BGH – Film- und Entertainment VIP Medienfonds 3 GbmH & Co. KG

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

II ZB 3/​21

vom

23. November 2021

in dem Rechtsstreit

Dr. Andreas Claußnitzer, Ahornallee 43, Berlin,

Musterkläger und
Rechtsbeschwerdeführer,

– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Wessels –

gegen

1.

2.

Commerzbank AG, vertreten durch den Vorstand,
Breite Straße 10, Düsseldorf,

Musterbeklagte zu 2 und
Rechtsbeschwerdegegnerin,

– Prozessbevollmächtigter zu 2: Rechtsanwalt Prof. Dr. Siegmann –

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. November 2021 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher und die Richter Wöstmann, Born, Dr. Bernau sowie V. Sander

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers gegen den Musterentscheid des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München (5. Senat) vom 15. Dezember 2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Dezember 2020 wird auf Kosten des Musterklägers zurückgewiesen.

Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 13.817.884,96 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1

Der Musterkläger beteiligte sich über die Treuhandkommanditistin MTM Medien Treuhand München Vermögensverwaltung GmbH an der Film- und Entertainment VIP 3 Medienfonds GmbH & Co. KG. Er nimmt die Musterbeklagte zu 2 neben weiteren Anlegern unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im engeren Sinn auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Gegenstand der Fondsgesellschaft war die weltweite Entwicklung, Produktion, Koproduktion, Verwertung und Vermarktung sowie der weltweite Vertrieb von Kino-, Fernseh- und Musikproduktionen und anderen audiovisuellen Produktionen jeder Art sowie der damit zusammenhängenden Nebenrechte, insbesondere Merchandising. Nach dem Prospekt vom 25. Oktober 2002 war vorgesehen, dass die Fondsgesellschaft sogenannte unechte Auftragsproduktionen an Produktionsdienstleister vergibt. Die Verwertung der Rechte an den Produktionen sollte Lizenznehmern überlassen werden, die sich im Gegenzug u. a. zur Leistung einer Schlusszahlung in Höhe des Anteils der Fondsgesellschaft an den Produktionskosten zum Ende der Laufzeit des Fonds am 15. Dezember 2011 verpflichten sollten. Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 2, die Dresdner Bank AG, sollte die Schlusszahlungsverpflichtung mit schuldbefreiender Wirkung übernehmen, wenn sie vom Lizenznehmer einen Gegenwert in Höhe des Barwerts der übernommenen Zahlungsverpflichtungen (Schuldübernahmeentgelt) sowie die sonstigen nach den Schuldübernahmevereinbarungen zu zahlenden Entgelte erhalten hatte.

3

Das Oberlandesgericht hat auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts München I vom 12. Dezember 2007 am 8. Mai 2012 einen Musterentscheid erlassen, in dem u. a. festgestellt wurde, dass die Musterbeklagte zu 2 in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der früheren Beklagten Dresdner Bank AG für den Prospekt als Hintermann nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne verantwortlich sei und die Musterbeklagte zu 2 in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der Dresdner Bank AG bei der Veröffentlichung des Prospekts nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne schuldhaft gehandelt habe. Hinsichtlich dieser Feststellungen hat der Senat den Musterentscheid auf die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 2 mit Beschluss vom 29. Juli 2014 aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/​12, ZIP 2014, 2284). Mit Musterentscheid vom 9. Mai 2017 hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Musterbeklagte zu 2 in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der früheren Beklagten Dresdner Bank AG für den Prospekt als Garantin nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn verantwortlich sei und bei der Veröffentlichung des Prospekts nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn schuldhaft gehandelt habe. Hinsichtlich dieser Feststellungen hat der Senat den Musterentscheid auf die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 2 mit Beschluss vom 22. Januar 2019 aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/​17, ZIP 2019, 655). Mit weiterem Musterentscheid vom 15. Dezember 2020 hat das Oberlandesgericht den Musterantrag für gegenstandslos erklärt, soweit ein schuldhaftes Handeln der Dresdner Bank AG festgestellt werden soll und den weitergehenden, auf die Feststellung der Prospektverantwortlichkeit der Dresdner Bank AG gerichteten Musterantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Musterklägers.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 2 bzw. ihrer Rechtsvorgängerin könne nicht unter dem Gesichtspunkt der Hintermanneigenschaft festgestellt werden, da die der Dresdner Bank AG zugebilligten wirtschaftlichen Vorteile nicht für deren maßgeblichen Einfluss auf die Konzeption des Fonds sprächen und es auch bei einer Gesamtbetrachtung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gebe, dass sie die ihr zugebilligten Vorteile nicht im Verhandlungswege erzielt habe, sondern diese auf einer einseitigen Einflussnahme auf die Gestaltung der Fondskonzeption beruhten.

7

Es könne schon nicht festgestellt werden, dass der Dresdner Bank AG unangemessene wirtschaftliche Vorteile gewährt worden seien, die unter den gegebenen Marktbedingungen im Verhandlungswege typischerweise nicht hätten bedungen werden können. Auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kaserer ergebe sich, dass die Dresdner Bank AG bei den Vertragsverhandlungen bemüht gewesen sei, für sich den größtmöglichen Vorteil aus den Geschäften betreffend VIP 3 zu ziehen und sie einen vom Sachverständigen so bezeichneten „nicht marktüblichen wirtschaftlichen Vorteil“ in einer Größenordnung von etwa 3 bis 4 % der Schuldübernahmegebühr erzielt habe. Das sei auf den ersten Blick angesichts der Höhe der Schuldübernahmegebühr ein exorbitanter Betrag, der sich angesichts der Höhe der Garantiezahlung und der Laufzeit der vertraglichen Verpflichtung der Dresdner Bank AG aber relativiere. Beachte man, dass je individueller und vereinzelter das angebotene Produkt sei, der Marktvergleich mangels entsprechender Angebote schwieriger sei und die Tendenz der Angebotsseite gefördert werde, ein möglichst hohes Entgelt zu verlangen, lasse sich allein aus der Höhe der erhaltenen Entgelte nicht der Schluss darauf ziehen, es sei eine wie auch immer geartete Machtposition ausgenutzt worden.

8

Unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen Wieners, Tschammer, Neutgens und Melcher im Zusammenhang mit dem Gutachten lasse sich nicht der Schluss ziehen, die Dresdner Bank AG habe die von ihr erzielten Vorteile nicht im Verhandlungswege, sondern per Diktat als Entscheidungsträger innerhalb der Fondskonstruktion erzielt. Auch das Aushandeln eines Bearbeitungsentgelts von 170.000 € und das Einwerben des Mandats für die Schuldübernahme unter Gremienvorbehalt im Vorfeld der Verhandlungen des Musterbeklagten zu 1 mit dem Zeugen Wieners und der Zeugin Tschammer belege weder für sich genommen noch im Zusammenhang mit den weiter festgestellten Umständen eine einseitig bestimmende Position der Musterbeklagten zu 2.

9

2. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde des Musterklägers bleiben ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Musterbeklagte zu 2 nicht als sogenannter Hintermann prospektverantwortlich ist.

10

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind neben dem Herausgeber des Prospekts, den Gründern, Initiatoren und Gestaltern der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen, diejenigen als prospektverantwortlich anzusehen, die als Hintermänner hinter der Fondsgesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und Mitverantwortung tragen (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 – II ZR 60/​80, BGHZ 79, 337, 340). Maßgeblich für die Haftung des Hintermanns ist sein Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des Projekts. Er muss eine Schlüsselposition besitzen, die mit derjenigen der Geschäftsleitung vergleichbar ist (BGH, Urteil vom 19. November 2009 – III ZR 109/​08, ZIP 2009, 2449 Rn. 13; Urteil vom 17. November 2011 – III ZR 103/​10, BGHZ 191, 310 Rn. 17; Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/​12, ZIP 2014, 2284 Rn. 110; Urteil vom 17. September 2020 – III ZR 283/​18, BGHZ 227, 49 Rn. 35). Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermanns sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/​18, BGHZ 228, 237 Rn. 24). Das im jeweiligen Fall festzustellen, ist eine im Wesentlichen tatrichterliche Aufgabe (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 125/​06, ZIP 2007, 1993 Rn. 19; Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/​12, ZIP 2014, 2284 Rn. 110).

11

b) Für den vorliegenden Fall hat der Senat ausgesprochen, dass die Beteiligung der Bank an der Gestaltung der Schuldübernahmeverträge einschließlich der zugrundeliegenden Zahlungsströme keine ausreichende Grundlage für die Annahme einer Schlüsselposition bei der Konzeptionierung des Fonds darstellt (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/​12, ZIP 2014, 2284 Rn. 113). Eine Prospektverantwortlichkeit lässt sich weder mit dem pauschalen Hinweis auf eine Schlüsselfunktion bei der Gestaltung des Gesamtprojekts noch aus der Feststellung ableiten, die Weiterleitung der Anlegergelder an die Dresdner Bank AG sei alternativlos gewesen. Ein maßgeblicher Einfluss auf das Gesamtprojekt ergibt sich auch nicht daraus, dass die Dresdner Bank AG die Schuldübernahme von der Verwendung eines einheitlichen, von ihr vorgegebenen Vertragswerks abhängig gemacht hat, ihr die jeweiligen Lizenznehmer „genehm sein mussten“ und sie auf deren Auswahl Einfluss genommen hat, weil mit diesen Maßnahmen lediglich typische Interessen eines Schuldübernehmers verfolgt wurden (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/​17, ZIP 2019, 655 Rn. 31). In anderem Zusammenhang hat der Senat ausgesprochen, dass die einem Projektbeteiligten zugebilligten wirtschaftlichen Vorteile nur dann für einen maßgeblichen Einfluss auf die Konzeption eines Fonds sprechen können, wenn Anhaltspunkte dafür offenbar werden, dass solche nicht im Verhandlungswege erzielt wurden, sondern auf der einseitigen Einflussnahme des Projektbeteiligten bei der Gestaltung der Fondskonzeption beruhen. Dies kann der Fall sein, wenn dem Projektbeteiligten für die von ihm zu erbringenden Leistungen unangemessene wirtschaftliche Vorteile gewährt werden, die unter den gegebenen Marktbedingungen im Verhandlungswege typischerweise nicht ausbedungen werden können (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 1/​12, ZIP 2014, 2121 Rn. 90).

12

c) Das Oberlandesgericht ist entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde von diesen rechtlichen Maßstäben ausgegangen und hat die Prospektverantwortlichkeit der Dresdner Bank AG rechtsfehlerfrei verneint.

13

aa) Die Beweiswürdigung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, § 576 Abs. 1 und 3 ZPO i.V.m. § 546 ZPO. An rechtsfehlerfrei getroffene tatsächliche Feststellungen ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO). Die Beweiswürdigung ist danach grundsätzlich Sache des Tatrichters und nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/​10, BGHZ 192, 90 Rn. 29; Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 217/​03, WM 2004, 1726, 1729). Diese Grundsätze gelten auch für das Musterrechtsbeschwerdeverfahren (BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/​09, ZIP 2013, 1165 Rn. 11; Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/​12, ZIP 2014, 2284 Rn. 37; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/​14, ZIP 2018, 2307 Rn. 131; Beschluss vom 17. Dezember 2020 – II ZB 31/​14, ZIP 2021, 346 Rn. 161).

14

bb) Die tatrichterliche Würdigung des Oberlandesgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

15

(1) Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass die wirtschaftlichen Vorteile der Dresdner Bank AG nicht mehr als marktüblich anzusehen waren, dies aber unter den gegebenen Marktbedingungen auf einer starken Verhandlungsposition beruht haben konnte. Es besteht entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde keine tatsächliche Vermutung, dass die Gewährung einer nicht mehr als marktüblich anzusehenden Vergütung nicht im Verhandlungswege erzielt werden konnte, sondern auf einer einseitigen Einflussnahme der Dresdner Bank AG bei der Gestaltung der Fondskonzeption beruhte.

16

(2) Das Oberlandesgericht hat nicht verkannt, dass das mit der Schuldübernahme verbundene Refinanzierungsgeschäft als standardmäßiges Bankgeschäft anzusehen war. Die Rechtsbeschwerde übersieht, dass das Oberlandesgericht nicht nur den ökonomischen Hintergrund der Schuldübernahmevereinbarung in den Blick genommen hat, der den Sachverständigen dazu veranlasst hat, die für die Schuldübernahme und den als Gegenleistung vereinbarten festen Rechnungszins als Refinanzierungsgeschäft zu betrachten, sondern die von der Dresdner Bank AG angebotene Gesamtleistung.

17

Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Erwägung, dass das Oberlandesgericht die Höhe des „nicht marktüblichen wirtschaftlichen Vorteils“ von 3 bis 4 % der Schuldübernahmegebühr nicht nur isoliert als Betrag betrachtet, sondern die vereinbarte Leistung im Hinblick auf die Höhe der vereinbarten Garantiezahlung und die Laufzeit der Schuldübernahmeverträge als relativiert angesehen hat.

18

(3) Die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 3 EGZPO, § 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 ZPO).

 

Drescher                Wöstmann                Born

Bernau                V. Sander

 

Vorinstanz:
OLG München, Entscheidung vom 15.12.2020 – Kap 2/​07 –

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