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Yachtunglück der „Bayesian“: Schwere Versäumnisse bei Sicherheitsmaßnahmen

Tumisu (CC0), Pixabay
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Rechtsanwalt Michael Iwanow von Cramer Rechtsanwälte bewertet den aktuellen Untersuchungsbericht der UK Marine Accident Investigation Branch (MAIB) zum tragischen Untergang der Luxusyacht „Bayesian“ kritisch.

Interviewer: Herr Iwanow, die „Bayesian“ ist im August letzten Jahres vor der Küste Siziliens gesunken. Der Untersuchungsbericht der MAIB weist auf erhebliche Sicherheitsmängel hin. Wie bewerten Sie die bisherigen Erkenntnisse?

RA Michael Iwanow: Die ersten Erkenntnisse sind alarmierend. Der Bericht zeigt eindeutig, dass die Crew und der Eigner offenbar nicht ausreichend über die Risiken informiert waren. Besonders problematisch ist, dass die Stabilitätsinformationen an Bord unvollständig waren. Es war den Verantwortlichen anscheinend nicht bewusst, dass Windgeschwindigkeiten ab 73 mph (ca. 117 km/h) aus seitlicher Richtung die Yacht umkippen können. Das ist ein eklatanter Mangel an Sicherheitsmanagement.

Interviewer: Wie konnte es dazu kommen, dass eine so teure und moderne Yacht solche gravierenden Sicherheitslücken aufweist?

RA Michael Iwanow: Das Problem liegt in der unzureichenden Risikoanalyse und der mangelhaften Dokumentation. Der Bericht zeigt, dass die Stabilitätsdaten im Handbuch nicht vollständig waren. Es ist unverantwortlich, dass diese Informationen fehlten, denn die Yacht hätte bei starken Winden mit angepasster Positionierung gesichert werden müssen. Es scheint, dass weder die Crew noch der Eigentümer ausreichend geschult oder informiert waren. Das deutet auf organisatorische Mängel hin, sowohl seitens des Yachtbauers als auch des Managements.

Interviewer: Die MAIB spricht davon, dass die Yacht durch Windgeschwindigkeiten von über 80 mph gekippt ist. Welche Rolle spielt die Crew in diesem Szenario?

RA Michael Iwanow: Natürlich trägt die Crew die Verantwortung für die Sicherung des Schiffes. Doch wenn grundlegende Sicherheitsinformationen fehlen, kann die Crew nicht adäquat reagieren. Die falsche Konfiguration der Yacht, also Segel unten, Schwert hoch, machte die Yacht anfällig für Seitenwinde. Hätte die Crew gewusst, dass diese Einstellung bei Windstärken über 73 mph gefährlich ist, hätte sie möglicherweise anders gehandelt.

Interviewer: Der Bericht zeigt auch, dass die Crew in der Nacht vor dem Unglück Maßnahmen ergriffen hat, um die Yacht zu sichern. Warum reichte das nicht aus?

RA Michael Iwanow: Die Crew hat versucht, die Hatches und Fenster zu schließen und die Motoren zu starten, um die Yacht manövrierfähig zu machen. Doch die Zeit reichte nicht aus, und die Winde erreichten innerhalb weniger Minuten Orkanstärke. Die Crew war zwar bemüht, aber ohne die richtigen Informationen und eine vorherige Schulung war die Situation schlicht unbeherrschbar.

Interviewer: Welche rechtlichen Konsequenzen drohen nun?

RA Michael Iwanow: Die rechtliche Lage ist komplex. Zum einen geht es um Haftungsfragen gegenüber den Angehörigen der Opfer. Sollte sich herausstellen, dass der Yachtbauer oder die Betreiberfirma Sicherheitsvorgaben missachtet haben, kann es zu Schadensersatzforderungen kommen. Zum anderen wird auch die Verantwortung der Crew geprüft. Entscheidend wird sein, ob die fehlenden Informationen als grobe Fahrlässigkeit einzustufen sind.

Interviewer: Was empfehlen Sie Angehörigen und Überlebenden?

RA Michael Iwanow: Zunächst sollten sie sich umfassend rechtlich beraten lassen. Wichtig ist, dass alle verfügbaren Beweismittel gesichert werden, darunter Kommunikationsprotokolle und Dokumentationen der Yacht. Zudem sollten sie sich an eine Kanzlei wenden, die auf Seerecht und Schadensersatzforderungen spezialisiert ist. Angesichts der laufenden Ermittlungen in Italien und Großbritannien ist eine internationale Abstimmung notwendig.

Interviewer: Was sollte die Branche aus diesem Unglück lernen?

RA Michael Iwanow: Der Fall zeigt einmal mehr, dass Luxusyachten keine Spielzeuge sind, sondern hochkomplexe Maschinen, die fundiertes Fachwissen erfordern. Hersteller müssen die Stabilitätsdaten vollständig und verständlich dokumentieren, und die Crew muss intensiver geschult werden. Es reicht nicht aus, nur den technischen Komfort zu maximieren – die Sicherheit muss oberste Priorität haben.

Interviewer: Vielen Dank, Herr Iwanow, für Ihre Einschätzung.

RA Michael Iwanow: Gern geschehen. Ich hoffe, dass aus dieser Tragödie die richtigen Lehren gezogen werden.

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