Hanseatisches Oberlandesgericht:14 Kap 6/18 „Passat Breeze“ Navigation GmbH & Co. KG und MS „Hammonia Pacificum“ Schiffahrts GmbH & Co. KG

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 14 Kap 6/​18
Verkündet am 29.10.2021
Nissen, JFAng
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Beschluss
Musterentscheid

In der Sache

Inge Denzinger, Uhlandstraße 20, 71254 Ditzingen

– Musterklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Fischer, Hedwigstraße 12 b, 38118 Braunschweig, Gz.: 127/​17

gegen

1)

HCI Hanseatische Capitalberatung GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Ingo Kuhlmann, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagter –
2)

HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin HCI Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Ingo Kuhlmann, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagter –
3)

HCI Treuhand SERVICE GmbH & Co KG, vertreten durch die Komplementärin HCI Treuhand Service GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Ingo Kuhlmann, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagter –
4)

HAMMONIA Reederei GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin Hammonia Reederei Verwaltungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Dr. Karsten Liebing und Rene Wenzel, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagter –
5)

Peter Döhle Schifffahrts-KG, vertreten durch die Kompelementärin Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft Peter Döhle mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Dr. Gaby Bornheim, Christoph Döhle und Jochen Thomas Döhle, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagter –
6)

… entfallen …

– Musterbeklagter –
7)

Passat Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin Verwaltung Passat Schiffahrtsgesellschaft mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Joachim von der Heydt und Carla Winkemann, Neuer Wall 52/​Bleichenbrücke 1-7, 20354 Hamburg

– Musterbeklagter –
8)

Transnaval Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter, Neuer Wall 52/​Bleichenbrücke 1-7, 20354 Hamburg

– Musterbeklagter –
9)

Optronik Consulting GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin Verwaltung OPTRONIK Warenhandels GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Bendix Todsen, Schöner Blick 15, 22587 Hamburg

– Musterbeklagter –
10)

Bendix Todsen, Schöner Blick 15, 22587 Hamburg

– Musterbeklagter –
11)

Joachim von der Heydt, Neuer Wall 52/​Bleichenbrücke 1-7, 20354 Hamburg

– Musterbeklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 419/​19

Prozessbevollmächtigte zu 2 und 3:
Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 521-19

Prozessbevollmächtigte zu 4 und 6:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 11660/​19

Prozessbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 11334/​17/​A-JBo/​vka, 10242/​17/​A-JBo/​vka

Prozessbevollmächtigte zu 7 – 11:
Rechtsanwälte Baker Tilly Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Valentinskamp 88, 20355 Hamburg, Gz.: 61141-00366-16 VTA

Nebenintervenientin zu 1:
RTC Revision Treuhand Consulting GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Björn Hagedorn und Frank Fruggel, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft, Burchhardstraße 24, 20095 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 00359-17/​Tö/​UecA2017-004349/​20606

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 14. Zivilsenat – durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Lohmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Leverenz und den Richter am Amtsgericht Dr. Lanzius am 29.10.2021 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2021:

1.

Die Anträge der Musterklägerin auf Erweiterung und Konkretisierung des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 21.08.2018, Az. 326 OH 2/​18, werden zurückgewiesen.

2.

Der Feststellungsantrag zu 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 21.08.2018, Az. 326 OH 2/​18, wird zurückgewiesen.

3.

Die übrigen Feststellungsanträge des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 21.08.2018, Az. 326 OH 2/​18, sind gegenstandslos.

4.

Der Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren beträgt 1.386.591,91 €.

Gründe:

I.

Die Musterklägerin und die Beigeladenen machen in den ausgesetzten Ausgangsverfahren als Anleger des Fonds „HCI Shipping Select XXII“ gegen die Musterbeklagten Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts und damit einhergehender Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend. Der Fonds setzt sich aus den Einzel-Schifffahrtsgesellschaften „PASSAT BREEZE“ Navigation GmbH & Co. KG und MS „HAMMONIA PACIFICUM“ Schiffahrts GmbH & Co. KG (im Folgenden auch: Emittentinnen) zusammen. Der Verkaufsprospekt (Anlage MK 1) ist am 23.02.2007 aufgestellt worden. Die wirtschaftlichen Ergebnisse des Fonds sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Die Musterbeklagten zu 1 und 2 waren als Kommanditistinnen Gründungsgesellschafterinnen beider Emittentinnen. Die Musterbeklagte zu 1 ist ein Tochterunternehmen der HCI Capital AG und innerhalb der HCI-Gruppe für die Konzeption und den Vertrieb von Kapitalmarktprodukten und für die Beratung in diesem Bereich zuständig. Sie firmierte bei Prospektaufstellung unter HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH. Auf S. 9 des Prospekts wird sie als „Prospektverantwortliche“ bezeichnet. Die Musterbeklagte zu 2, ebenfalls ein Tochterunternehmen der HCI Capital AG, firmierte bei Prospektaufstellung als HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH. Aufgrund eines Spaltung- und Übernahmevertrages vom 11.04.2013 und entsprechender Beschlüsse spaltete die Musterbeklagte zu 2 von dem Gesellschaftsvermögen den Teilbetrieb „Asset Management und Treuhandservice“ als Gesamtheit im Wege der Abspaltung zur Aufnahme durch die HCI Treuhand Service GmbH & Co. KG, die Musterbeklagte zu 3, ab. Die Musterbeklagte zu 2 fungierte für den Fonds als Treuhandkommanditistin. Weiter war sie Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Emittentinnen mit einem Anteil von 50 Prozent bzw. 51 Prozent (S. 23 des Prospekts).

Die Musterbeklagten zu 4 und 5 waren als Kommanditistinnen Gründungsgesellschafterinnen der MS „HAMMONIA PACIFICUM“ Schiffahrts GmbH & Co. KG. Die Musterbeklagte zu 4, ein „Joint Venture“ der Musterbeklagten zu 1 und 5, war dies mit einer Einlage von 150.000,00 € (S. 117 des Prospekts). Sie fungierte hinsichtlich des Schiffes als Vertragsreederin und war Kommanditistin der Verkäufergesellschaft des Schiffes. Die Musterbeklagte zu 5 erbrachte eine Einlage von 100.000,00 € (S. 117 des Prospekts). Sie war daneben Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaft mit einem Anteil von 49 Prozent (S. 23 des Prospekts), fungierte als Platzierungsgarantin und Befrachtungsmaklerin und war Kommanditistin der Verkäufergesellschaft des Schiffes (S. 101 des Prospekts).

Die Musterbeklagten zu 7 bis 11 waren als Kommanditisten Gründungsgesellschafter der „PASSAT BREEZE“ Navigation GmbH & Co. KG. Die Musterbeklagte zu 7 war daneben Vertragsreederin und Platzierungsgarantin sowie Kommanditistin der Verkäufergesellschaft des MS „Passat Breeze“, der „PASSAT BREEZE“ Shipping GmbH & Co. KG (S. 97 des Prospekts). Geschäftsführer der Komplementärin der Musterbeklagten zu 7 waren die Musterbeklagten zu 10 und 11 (S. 98 des Prospekts). Die Musterbeklagten zu 8 und 9 waren Kommanditistinnen der Verkäufergesellschaft des MS „Passat Breeze“ sowie ferner Kommanditistinnen der Musterbeklagten zu 7. Ihre alleinigen Kommanditisten waren der Musterbeklagte zu 10 bzw. der Musterbeklagte 11 (S. 97/​98 des Prospekts). Die Musterbeklagten zu 10 und 11 haben als Gründungskommanditisten der „PASSAT BREEZE“ Navigation GmbH & Co. KG Einlagen von je 360.000,00 € geleistet (S. 108 des Prospekts). Sie waren Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementärin der Emittentin (S. 23 des Prospekts) sowie Kommanditisten der Verkäufergesellschaft des MS „Passat Breeze“ (S. 99 des Prospekts).

Auf Grundlage des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 21.08.2018 (Az.: 326 OH 2/​18) sind dem Senat folgende Feststellungsziele vorgelegt worden:

1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Schiffsfonds „HCI Shipping Select XXII“ vom 23.2.2007 über die Beteiligung an den beiden Einzelschiffsgesellschaften

– PASSAT BREEZE Navigation GmbH & Co.KG

– MS “HAMMONIA PACIFICUM” Schiffahrts GmbH & Co. KG

unrichtig, irreführend und/​oder unvollständig ist, da in dem Verkaufsprospekt

a) nicht über die tatsächliche Höhe der Einnahmen der MS „Hammonia Pacificum“ aus dem Pool aufgeklärt wird, indem im Prospekt

aa) bereits nicht dargestellt wird, wie sich die Einnahmen der Poolschiffe (Bruttopoolrate) berechnen und ferner dargelegt wird, zur Bestimmung der Nettopoolrate sei lediglich die Befrachtungskommission von der Bruttopoolrate abzuziehen, wobei die Befrachtungskommission 1,75 % der Bruttofracht- bzw. Zeitchartererlöse betrage;

bb) zu den für die Einnahmesituation relevanten Poolfaktoren, wie u.a. die Zusammensetzung des Pools, Aufnahme weiterer Poolmitglieder, Fahrtgebiete der einzelnen Poolschiffe und den Beteiligungsschlüssel, keine oder nur unzureichende Angaben gemacht werden;

cc) nur über die Charterrate und nicht über die historisch belegten Pooleinnahmen aufgeklärt wird, obwohl der Pool bei Prospekterstellung bereits existierte und Daten vorlagen;

dd) nicht über die erheblichen Einschränkungen der unternehmerischen Chancen durch die Poolmitgliedschaft aufgeklärt wird, in dem der Prospekt verschweigt, dass bei Veräußerung des Schiffes der bestehende Chartervertrag sowie die Poolmitgliedschaft vom Käufer übernommen werden muss und so ein Verkauf zu marktüblichen Preis nicht möglich ist;

b) nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt wird, indem im Prospekt,

aa) die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten, die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und Containerschiffsflotte 2.500 TEU – 2.900 TEU) ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird;

bb) nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen wird, obwohl hierfür bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorlagen;

c) eine falsche Einnahmeprognose und damit auch die gesamte Liquiditätsprognose fehlerhaft dargestellt wird, indem

aa) nicht über den vorhersehbaren Einbruch der Charterraten aufgeklärt wird, obwohl es hierfür konkrete Anhaltspunkte gab;

bb) das historische Hoch des Zeitchartermarktes zwei Jahre vor der Herausgabe des Prospektes in die Berechnung des langjährigen Durchschnittes eingeflossen ist und die Einnahmen so unrealistisch hoch angesetzt wurden;

cc) die Schiffsbetriebskosten zu niedrig kalkuliert wurden;

dd) für die Vorzugsausschüttungen der Früheinzahler in der Liquiditätsprognose kein (pauschaler) Betrag aufgenommen wurde, obwohl feststand, dass diese Bonuszahlungen erfolgen würden;

ee) die im Prospekt angegebenen Dockungstage nicht von den Einsatztagen und damit den Einnahmen in Abzug gebracht wurden;

ff) für das Fondsschiff „Hammonia Pacificum“ völlig marktuntypisch und unrealistisch ein wesentlich höherer Verkaufserlös eingeplant wurde, als für das größere und nur zwei Jahre ältere Fondsschiff MS „Passat Breeze“;

gg) der Zwischengewinn der Verkäufergesellschaft für das Fondsschiff MS „Passat Breeze“ mit 2,86 Mio € angegeben wird, obwohl dieser um ein Vielfaches zu niedrig angegeben wird; weitaus höher ausfällt;

hh) über die gesamte Fondslaufzeit eine Liquiditätsreserve in Millionenhöhe vorgehalten wird und somit eine Manipulation der Anlegerrendite möglich ist;

d) Risiken verschwiegen oder unzureichend dargestellt werden, indem im Prospekt

aa) die gesellschaftsrechtlichen und/​oder personellen Verflechtungen des Charterers mit dem Poolmanager nicht (ausreichend) offen gelegt und damit nicht über bestehende Interessenkollisionen aufgeklärt wurde;

bb) nicht auf das Risiko des Kaskadeneffektes hingewiesen wird, obwohl die Initiatoren wussten, dass das hier relevante kleine Schiffssegment von 2.500 TEU – 2.700 TEU von den größeren Schiffen verdrängt wird und somit besonders stark von diesem Phänomen betroffen sein wird;

cc) nicht über das Risiko von Nachverhandlungen durch den Charterer aufgeklärt wird, obwohl absehbar war, dass der Charterer aufgrund einer Vielzahl weiterer Chartererverträge, die während eines hohen Marktniveaus abgeschlossen wurden, nicht in der Lage sein werde, die vereinbarte Rate zu zahlen;

dd) nicht darüber aufgeklärt wird, dass von einer Zahlungsunfähigkeit des Charterers CSAV nicht nur die Einnahmen des MS „Passat Breeze“ betroffen wären, sondern auch die im Pool fahrende MS „Hammonia Pacificum“ (sog. Cluster-Risiko);

ee) irreführend und nicht vollständig über die Bonität der Charterer der Poolschiffe aufgeklärt wird, obwohl alle erforderlichen Daten vorlagen;

ff) nur unzureichend über die Haftung der Schiffsgesellschaft für Verbindlichkeiten des Charterers gegen Dritte mit dem Fondsschiff aufgeklärt wird;

gg) fehlerhaft über die Möglichkeit des Totalverlustes bei Fehlschlagen der Platzierung aufgeklärt wird;

hh) nur unzureichend darüber aufgeklärt wird, dass die Möglichkeit besteht, dass die Anleger den Gesellschaftsgläubigern mit ihrem Privatvermögen haften;

ii) das Wechselkursrisiko als maximal renditegefährdend bezeichnet wird, es aber mindestens als anlagegefährdend einzuordnen ist,

über wesentliche Umstände nicht aufgeklärt wird und damit jeweils ein wesentlicher Prospektfehler vorliegt.

2.

a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1), 2), 4) und 5) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XXII Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sind.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XXII Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne i.V.m. § 133 UmwG ist.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) bei der Veröffentlichung des Prospektes zum Fonds HCI Shipping Select XXII nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt haben.

4. Es wird festgestellt, dass der Schaden des Anlegers in den jeweiligen Beteiligungen als solche an dem Fonds HCI Shipping Select XXII liegt. Die Höhe des Schadens ergibt sich aus den geleisteten Einlagen nebst dem gezahlten Agio.“

Mit Schriftsätzen vom 26.10.2019 und 26.11.2019 hat die Musterklägerin eine teils „konkretisierende“ und teils „erweiternde“ Neufassung des Vorlagebeschlusses mit folgendem Inhalt beantragt:

„1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Schiffsfonds „HCI Shipping Select XXII“ vom 23.02.2007 über die Beteiligung an den beiden Einzelschiffsgesellschaften

– „PASSAT BREEZE“ Navigation GmbH & Co. KG,

– MS „HAMMONIA PACIFICUM“ Schiffahrts GmbH & Co. KG

unrichtig, irreführend und/​oder unvollständig ist, da in dem Verkaufsprospekt

a) nicht über die tatsächliche Höhe der Einnahmen der MS „Hammonia Pacificum“ aus dem Pool, aufgeklärt wird, indem im Prospekt

aa) bereits nicht dargestellt wird, wie sich die Einnahmen der Poolschiffe (Bruttopoolrate) berechnen und ferner dargelegt wird, zur Bestimmung der Nettopoolrate sei lediglich die Befrachtungskommission von der Bruttopoolrate abzuziehen, wobei die Befrachtungskommission 1,75 % der Bruttofracht- bzw. Zeitchartererlöse betrage;

bb) nicht ordnungsgemäß dargestellt wird, wie hoch die Befrachtungskommission ist;

cc) zu den für die Einnahmesituation relevanten Poolfaktoren, wie u.a. die Zusammensetzung des Pools, Aufnahme weitere Poolmitglieder, Fahrtgebiete der einzelnen Poolschiffe und den Beteiligungsschlüssel, keine oder nur unzureichende Angaben gemacht werden;

dd) nur über die Charterraten und nicht über die historisch belegten Pooleinnahmen aufgeklärt wird, obwohl der Pool bei Prospekterstellung bereits existierte und Daten vorlagen;

ee) nicht über die erheblichen Einschränkungen der unternehmerischen Chancen durch die Poolmitgliedschaft aufklärt wird, indem der Prospekt verschweigt, dass bei Veräußerung des Schiffes der bestehende Chartervertrag, sowie die Poolmitgliedschaft vom Käufer übernommen werden muss und so ein Verkauf zum marktüblichen Preis nicht möglich ist;

ff) bei der Abbildung der Charterraten die zugrundeliegenden Daten manipuliert werden, da diese der Logik widersprechen;

b) nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt wird, indem im Prospekt,

aa) die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten, die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und Containerschiffsflotte 2.500 TEU – 2.999 TEU) ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird;

bb) falsche und irreführende Angaben zur tatsächlichen Flottenentwicklung gemacht werden;

cc) nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität für Containerschiffe und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen wird, obwohl hierfür bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorlagen;

dd) hinsichtlich der MS „Hammonia Pacificum“ nicht darüber aufgeklärt wird, dass ein täglicher Verbrauch von ca. 88 Tonnen Schweröl deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Schiffe liegt und damit einen erheblichen Wettbewerbsnachteil hat;

ee) hinsichtlich der MS „Hammonia Pacificum“ angegeben wird, das Schiff vermeide Emissionen in das Wasser sowie in die Luft;

ff) angegeben wird, dass der Einkaufspreis günstig gewesen ist,

(1) insbesondere angegeben wird, steigende Neupreise ergeben sich daraus, dass die Bauplätze für Containerschiffe zumeist belegt sind und andere Schiffstypen auf die Containerschiffswerften drängen und dort mit den Containerschiffsbestellern um die freien Bauplätze konkurrieren müssen, obwohl sehr viele Bauplätze für Containerschiffe aufgrund der hohen Auslieferungszahlen frei werden, aber keine neuen Bestellungen für Containerschiffe eingehen;

(2) hinsichtlich der MS „Hammonia Pacificum“ durch Aufspaltung des Kaufpreises sowie Herausrechnung erheblicher Teile ein Einkaufsvorteil generiert und visuell dargestellt wird, den es nicht gab;

(3) und entgegen § 9 Abs. 2 Ziffer 7 VermVerkProspV nicht das Ergebnis des vom Gutachter ermittelten Verkehrswert offengelegt wird;

c) eine falsche Einnahmeprognose und damit auch die gesamte Liquiditätsprognose fehlerhaft dargestellt wird, indem

aa) in der Charterratenkalkulation

(1) nicht über den vorhersehbaren Einbruch der Charterraten aufgeklärt wird, obwohl es hierfür konkrete Anhaltspunkte gab;

(2) ein zu geringer Wechselkurs für USD in EUR verwendet wurde;

(3) hinsichtlich der MS „Hammonia Pacificum“ die Einnahmen aus dem Döhle-Pool unrealistisch und unvertretbar hoch angesetzt wurden;

(4) nicht über die historisch belegten Einnahmen des Döhle-Pools aufgeklärt wurde;

(5) die langfristig kalkulierten Einnahmen als Nettochartern im Prospekt ausgewiesen und sodann mit Bruttochartern verglichen werden, sodass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Ertragsrisiko sind, obwohl bei Prospekterstellung existierende Daten eine Aussage zu kalkulierten Bruttochartern ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber verzerrtes Bild von Risiken und Chancen der Kapitalanlage vermittelt wird;

(6) das historische Hoch des Zeitchartermarktes 2 Jahre vor der Herausgabe des Prospektes in die Berechnung des langjährigen Durchschnittes eingeflossen ist und die Einnahmen so unrealistisch hoch angesetzt wurden;

(7) ein denklogischer Bruch enthalten ist, weil für das kleinere Fondsschiff langfristig höhere Einnahmen kalkuliert wurden als für das größere Fondsschiff;

bb) die Schiffsbetriebskosten zu niedrig kalkuliert wurden;

cc) für die Vorzugsausschüttungen der Früheinzahler in der Liquiditätsprognose kein (pauschaler) Betrag aufgenommen wurde, obwohl feststand, dass diese Bonuszahlungen erfolgen würden;

dd) die im Prospekt angegebenen Dockungstage nicht von den Einsatztagen und damit den Einnahmen in Abzug gebracht wurden;

ee) die Nettopooleinnahmen in der Liquiditätsprognose regelmäßig zu hoch kalkuliert wurden;

ff) für das Fondsschiff „Hammonia Pacificum“ völlig marktuntypisch und unrealistisch ein wesentlich höherer Verkaufserlös eingeplant wurde, als für das größere und nur 2 Jahre ältere Fondsschiff MS „ Passat Breeze“;

gg) die Zwischengewinne zu niedrig angeben wurden;

hh) über die gesamte Fondslaufzeit eine Liquiditätsreserve in Millionenhöhe vorgehalten wird und somit eine Manipulation der Anlegerrendite nach der Berechnung auf Grundlage der IRR-Methode erfolgt;

d) Risiken verschwiegen oder unzureichend dargestellt werden, indem im Prospekt

aa) die gesellschaftsrechtlichen und/​oder personellen Verflechtungen des Charterers mit dem Poolmanager nicht (ausreichend) offengelegt und damit nicht über bestehende Interessenkollisionen aufgeklärt wurde;

bb) nicht über den Kaskadeneffekt aufgeklärt wurde, obwohl bei Prospekterstellung konkrete Daten bekannt waren, die ganz eindeutig darauf hinwiesen, dass das Risiko besteht, dass dieser Effekt in einem verschärften Maße auftreten wird;

cc) nicht über das Risiko von Nachverhandlungen durch den Charterer aufgeklärt wird, obwohl absehbar war, dass der Charterer aufgrund einer Vielzahl weiterer Charterverträge, die während eines hohen Marktniveaus abgeschlossen wurden, nicht in der Lage sein werde, die vereinbarte Rate zu zahlen;

dd) nicht darüber aufgeklärt wird, dass von einer Zahlungsunfähigkeit des Charterers CSAV nicht nur die Einnahmen des MS „Passat Breeze“ betroffen wären, sondern auch die im Pool fahrende MS „Hammonia Pacificum“ (sog. Cluster-Risiko);

ee) irreführend und nicht vollständig über die Bonität der Charterer der Poolschiffe aufgeklärt wird, obwohl alle erforderlich Daten vorlagen;

ff) nicht darüber aufgeklärt wurde, dass das Schiff für Verbindlichkeiten des Charterers gegenüber Dritten von diesen arrestiert werden kann und dadurch als Einnahmequelle für die Schiffsgesellschaft ausfällt;

gg) nicht über die gängige Praxis eines Charterers, ein gemietetes Schiff weiter zu vermieten (Subcharter), aufgeklärt wurde;

hh) behauptet wird, es bestehe das Risiko, dass bei Fehlschlagen der Vollplatzierung nicht alle Anleger ihr eingesetztes Kapital zurückerhalten, obwohl dies eine Tatsache und kein Risiko ist;

ii) das Wechselkursrisiko als maximal renditegefährdend bezeichnet wird, es aber mindestens als anlagegefährdend einzuordnen ist;

somit über wesentliche Umstände nicht aufgeklärt und damit jeweils ein wesentlicher Prospektfehler vorliegt.

2. a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1), 2), 4) und 5) – 11) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XXII Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sind.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XXII Haftungsschuldnerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne i.V.m. § 133 UmwG ist.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2), 4) und 5) – 11) bei der Veröffentlichung des Prospekts zum Fonds HCI Shipping Select XXII nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt haben.

4. Es wird festgellt, dass der Schaden der Anleger in den jeweiligen Beteiligungen als solche an dem Fonds HCI Shipping Select XXII liegt. Die Höhe des Schadens ergibt sich aus den geleisteten Einlagen nebst dem gezahlten Agio.“

Mit Schriftsatz vom 03.08.2020 hat die Musterklägerin ihre Anträge teilweise „präzisiert“. Hinsichtlich der Feststellungsziele 1a) aa) und 1a) bb) solle es heißen:

„aa) die kalkulierten Bruttopoolraten nicht genannt werden und auf Seite 57 des Prospektes zu Unrecht behauptet wird, dass sich durch den alleinigen Abzug der Befrachtungskommission von den Bruttoeinnahmen die Nettoeinnahmen ergäben

bb) Auf Seite 84 des Prospektes ohne Mitteilung eines Verteilungsschlüssels angegeben wird, dass die Befrachtungskommission 1,75 % der vereinnahmten Bruttofracht bzw. Zeitchartererlöse betrage.“

Hinsichtlich des Feststellungsziels 1a) cc) solle es heißen:

„cc) nur über die Charterrate und nicht über die historisch belegten Pooleinnahmen aufgeklärt wurde, obwohl der Pool bei Prospekterstellung bereits existierte und Daten vorlagen, die implizierten, dass die historisch belegten, jährlichen Einnahmendurchschnitte der Poolschiffe erheblich unter den jährlichen Einnahmendurchschnitten des im Prospekt dargestellten, relevanten Schiffssegmentes lagen.“

Hinsichtlich des Feststellungsziels 1a) ff) solle es heißen:

„ff) die der Abbildung 7 auf Seite 45 des Prospektes zugrunde liegenden Daten zum „Zeitchartermarkt für Sub-Panamax-Chartertonnage seit 1997“ manipuliert sind, da die korrekten Daten andere Linienverläufe ergeben müssen.“

Hinsichtlich des Feststellungsziels 1b) aa) solle es heißen:

„aa) über das Angebot-Nachfrage-Verhältnis nicht bzw. unzureichend aufgeklärt wird, da den Prospektangaben

– zur Entwicklung des Welthandelsvolumen bzw. weltweiten Seehandelsvolumen nicht die Entwicklung der weltweiten Handelsflotte gegenübergestellt wird,

– dem Zuwachs des weltweiten Containerumschlages (verzerrend) die Entwicklung der weltweiten Containerflotte gegenübergestellt wird, für die u.a. auf S. 43 d. P. ein künftig sinkender Zuwachs in der Containerschiffsflotte behauptet wird, ohne darüber aufzuklären, dass sich der Zuwachs der Containerschiffsflotte aufgrund der kurzen Bauzeiten von kleineren Schiffen erwartungsgemäß noch erheblich erhöhen wird oder selbst ein geringere Zuwachs der Flotte nicht für einen steigenden Markt spricht, wenn wie damals, der Markt nicht ausgeglichen war,

– und dem segmentierten Größenteil der Flotte nicht das segmentierte Flottenvolumen gegenübergestellt wird.“

Hinsichtlich des Feststellungsziels 1b) bb) solle es heißen:

„bb) auf Seite 44 des Prospektes eine unvertretbare hohe Verschrottung von Einheiten in den nächsten drei Jahren prognostiziert wird.“

Hinsichtlich des Feststellungsziels 1c) ee) solle es heißen:

„ee) die im Prospekt angegebenen Dockungstage nicht oder nicht im vollen Umfang von den Einsatztagen und damit den Einnahmen in Abzug gebracht wurden.“

Weiter solle der Vorlagebeschluss um folgendes Feststellungsziel 1c)hh) erweitert werden:

„der Zwischengewinn der Verkäufergesellschaft für das Fondsschiff MS „Harmonia Pacificum“ zu niedrig angegeben wurde;“

Das Feststellungsziel 1c)cc) solle schließlich wie folgt konkretisiert werden:

„cc) die Schiffsbetriebskosten und insbesondere deren Steigerungen sind zu niedrig kalkuliert worden.“

Mit Beschluss vom 04.05.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass Ziff. 2 des Vorlagebeschlusses unbegründet und hiervon ausgehend der Vorlagebeschluss im Übrigen gegenstandslos geworden sein dürfte sowie die Erweiterungs- und Konkretisierungsanträge zurückzuweisen wären. Die Musterklägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 10.06.2021 Stellung genommen. Sie hat unter anderem angeführt, dass die Musterbeklagten auch deliktisch nach den §§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB, 264a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB haften würden. Sie hat beantragt, die Feststellungsziele nach § 15 KapMuG um folgendes Feststellungsziel zu erweitern:

„Die Musterbeklagten zu 1. – 11. kommen als Haftungsadressaten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog und § 264a Abs. 1 StGB in Betracht.“

II.

1.

Zu Ziff. 2 des Vorlagebeschlusses

Die Feststellung ist nicht zu treffen.

Eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung – hier gemäß § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung – verdrängt (BGH, Beschluss vom 08.06.2021, XI ZB 22/​19 – juris Rn. 31).

Die Musterbeklagte zu 1 ist Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF, da sie im Prospekt als Prospektverantwortliche genannt wird.

Die Musterbeklagten zu 2 bis 5, aber auch die Musterbeklagten zu 7 bis 11, sind verantwortlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Davon sind die Personen und Unternehmen erfasst, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind; Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes ist unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (zum Vorstehenden insgesamt BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/​18 – juris Rn. 24).

Die Musterbeklagten zu 2 und 4 bis 11 sind Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften, die Musterbeklagte zu 3 wiederum ist aufgrund des Spaltung- und Übernahmevertrages vom 11.04.2013 aus der Musterbeklagten zu 2 hervorgegangen. Ob die Stellung als Gründungsgesellschafter für sich genommen für die Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF schon genügt (so wohl BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021, XI ZB 22/​19 – juris Rn. 31), kann offenbleiben. Im vorliegenden Verfahren kommen weitere erhebliche Aspekte hinzu, die eine Verantwortlichkeit der genannten Musterbeklagten für den Prospekt begründen:

Die Musterbeklagte zu 2 fungierte für den Fonds nicht nur als Treuhandkommanditistin. Sie war gleichzeitig Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Emittentinnen mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent (S. 23 des Prospekts) und Schwestergesellschaft der nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF Prospektverantwortlichen, der Musterbeklagten zu 1.

Die Musterbeklagte zu 4 war ein „Joint Venture“ der Musterbeklagten zu 1 und 5 und mit einer erheblichen Einlage von 150.000,00 € Gründungskommanditistin der MS “HAMMONIA PACIFICUM” Schiffahrts GmbH & Co. KG. Sie fungierte hinsichtlich des Schiffes zudem als Vertragsreederin und war darüber hinaus Kommanditistin der Verkäufergesellschaft des Schiffes. Die Musterbeklagte zu 5 wiederum erbrachte als Gründungskommanditistin der MS “HAMMONIA PACIFICUM” Schiffahrts GmbH & Co. KG eine Pflichteinlage von 100.000,00 €. Sie war daneben Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaft mit einem Anteil von 49 Prozent, fungierte als Platzierungsgarantin und Befrachtungsmaklerin und war Kommanditistin der Verkäufergesellschaft des Schiffes.

Die Musterbeklagten zu 7 bis 11 waren eng miteinander verflochten und in unterschiedlicher Weise über ihre Eigenschaft als Gründungsgesellschafter der „PASSAT BREEZE“ Navigation GmbH & Co. KG hinaus in das Projekt eingebunden. Die Musterbeklagte zu 7 war Vertragsreederin, Platzierungsgarantin und Kommanditistin der Verkäufergesellschaft des Schiffes. Geschäftsführer ihrer Komplementärin waren die Musterbeklagten zu 10 und 11. Die Musterbeklagten zu 8 und 9, deren alleinige Kommanditisten der Musterbeklagte zu 10 bzw. der Musterbeklagte 11 waren, waren wiederum Kommanditistinnen der Musterbeklagten zu 7 und der Verkäufergesellschaft des Schiffes. Die Musterbeklagten zu 10 und 11 haben als Gründungskommanditisten der „PASSAT BREEZE“ Navigation GmbH & Co. KG erhebliche Pflichteinlagen von je 360.000,00 € geleistet. Sie waren Gesellschafter und Geschäftsführer der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaft sowie Kommanditisten der Verkäufergesellschaft des Schiffes.

2.

Zu Ziff. 1, 3 und 4 des Vorlagebeschlusses

Diese Feststellungsziele sind gegenstandslos.

Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/​18 – juris Rn. 30).

Der Vorlagebeschluss ist dahin auszulegen, dass Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen. So heißt es in der Begründung des Vorlagebeschlusses gleich zu Beginn ausdrücklich: „Die Antragsteller der diesem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Musterverfahrensanträge nehmen die Antragsgegnerinnen auf Schadensersatz wegen Verwendung eines fehlerhaften Prospekts in Anspruch. Sie stützen ihre Ansprüche auf Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.“

Eine solche Haftung der Musterbeklagten ist aber – wie dargestellt – aus Rechtsgründen nicht gegeben, sodass es auf Feststellungen zu Prospektfehlern sowie zu weiteren Einzelfragen der Haftung und des Schadens nicht ankommt.

II.

Die Erweiterungs- und Konkretisierungsanträge der Musterklägerin waren zurückzuweisen.

Dies folgt für die mit Schriftsätzen vom 26.10.2019, 26.11.2019 und 03.08.2020 gestellten Anträge aus den unter Ziff. I ersichtlichen Gründen.

Aber auch hinsichtlich des Erweiterungsantrags aus dem Schriftsatz vom 10.06.2021 liegen die Voraussetzungen des § 15 Absatz 1 Ziffern 1 und 3 KapMuG nicht vor. Eine deliktische Haftung der Musterbeklagten war weder Gegenstand des Ausgangsverfahrens der Musterklägerin noch der weiteren Ausgangsverfahren. Ohne diese Anbindung ist eine Prüfung im Musterverfahren nicht zulässig. Das Musterverfahren ist kein abstraktes Prospektprüfverfahren. Vielmehr wird lediglich ein Teil des Streitstoffes in ein rechtlich verselbständigtes Zwischenverfahren verlagert. Geprüft werden darf nur, was nach Maßgabe des Ausgangsverfahrens entscheidungserheblich ist.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).

Dr. Lohmann Dr. Leverenz Dr. Lanzius
Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Amtsgericht

 

 

 

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