Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Finanzskandalen nach der Finanzkrise 2008 – schlafen

Kurzfassung: zwischen Bekanntwerden eines Problems und dem Eingreifen der Aufsicht vergeht gerne einmal so viel Zeit wie zwischen einer Geburt eines Kindes und der Einschulung.

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/245/1924528.pdf

Nach Bekanntwerden des Bilanzbetrugs von Wirecard haben die Aktien des
Zahlungsabwicklers binnen weniger Tage einen rasanten Absturz erfahren.
Die 1,9 Mrd. Euro große Lücke in der Bilanz des DAX-Konzerns hat nicht nur
zu dessen Insolvenz geführt, sondern kommt auch unzählige Anlegerinnen
und Anlegern teuer zu stehen. Ihnen – und darunter auch vielen Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern – droht zum Teil ein Totalverlust. Dass ein Bilanzbetrug dieses Ausmaßes in Deutschland möglich ist, beschädigt nach Ansicht
der Fragestellerinnen und Fragesteller den Ruf des Finanzplatzes Deutschland
nachhaltig – und erschüttert das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in
Kontrollinstanzen wie Wirtschaftsprüfer oder die Finanzaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Als wichtigste deutsche Aufsichtsbehörde über Banken und Finanzdienstleister sowie Versicherer und den Wertpapierhandel ist es Aufgabe der BaFin,
„ein funktionsfähiges, stabiles und integres deutsches Finanzsystem zu gewährleisten“. Als Konsequenz aus den – nach Auffassung der Fragesteller –
aufsichtlichen Verfehlungen im Vorfeld der Finanzkrise 2007 und 2008 wurde
die Aufsicht in Deutschland und Europa grundlegend neu aufgestellt. So wurde Anfang 2011 ein europäisches Aufsichtssystem installiert, das 2014 durch
die Einführung eines Einheitlichen Aufsichtsmechanismus für die größten europäischen Banken ergänzt wurde. Davon unbenommen bleibt es Aufgabe der
BaFin, in Deutschland Missständen im Kreditwesen entgegenzuwirken, die
die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die
ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft nach sich ziehen können. Seit
2015 ist zudem der kollektive Verbraucherschutz als Aufsichtsziel der BaFin
fixiert. Um diesem Ziel gerecht zu werden, hat die BaFin Anfang 2016 eine
Abteilung für verbraucherschutzrelevante Themen geschaffen, nachdem das
Kleinanlegerschutzgesetz ihr eine Reihe an Aufsichtsinstrumenten zur Prävention und Beseitigung von Missständen an die Hand gegeben hat. So kann sie
Anordnungen treffen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint. In schwerwiegenden Fällen kann sie so gar den Vertrieb von Produkten beziehungsweise bestimmte Vertriebspraktiken einschränken oder gänzlich untersagen – nämlich dann, wenn der Anlegerschutz, die Funktionsfähigkeit oder die Integrität der Finanzmärkte gefährdet ist (vgl. https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/Jahres
bericht2016/Kapitel1/Kapitel1_6/kapitel1_6_node.html).
Trotz struktureller Reform und neuer Befugnisse gibt es neben der Pleite der
Wirecard AG unzählige Beispiele für Finanzskandale, bei denen Anlegerinnen
und Anleger in Deutschland viel Geld verloren haben oder Steuergelder zur
Rettung von Banken herangezogen werden mussten (vgl. https://sven-giegol
d.de/unaufgedeckte-finanzskandale/). Für die Fragen, welche Konsequenzen
aus dem Fall Wirecard gezogen und wie die Aufsichtsstruktur reformiert werden muss, ist es deshalb nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller wichtig, auch die Finanzskandale der jüngeren Vergangenheit in die Aufarbeitung mit einzubeziehen

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