Punkteregen, Diaspora-Dynamik und Wahlwerbung deluxe
Es ist vollbracht: Der Song Contest ist vorbei, und die eigentliche Show beginnt – die Nachbesprechung! Im Mittelpunkt: Israel und die Sängerin Yuval Raphael, die mit ihrem Song „New Day Will Rise“ das Publikum in Scharen überzeugte. Zumindest die Televoter waren Feuer und Flamme – die Jury hingegen eher auf „Snooze“.
Israel: Vom Jury-Keller zur Publikums-Himmelfahrt
Noch während die Jury Israel gemütlich auf Platz 15 parkte, zündete das Publikum den Turbo: Raphael raste dank Televoting auf Platz zwei hinter JJ – und das mit einem derart wuchtigen Punkte-Boom, dass die anderen Länder dachten, sie seien aus Versehen beim Tel Aviv Grand Prix gelandet.
Wie ist das möglich? Einige Experten sprechen von Diaspora-Voting: Wo immer in Europa sich eine jüdische Gemeinde findet, klickte man offenbar auf „Vote“. Andere meinen, die Leute wollten einfach mal jemandem eins auswischen, indem sie – aus Protest gegen Proteste – Israel wählten. Das könnte funktionieren: Wenn Demonstrationen gegen Israel zu Punkten führen, müssten Hardcore-Fans vielleicht anfangen, gegen die eigenen Beiträge zu protestieren.
Rätsel um die mysteriöse Werbekampagne
So weit, so gut – doch jetzt wird es spannend: Israel hat offenbar auf YouTube eine Wahlkampagne gestartet, bei der Yuval Raphael in jeder Landessprache erklärt, warum man gerade für sie stimmen sollte. Praktisch – wenn auch ein bisschen irritierend, dass man erst beim Impressum erfährt, dass sie für Israel startet.
Aufregung? Klar. Vor allem, weil die Kampagne von der israelischen Regierungswerbeagentur kam. Der spanische Sender RTVE ließ die Flamenco-Fächer kreisen und forderte: „Transparenz! Und zwar sofort!“ Der belgische Sender VRT setzte noch einen drauf und drohte gleich mal mit einem Rückzug aus dem Contest. Man könnte meinen, die Eurovision wäre in einen Geopolitik-Wettbewerb mutiert.
EBU: „Alles sauber, nichts zu sehen!“
Song-Contest-Chef Martin Green versuchte die Lage zu beruhigen: Das Televoting sei absolut fälschungssicher – schließlich habe man „mehrere Überprüfungsebenen“, „unabhängige Kontrolle“ und vermutlich noch einen Druidenrat zur Absicherung. Doch in Spanien schüttelt man weiter den Kopf und fragt sich, warum die eigenen zwölf Punkte plötzlich im Heiligen Land gelandet sind.
Song Contest: Wahlkampf statt Musik?
Während die EBU weiter das System verteidigt, planen andere Länder schon die nächsten Schritte: Island will eine Transparenz-Initiative, Belgien überlegt den Ausstieg und Finnland fragt sich, ob das Reglement Werbekampagnen als Wahlhilfe wirklich vorsieht.
Yuval Raphael selbst bleibt gelassen: „Ich singe einfach weiter – zur Not auch in jeder Landessprache.“ Immerhin hat sie jetzt genug Übung darin.
Fazit: Song Contest oder Superwahljahr?
Bleibt die Frage: Wenn bald jeder Beitrag seine eigene Werbestrategie hat, sehen wir dann 2026 den ersten Kandidaten mit einem Sponsor auf der Stirn? Fest steht: Der ESC bleibt der politischste Musikwettbewerb der Welt – selbst wenn die EBU das nicht so ganz wahrhaben will.
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