Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie: Änderung der Anlage 1, der Anlage 2 und der Anlage 8

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie:
Änderung der Anlage 1, der Anlage 2 und der Anlage 8

Vom 16. Juni 2022

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 16. Juni 2022 beschlossen, die DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL) in der Fassung vom 20. März 2014 (BAnz AT 26.06.2014 B3), die zuletzt am 18. März 2021 (BAnz AT 04.08.2021 B1) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:

I.

Die Anlage 1 (DMP Diabetes mellitus Typ 2) der DMP-Anforderungen-Richtlinie wird wie folgt gefasst:

„Anlage 1

Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2

1 Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von ­evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V)

1.1 Definition des Diabetes mellitus Typ 2

Als Diabetes mellitus Typ 2 wird die Form des Diabetes bezeichnet, die durch Insulinresistenz in Verbindung mit eher relativem als absolutem Insulinmangel gekennzeichnet ist.

1.2 Diagnostik (Eingangsdiagnose)

Die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 gilt als gestellt, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:

Bei Vorliegen typischer Symptome des Diabetes mellitus (z. B. Polyurie, Polydipsie, ansonsten unerklärlicher Gewichtsverlust): Nüchtern-Glukose vorrangig im Plasma (i. P.) ≥ 7,0 mmol/​l (≥ 126 mg/​dl) oder Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/​l (≥ 200 mg/​dl) oder HbA1c ≥ 6,5 % (48 mmol/​mol).

Bei Abwesenheit diabetischer Symptome:

Die Diagnose eines Diabetes mellitus wird unabhängig von Alter und Geschlecht durch Messung mehrfach erhöhter Glukosewerte an mindestens zwei verschiedenen Tagen gestellt:

Nüchtern-Glukose i. P. ≥ 7,0 mmol/​l (≥ 126 mg/​dl) oder
Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/​l (≥ 200 mg/​dl) oder
HbA1c ≥ 6,5 % (48 mmol/​mol) oder
Nachweis von Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/​l (≥ 200 mg/​dl)/​2 Stunden nach oraler Glukosebelastung (75 g Glukose).

Die Messung von Plasmaglukose und HbA1c im Rahmen der Diagnostik des Diabetes mellitus sollte nur mit qualitätsgesicherten Labormethoden erfolgen.

Bei verdächtigem klinischem Bild und widersprüchlichen Messergebnissen ist die Diagnosestellung mittels einer anderen diagnostischen Messgröße empfohlen oder eines oralen Glukosetoleranztests möglich. Es muss aber bedacht werden, dass dieser Test eine niedrige Reproduzierbarkeit hat. Die zur Einschreibung führenden Messungen dürfen nicht während akuter Erkrankungen (z. B. Infektionen) oder während der Einnahme das Ergebnis verfälschender ­Medikamente (z. B. Glukokortikoide) durchgeführt werden, es sei denn, die Einnahme dieser Medikamente ist wegen einer chronischen Erkrankung langfristig erforderlich. Die Unterscheidung zwischen Diabetes mellitus Typ 2 von Typ 1 und anderen Diabetes-Typen (beispielsweise medikamentös induzierten) erfolgt anhand der Anamnese und des ­klinischen Bildes, ist so jedoch nicht immer möglich. In Zweifelsfällen (z. B. Verdacht auf LADA, Latent Autoimmune Diabetes in Adults) können weitere Untersuchungen (z. B. die Messung von Inselzellautoantikörpern, insbesondere GAD-Antikörper) erforderlich sein.

Die Einschreibekriterien für strukturierte Behandlungsprogramme ergeben sich zusätzlich aus Nummer 3. Die Ärztin oder der Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Nummer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und an der Umsetzung mitwirken kann.

1.3 Therapie des Diabetes mellitus Typ 2

1.3.1 Therapieziele

Die Therapie dient der Erhöhung der Lebenserwartung sowie der Erhaltung oder der Verbesserung der von einem Diabetes mellitus Typ 2 beeinträchtigten Lebensqualität. Dabei sind in Abhängigkeit z. B. von Alter und Begleiterkrankungen der Patientin oder des Patienten folgende individuelle Therapieziele anzustreben:

Vermeidung von Symptomen der Erkrankung (z. B. Polyurie, Polydipsie, Abgeschlagenheit) einschließlich der Vermeidung neuropathischer Symptome, Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie (insbesondere schwere oder rezidivierende Hypoglykämien) sowie schwerer hyperglykämischer Stoffwechselentgleisungen,
Reduktion des erhöhten Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und sonstige makroangiopathische Morbidität und Mortalität,
Vermeidung der mikrovaskulären Folgeschäden (insbesondere Retinopathie mit schwerer Sehbehinderung oder Erblindung, Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie),
Vermeidung des diabetischen Fußsyndroms mit neuro-, angio- und/​oder osteoarthropathischen Läsionen und von Amputationen.

1.3.2 Differenzierte Therapieplanung

1.3.2.1 Allgemein

Auf der Basis der in Nummer 1.3.1 genannten allgemeinen Therapieziele und unter Berücksichtigung des individuellen Risikos, des Alters sowie der vorliegenden Folgeschäden bzw. Begleiterkrankungen sowie der Priorisierung und Motivation der Patientin oder des Patienten sind gemeinsam individuelle Therapieziele festzulegen und mit dem Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung eine differenzierte individuelle Therapieplanung vorzunehmen.

Die Ärztin oder der Arzt informiert dabei in verständlicher Form die Patientin oder den Patienten im Hinblick auf die in Nummer 1.3.1 genannten Therapieziele über Vor- und Nachteile bestimmter Interventionen. Neben der Autonomie der Patientinnen und Patienten für die eigene Entscheidung soll so die Arzt-Patienten-Beziehung gefestigt und damit eine langjährige Adhärenz zu der vereinbarten Therapie erreicht werden.

Es sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Verträglichkeit und der Komorbiditäten vorrangig Medikamente empfohlen werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der in Nummer 1.3.1 genannten Therapieziele in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung andere Maßnahmen als die in dieser Anlage genannten empfohlen werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Maßnahmen Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.

1.3.2.2 Orientierungsgrößen für die antihyperglykämische Therapie

Zur Erreichung der individuellen Therapieziele sollen nach Möglichkeit zunächst, in der Regel mindestens für 3 bis 6 Monate, nicht-medikamentöse Maßnahmen eingesetzt werden.

Das Ziel der antihyperglykämischen Therapie, gemessen am HbA1c-Bereich, ist individuell festzulegen. Hierbei muss unter Berücksichtigung der eingesetzten therapeutischen Maßnahmen ein positives Verhältnis zwischen Nutzen ­(Risikoreduzierung von Komplikationen) und Schaden (insbesondere schwere Hypoglykämien) zu erwarten sein:

Unter Berücksichtigung der individuellen Therapieziele sind in der Regel Glukosewerte entsprechend einem HbA1c-Bereich von 6,5 % bis 7,5 %, 48 mmol/​mol bis 58 mmol/​mol anzustreben. Worauf man in diesem Korridor abzielt, hängt unter anderem vom Alter und der Komorbidität der Patientin oder des Patienten ab.
Eine Absenkung auf HbA1c-Werte unter 6,5 % (48 mmol/​mol) kann insbesondere bei jüngeren Patientinnen und Patienten im frühen Krankheitsverlauf erfolgen, solange die Therapie mit lebensstilmodifizierenden Maßnahmen oder/​und Metformin durchgeführt wird, da bei der Behandlung mit Metformin ein Nutzen in Bezug auf patienten­relevante Endpunkte belegt ist und kein erhöhtes Risiko für bedeutende Nebenwirkungen (Hypoglykämien) besteht.
Bei Patientenwunsch, bei fortgeschrittenem Alter, bei Multimorbidität, Hypoglykämiegefährdung sowie bei Patientinnen und Patienten mit einer eher kürzeren Lebenserwartung kann ein HbA1c-Ziel bis 8,5 % (69 mmol/​mol) bei gegebener Symptomfreiheit tolerabel sein. Die Symptomfreiheit, die in der Regel bei HbA1c-Werten bis 8,5 % (69 mmol/​mol) gewährleistet ist und die Vermeidung von akuten hyperglykämischen Entgleisungen und schweren Hypoglykämien bestimmen dann die Glukoseziele.

1.3.3 Ärztliche Kontrolluntersuchungen

Die folgende Tabelle fasst die regelmäßig durchzuführenden Untersuchungen zusammen. Näheres ist in Nummer 1.7 beschrieben.

mindestens einmal jährlich Berechnung der geschätzten (estimated) glomerulären Filtrationsrate (eGFR)
ein- oder zweijährlich
(risikoabhängig, siehe Nummer 1.7.2.3)
augenärztliche Untersuchung einschließlich Netzhautunter­suchung in Mydriasis zum Ausschluss einer Retinopathie
mindestens einmal jährlich Inspektion der Füße einschließlich klinischer Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus
mindestens vierteljährlich oder mindestens halbjährlich gemäß Befund siehe Tabelle Nummer 1.7.3.2 Untersuchung der Füße bei erhöhtem Risiko, einschließlich Überprüfung des Schuhwerks
vierteljährlich, mindestens halbjährlich Blutdruckmessung
vierteljährlich, mindestens halbjährlich HbA1c-Messung
vierteljährlich, mindestens halbjährlich Bei insulinpflichtigen Patientinnen und Patienten Untersuchung der Injektionsstellen auf Lipohypertrophie und der korrekten Injektionstechnik, bei starken Glukoseschwankungen auch häufiger

1.4 Basistherapie

1.4.1 Ernährungsberatung

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 erhalten Zugang zu einer qualifizierten krankheitsspezifischen Ernährungsberatung im Rahmen eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms (siehe Nummer 4.2).

Patientinnen und Patienten mit Übergewicht wird eine Gewichtsreduktion zur Verbesserung der Glukosekontrolle und Senkung kardiovaskulärer Risiken empfohlen.

1.4.2 Körperliche Aktivitäten

Alle Patientinnen und Patienten sollen zu regelmäßiger körperlicher Aktivität motiviert werden. Dies beinhaltet sowohl Bewegung im Alltag (z. B. Gartenarbeit, Treppensteigen, Spazierengehen) als auch körperliches Training in Form von Sport. Angestrebt werden sollte regelmäßiges sportliches Training von mindestens 150 Minuten wöchentlich. Planung und Intensität der körperlichen Aktivität sind an die aktuelle und individuelle Belastbarkeit der Patientin oder des Patienten kontinuierlich anzupassen. Diese Interventionen sollen so ausgerichtet sein, dass die Patientinnen und Patienten motiviert sind, das erwünschte positive Bewegungsverhalten eigenverantwortlich und nachhaltig in ihren Lebensstil zu integrieren.

Die Teilnahme an Rehabilitationssportgruppen oder an Diabetessportgruppen bietet eine Möglichkeit zum Einstieg in ein regelmäßiges körperliches Training.

1.4.3 Adipositastherapie

Die Maßnahmen in den Nummern 1.4.1 und 1.4.2 haben auch das Ziel, bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Wenn trotz Unterstützung Versuche zur Gewichtsreduktion wiederholt bei stark adipösen Patientinnen und Patienten ohne Erfolg geblieben sind, sollte geprüft werden, ob die Patientin und der Patient von einer bariatrischen Intervention profitieren könnte.

1.4.4 Stoffwechselselbstkontrolle

Im Rahmen dieses strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms sollen die Patientinnen und Patienten mit der Durchführung einer dem Therapieregime angemessenen Stoffwechselselbstkontrolle sowie der Interpretation der Ergebnisse vertraut gemacht werden.

Auch außerhalb der Schulungsphase soll Patientinnen und Patienten eine angemessene Stoffwechselselbstkontrolle ermöglicht werden sowie in speziellen Situationen auch denjenigen Patientinnen und Patienten, die ausschließlich mit oralen Antidiabetika therapiert werden.

1.4.5 Raucherberatung

Im Rahmen der Therapie klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die Patientinnen und Patienten über die besonderen Risiken des Rauchens, des Konsums von E-Zigaretten und des Passivrauchens für Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 auf, verbunden mit den folgenden spezifischen Beratungsstrategien und der dringenden Empfehlung, das Rauchen aufzugeben:

Der Raucherstatus soll bei jeder Patientin und jedem Patienten regelmäßig erfragt werden.
Raucherinnen und Raucher sollen in einer klaren, starken und persönlichen Form dazu motiviert werden, mit dem Rauchen aufzuhören.
Es ist festzustellen, ob Raucherinnen und Raucher zu dieser Zeit bereit sind, einen Ausstiegsversuch zu beginnen.
Ausstiegsbereiten Raucherinnen und Rauchern sollen wirksame Hilfen zur Raucherentwöhnung angeboten werden. Dazu gehören nicht-medikamentöse, insbesondere verhaltensmodifizierende Maßnahmen im Rahmen einer strukturierten Tabakentwöhnung und geeignete Medikamente, auch soweit deren Kosten von Patientinnen und Patienten selbst zu tragen sind.
Es sollen Folgekontakte vereinbart werden, möglichst in der ersten Woche nach dem Ausstiegsdatum.
Ehemalige Raucherinnen und Raucher sollen in ihrer Karenz bestärkt werden.

1.5 Medikamentöse Therapie des Diabetes mellitus Typ 2

1.5.1 Allgemeine Grundsätze der Wirkstoffauswahl

Bei der Wirkstoffauswahl zur antidiabetischen Therapie sind neben der Beachtung von Zulassung, Verordnungsfähigkeit und Kontraindikationen prinzipiell folgende Kriterien zu berücksichtigen:

Beleg der Wirksamkeit anhand klinisch relevanter mikro- und makrovaskulärer Endpunkte
Eignung von Wirkungsmechanismus, Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil (z. B. Risiko von Hypoglykämien und Gewichtszunahme), Arzneimittelinteraktionen und Pharmakokinetik für die individuelle Indikationsstellung
individuelle Wirkung und Verträglichkeit
Patientensicherheit
individuelle Patientenbedürfnisse im Sinne eines „shared-decision-making“.

Kontrollierte Studien mit klinischen Endpunkten (Tod, Infarkt, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Amputation u. a.) sind das wichtigste Instrument zum Wirksamkeitsnachweis einer Therapie und daher auch wichtigste Grundlage aller Therapieentscheidungen.

1.5.2 Bevorzugt einzusetzende Wirkstoffe für definierte Patientengruppen

Bei der Wirkstoffauswahl zur antidiabetischen Therapie ist zu beachten, ob es sich um Patientinnen und Patienten ohne oder mit Vorliegen einer manifesten arteriosklerotischen kardiovaskulären Komorbidität, einer Nephropathie oder einer Herzinsuffizienz handelt.

1.5.2.1 Patientinnen und Patienten ohne manifeste arteriosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen, Nephropathie oder Herzinsuffizienz

Bei diesen Patientinnen und Patienten sollte, wenn eine medikamentöse Primärtherapie erforderlich ist, eine Monotherapie mit Metformin begonnen werden. Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid, Gliclazid) können als Alternative bei Unverträglichkeiten gegenüber Metformin eingesetzt werden. Eine Überlegenheit für Insulin als Ersttherapie gegenüber diesen oralen Antidiabetika in Monotherapie ist nicht belegt. Bei hohem Ausgangsglukose- und HbA1c-Wert und erforderlicher starker Wirkung kann auch im Rahmen der Ersttherapie der Einsatz von Insulin notwendig sein.

Wird das individuelle Therapieziel nach 3 bis 6 Monaten nicht erreicht, so erfolgt eine Kombinationstherapie von Metformin mit einem Sulfonylharnstoff (Glibenclamid, ggf. Gliclazid). Bei Vorliegen von Kontraindikationen oder einem HbA1c-Therapiezielbereich von unter 7,0 Prozent kann unter Beachtung der Patientinnen- und Patientenpräferenzen und individuellen Nutzen-Risikoabwägung vorranging Empagliflozin und nachrangig ein anderes Antidiabetikum gegeben werden.

Wird nach weiteren maximal 6 Monaten der Kombinationstherapie der HbA1c-Zielwert weiterhin nicht erreicht, sollte eine Therapie mit Metformin und einem Basalinsulin begonnen werden. Vor allen weiteren Therapieeskalationen sollten jeweils erneut die Therapiestrategie und das Therapieziel in einer partizipativen Entscheidungsfindung überprüft werden. Ist eine weitere Therapieeskalation notwendig, sollte zunächst eine Kombination aus Basalinsulin und kurzwirksamen Insulin (ggf. als Mischinsulin) eingesetzt werden. Besteht darüber hinaus erhöhter Therapiebedarf, sollte mit einer intensivierten Insulintherapie begonnen werden.

Liegen bei diesen Patientinnen und Patienten kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Hyperlipoproteinämie, Adipositas oder Nikotinkonsum vor, sollen diese entsprechend den Abschnitten unter Nummer 1.4 und 1.7 behandelt werden.

1.5.2.2 Patientinnen und Patienten mit manifester arteriosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung (durchgemachter Myokardinfarkt oder ischämischer Schlaganfall oder bedeutsame arterielle Stenose > 50 %) oder klinisch relevanter Nephropathie (eGFR < 45ml/​min oder AKR > 30 mg/​g Kreatinin)

Patientinnen und Patienten mit unzureichender Kontrolle des Diabetes und Vorliegen einer manifesten kardiovaskulären Erkrankung, die bereits mit Medikamenten zur Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren behandelt werden, soll darüber hinaus eine Kombinationstherapie aus Metformin plus Liraglutid oder Empagliflozin erhalten, wenn Patientinnen und Patienten nach Abwägung der Wirkungen und Nebenwirkungen dazu bereit sind. Patientinnen und Patienten mit einer klinisch relevanten Nephropathie sollen frühzeitig eine Kombinationstherapie aus Metformin plus einem SGLT2-Inhibitor oder GLP-1-Rezeptor-Agonist erhalten, wenn Patientinnen und Patienten nach Abwägung der Wirkungen und Nebenwirkungen dazu bereit sind.

Wird nach maximal 6 Monaten der Kombinationstherapie das individuelle Therapieziel nicht erreicht, sollte eine Therapieeskalation mit zusätzlichem Basalinsulin begonnen werden. Vor allen weiteren Therapieeskalationen sollen jeweils erneut die Therapiestrategie und das Therapieziel in einer partizipativen Entscheidungsfindung überprüft werden. Ist eine weitere Therapieeskalation notwendig, sollte zunächst eine Kombination aus Basalinsulin und kurzwirksamen Insulin (ggf. als Mischinsulin) eingesetzt werden. Besteht darüber hinaus erhöhter Therapiebedarf, sollte mit einer intensivierten Insulintherapie begonnen werden.

1.5.2.3 Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz (Linksventrikuläre Ejektionsfraktion < 40 %)

Diese Patientinnen und Patienten sollten primär, d. h. unabhängig vom HbA1c-Wert und zusätzlich zur Standardtherapie, eine Kombinationstherapie aus Metformin plus Dapagliflozin, nachrangig Metformin plus Empagliflozin erhalten, wenn Patientinnen und Patienten nach Abwägung der Wirkungen und Nebenwirkungen dazu bereit sind. Die Kombinationstherapie mit Metformin ist bei Vorliegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz kontraindiziert.

1.5.3 Grundsätze der Insulintherapie

Vor dem Einsatz von Insulinen zur Therapiesteuerung sind die Präferenzen und Wünsche der Patientinnen und Patienten zu eruieren und gemeinsam ggf. ein neues Therapieziel festzulegen.

Tagsüber wirksame Insuline sollen so lange wie möglich vermieden werden. Stattdessen sollten NPH-Insuline zur Nacht bevorzugt gegeben werden.
Ist eine Therapieeskalation notwendig, sollten nach der abendlichen Gabe von NPH-Insulinen Mischinsuline (CT) eingesetzt werden.
Eine intensivierte Insulinbehandlung sollte – insbesondere im höheren Alter – nur zurückhaltend eingesetzt werden.

1.5.4 Antidiabetika ohne gesicherte günstige Beeinflussung klinischer Endpunkte:

Alpha-Glukosidasehemmer
Glinide
andere Antidiabetika (z. B. Glimepirid)
DPP-4-Inhibitoren (Dipeptidyl-Peptidase-4-Inhibitoren, Gliptine)

1.6 Hypoglykämierisiko im Alltag

Bei Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Hypoglykämierisiko sind besondere Risiken zu beachten. Diese betreffen beispielsweise eine möglicherweise eingeschränkte Fahrsicherheit beim Führen eines Fahrzeugs im ­Straßenverkehr sowie Risiken bei verschiedenen Tätigkeiten (zum Beispiel Sport, Bedienung von Maschinen).

1.6.1 Behandlung hyper- und hypoglykämischer Stoffwechselentgleisungen

Bei hyperglykämischen Stoffwechselentgleisungen oder symptomatischen Hypoglykämien sind im Anschluss an eine Notfalltherapie eine zeitnahe Ursachenklärung (z. B. Essverhalten, unzureichende Medikation, Ausschluss des Vorliegens eines ggf. unerkannten Diabetes mellitus Typ 1 – LADA, pankreopriver Diabetes) sowie eine Therapiezielüberprüfung und gegebenenfalls Therapieanpassung vorzunehmen.

Bei dauerhafter hyperglykämischer Stoffwechsellage, insbesondere beim Vorliegen typischer Symptome (z. B. Gewichtsverlust, Durst, Polyurie, Abgeschlagenheit, Müdigkeit), ist eine Verbesserung der Glukose-Einstellung anzustreben.

Für Patientinnen und Patienten, bei denen Symptomfreiheit das vorrangig vereinbarte Therapieziel ist, ist das Ausmaß der Glukosesenkung individuell anzupassen, um z. B. folgenschwere Hypoglykämien zu vermeiden.

Bei wiederholter schwerer Hypoglykämie ist bei Patientinnen und Patienten, die einer intensivierten Insulinbehandlung bedürfen, in dieser geschult sind und diese bereits anwenden, die Indikation einer rtCGM zu prüfen.

1.7 Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 2

1.7.1 Makroangiopathie

Die Makroangiopathie, insbesondere in Form der koronaren Herzkrankheit, stellt das Hauptproblem der Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 dar. Die Senkung eines erhöhten Blutdrucks bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 reduziert die kardio- und zerebrovaskuläre Morbidität und Mortalität bereits im Verlauf weniger Jahre. Daher soll in geeigneten Abständen eine individuelle Risikoabschätzung hinsichtlich makroangiopathischer Komplikationen erfolgen.

Primär sollen zur Beeinflussung makroangiopathischer Begleit- und Folgeerkrankungen Interventionen durchgeführt werden, deren positiver Effekt auf Mortalität und Morbidität, wie sie in den Therapiezielen formuliert wurden, nachgewiesen ist.

Zur Prävention und zur Hemmung der Progression makroangiopathischer Folgeerkrankungen kommen folgende Maßnahmen in Betracht:

Lebensstil verändernde Maßnahmen (z. B. Tabakverzicht [siehe Nummer 1.4.5], körperliche Aktivität [siehe Nummer 1.4.2] und gesunde Ernährung [siehe Nummer 1.4.1]),
antihypertensive Therapie (zur Primär- und Sekundärprävention),
Statingabe (zur Sekundärprävention und nach individueller Risikoabschätzung zur Primärprävention),
Thrombozytenaggregationshemmer (nur zur Sekundärprävention),
gegebenenfalls eine glukosesenkende medikamentöse Therapie entsprechend der in Nummer 1.5 definierten Patientengruppen.

1.7.1.1 Arterielle Hypertonie

Wegen der erhöhten Koinzidenz der arteriellen Hypertonie mit dem Typ-2-Diabetes soll der Blutdruck vierteljährlich, mindestens halbjährlich gemessen werden. Die Diagnose der arteriellen Hypertonie kann wie folgt gestellt werden:

Eine Hypertonie liegt vor, wenn bei mindestens zwei Gelegenheitsblutdruckmessungen an zwei unterschiedlichen Tagen Blutdruckwerte von ≥ 140 mmHg systolisch und/​oder ≥ 90 mmHg diastolisch vorliegen. Diese Definition bezieht sich auf manuelle auskultatorische Messungen durch geschultes medizinisches Personal und gilt unabhängig vom Alter oder von vorliegenden Begleiterkrankungen.

Die Blutdruckmessung ist methodisch standardisiert gemäß den internationalen Empfehlungen durchzuführen. Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Diagnosestellung auf der Basis von in medizinischen Einrichtungen erhobenen Blutdruckwerten sollten diese durch Selbst- bzw. Langzeitblutdruck-Messungen ergänzt werden.

1.7.1.1.1 Zielwerte der antihypertensiven Therapie

Durch die antihypertensive Therapie soll die Erreichung der in Nummer 1.3.1 genannten Therapieziele angestrebt werden. Anzustreben ist in der Regel ein Blutdruckwert mindestens von systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg. Unter Berücksichtigung der Gesamtsituation der Patientin bzw. des Patienten (z. B. Alter, Begleiterkrankungen) können individuelle Abweichungen erforderlich sein. Eine intensive Blutdrucksenkung mit Werten unter 130/​80 mmHg sollte nur unter Abwägung möglicher Risiken, etwa aufgrund von Komorbiditäten und möglichen Medikamentennebenwirkungen, in partizipativer Entscheidungsfindung mit Patientin oder Patient in Betracht gezogen werden.

1.7.1.1.2 Medikamentöse Maßnahmen bei arterieller Hypertonie

Als Medikamente der ersten Wahl zur Behandlung der Hypertonie sollen vorrangig folgende Wirkstoffgruppen zum Einsatz kommen:

Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder speziellen Indikationen ARB (AT1-Rezeptor-Antagonisten).
Diuretika: Bei hinreichender Nierenfunktion sind Thiaziddiuretika den Schleifendiuretika vorzuziehen. Es gibt Hinweise, dass Chlortalidon dem Hydrochlorothiazid vorgezogen werden sollte.

Beta-1-Rezeptor-selektive Betablocker kommen bei gleichzeitiger manifester Herzinsuffizienz in Frage. Patientinnen und Patienten nach Myokardinfarkt sollte für ein Jahr ein Betarezeptorenblocker empfohlen und dann die weitere Gabe bzw. das Absetzen reevaluiert werden.

1.7.1.2 Statintherapie

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 mit einer manifesten koronaren Herzkrankheit, peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder nach ischämischem Schlaganfall sollen mit einem HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statin) behandelt werden.

Es sollten diejenigen Statine bevorzugt verwendet werden, für die eine morbiditäts- und mortalitätssenkende Wirkung in der Sekundärprävention nachgewiesen ist.

Es soll entweder eine feste Hochdosistherapie (unabhängig vom LDL-Wert) oder eine Zielwertstrategie gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten vereinbart werden.

In der Primärprävention sollte bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und einem stark erhöhten Risiko für makroangiopathische Komplikationen die Therapie mit einem Statin erwogen werden.

1.7.1.3 Thrombozytenaggregationshemmer

Grundsätzlich sollen alle Patientinnen und Patienten mit makroangiopathischen Erkrankungen (z. B. kardio- und ­zerebrovaskulären Erkrankungen) Thrombozytenaggregationshemmer erhalten.

1.7.2 Mikrovaskuläre Komplikationen

1.7.2.1 Allgemeinmaßnahmen

Für Patientinnen und Patienten mit dem Therapieziel der Vermeidung von mikrovaskulären Folgeerkrankungen (vor allem diabetische Retinopathie und Nephropathie) ist über einen langjährigen Zeitraum die Einstellung auf Glukosewerte möglichst – sofern dies nach Risiko-Nutzen-Abwägung sinnvoll ist – nahe am Normbereich notwendig.

Bereits bestehende mikrovaskuläre Komplikationen können insbesondere zu folgenden Folgeschäden führen, die einzeln oder gemeinsam auftreten können: Sehbehinderung bis zur Erblindung, Niereninsuffizienz bis zur Dialysenotwendigkeit. Zur Hemmung der Progression ist die Einstellung auf Glukose- und Blutdruckwerte möglichst nahe am Normbereich sinnvoll.

Die medikamentöse glukosesenkende Therapie erfolgt entsprechend den Empfehlungen zu den definierten Patientengruppen in Nummer 1.5.

Es soll jedoch vor der Einleitung einer Therapie und im Verlauf eine individuelle Risikoabschätzung gemäß Nummer 1.3.2 erfolgen. Das Sterblichkeitsrisiko kann insbesondere bei Vorliegen kardiovaskulärer Erkrankungen unter einer intensivierten Therapie zunehmen.

1.7.2.2 Nephropathie bei Diabetes mellitus Typ 2

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und langjähriger Hyperglykämie haben in Abhängigkeit von ihrem Alter und ihrer Diabetesdauer ein unterschiedlich hohes Risiko für die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz.

Hyperglykämie als alleinige Ursache einer Nephropathie ist in den ersten 15 Jahren Diabetesdauer selten, bei längeren Verläufen nimmt das Risiko für eine Nephropathie deutlich zu. Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 spielt eine unzureichend eingestellte Hypertonie neben der Einstellung der Glukosewerte die entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Fortschreiten der Nierenschädigung.

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus und einer progredienten Nierenfunktionsstörung (unabhängig von der Ursache) bedürfen einer spezialisierten Behandlung (siehe Nummer 1.8.2).

Die Ärztin oder der Arzt hat auf Grund des individuellen Risikoprofils (insbesondere Diabetesdauer, Alter, Retinopathie, weitere Begleiterkrankungen) zu prüfen, ob eine Patientin oder ein Patient von einer regelmäßigen Bestimmung der Albumin-Kreatinin-Ratio (AKR) im Urin (z. B. einmal jährlich) profitieren kann. Zum Ausschluss einer diabetischen Nephropathie ist der Nachweis einer normalen Albumin-Kreatinin-Ratio (AKR) oder einer normalen Urin-Albumin-Konzentration im ersten Morgenurin ausreichend.

Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist mindestens einmal jährlich die Nierenfunktion vor allem durch Errechnung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) auf der Basis der Serum-Kreatinin-Bestimmung zu ermitteln. Die medikamentöse Therapie ist hieran anzupassen.

Wenn eine diabetische Nephropathie diagnostiziert wurde, werden folgende Interventionen im Hinblick auf die Vermeidung der Progression und Nierenersatztherapie empfohlen:

Glukoseeinstellung möglichst nahe am Normbereich. Die medikamentöse glukosesenkende Therapie erfolgt entsprechend den Empfehlungen zu den definierten Patientengruppen in Nummer 1.5.
Blutdruckeinstellung systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg,
Tabakverzicht und
die Empfehlung einer Normalisierung der Eiweißaufnahme.

Patientinnen und Patienten mit einer bereits vorhandenen Einschränkung der eGFR neigen zu Hypoglykämien. Der HbA1c-Zielwert ist in Abhängigkeit von Komorbidität und Therapiesicherheit individuell einzustellen. Bei Vorliegen makroangiopathischer Komplikationen sollte der HbA1c-Zielwert auf 7,0 – 7,5 % (53 – 58 mmol/​mol) angehoben werden. Die Datenlage zur anzustrebenden Höhe des Blutdrucks ist bei einer Niereninsuffizienz der Stadien 4 und höher unklar.

1.7.2.3 Diabetesassoziierte Augenerkrankungen

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 können im Erkrankungsverlauf diabetesassoziierte Augenkomplikationen (z. B. diabetisch bedingte Retinopathie und Makulopathie) erleiden. Zur Früherkennung ist für alle in strukturierte Behandlungsprogramme eingeschriebene Versicherte in Abhängigkeit vom Risikoprofil ein- oder zweijährlich eine augenärztliche Untersuchung einschließlich Netzhautuntersuchung in Mydriasis durchzuführen.

Wenn eine diabetesassoziierte Augenkomplikation diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung einer Sehverschlechterung/​Erblindung erbracht ist. Dazu zählen eine Glukose- und Blutdruckeinstellung möglichst nahe am Normbereich sowie eine rechtzeitige und adäquate augenärztliche Behandlung.

1.7.3 Folgeerkrankungen ohne eindeutige Zuordnung zu mikro- bzw. makrovaskulären Komplikationen

1.7.3.1 Diabetische Neuropathie

Zur Behandlung der diabetischen Neuropathie sind stets Maßnahmen vorzusehen, die zur Optimierung der Stoffwechseleinstellung führen.

Bei Neuropathien mit für die Patientin oder den Patienten störender Symptomatik (vor allem schmerzhafte Polyneuropathie) ist der Einsatz zusätzlicher medikamentöser Maßnahmen sinnvoll, aber nicht in jedem Fall erfolgreich. Medikamente, deren Organtoxizität und insbesondere deren Risiko für kardiovaskuläre und renale Nebenwirkungen am niedrigsten sind, sind zu bevorzugen.

Bei Hinweisen auf eine autonome diabetische Neuropathie (z. B. kardiale autonome Neuropathie, Magenentleerungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen, sexuelle Funktionsstörungen) ist eine spezialisierte weiterführende Diagnostik und Therapie zu erwägen. Bei bestehender diabetischer Neuropathie, die eine schwere Funktionsstörung oder schwerwiegende neurologische Folgekomplikationen verursacht, kann die Einschränkung der Fahrtauglichkeit für Patientinnen und Patienten bestehen.

1.7.3.2 Das diabetische Fußsyndrom

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, insbesondere mit peripherer Neuropathie und/​oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), sind durch die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms mit einem erhöhten Amputationsrisiko gefährdet. Sofern eine Indikation zur Amputation beim diabetischen Fußsyndrom diskutiert wird, soll die Patientin oder der Patient auf das Zweitmeinungsverfahren gemäß § 27b Absatz 5 SGB V in Verbindung mit dem Allgemeinen Teil § 6 der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren hingewiesen werden.

Anamnese und Untersuchung auf Neuropathie und pAVK sollen mindestens einmal jährlich erfolgen.

Patientinnen und Patienten sollen auf präventive Maßnahmen (z. B. Selbstinspektion und ausreichende Pflege der Füße) hingewiesen werden. Insbesondere sollen sie hinsichtlich des Tragens geeigneten Schuhwerks beraten werden.

Patientinnen und Patienten mit Sensibilitätsverlust bei Neuropathie (fehlendem Filamentempfinden) und/​oder relevanter pAVK sollten mit konfektionierten diabetischen Schutzschuhen versorgt werden. Die Versorgung des diabetischen Fußsyndroms sollte stadiengerecht orthopädietechnisch unter Berücksichtigung der sekundären diabetogenen Fußschäden, Funktionseinschränkungen und der Fußform erfolgen.

Bei Patientinnen und Patienten mit nicht sicher tastbaren Fußpulsen sollte der Knöchel-Arm-Index bestimmt werden.

Anhand der folgenden Kriterien ist die künftige Frequenz der Fußinspektion (gemäß Nummer 1.3.3) festzulegen:

Keine sensible Neuropathie Mindestens jährlich
sensible Neuropathie Mindestens alle 6 Monate
sensible Neuropathie und Zeichen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und/​oder Risiken wie Fußdeformitäten (gegebenenfalls infolge Osteoarthropathie), Hyperkeratose mit Einblutung, Z. n. Ulkus, Z. n. Amputation alle 3 Monate oder häufiger

Bei Patientinnen und Patienten mit Neuro- oder Angiopathie ohne Hautdefekt, bei denen eine verletzungsfreie und effektive Hornhautabtragung oder Nagelpflege nicht selbst sichergestellt werden kann, ist unter den Voraussetzungen der §§ 27 ff. der Heilmittel-Richtlinie die Verordnung einer podologischen Therapie angezeigt.

Bei Hinweisen auf ein diabetisches Fußsyndrom (mit Epithelläsion, Verdacht auf bzw. manifester Weichteil- oder Knocheninfektion bzw. Verdacht auf Osteoarthropathie) gelten die Überweisungsregeln nach Nummer 1.8.2. Nach abgeschlossener Behandlung einer Läsion im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms ist die regelmäßige Vorstellung in einer für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung zu prüfen.

1.7.4 Psychosoziale Betreuung

Im Rahmen der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist ihre psychosoziale Situation einzubeziehen. Mangelnde Krankheitsbewältigung oder Motivation sowie fehlender sozioemotionaler Rückhalt bis hin zu Problemen am Arbeitsplatz sind unter anderem zu berücksichtigen.

Bei Bedarf werden Bezugs- und/​oder Betreuungspersonen in die Behandlung einbezogen. Es soll ein Hinweis auf die Möglichkeiten der organisierten Selbsthilfe gegeben werden.

Eine psychosoziale Betreuung ist an die individuelle Situation der Patientin oder des Patienten (Krankheitsphase, Therapieverfahren etc.) anzupassen.

1.7.5 Psychische Komorbiditäten

Auf Grund des komplexen Zusammenwirkens von somatischen, psychischen und sozialen Faktoren ist das Vorliegen von psychischen Komorbiditäten (z. B. Anpassungsstörungen, Angststörungen usw.) zu beachten. Durch die Ärztin oder den Arzt ist zu prüfen, inwieweit Patientinnen und Patienten von psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen profitieren können. Bei psychischen Krankheiten sollte die Behandlung derselben durch qualifizierte Leistungserbringer erfolgen.

Eine Depression als häufige und bedeutsame Komorbidität sollte regelmäßig besondere Beachtung finden.

1.7.6 Besondere Maßnahmen bei Multimedikation

Insbesondere bei Patientinnen und Patienten, bei denen auf Grund von Multimorbidität oder der Komplexität sowie der Schwere der Erkrankung die dauerhafte Verordnung von fünf oder mehr Arzneimitteln erforderlich ist oder die Anamnese Hinweise auf Einnahme von fünf oder mehr Arzneimitteln gibt, sind folgende Maßnahmen eines strukturierten Medikamentenmanagements von besonderer Bedeutung:

Die Ärztin oder der Arzt soll anlassbezogen, mindestens jährlich sämtliche von der Patientin oder dem Patienten tatsächlich eingenommene Arzneimittel, einschließlich der Selbstmedikation, strukturiert erfassen und deren mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen berücksichtigen, um Therapieänderungen oder Dosisanpassungen frühzeitig vornehmen zu können. Im Rahmen dieser strukturierten Arzneimittelerfassung kann auch eine Prüfung der Indikation für die einzelnen Verordnungen in Rücksprache mit den weiteren an der ärztlichen Behandlung Beteiligten durch die koordinierende Ärztin oder den koordinierenden Arzt erforderlich werden. Gegebenenfalls sollte ein Verzicht auf eine Arzneimittelverordnung im Rahmen einer Priorisierung gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten unter Berücksichtigung der eigenen individuellen Therapieziele und der individuellen Situation erwogen werden.

Die Patientinnen und Patienten werden bei der strukturierten Erfassung der Medikation auch im DMP über ihren Anspruch auf Erstellung und Aushändigung eines Medikationsplans nach § 31a SGB V informiert.

Bei festgestellter Einschränkung der Nierenfunktion (eGFR) sind die Dosierung der entsprechenden Arzneimittel sowie gegebenenfalls das Untersuchungsintervall der Nierenfunktion anzupassen.

1.7.7 Mund- und Zahngesundheit

Vor dem Hintergrund eines potentiellen Zusammenhangs zwischen der Glukoseeinstellung und Parodontitis sollten Patientinnen und Patienten auf die regelmäßigen jährlichen zahnärztlichen Kontrollen hingewiesen werden.

1.8 Kooperation der Versorgungssektoren

Die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 erfordert die Zusammenarbeit aller Sektoren (ambulant, stationär) und Einrichtungen. Eine qualifizierte Behandlung muss über die gesamte Versorgungskette gewährleistet sein.

1.8.1 Koordinierende Ärztin/​Koordinierender Arzt

Die Langzeitbetreuung der Patientin oder des Patienten und deren Dokumentation im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms erfolgt grundsätzlich durch die Hausärztin oder den Hausarzt im Rahmen der in § 73 SGB V beschriebenen Aufgaben.

In Ausnahmefällen kann eine Patientin oder ein Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 eine diabetologisch qualifizierte, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztin oder einen diabetologisch qualifizierten, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt oder eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung, die für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 137f Absatz 7 SGB V an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt, auch zur Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Einschreibung von dieser Ärztin, diesem Arzt oder von dieser Einrichtung dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist.

Die Überweisungsregeln in Nummer 1.8.2 sind von der Ärztin, vom Arzt oder der gewählten Einrichtung zu beachten, wenn ihre besondere Qualifikation für eine Behandlung der Patientin oder des Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen nicht ausreicht.

1.8.2 Überweisung von der koordinierenden Ärztin oder vom koordinierenden Arzt zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung

Bei Vorliegen folgender Indikationen muss die koordinierende Ärztin, der koordinierende Arzt oder die koordinierende Einrichtung eine Überweisung der Patientin oder des Patienten zu anderen Fachärztinnen, Fachärzten oder Einrichtungen veranlassen, soweit die eigene Qualifikation für die Behandlung der Patientin oder des Patienten nicht ausreicht:

zur augenärztlichen Untersuchung, insbesondere der Untersuchung der Netzhaut in Mydriasis zum Ausschluss einer diabetischen Augenkomplikation bei Diagnosestellung des Diabetes mellitus Typ 2 (vgl. Nummer 1.7.2.3),
bei einer Einschränkung der Nierenfunktion (mit einer eGFR auf weniger als 30 ml/​min) oder bei deutlicher Progression (jährliche Abnahme der eGFR um mehr als 5 ml/​min) oder bei hohem oder sehr hohem Progressionsrisiko der diabetischen Nephropathie (unter Berücksichtigung von eGFR oder gemäß 1.7.2.2 bestimmten AKR (Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin)) zur nephrologisch qualifizierten Ärztin, zum nephrologisch qualifizierten Arzt oder zur nephrologisch qualifizierten Einrichtung,
bei Fuß-Läsion mit oberflächlicher Wunde mit Ischämie und bei allen tiefen Ulcera (mit oder ohne Wundinfektion, mit oder ohne Ischämie) sowie bei Verdacht auf Charcot-Fuß in eine für die Behandlung des diabetischen Fuß­syndroms qualifizierte Einrichtung,
bei geplanter oder bestehender Schwangerschaft zu einer/​einem in der Behandlung von Schwangeren mit Diabetes mellitus Typ 2 erfahrenen qualifizierten Ärztin, erfahrenen qualifizierten Arzt oder erfahrenen qualifizierten Einrichtung.

Bei Vorliegen folgender Indikationen soll eine Überweisung zur Mitbehandlung erwogen werden:

bei Neuauftreten mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie zur diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, zum diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder zur diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung,
bei allen diabetischen Fuß-Läsionen in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,
bei Nicht-Erreichen eines Blutdruckwertes systolisch < 140 mmHg und diastolisch < 90 mmHg innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten an eine in der Hypertoniebehandlung qualifizierte Ärztin, einen in der Hypertoniebehandlung qualifizierten Arzt oder eine in der Hypertoniebehandlung qualifizierte Einrichtung,
bei Nicht-Erreichen des in Abhängigkeit vom Therapieziel individuell festgelegten HbA1c-Zielwertes innerhalb eines Zeitraumes von höchstens sechs Monaten zu einer diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, einem diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder einer diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

1.8.3 Einweisung in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung

Indikationen zur stationären Einweisung in ein geeignetes Krankenhaus bestehen insbesondere bei:

Notfallindikation (in jedes Krankenhaus),
bedrohlichen Stoffwechselstörungen,
infiziertem diabetischen Fuß neuropathischer oder angiopathischer Genese oder akuter neuroosteopathischer Fußkomplikation,
diabetischen Fußwunden, die trotz spezialisierter Therapie nicht ausheilen oder gar eine Verschlechterung zeigen, insbesondere wenn eine Fußentlastung ambulant nicht möglich oder erfolgreich ist, und bei Wunden, die Interventionen bedürfen (z. B. parenterale Medikation, Gefäß- oder Knochenoperation),
gegebenenfalls zur Mitbehandlung von Begleit- und Folgekrankheiten des Diabetes mellitus Typ 2.

Bei Nicht-Erreichen des in Abhängigkeit vom Therapieziel individuell festgelegten HbA1c-Zielwertes nach spätestens 12 Monaten ambulanter Behandlung soll geprüft werden, ob die Patientin oder der Patient von einer stationären Diagnostik und Therapie in einem diabetologisch qualifizierten Krankenhaus profitieren kann.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Einweisung.

1.8.4 Veranlassung einer Rehabilitationsleistung

Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms ist insbesondere bei Vorliegen von Komplikationen oder Begleiterkrankungen zu beurteilen, ob die Patientin oder der Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 von einer Rehabilitationsleistung profitieren kann. Eine Leistung zur Rehabilitation soll insbesondere erwogen werden, um die Erwerbsfähigkeit, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe der Patientin oder des Patienten am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen durch den Diabetes mellitus Typ 2 und seine Begleit- und Folgeerkrankungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

2 Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 SGB V)

Die allgemeinen Voraussetzungen für die qualitätssichernden Maßnahmen sind in § 2 dieser Richtlinie geregelt.

Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren

Laufende
Nummer
Qualitätsziel Qualitätsindikator
1 Hoher Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, deren individuell vereinbarter HbA1c-Wert erreicht wird Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, deren individuell vereinbarter HbA1c-Wert erreicht wird, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
2 Niedriger Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem HbA1c-Wert größer als 8,5 % Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem HbA1c-Wert größer als 8,5 % (69 mmol/​mol), bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
3 Niedriger Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit schwerer hypoglykämischer Stoffwechselentgleisung Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit schweren Hypoglykämien in den letzten zwölf Monaten, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
4 Niedriger Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit notfallmäßiger stationärer Behandlung wegen Diabetes mellitus Typ 2 Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit stationärer notfallmäßiger Behandlung wegen Diabetes mellitus, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
5 Hoher Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Blutdruck < 140/​90 mmHg bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit bekannter Hypertonie Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Blutdruckwerten kleiner gleich 139 mmHg systolisch und kleiner gleich 89 mmHg diastolisch bei bekannter Hypertonie an allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit bekannter Hypertonie
6 Niedriger Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem systolischen Blutdruck größer als 150 mmHg Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit systolischem Blutdruck größer als 150 mmHg, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit bekannter Hypertonie
7 Hoher Anteil geschulter Teilnehmerinnen und Teilnehmer Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Diabetes, die an einer empfohlenen Diabetes-Schulung im Rahmen des DMP teilgenommen haben, bezogen auf alle bei DMP-Einschreibung noch ungeschulten Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Hypertonie, die an einer empfohlenen Hypertonie-Schulung im Rahmen des DMP teilgenommen haben, bezogen auf alle bei DMP-Einschreibung noch ungeschulten Teilnehmerinnen und Teilnehmer

8 Hoher Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Fußläsionen mit oberflächlicher Wunde mit Ischämie und allen tiefen Ulzera (mit oder ohne Wundinfektion, mit oder ohne Ischämie), bei denen eine Behandlung in einer für das diabetische Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung erfolgt oder veranlasst wurde Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Fußläsionen mit oberflächlicher Wunde mit Ischämie und allen tiefen Ulzera (mit oder ohne Wundinfektion, mit oder ohne Ischämie), bei denen eine Behandlung/​Mitbehandlung in einer für das diabetische Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung erfolgt oder veranlasst wurde
9 Hoher Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einer jährlichen Überprüfung der Nierenfunktion Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit jährlicher Bestimmung der eGFR, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
10 Hoher Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Thrombozytenaggregationshemmern bei Makroangiopathie Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die einen Thrombozytenaggregationshemmer erhalten, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ohne Kontraindikation und ohne Antikoagulation mit AVK, KHK oder Schlaganfall
11 Hoher Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern, bei denen mindestens 1 x jährlich der Fußstatus komplett untersucht wurde Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die mindestens 1 x jährlich eine komplette Untersuchung des Fußstatus erhalten haben, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
12 Hoher Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Ulkus, bei denen der Pulsstatus untersucht wurde Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem Ulkus, bei denen gleichzeitig der Pulsstatus untersucht wurde, an allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem Ulkus
13 Hoher Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Neuropathie, bei denen angemessene Intervalle für künftige Fußinspektionen festgelegt wurden Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Neuropathie, bei denen angemessene Intervalle für künftige Fußinspektionen festgelegt wurden, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Neuropathie
14a Hoher Anteil von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die bei einer Monotherapie mit einem Antidiabetikum Metformin erhalten Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Metformin erhalten, bezogen auf alle Patientinnen und Patienten unter Monotherapie mit einem Antidiabetikum
14b Hoher Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit KHK, Herzinfarkt, chronischer Herzinsuffizienz, Schlaganfall oder eGFR kleiner 60 ml/​min/​1,73 m2 KOF, die eine Kombinationstherapie aus Metformin plus einem SGLT2-Inhibitor oder einem GLP-1-Rezeptoragonisten erhalten Nur Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit KHK, Herzinfarkt, chronischer Herzinsuffizienz, Schlaganfall oder eGFR kleiner 60 ml/​min/​1,73 m2 KOF:
Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die eine Kombinationstherapie aus Metformin plus einem SGLT2-Inhibitor oder einem GLP-1-Rezeptoragonisten erhalten, bezogen auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ohne Kontraindikationen gegen Metformin oder SGLT2-Inhibitor und GLP-1-Rezeptoragonist
15 Hoher Anteil an regelmäßigen augenärztlichen Untersuchungen Anteil der in den letzten 24 Monaten augenärztlich untersuchten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, bezogen auf alle eingeschriebenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer

3 Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 SGB V)

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Nummer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

3.1 Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einschreibung Versicherter sind in § 3 dieser Richtlinie geregelt.

3.2 Spezielle Teilnahmevoraussetzungen

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 können in das strukturierte Behandlungsprogramm eingeschrieben werden, wenn die Diagnose des Diabetes mellitus Typ 2 gemäß Nummer 1.2 (Diagnostik) gesichert ist oder eine Therapie mit diabetesspezifischen, glukosesenkenden Medikamenten bereits vorliegt.

Patientinnen mit Gestationsdiabetes werden nicht in dieses strukturierte Behandlungsprogramm aufgenommen.

Für Versicherte, die auf Basis der bis zum 30. September 2022 geltenden Einschreibediagnostik vor Ablauf der Anpassungsfrist nach § 137g Absatz 2 SGB V eingeschrieben wurden, ist keine erneute Durchführung der Einschreibediagnostik erforderlich. Die Teilnahme wird fortgesetzt.

4 Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 SGB V)

4.1 Schulungen der Ärztinnen oder Ärzte

Die Anforderungen an die Schulungen der Ärztinnen und Ärzte sind in § 4 dieser Richtlinie geregelt.

4.2 Schulungen der Versicherten

Die Anforderungen an die Schulungen der Versicherten sind in § 4 dieser Richtlinie geregelt.

Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten.

Strukturiertes Hypertonie-Behandlungs- und Schulungsprogramm

Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 und arterieller Hypertonie soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten.

5 Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 SGB V)

Für die Evaluation nach § 6 Absatz 2 Nummer 1 sind mindestens folgende medizinische Parameter auszuwerten:

a)
Tod,
b)
Herzinfarkt,
c)
Schlaganfall,
d)
Amputation,
e)
Erblindung,
f)
Nierenersatztherapie,
g)
Diabetische Nephropathie,
h)
Diabetische Neuropathie,
i)
Diabetisches Fußsyndrom,
j)
KHK,
k)
pAVK,
l)
Diabetische Retinopathie,
m)
Raucherquote allgemein,
n)
Raucherquote im Kollektiv der Raucher,
o)
Blutdruck bei Patienten mit Hypertonie,
p)
HbA1c-Werte,
q)
Schulungen (differenziert nach Diabetes- und Hypertonie-Schulungen).“
II.

Die Anlage 2 der DMP-Anforderungen-Richtlinie wird wie folgt gefasst:

„Anlage 2

Indikationsübergreifende Dokumentation (ausgenommen Brustkrebs)

Laufende Nummer Dokumentationsparameter Ausprägung
Administrative Daten
 1 DMP-Fallnummer Nummer
 2 Name der/​des Versicherten Nachname, Vorname
 3 Geburtsdatum der/​des Versicherten TT.MM.JJJJ
 4 Kostenträgername Name der Krankenkasse
 5 Kostenträgerkennung 9- bzw. 7-stellige Nummer
 6 Versicherten-Nummer Nummer (bis zu 12 Stellen, alphanumerisch)
 7a Vertragsarzt-Nummer 9-stellige Nummer
 7b Betriebsstätten-Nummer 9-stellige Nummer
 8 Krankenhaus-Institutionskennzeichen IK-Nummer
 9 Datum TT.MM.JJJJ
10 Einschreibung wegen KHK/​Diabetes mellitus Typ 1/​Diabetes mellitus Typ 2/​Asthma bronchiale/​COPD/​chronische Herzinsuffizienz/​chronischer
Rückenschmerz/​Depression/​Osteoporose/​rheumatoide
Arthritis
11 (weggefallen)1, 2
12 Geschlecht Männlich/​Weiblich/​Unbestimmt/​Divers
Allgemeine Anamnese- und Befunddaten
13 Körpergröße m
14 Körpergewicht kg
15 Blutdruck3 mm Hg
16 Raucher4 Ja/​Nein
17 Begleiterkrankungen Arterielle Hypertonie/​Fettstoffwechselstörung/​Diabetes
mellitus/​KHK/​AVK/​Chronische Herzinsuffizienz/​Asthma
bronchiale/​COPD/​Keine der genannten Erkrankungen
18 (weggefallen)
Behandlungsplanung
19 Vom Patienten gewünschte Informa­tionsangebote der Krankenkassen Tabakverzicht/​Ernährungsberatung/​Körperliches Training
20 Dokumentationsintervall Quartalsweise/​Jedes zweite Quartal
21 (weggefallen)

1
(weggefallen)
2
(weggefallen)
3
Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, die wegen Asthma bronchiale eingeschrieben sind, nur optional auszufüllen.
Bei Kindern und Jugendlichen unter 11 Jahren, die wegen Diabetes mellitus Typ 1 eingeschrieben sind, nur optional auszufüllen.
4
Diese Angabe ist ab dem vollendeten 12. Lebensjahr verpflichtend und bei jüngeren Kindern nur optional auszufüllen.“
III.

Die Anlage 8 der DMP-Anforderungen-Richtlinie wird wie folgt gefasst:

„Anlage 8

Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 – Dokumentation

Laufende Nummer Dokumentationsparameter Ausprägung
Anamnese- und Befunddaten
  1 HbA1c-Wert Wert in % /​ mmol/​mol
  1a Nur bei Diabetes mellitus Typ 1:
Pathologische Albumin-Kreatinin-Ratio
Ja /​ Nein /​ Nicht untersucht
  2 (weggefallen) (weggefallen)
  2a eGFR ml/​min/​1,73 m2 KOF /​ Nicht bestimmt
  3 Fußstatus1
1.
Pulsstatus6: unauffällig /​ auffällig /​ nicht untersucht
2.
Sensibilitätsprüfung6: unauffällig /​ auffällig /​ nicht untersucht
3.
weiteres Risiko für Ulcus: Fußdeformität /​ Hyperkeratose mit Einblutung /​ Z. n. Ulkus /​ Z. n. Amputation /​ ja /​ nein /​ nicht untersucht
4.
Ulkus: oberflächlich /​ tief /​ nein /​ nicht untersucht
5.
(Wund)Infektion: ja /​ nein /​ nicht untersucht
  3a Injektionsstellen (bei Insulintherapie) Unauffällig /​ Auffällig /​ Nicht untersucht
  3b Intervall für künftige Fußinspektionen (bei Patientinnen und Patienten ab dem vollendeten 18. Lebensjahr) Jährlich /​ alle 6 Monate /​ alle 3 Monate oder häufiger
  4 Spätfolgen Diabetische Nephropathie /​ Diabetische Neuropathie /​ Diabetische Retinopathie
Relevante Ereignisse
  5 Relevante Ereignisse2 Nierenersatztherapie /​ Erblindung /​ Amputation /​ Herzinfarkt /​ Schlaganfall /​ Keine der genannten Ereignisse
  6 Schwere Hypoglykämien seit der letzten Dokumentation3 Anzahl
  7 (weggefallen) (weggefallen)
  8 Stationäre notfallmäßige Behandlung wegen Diabetes mellitus seit der letzten Dokumentation3 Anzahl
Medikamente
  9 Nur bei Diabetes mellitus Typ 2:
Insulin oder Insulin-Analoga
Ja /​ Nein
10 (weggefallen) (weggefallen)
11 Nur bei Diabetes mellitus Typ 2:
Metformin
Ja /​ Nein /​ Kontraindikation
12 Nur bei Diabetes mellitus Typ 2:
Sonstige antidiabetische Medikation4
Ja /​ Nein
 12a Nur bei Diabetes mellitus Typ 2:
SGLT2-Inhibitor
Ja /​ Nein /​ Kontraindikation
 12b Nur bei Diabetes mellitus Typ 2:
GLP-1-Rezeptoragonist
Ja /​ Nein /​ Kontraindikation
13 Thrombozytenaggregationshemmer Ja /​ Nein /​ Kontraindikation /​ orale Antikoagulation
14 (weggefallen) (weggefallen)
15 (weggefallen) (weggefallen)
16 (weggefallen) (weggefallen)
17 (weggefallen) (weggefallen)
Schulung
 18 Schulung empfohlen (bei aktueller Dokumentation) Diabetes-Schulung /​ Hypertonie-Schulung /​ Keine
 18a Schulung schon vor Einschreibung ins DMP bereits wahrgenommen5 Diabetes-Schulung /​ Hypertonie-Schulung /​ Keine
 19 Empfohlene Schulung(en) wahrgenommen Ja /​ Nein /​ War aktuell nicht möglich /​ Bei letzter Dokumentation keine Schulung empfohlen
Behandlungsplanung
 20 HbA1c-Zielwert Zielwert erreicht /​ Zielwert noch nicht erreicht
 21 Ophthalmologische Netzhautuntersuchung seit der letzten Dokumentation Durchgeführt /​ Nicht durchgeführt /​ Veranlasst
 22 Behandlung/​Mitbehandlung in einer für das Diabetische Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung Ja /​ Nein /​ Veranlasst
 23 Diabetesbezogene stationäre Einweisung Ja /​ Nein /​ Veranlasst

1
Angabe des schwerer betroffenen Fußes.
2
Hinweis für die Ausfüllanleitung: Bei der erstmaligen Dokumentation sind bereits stattgehabte Ereignisse zu dokumentieren, bei der zweiten und allen folgenden Dokumentationen sind neu aufgetretene Ereignisse zu dokumentieren.
3
Hinweis für die Ausfüllanleitung: Die Angaben sind erst bei der zweiten und allen folgenden Dokumentationen zu machen.
4
Hinweis für die Ausfüllanleitung: In der Ausfüllanleitung soll auf die nachrangige Medikation gemäß Richtlinien-Text hingewiesen werden.
5
Hinweis für die Ausfüllanleitung: Die Angaben sind nur bei der ersten Dokumentation zu machen. Die Angabe „Diabetes-Schulung oder Hypertonie-Schulung“ soll erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der Einschreibung von einem hinreichenden Schulungsstand auszugehen ist.
6
Hinweis für die Ausfüllanleitung: Sofern unveränderliche auffällige Befunde bekannt sind, ist keine erneute Untersuchung notwendig. Diese Befunde sind in den folgenden Dokumentationen weiterhin als auffällig zu dokumentieren. Die Angabe „nicht untersucht“ soll nur erfolgen, wenn der Status nicht bekannt ist, weil keine Untersuchung stattgefunden hat.“
IV.

Die Änderungen der Richtlinie treten am ersten Tag des auf die Veröffentlichung im Bundesanzeiger folgenden Quartals in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 16. Juni 2022

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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