Bundesnetzagentur den DSA konsequent durchsetzen und Verstöße ahnden. Ohne klare Sanktionen wird sich an den problematischen Praktiken wenig ändern. Letztlich ist es eine Frage des politischen Willens, ob der DSA wirklich ein starkes Verbraucherschutzinstrument wird oder ein zahnloser Tiger bleibt.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Högel!
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