Dreistigkeit der Nord Lease

Die NL Nord Lease AG lockte Anleger mit verschiedenen Beteiligungsmodellen: Wer wollte, konnte eine Einmalzahlung leisten („Classic“) und wählen, ob er sich die Ausschüttungen auszahlen lässt oder sie zum Aufbau einer weiteren Beteiligung nutzt („Classic Plus“). Ebenso möglich war die Zahlung monatlicher Raten („Sprint“). Als Mindestlaufzeit für alle Modelle, die auch miteinander kombiniert werden konnten, waren 10 Jahre vorgesehen. Vielfach wurden aber sogar weit längere Laufzeiten gewählt.

Nach Ablauf der jeweiligen Mindestlaufzeit steht jedem Anleger der NL Nord Lease AG ein Kündigungsrecht zu. Übt er dieses aus, muss die Gesellschaft den Auseinandersetzungswert der Beteiligung ermitteln und das etwaige Abfindungsguthaben ein Jahr nach dem Wirksamwerden der Kündigung auszahlen. Doch am letzten Schritt hapert es nun schon seit einigen Jahren.

Vergleich statt Geld

Es häufen sich die Fälle, in denen die Kündigung wirksam geworden ist, die Gesellschaft das Abfindungsguthaben ermittelt hat, aber seit Jahren keine Auszahlung vornimmt. Die NL Nord Lease AG beruft sich dabei auf den so genannten „Liquiditätsvorbehalt“, der in § 13 f Satz 2 des Gesellschaftsvertrages geregelt ist. Danach soll ein Anleger bei der Auszahlung Rücksicht auf die Liquiditätslage der Gesellschaft nehmen.

Diese Paragraphen nutzt Nord Lease konsequent für ihre Zwecke und behauptet, über nicht ausreichend Liquidität zu verfügen, um eine Auszahlung vornehmen zu können. Aus diesem Grund hält sie die Auszahlungen zurück und bietet teilweise Vergleiche an, die nach unserer Auffassung häufig nicht annehmbar sind.

Bei den „Classic Plus“-Varianten hat die Gesellschaft zunächst über unterschiedliche Wege ihren Anlegern Vergleichsvorschläge unterbreitet, nach denen sie im Hinblick auf angeblich rückzahlbare gewinnunabhängige Ausschüttungen (die in den „Plus“-Vertrag geflossen sind) Zahlungen von einigen Tausend Euro erbringen und außerdem auf alle etwaigen, ihnen zustehenden Ansprüche aus dem Vertrag verzichten sollen.

Alle, die sich solchen Vergleichen bislang verweigert haben, erhielten am 18. Mai 2015 ein Schreiben der NL Nord Lease AG, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass die Gesellschaft annähernd sämtliches Neugeschäft eingestellt habe. Unter Hinweis auf den Jahresabschluss 2013 werden gewinnunabhängige Ausschüttungen in einer Höhe, die meistens ungefähr der ursprünglich geleisteten Beteiligungssumme entsprechen, bis zum 8. Juni 2015 zurückgefordert. Der Kanzlei des Mehrheitsgesellschafters Boris Hofmann, die Rechtsanwälte Dr. May, Hofmann + Kollegen, sei bereits der unbedingte Klagauftrag erteilt. Wer nicht fristgerecht zahle, werde verklagt.

Von den Verbrauchern, die von einem vollständigen Verlust ihrer Einlage ausgehen müssen, wird also noch einmal eine Zahlung in etwa der ursprünglichen Höhe verlangt, weil über die Jahre praktisch die vollständige Beteiligungssumme des „Classic“-Vertrages in Form gewinnunabhängiger Ausschüttungen in den „Plus“-Vertrag übertragen wurde.

Dabei „vergisst“ die Gesellschaft allerdings, dass sie nach § 13 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet ist, die jeweiligen Abfindungsguthaben der Gesellschafter von einem Wirtschaftsprüfer berechnen zu lassen. Dabei fände auch das Abfindungsguthaben der Gesellschafter aus der „Classic“-Beteiligung Berücksichtigung, die die Nord Lease AG nun immer „unter den Tisch fallen lässt“. Stellt man den Kontostand der Kontoauszüge der Gesellschaft für den „Classic“-Vertrag demjenigen des „Plus“-Vertrages gegenüber, ergibt sich nach unserer Beobachtung in der Regel nur ein geringfügiges Soll zulasten der Anleger.

Kein Anleger sollte sich durch das Drohschreiben der NL Nord Lease AG beeindrucken lassen und aus Angst vor den Kosten eines Gerichtsverfahrens die Forderung begleichen. Denn: Solange die Gesellschaft die Auseinandersetzungsrechnung nicht gemäß § 13 Gesellschaftsvertrag von einem Wirtschaftsprüfer hat erstellen lassen und diese zu einem Saldo zugunsten der Gesellschaft führt, ist kein Anleger verpflichtet, Zahlungen zu erbringen.

Hilfreich sind in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des OLG München vom 30. April 2014 (Az.20 U 2680/13 und Az. 20 U 2169/13), nach denen die Einlageverpflichtung auf die Variante „Plus“ entfällt, wenn die Ausschüttungen für die Variante „Classic“ und „Sprint“ von den Anlegern zurückverlangt werden. Damit würden sich zwei gleich hohe Forderungen von Gesellschaft und Anleger gegenüberstehen, die einer Durchsetzung der Forderung der Gesellschaft entgegenstehen.

Quelle VZ Hamburg

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