Ärger mit Nischenprodukten Teil II

von Daniel Blazek, BEMK Rechtsanwälte, Juni 2017:

Teil II: Standardprozeduren von Anlegeranwälten, Haftungsrisiken

Ein Problemfall entsteht erst dann, wenn der Anleger sein Geld nicht erhält oder zu erhalten droht, wenn also Zahlungen ausbleiben, weil die Emittentin in der Krise oder gar insolvent ist. Da der Vermittler oder Berater bei erheblichen vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzungen auf den vollen Schaden haftet, obwohl er das Anlagekapital nie erhalten hat, liegt eine entsprechende Überprüfung durch Anlegeranwälte nahe. Im Gegenzug würde der Vermittler oder Berater die Ansprüche aus dem – kriselnden – Investment erhalten. Befindet sich die Emittentin in einem förmlichen Insolvenzverfahren, ist es leicht, an die Gläubigerlisten der Insolvenzakte zu gelangen. Gleiches gilt bei möglichen Strafverfahren. Ergänzend wird online geworben, entweder anwaltlich direkt oder durch etwaige Schutzvereine.

Typische Vorwürfe im Bereich der Aufklärungspflichtverletzung sind beispielsweise die unterbliebene Plausibilitätsprüfung, nicht vorgenommene rechtliche Einschätzung der Anlage (KWG, Eigentumsverhältnisse, insolvenzrechtliche Sonderprobleme), wie stets das Verlustrisiko und Sonderfragen, wie etwa, dass im Anlagevertrag ein qualifizierter Nachrang enthalten ist und was dieser bedeuten mag.

Besondere Haftungsrisiken bestehen deshalb, weil im Bereich der Nischenprodukte kaum freiwillige (weil nicht vorgeschriebene) Prospekte oder Exposés vorhanden sind und mangels Anwendbarkeit des VermAnlG auch keine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des Finanzdienstleisters im Rahmen einer Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 Nr. 3 GewO vorgeschrieben ist oder war. Damit einher geht, dass die Protokollierung der Aufklärung selten hinreichend ist, weil auch für den Fall der Beratung nicht vorgeschrieben. Diese Haftungsrisiken bestehen auf beiden Seiten: Der Vermittler und Berater kann sich mit hinreichendem Aufklärungsmaterial schwerlich entlasten – und der Anleger kann damit rechnen, dass gerade zahlenmäßig erfolgreiche Finanzdienstleister höhere oder mehrere Schadenssummen nicht leisten können. Gerade in Altfällen vor 2013 und bis Anfang 2015 (Übergangsfristen im Zuge der Veränderung der GewO und des VermAnlG) schlägt dies zu Buche, aktuell verstärkt durch verjährungshemmende Maßnahmen der Geschädigten und ihrer Bevollmächtigten zum Ende der Jahres 2016 und 2017.

Und so kann es geschehen, dass der Anleger Hoffnung auf rechtlichen Zuspruch hegt, aber am Ende vom Finanzdienstleister kein Geld erhält. Die Quote der Enttäuschung ist bei unversicherten und unregulierten, älteren Nischenprodukten auf beiden Seiten besonders hoch.

Im kommenden Teil III: Gegenargumente, Prozessstrategien

 

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