Oberlandesgericht Stuttgart/Porsche Automobil Holding SE/Beschluss

Oberlandesgericht Stuttgart
20. ZIVILSENAT

Beschluss

Im Verfahren

eines noch nicht bestimmten Musterklägers

gegen

1)

Porsche Automobil Holding SE, vertr. durch den Vorstandsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch, Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart
– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hengeler Mueller, Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt

2)

Volkswagen AG, vertreten durch d. Vorstand, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg
– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Otto-Beck-Straße 11, 68165 Mannheim

wegen Kapitalmarktinformationshaftung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 20. Zivilsenat – durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Vatter,
die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäffler und
die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schlecht
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2019 beschlossen:

1.

Es wird festgestellt, dass das mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 (22 AR 1/17 Kap) vorgelegte Musterverfahren unzulässig ist.

2.

Die Bestimmung eines Musterklägers gem. § 9 Abs. 2 KapMuG wird abgelehnt.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird in Bezug auf Ziff. 1. und 2. zugelassen.

4.

Die Anträge der Klägerin des vom Landgericht Stuttgart unter Az. 22 O 288/16 ausgesetzten Rechtsstreits

a)

auf Vorlage an den Bundesgerichtshof zur Bestimmung des für die Entscheidung über die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 in einem Musterverfahren zuständigen Oberlandesgerichts sowie

b)

auf Durchführung eines Musterverfahrens i.S.d. §§ 9 ff. KapMuG aufgrund des Vorlagebeschlusses des LG Stuttgart vom 28.2.2017 sowie hilfsweise hierzu auf Feststellung, dass das vorliegende Verfahren ein Musterverfahren i.S.d. §§ 9 ff. KapMuG sei,

werden zurückgewiesen.

Gründe

I

Die Kläger der insbesondere vor dem Landgericht Stuttgart geführten und von diesem im Hinblick auf den Vorlagebeschluss vom 28.2.2017, Az. 22 AR 1/17 Kap (Beiakte Bl. 1 ff., veröffentlicht im Klageregister und in Juris; nachfolgend kurz: VB) teilweise ausgesetzten Ausgangsverfahren machen insbesondere gegen die Musterbeklagte zu 1 Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Ansehung der Abgassteuerung in Dieselmotoren der Volkswagengruppe geltend.

Die als Aktiengesellschaft börsennotierte Musterbeklagte zu 2 ist ein großer Automobilhersteller mit Sitz in Wolfsburg. Sie ist erst seit September 2018 Musterbeklagte des vorliegenden Musterverfahrens (s.u. 3.).

1. Die Musterbeklagte zu 1 wurde im Juni 2007 in eine Aktiengesellschaft europäischen Rechts umgewandelt. Ihr operatives Geschäft (Produktion von Sportwagen) gliederte sie aus, weshalb es sich nunmehr um eine reine Holdinggesellschaft handelt. Sie ist mit rund 52 % der Stimmrechte an der Musterbeklagten zu 2 beteiligt. Die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 stellt das wesentliche substantielle Investment der Musterbeklagten zu 1 dar.

Im Jahr 2007 stellte die Musterbeklagte zu 2 eine neue Baureihe von Dieselmotoren unter der Bezeichnung EA 189 vor, die sie ab dem Jahr 2008 baute und auch in den USA vermarktete. Diese Motorentypen, die in etwa 11 Mio. Fahrzeugen verbaut wurden, waren mit Hilfe einer Abschalteinrichtung („Defeat Device“) dergestalt manipuliert worden, dass sie vortäuschten, die emissionsrechtlichen Normen einzuhalten. Dies hatte zur Folge, dass die Motoren die vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im Normalbetrieb auf der Straße einhielten.

Am 9.4.2009 wurde der erste Motor der Baureihe EA 189 als Vierzylindermotor mit 2.0-Liter-Hubraum entsprechend den von der amerikanischen Umweltbehörde (United States Environment Protection Agency, im Folgenden: EPA) vorgeschriebenen US-Abgasnormen zugelassen.

Im August 2009 schlossen die Musterbeklagte zu 1 und die Musterbeklagte zu 2 eine sog. Grundlagenvereinbarung zur Schaffung eines integrierten Automobilkonzerns mit der Porsche AG. Mit Wirkung vom 25.11.2009 traten der damalige Vorstandsvorsitzende der Musterbeklagten zu 2, Prof. Dr. Martin Winterkorn, und der Finanzvorstand der Musterbeklagten zu 2, Herr Hans Dieter Pötsch, auch in den Vorstand der Musterbeklagten zu 1 ein, wo sie dieselben Geschäftsbereiche wie bei der Musterbeklagten zu 2 übernahmen.

Im Mai 2014 stellten Wissenschaftler der West Virginia University im Rahmen einer von der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (im Folgenden: ICCT) beauftragten Studie (im Folgenden: ICCT-Studie) bei drei Testfahrzeugen mit dem zertifizierten Motortyp EA 189 wesentlich erhöhte Emissionswerte im realen Fahrbetrieb fest. Im selben Monat nahmen die kalifornische Umweltbehörde (California Environmental Protection Agency, im Folgenden: CARB) sowie die EPA Ermittlungen auf. In der Folgezeit wurde die Studie publiziert, es kam sodann zu weiteren Untersuchungen durch diese US-Behörden und auch durch Unternehmen der Musterbeklagten zu 2 sowie zur Kommunikation zwischen diesen Behörden und der Musterbeklagten, ferner zu einer Rückrufaktion in den USA. Am 3.9.2015 räumte die Musterbeklagte zu 2 die Verwendung der „Defeat Device“ gegenüber den US-Umweltbehörden ein.

Am 22.9.2015 veröffentlichte die Musterbeklagte zu 2 um 11:39 Uhr eine Ad-hoc-Mitteilung, der zufolge nach bisherigen internen Prüfungen weltweit rund 11 Mio Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189 Auffälligkeiten bezüglich ihres Stickoxidausstoßes aufwiesen, weshalb sie beabsichtige, im 3. Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückzustellen.

Ebenfalls am 22.9.2015 informierte die Musterbeklagte zu 1 in einer Ad-hoc-Mitteilung hierüber und teilte mit, dass infolge der Kapitalbeteiligung der Musterbeklagten zu 1 an der Musterbeklagten zu 2 ein entsprechender ergebnisbelastender Effekt im Ergebnis der Musterbeklagten zu 1 zu erwarten sei.

In der Zeit ab Mitte September 2015 brachen die Aktienkurse der Stamm- und Vorzugsaktien beider Musterbeklagten stark ein.

Wegen weiterer Einzelheiten des in den Ausgangsverfahren vorgetragenen, teils wohl streitigen Sachverhalts wird auf die Darstellung in VB Rn. 2 ff., 8 ff. Bezug genommen.

2. Seit 2015 wurden vor dem Landgericht Braunschweig eine Vielzahl von Verfahren rechtshängig, in denen die Kläger als Aktionäre der Musterbeklagten zu 2 sowie teilweise als Aktionäre der Musterbeklagten zu 1 und einzelne Kläger auch als Erwerber von Anleihen der Musterbeklagten zu 2 bzw. ihrer Tochtergesellschaften sowie von Swaps Ansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2 wegen unterlassener Ad -oc-Mitteilungen im Hinblick auf den sog. Abgasskandal geltend machten.

Mit Vorlagebeschluss vom 5.8.2016, in dessen Rubrum lediglich die Musterbeklagte zu 2 als Musterbeklagte aufgeführt war, legte das Landgericht Braunschweig dem Oberlandesgericht Braunschweig zahlreiche Feststellungsziele vor. Zu den Feststellungszielen im Einzelnen und zum Sachverhalt, der den beim Landgericht Braunschweig rechtshängigen Ausgangsverfahren zugrunde liegt, wird auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 (Az. 5 OH 62/16, veröffentlicht im Klageregister) verwiesen. Das damit eingeleitete Musterverfahren wird bei dem Oberlandesgericht Braunschweig unter dem Az. 3 Kap 1/16 geführt.

3. In den vor dem Landgericht Stuttgart geführten Ausgangsverfahren nehmen insbesondere Aktionäre der Musterbeklagten zu 1 sowohl die Musterbeklagte zu 1 als auch die Musterbeklagte zu 2 wegen unterlassener kapitalmarktrechtlicher Veröffentlichungen in Anspruch. Teilweise werden nur Schäden in Bezug auf Finanzinstrumente der Musterbeklagten zu 1 (Vorzugsaktien) geltend gemacht, teilweise werden daneben auch Schäden in Bezug auf Finanzinstrumente der Musterbeklagten zu 2 geltend gemacht.

Zum Vorbringen der Parteien der Ausgangsverfahren wird auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 (Az. 22 AR 1/17 Kap) sowie auf den als Anlage zum Vorlagebeschluss veröffentlichten Sachbericht verwiesen (Beiakte 22 AR 1/17 Kap, Bl. 1 ff., veröffentlicht im Klageregister sowie in Juris).

In 20 beim Landgericht Stuttgart geführten Ausgangsverfahren haben die Kläger gleichlautende Musterverfahrensanträge gestellt, zu deren Inhalt auf VB Rn. 38 verwiesen wird. In 6 weiteren Ausgangsverfahren haben die Kläger einen weiteren eigenständigen Musterverfahrensantrag gestellt (vgl. VB Rn. 39). Die Musterbeklagte zu 1 hat in 10 Ausgangsverfahren reziproke Musterverfahrensanträge gestellt (VB Rn. 40). Das Landgericht Stuttgart hat mit dem vom Einzelrichter der 22. Zivilkammer erlassenen Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 (Az. 22 AR 1/17 Kap), in dessen Rubrum ausschließlich die Musterbeklagte zu 1 als Musterbeklagte aufgeführt ist, dem Senat folgende Feststellungsziele vorgelegt:

„I. Feststellungsziele klägerseits

Feststellungsziel A: unmittelbare Betroffenheit

1. Die Beklagte ist als Holdinggesellschaft ohne operatives Geschäft verpflichtet, auch über publizitätspflichtige Vorgänge der Volkswagen AG zu berichten.

2. Die Beklagte ist von nachstehenden Vorgängen aus der Sphäre der Volkswagen AG, die ausschließlich die Geschäftstätigkeit der Volkswagen AG betreffen,

Veröffentlichung der ICCT-Studie am 15.05.2014;

Inkenntnissetzung des vormaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, Herrn Prof. Dr. Martin Winterkorn, am 23.05.2014 mittels der sogenannten „Wiko-Post“;

Rückrufaktion im Dezember 2014;

Mitteilung der CARB an die Volkswagen AG vom 08.07.2015;

Einräumen der Verwendung einer Manipulationssoftware der Volkswagen AG gegenüber den US-Umweltbehörden am 03.09.2015

unmittelbar betroffen.

3. Für die Beklagte besteht eine Ad-hoc-Pflicht auch dann, wenn der für die Volkswagen AG ad-hoc-pflichtige Vorgang bei der Beklagten zum Zeitpunkt des ad-hoc-pflichtigen Vorgangs keine über die nur reflexartige Vermittlung der wirtschaftlichen Folgen des ad-hoc-pflichtigen Vorgangs für die Volkswagen AG entsprechend der öffentlich bekannten Beteiligungsquote der Beklagten an der Volkswagen AG hinausgehenden Folgen auslöst.

Feststellungsziel B: Wissenszurechnung

1. Für eine (zurechenbare) Kenntnis der Beklagten von einer vermeintlich veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation als objektive Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs aus § 37b Abs. 1 WpHG ist die Klägerseite nicht darlegungs- und beweispflichtig.

2.a) der Beklagten sind etwaige positive Kenntnisse von Mitgliedern des Vorstands der Volkswagen AG, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten sind bzw. waren, aus deren Tätigkeit für die Volkswagen AG zuzurechnen.

b) Der Beklagten sind etwaige positive Kenntnisse von Mitgliedern des Vorstands der Volkswagen AG, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten sind bzw. waren, aus deren Tätigkeit für die Volkswagen AG auch dann zuzurechnen, wenn für die Vorstandsmitglieder hinsichtlich dieser Kenntnisse Verschwiegenheitspflichten gegenüber der Volkswagen AG bestehen.

c) Der Beklagten ist etwaiges, aufgrund von Wissenszurechnungsregeln fingiertes Wissen der Volkswagen AG über Tatsachen zuzurechnen, sofern Mitglieder des Vorstands der Volkswagen AG, die zum maßgeblichen Zeitpunkt zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten waren, positive Kenntnis von den betreffenden Tatsachen hatten.

3.a) Aufgrund der bilateralen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Volkswagen AG war das durch Doppelmandatsträger in den jeweiligen Vorständen erlangte Insiderwissen beiden betroffenen Unternehmen zugänglich zu machen, soweit ein Recht zur Auskunft an den jeweiligen Vorstand bestand.

b) Eine Weitergabe von Insiderinformationen von der Volkswagen AG an die Beklagte war aufgrund der bestehenden bilateralen Vereinbarungen befugt, soweit die Mitteilung auf einem konzernrechtlichen bzw. kapitalmarktrechtlichen Recht zur Auskunft an den Vorstand des herrschenden Unternehmens beruht.

II. Feststellungsziele beklagtenseits

Feststellungsziel A: Unmittelbare Betroffenheit

1. Die Beklagte ist von Vorgängen aus der Sphäre der Volkswagen AG, die ausschließlich die Geschäftstätigkeit der Volkswagen AG betreffen, nicht gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F. unmittelbar betroffen.

2. Hilfsweise für den Fall, dass das Feststellungsziel A 1. verneint wird:

Für die Beklagte besteht keine ad-hoc-Pflicht, wenn der für die Volkswagen AG ad-hoc-pflichtige Vorgang bei der Beklagten zum Zeitpunkt des ad-hoc-pflichtigen Vorgangs keine über die nur reflexartige Vermittlung der wirtschaftlichen Folgen des ad-hoc-pflichtigen Vorgangs für die Volkswagen AG entsprechend der öffentlich bekannten Beteiligungsquote der Beklagten an der Volkswagen AG hinausgehenden Folgen auslöst.

Feststellungsziel B: Wissenszurechnung

1. Für eine (zurechenbare) Kenntnis der Beklagten von einer vermeintlich veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation als objektive Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs aus § 37b Abs. 1 WpHG ist die Klägerseite darlegungs- und beweispflichtig.

2.a) der Beklagten sind etwaige positive Kenntnisse von Mitgliedern des Vorstands der Volkswagen AG, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten sind bzw. waren, aus deren Tätigkeit für die Volkswagen AG nicht zuzurechnen.

b) Hilfsweise für den Fall, dass das Feststellungsziel B 2.a) verneint wird:

Der Beklagten sind etwaige positive Kenntnisse von Mitgliedern des Vorstands der Volkswagen AG, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten sind bzw. waren, aus deren Tätigkeit für die Volkswagen AG nicht zuzurechnen, wenn für die Vorstandsmitglieder hinsichtlich dieser Kenntnisse Verschwiegenheitspflichten gegenüber der Volkswagen AG bestehen.

c) Der Beklagten ist etwaiges, aufgrund von Wissenszurechnungsregeln fingiertes Wissen der Volkswagen AG über Tatsachen nicht zuzurechnen, sofern Mitglieder des Vorstands der Volkswagen AG, die zum maßgeblichen Zeitpunkt zugleich Mitglieder des Vorstands der Beklagten waren, keine positive Kenntnis von den betreffenden Tatsachen hatten.“

Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, die Vorlagevoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 KapMuG seien gegeben. Dem Vorlagebeschluss mit den zugelassenen Feststellungszielen stehe auch nicht der bereits gegen die Musterbeklagte zu 2 erlassene Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 entgegen. Die Sperrwirkung des § 7 S. 1 KapMuG greife nicht ein, da nicht derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liege, für den auf den jeweiligen Informationsträger als Abgrenzungskriterium abzustellen sei, also auf von unterschiedlichen Emittenten vermeintlich gebotene Ad-hoc-Mitteilungen unterschiedlichen Inhalts, da es auch im Übrigen an der jeweiligen Abhängigkeit fehle, nachdem Haftungsfragen nicht zwingend parallel zu entscheiden seien und da das Landgericht Braunschweig mangels örtlicher Zuständigkeit für Klagen wegen PSE-Finanzinstrumenten einer Kognitionsschranke unterliege (VB Rn. 100 ff.).

Auf den Vorlagebeschluss wird wegen der Begründung im Übrigen und der sonstigen Ausführungen Bezug genommen. Der Vorlagebeschluss wurde am 6.3.2017 im Klageregister bekannt gemacht und dem Senat am 10.5.2017 mit Schreiben des beschließenden Einzelrichters vom selben Tag vorgelegt (Bl. I 1).

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Landgericht 10 vor der 22. Zivilkammer anhängige Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt. Bis Ende 2017 wurden dort 23 weitere Verfahren ausgesetzt, im Januar und Februar 2018 noch 73 Verfahren. Weitere dort anhängige Rechtsstreitigkeiten sind bislang nicht ausgesetzt (vgl. die mit den ersten Aussetzungsbeschlüssen übersandte „Verfahrensliste Stand 10. Mai 2017“). Mit Beschlüssen jeweils vom 3.9.2018 hat die 14. Zivilkammer 24 Rechtsstreitigkeiten, in denen neben der Musterbeklagten zu 1 auch die Volkswagen AG in Anspruch genommen wird, im Hinblick u.a. auf dieses Verfahren ausgesetzt; hierdurch wurde die Volkswagen AG zur Musterbeklagten zu 2. Die Summe der gem. § 8 Abs. 4 KapMuG zu allen Beschlüssen mitgeteilten Beträge beläuft sich auf stark 65 Mio. €. 21 der Aussetzungsbeschlüsse der 14. Zivilkammer sind inzwischen auf die sofortige Beschwerde der Musterbeklagten zu 2 von anderen Senaten des Oberlandesgerichts Stuttgart wieder aufgehoben worden, soweit sie die Aussetzung im Verhältnis zur Musterbeklagten zu 2 betreffen; über 3 Beschwerden ist zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung noch nicht entschieden. Die Musterbeklagte zu 2 hat erklärt, sie sei vorsorglich in allen nur gegen den Musterbeklagte zu 1 gerichteten Rechtsstreitigkeiten als Nebenintervenientin beigetreten; in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war streitig, ob die Beitrittserklärungen bislang zugestellt sind.

Mit (nicht rechtskräftigen) Urteilen vom 24.10.2018 hat das Landgericht Stuttgart in zwei der ausgesetzten Ausgangsverfahren (22 O 101/16 und 22 O 348/16) die Aussetzungsbeschlüsse wieder aufgehoben und in der Sache entschieden. Es hat jeweils die Musterbeklagte zu 1 unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von (z.T. mehrstelligen) Millionenbeträgen verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht u.a. ausgeführt, dass sich das aus der Sicht des Vorlagegerichts maßgebliche Beweisprogramm erledigt habe, da die Musterbeklagte zu 2 das Memorandum von Bernd Gottweis und Frank Tuch vorgelegt habe und mittels Zeugenbeweises eine weitere Sachaufklärung nicht möglich sei. Insoweit habe sich der Vorlagebeschluss de facto erledigt (vgl. Rn. 100, 118 des Urteils vom 24.10.2018 in Sachen 22 O 101/16). Weil diese Verfahren nicht mehr ausgesetzt sind, sind die betroffenen Kläger als Beteiligte des vorliegenden Verfahrens ausgeschieden (Beschluss vom 12.12.2018, Bl. III 347 f.), die Summe der gem. § 8 Abs. 4 KapMuG mitgeteilten Beträge hat sich deshalb auf knapp 2,1 Mio. € reduziert.

Diese dem Senat übermittelten Entscheidungen zur Aussetzung von Ausgangsverfahren und ggf. deren Aufhebung sind in den Ordnern „Mitteilungen nach § 8 Abs. 4 KapMuG“ 1 – 4 abgelegt; auf diese sowie die in Ordner 1 abgeheftete Übersicht wird Bezug genommen. Aus der Übersicht und den abgehefteten Entscheidungen ergeben sich die Daten der weiteren Verfahrensbeteiligten, d.h. der Kläger der ausgesetzten Verfahren.

4. Mit Beschluss vom 5.7.2018 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Einleitung des Musterverfahrens durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 (Az. 22 AR 1/17 Kap) nach vorläufiger Ansicht des Senats nach § 7 KapMuG unzulässig sei. Zu den Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 5.7.2018 verwiesen (Bl. I 38 ff.).

Hierzu haben die Beteiligen Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Zu den Einzelheiten wird auf die Stellungnahmen der Beteiligten (Bl. I 73 ff.) Bezug genommen.

5. Mit Beschluss vom 15.6.2018 im o.g. Musterverfahren 3 Kap 1/16 hat das Oberlandesgericht Braunschweig festgestellt, dass sich das Musterverfahren nunmehr auch gegen die Porsche Automobil Holding SE (PSE = Musterbeklagte zu 1 des vorliegenden Musterverfahrens) richte. Dies folge aus § 9 Abs. 5 KapMuG, nachdem das Landgericht Braunschweig auch gegen die PSE gerichtete Ausgangsrechtsstreitigkeiten ausgesetzt habe und die hiergegen gerichteten Beschwerden zurückgenommen worden seien; diese Rechtsstreite seien im Übrigen zutreffend ausgesetzt worden, weil sie von der Entscheidung des beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahrens i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG abhängig seien. Bilde dasselbe Kerngeschehen die tatsächliche Grundlage für Insiderinformationen bei verschiedenen Emittenten, so handele es sich um den gleichen Lebenssachverhalt und das Musterverfahren sei für diese Rechtsstreitigkeiten insgesamt vorgreiflich. Der im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vertretenen gegenteiligen Auffassung, wonach keine Sperrwirkung nach § 7 KapMuG bestehe, sei nicht beizutreten, sie führe zu einer zweckwidrigen, vom Landgericht Stuttgart aber offenbar beabsichtigten Mehrfachprüfung und Aufklärung desselben Sachverhalts in mehreren Musterverfahren (Anl. MB II/3, Bl. III 427 ff.; das auf S. 2 wiedergegebene Beschlussdatum enthält bei der Jahreszahl einen Schreibfehler).

Mit weiterem Beschluss vom 23.10.2018 hat das Oberlandesgericht Braunschweig die Anträge einer Beigeladenen vom 24.9.2018 auf Erweiterung des Kapitalanlegermusterverfahrens um weitere Feststellungsziele zurückgewiesen (Anl. MK 3, Bl. II 254 ff.). Die eine Haftung der (hiesigen) Musterbeklagten zu 1 betreffenden Feststellungsziele, die Gegenstand des Erweiterungsantrags waren, decken sich im Wesentlichen mit den Feststellungszielen, die das Landgericht Stuttgart dem Senat mit Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 vorgelegt hat. Das Oberlandesgericht Braunschweig führt zur Begründung u.a. unter Verweis auf den Beschluss vom 15.6.2018 aus, wenn das gleiche Kerngeschehen die tatsächliche Grundlage für Insiderinformationen bei unterschiedlichen Emittenten bilde, sei es konsequent, vom selben Lebenssachverhalt und der Vorgreiflichkeit des dortigen Musterverfahrens für die vom Landgericht Braunschweig ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten insgesamt auszugehen. Daraus folge nicht, dass sämtliche weiteren Fragestellungen zur Haftung der PSE jenseits des Kerngeschehens bei der VW AG denselben Lebenssachverhalt im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG beträfen. Die Konsequenz, dass damit Musterverfahren sukzessive durchzuführen seien, widerspreche nicht dem Zweck des KapMuG und sei hinzunehmen.

6. Der Senat hat über die Zulässigkeit des Musterverfahrens am 6.2.2019 mündlich verhandelt. Hierzu wurden die infolge des Vorlagebeschlusses sowie der Aussetzungsbeschlüsse dem Senat mitgeteilten Kläger der ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten sowie die Musterbeklagten zu 1 und 2 geladen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin des Ausgangsverfahrens 22 O 288/16 hat in der mündlichen Verhandlung folgende Verfahrensanträge gestellt (Anl. 2 zum Protokoll, Bl. IV 575):

„1. Wir beantragen, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen zur Bestimmung des Oberlandesgerichtes, welches (i) über die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Feststellungsziele aus dem Vorlagebeschluss des LG Stuttgart vom 28.02.2017 zu entscheiden hat (ii) und/oder für die Entscheidung über die in (i) genannten FZ zuständig ist.

2. Wir beantragen, dass das Gericht ein Musterverfahren i. S. d. §§ 9 ff. KapMuG aufgrund des Vorlagebeschlusses des LG Stuttgart vom 28.02.2017 durchführt; hilfsweise: festzustellen, dass das vorliegende Verfahren ein Musterverfahren i. S. d. §§ 9 ff. KapMuG darstellt.“

II

Es ist festzustellen, dass das mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 (Az. 22 AR 1/17 Kap) vorgelegte Musterverfahren unzulässig ist (vgl. KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 7 Rn. 26). Die Bestimmung eines Musterklägers nach § 9 Abs. 2 KapMuG ist abzulehnen.

A

Allerdings ist das Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 eingeleiteten Musterverfahrens nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Landgericht Stuttgart in zwei dem Musterverfahren zugrundeliegenden Ausgangsverfahren in seinen Urteilen vom 24.10.2018 die Auffassung vertritt, dass sich der Vorlagebeschluss de facto erledigt habe und (jedenfalls zwei) Ausgangsverfahren ohne Rückgriff auf die vorgelegten Feststellungsziele entscheidungsreif seien.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das mit einem Musterverfahren befasste Oberlandesgericht befugt, das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen zu prüfen. Insbesondere stellt das fehlende Rechtsschutzbedürfnis einen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel dar, der die Unzulässigkeit des verfahrenseinleitenden Antrags zur Folge hat (BGH Beschluss vom 9.3.2017 – III ZB 135/15 – ZIP 2017, 720 Rn. 13 f. mwN).

Für das Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines Musterverfahrens nach Vorlage durch das Prozessgericht kommt es allerdings nicht maßgeblich darauf an, ob die Entscheidung des zugrundeliegenden Rechtsstreits des Antragstellers von den Feststellungszielen abhängt. Vielmehr ist jegliches schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Durchführung des Musterverfahrens erst dann zu verneinen, wenn das mit dem Verfahren erstrebte Ziel unter keinen Umständen mehr erreicht werden kann, weil die in sämtlichen Ausgangsverfahren zu treffenden Entscheidungen nicht (mehr) auf die Klärung der Streitpunkte im Musterverfahren angewiesen sind. Demzufolge fehlt es am Rechtsschutzinteresse für ein Kapitalanlegermusterverfahren (erst) dann, wenn die Feststellungsziele bereits anderweitig verbindlich geklärt worden sind oder wenn sämtliche gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG erlassenen Aussetzungsbeschlüsse – ggf. im Beschwerdewege – aufgehoben worden sind, weil sich dort ergeben hat, dass die Entscheidung der jeweiligen Ausgangsverfahren von den Feststellungszielen nicht (mehr) abhängt (BGH Beschluss vom 9.3.2017 – III ZB 135/15 – ZIP 2017, 720 Rn. 15 ff.).

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend das Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Musterverfahrens weiterhin zu bejahen. Hierbei kann offenbleiben, ob die vorgelegten Fragen weiterhin für die Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sind. Denn bislang sind lediglich zwei Aussetzungsbeschlüsse aufgehoben worden, zudem ist die Aufhebung noch nicht rechtskräftig. Eine anderweitige Klärung der vorgelegten Feststellungsziele ist ebenso wenig erfolgt. Es ist demnach nicht davon auszugehen, dass das mit dem Musterverfahren erstrebte Ziel unter keinen Umständen mehr erreicht werden kann.

B

Jedoch ist das mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 (Az. 22 AR 1/17 Kap) vorgelegte Musterverfahren unzulässig, weil infolge des beim Oberlandesgericht Braunschweig unter 3 Kap 1/16 anhängigen Musterverfahrens die Sperrwirkung nach § 7 S. 1 KapMuG eingreift. Der Vorlagebeschluss des Landgerichts ist für den Senat gem. § 7 S. 2 KapMuG nicht bindend.

Gemäß § 7 S. 1 KapMuG ist mit Erlass des Vorlagebeschlusses die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzenden Verfahren unzulässig. Demnach ist die Einleitung eines weiteren – also zeitlich zweiten – Musterverfahrens unzulässig, wenn die Einleitung in Ansehung von Verfahren geschieht, die bei rechtlich richtiger Behandlung nach § 8 Abs. 1 KapMuG im Hinblick auf ein anderes anhängiges und zeitlich erstes Musterverfahren auszusetzen gewesen wären (vgl. auch BT-Drucks. 15/5091 S. 24).

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG setzt das Prozessgericht nach der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses im Klageregister von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren noch anhängig werdenden Verfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt.

Demnach ist die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 (Az. 5 OH 62/16) eingeleitete, vor dem Oberlandesgericht Braunschweig unter dem Az. 3 Kap 1/16 anhängige zeitlich frühere Musterverfahren unzulässig.

Die Voraussetzungen der §§ 7, 8 KapMuG sind vorliegend gegeben. Eine Vorgreiflichkeit des vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahrens für die dem Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Ausgangsverfahren ist in Anwendung des für die Frage nach der Sperrwirkung gem. §§ 7, 8 KapMuG maßgeblichen Prüfungsmaßstabs zu bejahen (nachfolgend 1. bis 4.). Zudem liegt den dem Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Ausgangsverfahren einerseits und dem vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren andererseits derselbe Lebenssachverhalt zugrunde (nachfolgend 5. bis 8.; zu den weiteren Voraussetzungen der Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG, die vorliegend unzweifelhaft gegeben sind, vgl. KöKoKapMuG/Kruis 2. Auf. § 8 Rn. 11 bis 27).

1. Wie die Abhängigkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG im Einzelnen zu definieren ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.

Nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur vertretenen Auffassung ist die Abhängigkeit insofern abstrakt zu beurteilen, als es genügt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits, in dem ein Musterverfahrensantrag gestellt wird oder in dem die Frage der Aussetzung nach § 8 KapMuG zu prüfen ist, von den im Musterverfahren zu klärenden Feststellungszielen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abhängen kann (OLG München ZIP 2018, 327, 328; OLG München ZIP 2013, 2077, 2078; OLG Frankfurt Beschluss vom 27.1.2014 – 23 W 120/13 – juris Rn. 7; KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 28; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 8 KapMuG Rn. 30; Söhner ZIP 2013, 7, 10; vgl. auch BT-Drucks. 17/8799 S. 18, 20). Zu prüfen ist demnach, ob die im Musterverfahren zu klärende Frage im Entscheidungsbaum des Rechtsstreits zu berücksichtigen ist (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 28; vgl. auch VB Rn. 67). Demgegenüber halten die Vertreter der vorgenannten Auffassung es nicht für erforderlich, dass die Entscheidung des Rechtsstreits nach der Klärung sämtlicher übriger Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen nur noch von den Feststellungszielen abhängt (OLG Celle Beschluss vom 20.2.2017 – 13 W 68/16 – juris Rn. 28; OLG Frankfurt Beschluss vom 27.1.2014 – 23 W 120/13 – juris Rn. 3; OLG München ZIP 2013, 2077, 2078; KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 28; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 8 KapMuG Rn. 29; so auch BT-Drucks. 17/8799 S. 18, 20).

Teilweise wird unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 17/8799 S. 20) angenommen, dass dem Prozessgericht bei der Frage nach einer Abhängigkeit gem. § 8 KapMuG ein gewisser Beurteilungsspielraum zukomme (OLG München ZIP 2018, 327, 328; OLG München ZIP 2013, 2077, 2078; Söhner ZIP 2013, 7, 10; vgl. auch Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 8 KapMuG Rn. 24, 28; a.A. KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 29). Das Prozessgericht könne auf die Verfahrenssituation zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses Rücksicht nehmen. Es müsse nicht sogleich aussetzen, wenn demnächst eine Beweisaufnahme anstehe, sondern könne diese zunächst durchführen und erst auf der Grundlage des Beweisergebnisses die Abhängigkeit von den Feststellungszielen beurteilen (BT-Drucks. 17/8799 S. 20).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehen dagegen im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes Bedenken, soweit die Gesetzesbegründung zu § 8 KapMuG die Abhängigkeit abstrakt beurteilen und dem Prozessgericht im Hinblick auf die Aussetzung einen Beurteilungsspielraum einräumen will (BGH Beschluss vom 2.12.2014 – XI ZB 17/13 – NJW-RR 2015, 299 Rn. 14; Beschluss vom 8.4.2014 – XI ZB 40/11 – NJW-RR 2014, 758 Rn. 24; vgl. auch OLG Braunschweig Beschluss vom 18.1.2019 – 3 W 5/18 – juris Rn. 48). Vielmehr fehlt es an der Vorgreiflichkeit bzw. Entscheidungserheblichkeit, wenn der Rechtsstreit, in dem ein Musterverfahrensantrag gestellt wird oder in dem die Frage der Aussetzung nach § 8 KapMuG zu prüfen ist, ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist und den Parteien deshalb nicht zuzumuten ist, auf Erkenntnisse aus dem Musterverfahren zu warten, die keinen Einfluss auf die Entscheidung haben können (BGH Beschluss vom 28.1.2016 – III ZB 88/15 – ZIP 2016, 436 Rn. 14; Beschluss vom 2.12.2014 – XI ZB 17/13 – NJW-RR 2015, 299 Rn. 13; vgl. auch OLG Celle Beschluss vom 20.2.2017 – 13 W 68/16 – juris Rn. 27). Dies soll beispielsweise der Fall sein bei eindeutiger Verjährung (BGH Beschluss vom 28.1.2016 – III ZB 88/15 – ZIP 2016, 436 Rn. 15), anderweitiger Rechtshängigkeit (BGH Beschluss vom 2.12.2014 – XI ZB 17/13, Rn. 9, 15) oder fehlenden Prozessvoraussetzungen (OLG Braunschweig Beschluss vom 18.1.2019 – 3 W 5/18 – juris Rn. 35 ff.).

2. Die Sperrwirkung greift nach § 7 S. 1 KapMuG ein, wenn die fraglichen Ausgangsverfahren schon im Hinblick auf ein anderes, zuerst eingeleitetes Musterverfahren gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG auszusetzen sind, ihre Entscheidung also von der Entscheidung über die dort zu klärenden Feststellungsziele abhängig ist. Die Frage, ob von einer Abhängigkeit in diesem Sinne auszugehen ist, ist einer Prüfung durch das Oberlandesgericht in vollem Umfang zugänglich. Zu Unrecht meint Prof. Dr. Halfmeier in seiner von Verfahrensbeteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Stellungnahme vom 28.8.2018 (Bl. I 130 ff.), dass in Konsequenz des dem Prozessgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums das Vorliegen der „Abhängigkeit“ im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG in den Rechtsmittelinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar sei, weshalb das Oberlandesgericht auch bei der Beurteilung der Sperrwirkung nach § 7 S. 1 KapMuG nicht seine Beurteilung an die Stelle der vom Vorlagegericht vorgenommenen Beurteilung setzen könne (aaO S. 5 ff.).

Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang dem Prozessgericht bei der Entscheidung über eine Vorlage gem. § 6 KapMuG oder eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG ein Beurteilungsspielraum zukommen kann. Er besteht allenfalls in Ansehung der Frage, ob der Rechtsstreit unabhängig von Feststellungszielen eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist, womit das Prozessgericht insoweit der aktuellen Verfahrenssituation Rechnung tragen kann (oben 1.). Wird dies vom Prozessgericht nicht angenommen und wird aufgrund von entsprechenden Musterverfahrensanträgen ein Musterverfahren durch Vorlagebeschluss eingeleitet und werden die beim Prozessgericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten im Hinblick auf die damit vorgelegten Feststellungziele ausgesetzt, so ist das Oberlandesgericht hieran gebunden und es kann nicht prüfen, ob die Ausgangsrechtsstreitigkeiten unabhängig von den Feststellungszielen entscheidungsreif seien; diese Prüfung ist dem Prozessgericht vorbehalten (BGH Beschluss vom 9.3.2017 – III ZB 135/15 – ZIP 2017, 720 Rn. 20; BGH Beschluss vom 4.5.2017 – III ZB 62/16 – AG 2017, 543 Rn. 20).

Darum geht es bei der Frage nach der Sperrwirkung nach § 7 KapMuG nicht. Sie beurteilt sich ohne Rücksicht auf die Frage nach der Entscheidungsreife im Übrigen alleine danach, ob ein Aussetzungsgrund, d.h. eine Abhängigkeit des Ausgangsrechtsstreits im Hinblick auf ein bereits früher anhängig gewordenes Musterverfahren besteht. Letzteres ist etwa im Falle einer Beschwerde gegen eine Aussetzungsentscheidung vom Beschwerdegericht uneingeschränkt zu überprüfen (OLG Celle Beschluss vom 20.2.2017 – 13 W 68/16 – juris Rn. 22; KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 66). Erst recht unterliegt also das Oberlandesgericht keiner Einschränkung bei der Prüfung der Sperrwirkung nach § 7 KapMuG wegen eines dem Vorlagegericht möglicherweise zukommenden Beurteilungsspielraums. Er besteht allenfalls, wenn das Landgericht vor der Alternative steht, das Ausgangsverfahren (zunächst) fortzuführen oder gem. § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzen. Hingegen steht vorliegend die Alternative in Rede, das Verfahren gem. § 8 Abs. 1 KapMuG wegen Abhängigkeit von den Feststellungszielen eines schon anhängigen Musterverfahrens auszusetzen oder ein neues Musterverfahren einzuleiten. Wäre diese durch § 7 KapMuG veranlasste Prüfung durch das Oberlandesgericht wegen eines Beurteilungsspielraums des Vorlagegerichts eingeschränkt, würde § 7 KapMuG im Übrigen weitgehend leerlaufen.

3. Bei der Prüfung einer Sperrwirkung nach § 7 KapMuG ist den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die dann auftreten, wenn die Konstellation gegebenenfalls konkurrierender Musterverfahren in Rede steht.

a) In Ansehung der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG ist nicht von Relevanz, ob in den Ausgangsverfahren, also in den Verfahren, in denen ein Musterverfahrensantrag gestellt wurde oder in denen die Frage nach der Aussetzung nach § 8 KapMuG zu prüfen ist, ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele der anhängigen Musterverfahren Entscheidungsreife eingetreten ist (s.o. 2.).

b) Für die Frage nach der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG ist demgegenüber in erster Linie von Bedeutung, ob die Feststellungsziele des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens für zumindest einen Teil der Feststellungsziele vorgreiflich sind, die im zeitlich nachfolgenden Vorlagebeschluss zur Entscheidung gestellt werden.

Eine Abhängigkeit in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn im zuerst erlassenen und im zeitlich späteren Vorlagebeschluss jeweils identische Feststellungsziele zur Entscheidung gestellt werden (vgl. BGH Beschluss vom 9.3.2017 – III ZB 135/15 – ZIP 2017, 720 Rn. 10; Beschluss vom 6.12.2011 – II ZB 5/11 – NJW-RR 2012, 281 Rn. 5). Vielmehr soll durch die Vorschrift des § 7 KapMuG auch ausgeschlossen werden, dass ein Prozessgericht durch einen Vorlagebeschluss ein Musterverfahren zu einer weiteren Anspruchsvoraussetzung einleitet, wenn bereits ein Musterverfahren zu einer anderen Voraussetzung desselben Anspruchs eingeleitet worden ist (BT-Drucks. 15/5091 S. 24; BGH Beschluss vom 6.12.2011 – II ZB 5/11 – NJW-RR 2012, 281 Rn. 10 zu §§ 5, 7 KapMuG aF).

Darüber hinaus ist eine die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG begründende Abhängigkeit auch dann gegeben, wenn sich rechtliche oder tatsächliche Fragen, die Gegenstand der im zeitlich späteren Vorlagebeschluss aufgeworfenen Feststellungsziele sind, nicht mehr stellen, sofern die im zuerst eingeleiteten Musterverfahren aufgeworfenen Feststellungsziele in bestimmter Weise verbeschieden werden. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die im zeitlich späteren Vorlagebeschluss aufgeworfenen Feststellungsziele auf einer vorgreiflichen tatsächlichen oder rechtlichen Frage aufbauen, die Feststellungsziel des zeitlich zuerst eingeleiteten Musterverfahrens ist (vgl. dazu BGH Beschluss vom 10.7.2018 – II ZB 24/14 – juris Rn. 135 und Beschluss vom 22.11.2016 – XI ZB 9/13 – juris Rn. 106 – BGHZ 213, 65 und OLG Frankfurt Beschluss vom 12.7.2017 – 23 KAP 1/16 juris Rn. 77, wonach dann, wenn in einem Musterverfahren eine vorgreifliche Rechtsfrage verneint wird, in diesem Musterverfahren die darauf aufbauenden Feststellungsziele nicht entschieden werden müssen, da der Vorlagebeschluss insofern gegenstandslos geworden ist). Zur Erläuterung kann beispielhaft die Konstellation genannt werden, dass in einem zuerst eingeleiteten Musterverfahren als Feststellungsziel die Frage aufgeworfen wird, ob es sich bei einem bestimmten Umstand um eine Insiderinformation im Sinne des § 13 WpHG aF handelt. Werden nunmehr in einem zweiten Vorlagebeschluss die Fragen aufgeworfen, ob der Emittent von dieser Insiderinformation im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG aF unmittelbar betroffen ist oder ob er gem. § 15 Abs. 3 WpHG aF von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit war, bauen die Feststellungsziele des zweiten Vorlagebeschlusses auf dem Feststellungsziel des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens auf. Denn sie stellen sich dann nicht mehr, wenn im ersten Musterverfahren die Eigenschaft des Umstands als Insiderinformation verneint wird (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 10.7.2018 – II ZB 24/14 – juris Rn. 136), was im Zeitpunkt der Entscheidung über die Sperrwirkung nach § 7 KapMuG regelmäßig noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Gerade deshalb genügt auch für die Aussetzungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG eine nur hinreichende Wahrscheinlichkeit.

Für diese Auslegung des § 7 KapMuG spricht insbesondere der Umstand, dass nur auf diese Weise dem vom Gesetzgeber mit § 5 KapMuG aF bzw. § 7 KapMuG nF verfolgten Ziel Rechnung getragen werden kann, aus prozessökonomischen Gründen parallel geführte Musterverfahren zu vermeiden (vgl. dazu BT-Drucks. 15/5091 S. 24; BGH Beschluss vom 6.12.2011 – II ZB 5/11 – NJW-RR 2012, 281 Rn. 10; vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15.6.2018, 3 Kap 1/16, aaO S. 9; Beschluss vom 23.10.2018, 3 Kap 1/16, aaO unter II.3 a) und b); Fullenkamp in Vorwerk/Wolf KapMuG 1. Aufl. § 5 Rn. 1).

c) Eine Abhängigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Sperrwirkung nach § 7 KapMuG kann daneben aber auch dann zu bejahen sein, wenn zwar das Ergebnis des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens für keines der Feststellungsziele vorgreiflich ist, die im zeitlich nachfolgenden Vorlagebeschluss (ausdrücklich) zur Entscheidung gestellt werden, eine Abhängigkeit vom Ergebnis des zeitlich früheren Musterverfahrens jedoch in Ansehung weiterer tatsächlicher oder rechtlicher Fragen gegeben ist, die sich in den dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren stellen. Letzteres ist zu bejahen, wenn diese weiteren tatsächlichen und rechtlichen Fragen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit an einer Stelle des Entscheidungsbaums zu klären sind, der im Ausgangsverfahren für die Endentscheidung abzuarbeiten ist.

Eine Abhängigkeit kann unter dem vorgenannten Aspekt insbesondere dann gegeben sein, wenn sich in den Verfahren, in denen die dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Musteranträge gestellt wurden bzw. die im Hinblick auf den zeitlich späteren Vorlagebeschluss auszusetzen sind, eine tatsächliche oder rechtliche Frage stellt, die den Gegenstand eines Feststellungsziels des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens bildet (vgl. hierzu KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 7 Rn. 16 f.). Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob das Gericht, das den zeitlich späteren Vorlagebeschluss erlassen hat, eine dieser Fragen in seinem Vorlagebeschluss zum Gegenstand eines Feststellungsziels gemacht hat.

Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 7 S. 1 KapMuG. Dieser nimmt für den Umfang der Sperrwirkung ausdrücklich auf § 8 Abs. 1 KapMuG Bezug. Die Frage, ob ein Verfahren nach § 8 Abs. 1 KapMuG im Hinblick auf das zuerst eingeleitete Musterverfahren auszusetzen ist, stellt sich unabhängig von den in einem zweiten Vorlagebeschluss konkret aufgeworfenen Feststellungszielen.

Ein weiteres Argument ergibt sich aus der Möglichkeit, das Musterverfahren gem. § 15 Abs. 1 KapMuG um weitere Feststellungsziele zu erweitern. Die Beteiligten eines auf der Grundlage des zeitlich späteren Vorlagebeschlusses geführten Musterverfahrens haben die Möglichkeit, sich in den Ausgangsverfahren stellende Fragen, die das zeitlich später vorlegende Gericht nicht zum Gegenstand eines Feststellungsziels gemacht hat, über § 15 Abs. 1 KapMuG in das weitere Musterverfahren einzuführen. Sollten die Beteiligten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, und sollte den Erweiterungsanträgen stattgegeben werden, bestünde die Gefahr, dass dasselbe Feststellungsziel in zwei oder mehr Musterverfahren zu klären wäre. Dies widerspricht dem (weiteren) mit der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG verfolgten Gesetzeszweck, der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen vorzubeugen (vgl. dazu KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 7 Rn. 2; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf KapMuG 1. Aufl. § 5 Rn. 1 f.).

4. In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Abhängigkeit im Sinne des § 7 KapMuG iVm § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG vorliegend jedenfalls unter den im Folgenden herausgegriffenen mehreren Aspekten zu bejahen.

a) Die Entscheidung im vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren ist zumindest teilweise vorgreiflich für die Frage, ob sich die im Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 als mögliche Insiderinformationen genannten Umstände tatsächlich ereignet haben.

aa) Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 KapMuG kann Gegenstand eines Feststellungsziels sowohl das Vorliegen oder Nichtvorliegen anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen als auch die Klärung von Rechtsfragen sein. Demnach sind nicht nur Rechtsfragen, sondern auch tatsächliche Umstände feststellungsfähig (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 2 Rn. 37 ff.).

bb) Dem entsprechend beinhaltet der Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 (5 OH 62/16) nicht nur Feststellungsziele, die Rechtsfragen betreffen, sondern auch solche, die eine Feststellung tatsächlicher Umstände herbeiführen sollen. Die im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig enthaltenen Feststellungsziele sind gegliedert, wobei nach dem Verständnis des Vorlagegerichts jeder einzelne Unterpunkt ein Feststellungsziel bildet. Letzteres ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen des Landgerichts Braunschweig in den Gründen des Vorlagebeschlusses, wonach jeder der Komplexe I bis XX eine Kombination aus der Feststellung von Tatsachen (jeweils unter 1.) und der Klärung von Rechtsfragen (jeweils unter 2. ff.) enthält (vgl. II Absatz 3 der Gründe des Vorlagebeschlusses).

cc) Die im Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 aufgeführten fünf Umstände decken sich im Wesentlichen mit Umständen, die ausweislich des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 in tatsächlicher Hinsicht festzustellen sind.

1) Denkbar ist dies in Ansehung des im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart aufgeführten Feststellungsziels in Bezug auf die „Veröffentlichung der ICCT-Studie am 15.5.2014“ (Feststellungsziel I A 2 1. Spiegelstrich). Allerdings findet sich in A XII 1a der Feststellungsziele des Beschlusses des Landgerichts Braunschweigs lediglich die Formulierung, dass die Antragsgegnerin bereits ab dem 15.5.2014 Kenntnis hatte oder Kenntnis davon hätte haben müssen, dass Ermittlungen durch die EPA und die CARB aufgrund erheblicher Diskrepanzen zwischen den offiziellen Zertifizierungs- bzw. Typprüfwerten für Stickoxide und den entsprechenden realen Emissionswerten im Alltagsbetrieb ihrer Diesel-Fahrzeuge eingeleitet worden seien. Die Veröffentlichung der ICCT-Studie am 15.5.2014 wird demgegenüber im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig nicht als festzustellende Tatsache aufgeführt.

Jedoch ist insofern nicht ausgeschlossen, dass im Verlaufe eines etwaigen vor dem Senat geführten Musterverfahrens eine Deckung herbeigeführt würde. Denn der Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart ist insofern unklar. So ist in Rn. 21 des Vorlagebeschlusses davon die Rede, dass die ICCT die Erkenntnisse der West Virginia University am 30.5.2014 publiziert habe, es wird also ein späterer Veröffentlichungszeitpunkt der Studie genannt als im Feststellungsziel I A 2 1. Spiegelstrich. Zudem heißt es in Rn. 14 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart, die Volkswagen AG habe seit dem 15. Mai 2014 Kenntnis von der Einleitung von Ermittlungen durch die CARB und die EPA aufgrund erheblicher Abweichungen zwischen den Zertifizierungs- bzw. Typprüfwerten für Stickoxide und den entsprechenden tatsächlichen Emissionswerten im Alltagsbetrieb der Dieselfahrzeuge gehabt. Nach Rn. 13 des Sachberichts in der Anlage zum Vorlagebeschluss sind diese Ermittlungen aufgrund der Erkenntnisse der ICCT eingeleitet worden, so dass hier ein Zusammenhang bestehen dürfte. Die genannten Unklarheiten wären im Verlaufe des Musterverfahrens ausräumbar, indem – ggf. nach entsprechenden Hinweisen des Senats – Klarstellungen erfolgen bzw. Ergänzungsanträge gestellt werden (siehe unten D.1.).

2) Eine Deckungsgleichheit der von den Feststellungszielen umfassten Tatsachen dürfte auch in Ansehung des im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 aufgeführten Feststellungsziels in Bezug auf die „Inkenntnissetzung des vormaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, Herrn Prof. Dr. Martin Winterkorn, am 23.5.2014 mittels der sogenannten „Wiko-Post“ bestehen (Feststellungsziel I A 2 2. Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses). Insofern findet sich in A XII 2 der Feststellungsziele des Beschlusses des Landgerichts Braunschweig lediglich die Formulierung, dass sich die in A XII 1 genannten Umstände zumindest spätestens am 23.5.2014 zu einer kursrelevanten Insiderinformation verdichtet hätten. Von einer „Wiko-Post“ ist zwar nicht die Rede.

Auch insofern ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Verlaufe eines etwaigen vor dem Senat geführten Musterverfahrens eine Deckung herbeigeführt würde. Denn der Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart ist in diesem Punkt unbestimmt, weil in Feststellungsziel I A 2 2. Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses nicht ausgeführt ist, wovon Herr Prof. Dr. Winterkorn in Kenntnis gesetzt worden sein soll. Insofern wäre das Feststellungsziel im Falle der Durchführung des Musterverfahrens einer Auslegung durch den Senat zugänglich, wobei insbesondere die in Rn. 17 bis 19 des Vorlagebeschlusses erwähnten Umstände zu berücksichtigen wären (vgl. BGH Beschluss vom 10.7.2018 – II ZB 24/14 – juris Rn. 33). Etwa verbleibende Unklarheiten könnten wiederum nach entsprechenden Hinweisen ausgeräumt werden.

3) Das Feststellungsziel in Bezug auf die „Rückrufaktion im Dezember 2014“ (Feststellungsziel I A 2 3. Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses) findet sich unter A XV 1 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016. Dort wird als Feststellungsziel die Frage aufgeworfen, ob Volkswagen im Dezember 2014 eine freiwillige Rückrufaktion in den Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet hat.

4) Das Feststellungsziel zur „Mitteilung der CARB an die Volkswagen AG vom 8.7.2015“ (Feststellungsziel I A 2 4. Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses) findet sich in tatsächlicher Hinsicht auch unter A XVI 1 der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Braunschweig.

5) Das Feststellungsziel in Bezug auf das „Einräumen der Verwendung einer Manipulationssoftware der Volkswagen AG gegenüber den US-Umweltbehörden am 3.9.2015“ (Feststellungsziel I A 2 5. Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses des Landgerichts vom 28.2.2017) findet sich in tatsächlicher Hinsicht unter A XVIII 1 der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Braunschweig.

dd) Sofern die im Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 aufgeführten Umstände in den dem Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren in tatsächlicher Hinsicht streitig sind, sind die entsprechenden Feststellungen des Oberlandesgerichts Braunschweig für die Ausgangsverfahren vorgreiflich. Zudem stellt sich die im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 aufgeworfene Frage nach der unmittelbaren Betroffenheit der Musterbeklagten zu 1 von diesen Umständen nicht mehr, sofern das Oberlandesgericht Braunschweig feststellen sollte, dass sich die entsprechenden Umstände nicht ereignet haben.

Ausweislich der Gründe des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 ist zumindest die Inkenntnissetzung des Herrn Prof. Dr. Martin Winterkorn am 23.5.2014 (Feststellungsziel I A 2 2. Spiegelstrich des Vorlagebeschlusses) in tatsächlicher Hinsicht streitig. Zwar wird die Darstellung zur Übermittlung des Memorandums hinsichtlich einer potentiellen Aufdeckung des Einsatzes der Manipulationssoftware in Rn. 17 des Vorlagebeschlusses unter Benutzung des Wortes „ist“ geschildert und nicht mit dem Wort „soll“ eingeleitet, das an anderen Stellen des Vorlagebeschlusses zur Kennzeichnung des streitigen Vorbringens verwendet wird. Jedoch ist die Übermittlung des Memorandums in dem in Rn. 245 des Vorlagebeschlusses für erforderlich gehaltenen Beweisprogramm aufgeführt. Auch findet sich in Rn. 64 des als Anlage zum Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 angefügten Sachberichts die Formulierung, dass die Inkenntnissetzung Prof. Dr. Winterkorns am 23.5.2014 behauptet, aber nicht erwiesen sei. Das Landgericht geht auch im Übrigen davon aus, dass die Kenntnis der Vorstandsmitglieder der Volkswagen AG beweisbedürftig sei (VB Rn. 61, 70, 180).

ee) Eine Abhängigkeit wäre aber auch in Ansehung der als Insiderinformation in Betracht kommenden Umstände zu bejahen, soweit sie in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren bisher unstreitig sein sollten. Denn sofern das Oberlandesgericht Braunschweig zu dem Ergebnis kommen sollte, dass sich in den genannten Ausgangsverfahren bisher unstreitige Umstände in Wirklichkeit nicht ereignet haben, so liegt nahe, dass diese Umstände auch in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren sowie im vorliegenden Musterverfahren streitig würden.

b) Weiter ist die Entscheidung im vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren vorgreiflich für die Frage, ob es sich bei den im Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 genannten Umständen um Insiderinformationen im Sinne des § 13 WpHG in der hier anwendbaren, bis 1.7.2016 geltenden Fassung handelt.

aa) Die Frage, ob in den Umständen, die das Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts aufzählt, Insiderinformationen im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF zu sehen sind, ist Gegenstand der Feststellungsziele des durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 (5 OH 62/16) eingeleiteten Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. In den einschlägigen Gliederungspunkten der durch Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vorgelegten Feststellungsziele (vgl. dazu vorstehend 4a cc 1) bis 5)) wird jeweils unter Ziff. 2 die Frage aufgeworfen, ob es sich bei den jeweiligen Umständen um Insiderinformationen im Sinne von § 13 WpHG aF handelt.

bb) Die Frage nach der der Einordnung der genannten Umstände als Insiderinformation ist nach den vorstehend unter 3b dargestellten Grundsätzen insbesondere für die im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart unter I A 2 Spiegelstrich 3-5 aufgeführten Feststellungsziele vorgreiflich. Die Fragen, ob die Musterbeklagte zu 1 von der Rückrufaktion im Dezember 2014, von der Mitteilung der CARB an die Musterbeklagte zu 2 vom 8.7.2015 und von dem Einräumen der Verwendung einer Manipulationssoftware der Musterbeklagten zu 2 gegenüber den US-Umweltbehörden am 3.9.2015 unmittelbar betroffen ist, stellt sich nur dann, wenn die jeweiligen Umstände als Insiderinformationen zu qualifizieren sind. Sofern die Umstände nicht als Insiderinformationen zu qualifizieren sein sollten, scheidet eine auf die unterlassene Veröffentlichung dieser Umstände gestützte Haftung der Musterbeklagten zu 1 gem. §§ 15, 37b WpHG aF von vornherein aus, unabhängig davon, ob sie von den fraglichen Umständen unmittelbar betroffen ist. Die Frage der unmittelbaren Betroffenheit gem. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG aF ist auch nach der gesetzlichen Systematik auf Insiderinformationen im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF bezogen.

Dasselbe gilt unter Berücksichtigung der vorstehend unter 4a cc 1) und 2) dargestellten Erwägungen auch für die im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart unter I A 2 Spiegelstrich 1 und 2 aufgeführten Feststellungsziele.

cc) Dem entsprechend streiten die Parteien auch in den dem Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren, mithin in den Verfahren, die im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 eingeleitete Musterverfahren auszusetzen sind, und insbesondere in den Verfahren, in denen die zugrundeliegenden Musterverfahrensanträge gestellt wurden, darum, ob es sich bei den im Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts genannten Umständen um Insiderinformationen handelt. Dass die Qualifikation der Umstände als Insiderinformation zwischen den Parteien der Ausgangsverfahren streitig diskutiert wird, ergibt sich bereits aus den Ausführungen des vorlegenden Landgerichts in Rn. 159 ff. des Vorlagebeschlusses. Demnach macht die Musterbeklagte zu 1 geltend, dass z.B. die Bekanntgabe der ICCT-Studie, die Inkenntnissetzung des Zeugen Prof. Dr. Winterkorn, die Rückrufaktion um den Jahreswechsel 2014 sowie die Offenlegung der Verwendung der Abschaltvorrichtung nicht präzise = konkret im Sinne des § 13 WpHG aF seien (VB Rn. 160), und dass es an einer Kursrelevanz fehle (VB Rn. 161). Ebenso ergibt sich aus dem als Anlage zum Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 veröffentlichten Sachbericht zum Verfahren 22 O 101/16, dass insbesondere in diesem Verfahren, in dem ebenfalls Musterverfahrensanträge gestellt wurden, die Frage nach der Einordnung als Insiderinformation streitig diskutiert wird (vgl. Rn. 54, 63 ff. des Sachberichts).

dd) Eine Vorgreiflichkeit der Frage nach der Einordnung als Insiderinformation ist nicht deshalb zu verneinen, weil in dem beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahren die Einordnung der hier in Rede stehenden Umstände als Insiderinformationen im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF lediglich in Ansehung der Musterbeklagten zu 2 streitgegenständlich ist, während im Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 die Frage lediglich in Ansehung der Musterbeklagten zu 1 aufgeworfen wird.

Vielmehr lässt sich die Vorgreiflichkeit insofern zumindest aus den nachfolgenden Aspekten begründen:

1) Vorgreiflichkeit liegt zunächst hinsichtlich der Frage vor, ob den genannten Umständen Kursrelevanz zukommt (zur Kursrelevanz als einer der Tatbestandsvoraussetzungen für die Einstufung eines Umstands als Insiderinformation im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF vgl. etwa Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt Handbuch der Kapitalmarktinformation 2. Aufl. § 2 Rn. 19, 58 ff. bzw. Frowein ebenda, § 10 Rn. 10, 21 ff.).

(a) Gem. § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG in der bis zum 1.7.2016 gültigen Fassung ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Gem. § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG aF ist eine solche Eignung gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.

(b) In den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Verfahren ist insbesondere streitig, ob das Tatbestandsmerkmal der Kursrelevanz gegeben ist (VB Rn. 161 ff., siehe oben).

(c) Die Frage, ob den vorgenannten Umständen Kursrelevanz zukommt, ist im Hinblick auf die Musterbeklagte zu 2 einerseits und im Hinblick auf die Musterbeklagte zu 1 andererseits einheitlich zu beantworten. Dies ergibt sich daraus, dass die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 über 90 % der Bilanzsumme der Musterbeklagten zu 1 ausmacht (vgl. VB Rn. 2, wonach die Musterbeklagte zu 2 das einzig substantielle Investment der Musterbeklagten zu 1 darstellt). Daher teilt der Kurs der Aktien der Musterbeklagten zu 1 im Wesentlichen das Schicksal der Aktien der Musterbeklagten zu 2.

(d) Sofern das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 24.10.2018 (Az. 22 O 101/16) argumentiert, dass die Kurserheblichkeit in Ansehung der Musterbeklagten zu 1 einerseits und in Ansehung der Musterbeklagten zu 2 andererseits nicht zwingend einheitlich zu bewerten sei, weil die fragliche Insiderinformation in Ansehung der Musterbeklagten zu 2 einen Produktfehler betreffe, während sie in Ansehung der Musterbeklagten zu 1 eine Gewinnwarnung beinhalte, und weil ein Produktfehler bei der Musterbeklagten zu 2 angesichts ihrer hohen Marktkapitalisierung erheblich geringere Auswirkungen haben könne als eine Gewinnwarnung bei der Musterbeklagten zu 1 angesichts ihrer niedrigeren Marktkapitalisierung (vgl. insbesondere Rn. 148 ff., 192, 250 des Urteils), ergibt sich hieraus keine andere Betrachtungsweise. Insofern ist zum einen darauf hinzuweisen, dass auch die Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 2 vom 22.9.2015 eine Gewinnwarnung beinhaltet hat (vgl. https://www.dgap.de/ dgap/News/adhoc/volkswagen-volkswagen-informiert/?newsID=899395). Zum anderen vermögen etwaige Unterschiede hinsichtlich der Marktkapitalisierung nichts daran zu ändern, dass die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 über 90 % der Bilanzsumme der Musterbeklagten zu 1 ausmacht und der Kurs der Aktien der Musterbeklagten zu 1 bereits aus diesem Grund im Wesentlichen das Schicksal des Kurses der Aktien der Musterbeklagten zu 2 teilt.

Selbst wenn aber etwaige Unterschiede hinsichtlich der Marktkapitalisierung im Ausgangspunkt eine unterschiedliche Würdigung rechtfertigen sollten, hätte zumindest die Bejahung einer Kursrelevanz hinsichtlich der Musterbeklagten zu 2 zur Folge, dass erst Recht in Ansehung der Musterbeklagten zu 1 von Kursrelevanz auszugehen wäre.

2) Eine Vorgreiflichkeit in Ansehung der Frage nach der Einordnung als Insiderinformation im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF stellt sich auch in Bezug auf weitere Tatbestandsmerkmale dieser Norm.

(a) Die Fragen, ob es sich im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF um konkrete Informationen handelt und ob die Umstände nicht öffentlich bekannt sind, sind von der Person des Emittenten oder des letztlich Ad-hoc-Pflichtigen und ggf. Haftenden vollständig unabhängig zu beurteilen (vgl. nur etwa Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt Handbuch der Kapitalmarktinformation 2. Aufl. § 2 Rn. 19 ff., 53 ff.; bzw. Frowein ebenda, § 10 Rn. 10 ff., 19 f., 25 ff.). Auch diese Fragen sind zum einen Gegenstand der Feststellungsziele des beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahrens, zum anderen stellen sie sich in den Verfahren, die dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrunde liegen. Letzteres ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen in VB Rn. 160, wonach die in Feststellungsziel A 2 aufgeführten Umstände entgegen der Auffassung der Musterbeklagten zu 1 allesamt präzise seien. Ebenso wird im beigefügten Sachbericht unter Rn. 63 thematisiert, dass das Ergebnis der ICCT-Studie infolge der Pressemitteilung der ICCT vom 30.5.2014 öffentlich bekannt geworden sei und damit seinen Charakter als Insidertatsache verloren haben könnte.

(b) Entsprechendes gilt für die Frage, ob in den streitgegenständlichen Umständen eigenständige Insiderinformationen zu sehen sind. Insbesondere stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der in Sachen Geltl/Daimler AG vom Europäischen Gerichtshof und nachfolgend vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze, wonach ein Zwischenschritt dann eine Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF über einen künftigen Umstand sein kann, wenn nach den Regeln der allgemeinen Erfahrung eher mit dem Eintritt des künftigen Umstands als mit seinem Ausbleiben zu rechnen ist (BGH Beschluss vom 23.4.2013 – II ZB 7/09 – NJW 2013, 2114 in Anknüpfung an EuGH NJW 2012, 2787), in Ansehung sämtlicher in Streit stehender Umstände.

Bei dieser Frage handelt es sich um eine rechtliche Frage, die unabhängig von der Person des konkret betroffenen Emittenten zu beantworten ist. Sie stellt sich folglich in jeder Hinsicht gleichermaßen in Bezug auf die Musterbeklagte zu 1 und auf die Musterbeklagte zu 2, mithin sowohl im vor dem Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahren als auch in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren.

Dem entsprechend werden im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 in Ziff. 1 der Feststellungsziele beklagtenseits die Fragen aufgeworfen, ob die im Frühjahr 2014 in den USA vorgenommenen Abgasuntersuchungen der CARB und der EPA, die hierbei festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die anschließenden Gespräche zwischen der Beklagten und den US-Umweltbehörden über die technischen Ursachen der festgestellten Unregelmäßigkeiten und über etwaige Lösungen Bestandteile eines komplexen und gestreckten Sachverhalts darstellen, die sich erst am 18.9.2015 mit dem öffentlichen Bekanntwerden der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen der VW-Gruppe zu einer kursrelevanten Insiderinformation verdichtet hätten (lit a), bzw. ob es vor dem 18.9.2015 keine Umstände oder Ereignisse im Zusammenhang mit der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen der VW-Gruppe gegeben habe, die als wesentliche Zwischenschritte eigenständige publizitätspflichtige Insiderinformationen darstellen (lit d).

Ebenso wird die Frage nach der Eigenständigkeit der als Insiderinformation in Betracht kommenden Umstände in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren streitig diskutiert. Dies ergibt sich insbesondere aus Rn. 162 des Vorlagebeschlusses vom 28.2.2017, wo der vorlegende Richter die Pflicht zur Veröffentlichung sämtlicher unternehmsexterner Zwischenschritte anspricht, sodann auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen Geltl/Daimler AG Bezug nimmt und ausführt, dass jeder konkreten Anfrage seitens der US-Umweltbehörden der Charakter einer Insiderinformation innewohne, da aufgrund der ICCT-Studie eine gesteigerte Eintrittswahrscheinlichkeit eines Compliance- bzw. Rechtsverstoßes bestanden habe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei hierbei nicht allein auf die Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern auf Regeln der allgemeinen Erfahrung abzustellen.

ee) Da demnach eine Vorgreiflichkeit in Ansehung der Frage zu bejahen ist, ob in den Umständen, die das Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts vom 28.2.2017 aufzählt, Insiderinformationen gem. § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF zu sehen sind, ist bereits insofern von einer Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG auszugehen.

c) Eine Vorgreiflichkeit der Entscheidung im vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren kommt möglicherweise auch insoweit in Betracht, als Kläger eine Warnung der Firma Bosch im Jahr 2007 und eine Information im Jahr 2011 durch Techniker der Musterbeklagten zu 2 behaupten.

aa) Im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 finden sich unter A III folgende Feststellungsziele:

„1. Die Firma Bosch warnte die Beklagte (= Musterbeklagte zu 2) im Jahr 2007 in einem Schreiben vor der illegalen Verwendung der von ihr – der Firma Bosch – entwickelten Software zur Abgasnachbehandlung; aufgrund dieser Warnung hatte die Beklagte Kenntnis darüber oder hätte Kenntnis haben müssen, dass in den Fahrzeugen der an die Beklagte angeschlossenen Marken die Software eingesetzt werden könnte, um so Abgasnormen einzuhalten und Verkaufszulassungen zu bekommen.

2. Diese Kenntnis stellte eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG a.F. dar….“

Unter A VIII finden sich folgende Feststellungsziele:

„1. Im Hause der Beklagten (= Musterbeklagte zu 2) ist im Jahre 2011 der damalige Chef der Aggregate-Entwicklung der Marke VW, Herr Heinz-Jakob Neußer, über die Verwendung einer Manipulationssoftware zur Verschleierung des tatsächlichen Stickoxid-Ausstoßes in Dieselfahrzeugen der an sie angeschlossenen Marken durch einen Techniker der Beklagten informiert worden.

2. Bei dieser Tatsache handelte es sich um eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG a.F.. Zumindest hat sich die publizitätspflichtige Insiderinformation im Zusammenhang mit der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Dieselfahrzeugen der VW Gruppe ebenfalls spätestens am 31.12.2011 zu einer kursrelevanten Insiderinformation i.S.d. §§ 13, 15 WpHG a.F. verdichtet. …“

bb) Die vorstehenden Fragen wurden zwar nicht mit dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart als Feststellungsziele vorgelegt, weil das Landgericht insoweit Verjährung angenommen hat (VB Rn. 75 ff). Jedoch werden sie in den dem Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren streitig diskutiert, wie sich aus der Wiedergabe der gestellten Musterverfahrensanträge ergibt (VB Rn. 38; vgl. auch Sachbericht Rn. 26, 35, 55, 61).

Abgesehen davon, dass die Erweiterung des Musterverfahrens um Feststellungsziele zur Verjährung beantragt werden könnte, könnte Feststellungen in einem Musterverfahren zu diesen behaupteten Informationen Indizwirkung für die Frage nach der Kenntnis der Vorstandsmitglieder der Musterbeklagten von den im Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart aufgeführten Umständen zukommen.

d) Eine Vorgreiflichkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG ist auch in Ansehung der Frage nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis von den in Rede stehenden Insiderinformationen zu bejahen.

aa) Im Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 wird als Feststellungsziel I B 1 und II B 1 die Frage aufgeworfen, ob die Klägerseite für eine (zurechenbare) Kenntnis der Musterbeklagten zu 1 von einer vermeintlich veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation als objektive Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs aus § 37b Abs. 1 WpHG darlegungs- und beweispflichtig sei.

Dieselbe Frage wird im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 (5 OH 62/16) aufgeworfen. Dort findet sich unter A XXIII 3 folgendes Feststellungsziel:

„Die Beklagte (= Musterbeklagte zu 2) trägt im Rahmen der §§ 37b, c WpHG die Darlegungs- und Beweislast dafür, wann die Insiderinformationen zeitlich entstanden und seit wann diese ihr bekannt gewesen sind.“

bb) Da sich die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses vom 28.2.2017 einerseits und des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 andererseits insofern decken, ist in Ansehung dieser Frage nach der Beweislast von Vorgreiflichkeit auszugehen.

Anderes folgt nicht daraus, dass sich in dem beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahren die in Rede stehende Rechtsfrage nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bislang lediglich in Ansehung einer etwaigen Haftung der Musterbeklagten zu 2 stellt und dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Beurteilung unterbreitet ist, während in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 28.2.2017 und in den ihm zugrundeliegenden Ausgangsverfahren diese Rechtsfrage lediglich in Ansehung einer etwaigen Haftung der Musterbeklagten zu 1 erheblich ist. Die Rechtsfrage, wer im Rahmen des § 37b WpHG aF die Beweislast für die Kenntnis von der Insiderinformation trägt, ist von dem konkreten Emittenten unabhängig zu beantworten, sie ist also einer abstrakt-generellen Betrachtung zugänglich. Sie ist für die Musterbeklagte zu 2 einerseits und für die Musterbeklagte zu 1 andererseits einheitlich zu beantworten.

e) Eine Vorgreiflichkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG liegt weiter im Hinblick auf Fragen vor, die die Schadenshöhe betreffen.

aa) Im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 werden unter A XXVI folgende Feststellungsziele formuliert:

„1. Der Rückabwicklungsschaden bei Verkauf berechnet sich wie folgt: Saldierung der im Zeitraum einer Ad-hoc-Pflichtverletzung getätigten Käufe und der dazu korrespondierenden Verkäufe erfolgt nach dem Prinzip „first in – first out“ (kurz FIFO). Nach dieser Methode wird dem zeitlich ersten Kauf der erste zeitlich nachfolgende Verkauf zugerechnet und dann saldiert.

2. Der Kursdifferenzschaden errechnet sich als Differenz zwischen dem jeweiligen Schlusskurs vom … zu dem vom … an der Börse…

3. Maßgeblich für die Schadensberechnung des Anspruchstellers sind nur die von diesem geltend gemachten Transaktionen.

4. Bei der Schadensberechnung bleiben eventuelle Dividenden-Zahlungen unberücksichtigt.

5. Der Ermittlung des Schadens kann ein hypothetischer Kursverlauf zugrunde gelegt werden.

6. …“

bb) Diese Fragen, jedenfalls soweit es sich um von den einzelnen Werten der Parameter unabhängige methodische Fragen handelt, sind auch in den Verfahren erheblich, die dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrunde liegen, und sie werden dort zumindest teilweise streitig diskutiert. Dies wird insbesondere anhand der Ausführungen des vorlegenden Gerichts im dem Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 beigefügten Sachbericht im Verfahren 22 O 101/16 ersichtlich. In Rn. 113 ff. des Sachberichts weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass zwischen den Parteien die Schadensberechnung streitig sei. Weiter weist das Gericht u.a. darauf hin, dass bei der Schadensermittlung eine Wertkurve zu ermitteln sei, die den hypothetischen Kursverlauf unter Hinwegdenken der Informationspflichtverletzung wiedergibt. Es geht selbst davon aus, dass insoweit für die Klärung ein „besonderes Bedürfnis“ bestehe, dem zu gegebener Zeit mittels eines vom Oberlandesgericht zuzulassenden Erweiterungsantrags nach § 15 KapMuG Rechnung zu tragen sei (VB Rn. 69 f.; vgl. auch die Hinweise in zahlreichen Aussetzungsbeschlüssen, beispielsweise im Beschluss vom 10.5.2017 im Verfahren 22 O 208/16, Rn. 17, 24, 31, 38, 44, 49).

cc) Eine Vorgreiflichkeit der Fragen nach der Schadensberechnung ist nicht deshalb zu verneinen, weil sich in dem beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahren die in Rede stehenden Rechtsfragen nach der Schadensberechnung bislang lediglich in Ansehung einer etwaigen Haftung der Musterbeklagten zu 2 stellen und dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Beurteilung unterbreitet sind, während in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts und in den ihm zugrundeliegenden Ausgangsverfahren diese Rechtsfragen lediglich in Ansehung einer etwaigen Haftung der Musterbeklagten zu 1 erheblich sind.

Bei den vorstehend aufgeworfenen Fragen handelt es sich um Rechtsfragen, die die Methodik der Schadensberechnung betreffen und die daher von der Person des konkreten Emittenten bzw. vom betroffenen Insiderpapier unabhängig sind. Sie sind nicht nur Gegenstand des vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahrens, sondern stellen sich in jedem Verfahren, in dem die Aktionäre Ansprüche nach § 37b WpHG wegen des Verschweigens der bereits mehrfach bezeichneten Umstände geltend machen. Folglich stellen sie sich in sämtlichen Verfahren, in denen die dem Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Musteranträge gestellt wurden bzw. die nach Ansicht des Landgerichts im Hinblick auf das von ihm intendierte Musterverfahren auszusetzen sind.

5. Den dem Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Ausgangsverfahren einerseits und dem vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren andererseits liegt derselbe Lebenssachverhalt zugrunde.

Ob und inwiefern die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG neben dem Erfordernis der Abhängigkeit zusätzlich erfordert, dass im zuerst eingeleiteten Musterverfahren einerseits und in den dem später eingeleiteten Musterverfahren zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt, und welcher Maßstab insofern anzuwenden ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

a) Streitig wird bereits beurteilt, bezüglich welcher Arten von Feststellungszielen ein Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts besteht.

aa) Nach einer Auffassung ist danach zu differenzieren, ob Gegenstand des Musterverfahrens die Klärung einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung ist, oder ob eine Rechtsfrage zu klären ist. Im ersteren Fall soll die Vorgreiflichkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG voraussetzen, dass bei einer natürlichen Betrachtung im Musterverfahren und im Ausgangsverfahren der gleiche Lebenssachverhalt zur Entscheidung steht. Bildet demgegenüber die Klärung einer Rechtsfrage den Gegenstand eines Musterverfahrens, soll der den einzelnen Verfahren zugrundeliegende Lebenssachverhalt für die Frage der Vorgreiflichkeit grundsätzlich nicht maßgeblich sein (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 30, 41 unter Hinweis darauf, dass die Vorgreiflichkeit in dieser Konstellation besonders sorgfältig zu prüfen sei).

bb) Nach einer anderen Auffassung setzt die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG unabhängig vom Feststellungsziel stets voraus, dass der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt (OLG Braunschweig Beschluss vom 30.10.2017 – 1 W 33/17 – juris Rn. 56; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf KapMuG § 7 Rn. 7; Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 84).

b) Soweit für erforderlich gehalten wird, dass der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt, wird wiederum unterschiedlich beurteilt, wie das Kriterium des gleichen Lebenssachverhalts im Einzelnen auszugestalten ist.

aa) Im Wesentlichen Einigkeit besteht darüber, unter welchen Voraussetzungen im Ausgangspunkt von einem gleichen Lebenssachverhalt auszugehen ist. Erforderlich ist insofern, dass bei einer natürlichen Betrachtung im Musterverfahren und im Ausgangsverfahren der gleiche Lebenssachverhalt zur Entscheidung steht (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 30; vgl. auch Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 85, wonach es einer natürlich-normativen Betrachtungsweise bedarf, die sich auf den Kern der betroffenen Rechtsstreitigkeiten bezieht). Zudem soll insbesondere der Lebenssachverhalt im Sinne von § 4 Abs. 1 KapMuG alle Tatsachen umfassen, die aufgrund ihrer Kollektivierbarkeit Eingang in das Musterverfahren finden und bei natürlicher, vom Standpunkt der Beteiligten ausgehender Betrachtungsweise zu dem durch den Vorlagebeschluss sowie den Vortrag der Musterverfahrensbeteiligten zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören oder – im Falle eines lückenhaften Vortrags – zur Substantiierung gehört hätten (Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 83; KöKoKapMuG/Reuschle 2. Aufl. § 4 Rn. 96; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 6 KapMuG Rn. 11; Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 39; vgl. auch Fullenkamp in Vorwerk/Wolf KapMuG § 4 Rn. 19 ff.).

bb) Darüber hinaus werden zur Ausgestaltung des Kriteriums des gleichen Lebenssachverhalts verschiedene Auffassungen vertreten.

1) Nach einer Auffassung ist für die Frage, ob ein gleicher Lebenssachverhalt gegeben ist, auf den in Bezug genommenen Informationsträger, d.h. auf die Kapitalmarktinformation, sowie auf den tatsächlichen Umstand der (unterlassenen) Veröffentlichung abzustellen (Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 Rn. 11; vgl. auch KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 30; vgl. weiter KöKoKapMuG/Reuschle aaO § 4 Rn. 98; KöKoKapMuG/Vollkommer aaO § 6 Rn. 16, 22; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 6 Rn. 12; Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 40, jeweils zur Frage der Gleichgerichtetheit i.S.d. § 4 Abs. 1 KapMuG). Demgemäß soll ein gleicher Lebenssachverhalt beispielsweise dann vorliegen, wenn verschiedene Kläger jeweils die Unrichtigkeit eines Prospekts geltend machen, auch wenn sie völlig verschiedene Darstellungen des Prospekts angreifen (Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 Rn. 11; vgl. auch Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 42 zur Frage der Gleichgerichtetheit). Andererseits soll ein gleicher Lebenssachverhalt nicht allein deshalb zu bejahen sein, weil in dem Musterverfahren eine mehr oder weniger ähnliche öffentliche Kapitalmarktinformation entscheidungserheblich ist, etwa der Prospekt eines weiteren Fonds desselben Anbieters (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 30; vgl. auch BGH Beschluss vom 22.11.2016 – XI ZB 9/13 – juris Rn. 53 – BGHZ 213, 65 zur Bindungswirkung eines Musterentscheids). Ebenso wenig soll § 7 KapMuG dem Erlass eines weiteren Vorlagebeschlusses zu einer weiteren (unterlassenen) Ad-hoc-Mitteilung entgegenstehen, die eine andere Insiderinformation betrifft (Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 Rn. 11; vgl. auch KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 6 Rn. 16; Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 44 f., jeweils zur Frage der Gleichgerichtetheit).

2) Demgegenüber ist nach der insofern abweichenden Auffassung lediglich im Ausgangspunkt auf den Informationsträger als taugliches Verbindungsglied abzustellen. Dieser soll den Kern der sämtlichen Anträgen zugrunde liegenden Tatsachenkomplexe bilden, die bei normativer Betrachtung ein einheitliches Gesamtgeschehen bilden (Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 86, 98). Dies soll allerdings nicht ausschließen, dass auch Ausgangsstreitigkeiten, die mehrere (gleichgelagerte) Kapitalmarktinformationen betreffen, in einem Musterverfahren zusammengeführt werden können, eine sachgerechte Abgrenzung soll über das Erfordernis einer normativen Betrachtungsweise als notwendiges Korrektiv zu erreichen sein. Es soll also nicht isoliert auf den jeweiligen Informationsträger abzustellen, sondern das gesamte der Haftung jeweils zugrundeliegende tatsächliche Geschehen wertend einzubeziehen sein (Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 87 f.). Einschränkend soll es an der Identität des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts fehlen, wenn die Unrichtigkeit verschiedener Informationsträger, die keinerlei innere Verknüpfung auf tatsächlicher Ebene aufweisen, in Streit steht, also etwa die Unrichtigkeit mehrerer Ad-hoc-Mitteilungen mit verschiedenen Angaben. Im Falle des Vorwurfs unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen soll ein anderer Lebenssachverhalt vorliegen, wenn die Kläger vorbringen, es seien mehrere Veröffentlichungen im Hinblick auf unterschiedliche tatsächliche Umstände geschuldet (Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 93 f.).

3) Teilweise wird die Reichweite der Sperrwirkung nach § 7 KapMuG noch weiter eingeschränkt, indem zusätzlich gefordert wird, dass sich die in Bezug genommene Kapitalmarktinformation an die Wertpapierinhaber desselben Emittenten richtet. Dies soll insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn konzernverbundene Emittenten in verschiedenen Verfahren in Anspruch genommen werden. Selbst wenn den verschiedenen Ad-hoc-Pflichten der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft das gleiche Kerngeschehen zugrunde liegt, sollen die Anleger ihre Ansprüche nicht einheitlich gegen beide Gesellschaften in einem Musterverfahren verfolgen können, da insofern verschiedene Emittenten ad-hoc-pflichtig sind (Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 Rn. 13; vgl. auch Kruis in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 15 KapMuG Rn. 15 zu § 15 KapMuG; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 6 Rn. 12, 24 zur Frage der Gleichgerichtetheit i.S.d. § 4 Abs. 1 KapMuG).

4) Weiter setzt die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG nach einer Ansicht voraus, dass sich der zeitlich spätere Vorlagebeschluss gegen den Musterbeklagten richtet, der auch im zuerst eingeleiteten Musterverfahren Musterbeklagter ist. Insofern wird insbesondere darauf verwiesen, dass die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG im Interesse der Effektivität von Musterverfahren eher eng als weit zu interpretieren sein (Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 KapMuG Rn. 10).

5) Demgegenüber hält es die Gegenauffassung in Ansehung der §§ 7, 8 KapMuG für unerheblich, ob eine zumindest teilweise personelle Identität der Musterbeklagten besteht (Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 96 ff.; KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 42; vgl. auch KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 6 Rn. 28 und Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 40 zur Frage der Gleichgerichtetheit von Musterverfahrensanträgen).

6. Nach der Auffassung des Senats setzt die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG unabhängig vom jeweiligen Feststellungsziel stets voraus, dass dem zuerst eingeleiteten Musterverfahren einerseits und dem zeitlich später erlassenen Vorlagebeschluss bzw. den dem Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Dies gilt also nicht nur, wenn die Klärung einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung Gegenstand des Musterverfahrens ist, sondern auch dann, wenn im Musterverfahren (lediglich) eine Rechtsfrage zu klären ist.

a) Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der zugrundeliegende Lebenssachverhalt für die Frage nach der Sperrwirkung von Bedeutung ist. So wird im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes das Erfordernis der Bekanntmachung des Inhalts des Vorlagebeschlusses dergestalt begründet, dass die Sperrwirkung nach § 7 KapMuG nur für Verfahren gelte, die nach § 8 KapMuG auszusetzen seien. Dies könne nur beurteilt werden, wenn der Inhalt des Vorlagebeschlusses – die Feststellungsziele und der zugrundeliegende Lebenssachverhalt – bekannt seien (BT-Drucks. 17/8799 S. 20). Zutreffend verweist daher Prof. Dr. Halfmeier in seiner wissenschaftlichen Stellungnahme vom 28.8.2018 darauf, dass es sich bei dem Musterverfahren nach dem KapMuG nicht um ein Instrument zur abstrakten Klärung von Rechtsfragen handle (aaO S. 9).

b) Für das auf sämtliche Feststellungsziele anwendbare Erfordernis desselben Lebenssachverhalts sprechen zudem die konkreten Auswirkungen, die sich ergäben, wenn insbesondere in Bezug auf verfahrensgegenständliche Rechtsfragen die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG und die Frage nach der Aussetzung gem. § 8 KapMuG unabhängig von einer Identität des Lebenssachverhalts zu beurteilen wären.

Im Anwendungsbereich des Gesetzes über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (§ 1 Abs. 1 KapMuG) sind zahlreiche abstrakte Rechtsfragen denkbar, die sich in einer Vielzahl von Zivilprozessen mit jeweils völlig unterschiedlichen Streitgegenständen stellen können. Beispielsweise kann sich die im Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 unter Feststellungsziel I B 1 bzw. II B 1 aufgeworfene Frage nach der Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis von einer Insiderinformation in zahlreichen Verfahren stellen, in denen Schadensersatzansprüche auf die unterlassene Veröffentlichung von Insiderinformationen gestützt werden.

Wäre die Vorgreiflichkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG unabhängig vom zugrundeliegenden Lebenssachverhalt zu beurteilen, hätte dies zur Folge, dass das Gericht in jedem Zivilprozess, der Ansprüche gem. § 1 Abs. 1 KapMuG zum Gegenstand hat, stets zu prüfen hätte, ob in irgendeinem Musterverfahren, das ggf. einen völlig anderen Sachverhaltskomplex betrifft, eine Frage aufgeworfen wird, die sich auch im konkreten Zivilprozess stellt. Bejahendenfalls wäre das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, unabhängig davon, ob in dem konkreten Verfahren ein Musterverfahrensantrag gestellt wurde (vgl. § 8 Abs. 1 S. 1, S. 2 KapMuG). Diese Konsequenz wäre infolge des damit verbundenen Prüfaufwands für die Prozessgerichte wenig sachgerecht.

7. Zur Ausgestaltung des Kriteriums des gleichen Lebenssachverhalts ist im Ausgangspunkt vom kollektivrechtlichen Streitgegenstandsbegriff auszugehen. Zudem ist das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG weit auszulegen. Dem entsprechend kann ein gleicher Lebenssachverhalt auch dann zu bejahen sein, wenn im zuerst eingeleiteten Musterverfahren einerseits und in den dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits verschiedene Kapitalmarktinformationen verfahrensgegenständlich sind. Auch ist eine (teilweise) Identität der Parteien, insbesondere des Musterbeklagten, nicht erforderlich. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, wonach die Abgrenzung papier- bzw. emittentenbezogen zu erfolgen hat.

a) Der Begriff des „Lebenssachverhalts“ wird im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz nicht ausdrücklich definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet jedoch jedes Feststellungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 KapMuG einen eigenständigen Streitgegenstand des Musterverfahrens (BGH Beschluss vom 19.9.2017 – XI ZB 17/15 – NJW 2017, 3777 Rn. 32). Außerdem ist mit der bisher einhellig in der Literatur vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass das KapMuG an die Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und folglich an den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff anknüpft (KöKoKapMuG/Hess 2. Aufl. Einl. Rn. 71; KöKoKapMuG/Reuschle 2. Aufl. § 4 Rn. 95 mwN; Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 38; ebenso PD Dr. Mock auf S. 2 seiner in Reaktion auf den Hinweisbeschluss des Senats vorgelegten wissenschaftlichen Stellungnahme vom 7.9.2018, Bl. I 142 ff.; vgl. auch BGH Beschluss vom 19.9.2017 – XI ZB 17/15 – NJW 2017, 3777 Rn. 32).

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt. Der Anspruchsgrund geht über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Dies gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind (BGH Urteil vom 21.11.2017 – II ZR 180/15 – ZIP 2018, 419 Rn. 17; Urteil vom 23.6.2015 – II ZR 166/14 – ZIP 2015, 1701 Rn. 14 mwN).

bb) Diese in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entwickelten Grundsätze sind nicht in vollem Umfang auf den Begriff des Lebenssachverhalts im Sinne des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes übertragbar. Der Streitgegenstand des Musterverfahrens setzt sich zusammen aus dem Inhalt des Feststellungsziels (in Parallele zum Klageantrag) und – korrespondierend zum Anspruchsgrund – aus dem Lebenssachverhalt, der dem jeweiligen Feststellungsziel zugrunde liegt. Für die Bestimmung des Lebenssachverhalts im Sinne des KapMuG sind entsprechend der im Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung die Besonderheiten dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Demnach kommt Tatsachen, die nur für das Individualverfahren des einzelnen Musterklägers relevant sind, keine Bedeutung für die Bestimmung des Lebenssachverhalts im Sinne des KapMuG zu. Vielmehr bestimmen lediglich solche Tatsachen den für das Musterverfahren maßgeblichen Lebenssachverhalt, die für die Rechtsstreitigkeiten mehrerer Musterkläger von Relevanz sind und die infolge ihrer Kollektivierbarkeit Eingang in das Musterverfahren finden (Haufe Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 83, KöKoKapMuG/Hess 2. Aufl. Einl. Rn. 71; KöKoKapMuG/Reuschle 2. Aufl. § 4 Rn. 96; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 6 KapMuG Rn. 11; Winter in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 4 KapMuG Rn. 39; so auch VB Rn. 102; wissenschaftliche Stellungnahme PD Dr. Mock aaO S. 3).

cc) Die Besonderheiten des für das Musterverfahren geltenden Streitgegenstandsbegriffs haben auch Auswirkungen auf die Frage, unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen – neben der Abhängigkeit der Entscheidung der Ausgangsverfahren von einem im zeitlich früheren Musterverfahren zu klärenden Feststellungsziel – ein Verfahren gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG auszusetzen ist. Dasselbe gilt in Ansehung des Umfangs der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG.

Für die Frage, ob ein gleicher Lebenssachverhalt als Voraussetzung einer Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG bzw. einer Abhängigkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG vorliegt, kann nicht der individualprozessuale Streitgegenstand der Ausgangsverfahren maßgeblich sein. Vielmehr ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob ein tatsächlicher Umstand oder eine Rechtsfrage, die Gegenstand eines der Feststellungsziele des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens sind, und der diesem Feststellungsziel zugrundeliegende Lebenssachverhalt eines der Elemente bilden, aus denen sich der individualprozessuale Streitgegenstand der Ausgangsverfahren zusammensetzt, deren Aussetzung in Rede steht.

Daneben ist ergänzend und als Korrektiv zu berücksichtigen, ob im zuerst eingeleiteten Musterverfahren und in den dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren bei einer natürlich-normativen Betrachtungsweise derselbe übergeordnete Lebenssachverhalt zur Entscheidung steht. Dem übergeordneten Lebenssachverhalt kommt in diesen Fallkonstellationen die Bedeutung zu, dass er die tatsächlichen Umstände, die verschiedenen Feststellungszielen zugrunde liegen, miteinander verklammert mit der Folge, dass diese verschiedenen Feststellungsziele Gegenstand eines einheitlichen Musterverfahrens sein können mit entsprechenden Konsequenzen für die Sperrwirkung gem. §§ 7, 8 KapMuG.

b) Bei der Konturierung des Umfangs der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG ist zu berücksichtigen, dass der Lebenssachverhaltsbegriff im Sinne des KapMuG, insbesondere im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG weit auszulegen ist.

aa) Allerdings lässt sich der Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes kein Argument für oder gegen eine weite Auslegung abgewinnen. In §§ 7, 8 KapMuG ist der Begriff des Lebenssachverhalts nicht erwähnt. Der Wortsinn des Begriffs „Lebenssachverhalt“ führt ebenso wenig weiter, denn ein Sachverhalt kann sehr eng oder sehr weit verstanden werden (zu zutreffend S. 11 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeiers).

bb) Auch eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung der §§ 4, 6 und 15 KapMuG lässt keine zwingenden Schlüsse zu.

1) Gem. § 4 Abs. 1 KapMuG, auf den sich auch § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG bezieht, sind Musterverfahrensanträge dann gleichgerichtet, wenn ihre Feststellungsziele den gleichen zugrundeliegenden Lebenssachverhalt betreffen. Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG setzt die Erweiterung des Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele insbesondere voraus, dass die Feststellungsziele den gleichen Lebenssachverhalt betreffen, der dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt.

2) Das Erfordernis der Gleichheit des Lebenssachverhalts ist im Rahmen der Beurteilung der Gleichgerichtetheit einerseits und der Erweiterungsfähigkeit andererseits einheitlich auszulegen (KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 15 Rn. 15; vgl. auch § 6 Rn. 8 f.). Denn es geht jeweils um die Frage, ob mehrere, nicht untereinander identische Feststellungsziele auf einer gemeinsamen, „tiefer liegenden“ Sachverhaltsgrundlage beruhen. Nur unter dieser Voraussetzung können mehrere Feststellungsziele Gegenstand eines einheitlichen Musterverfahrens sein, ebenso kann das Musterverfahren nur unter dieser Voraussetzung um ein weiteres Feststellungsziel erweitert werden. Eine einheitliche Auslegung des Erfordernisses der Gleichheit des Lebenssachverhalts gewährleistet, dass entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung das Musterverfahren nur um solche Feststellungsziele erweitert werden kann, die auch von Anfang an in einem Vorlagebeschluss hätten zusammengefasst werden können (Kruis in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 15 Rn. 14; vgl. auch KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 15 Rn. 13).

3) Die Grundsätze, die für die Definition des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG Geltung beanspruchen, können jedenfalls teilweise auch für die Frage fruchtbar gemacht werden, wie das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 7, 8 KapMuG im Einzelnen auszugestalten ist. Denn obwohl beiden Regelungskomplexen eine im Einzelnen unterschiedliche Fragestellung zugrunde liegt, dienen sie doch demselben gesetzgeberischen Ziel, den Tatsachenstoff in einem einzigen Musterverfahren zu klären (BT-Drucks. 17/8799 S. 19). Diesem Ziel wird zum einen dadurch Rechnung getragen, dass §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG die Zusammenfassung zusammenhängender Feststellungsziele in einem Musterverfahren ermöglichen. Aber auch § 7 KapMuG dient diesem Ziel, indem es korrespondierend die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens ausschließt (vgl. dazu KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 6 Rn. 9).

Für eine zumindest teilweise Übertragbarkeit der zu §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG geltenden Grundsätze auf das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 7, 8 KapMuG spricht zudem, dass durch eine entsprechende Parallelbetrachtung nicht sachgerechte Ergebnisse im Wesentlichen vermieden werden können. Zutreffend verweist Prof. Dr. Halfmeier in seiner Stellungnahme vom 28.8.2018 auf die Konstellation, dass in einem Verfahren X einerseits und in einem Verfahren Y andererseits Musterverfahrensanträge gestellt werden, die jeweils einen anderen Sachverhalt betreffen. Es erscheint nicht sachgerecht, den im Verfahren Y gestellten Musterverfahrensantrag als nicht gleichgerichtet nicht in die Zählung gem. § 6 Abs. 1 KapMuG einzubeziehen, nach der Einleitung eines Musterverfahrens zum Sachverhalt des Verfahrens X das Verfahren Y aber dann doch auszusetzen (vgl. S. 9 der Stellungnahme).

4) Im Ergebnis offenbleiben kann, ob das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 7, 8 KapMuG vollständig deckungsgleich mit dem gleichen Lebenssachverhalt im Sinne der §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG auszulegen ist. Dies ist deshalb zweifelhaft, weil das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts keinen Eingang in den Normtext der §§ 7, 8 KapMuG gefunden hat. Zudem ist denkbar, dass die einem zuerst eingeleiteten Musterverfahren zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände und die tatsächlichen Umstände, die den Ausgangsverfahren eines später eingeleiteten Musterverfahrens zugrunde liegen, nur teilweise im Rahmen einer Schnittmenge übereinstimmen, dass also lediglich ein übergeordneter Teillebenssachverhalt identisch ist, während der gesamte Lebenssachverhalt für jeden Komplex durch zusätzliche Elemente geprägt wird. In einer solchen Konstellation ist denklogisch nicht ausgeschlossen, dass ein zweites Musterverfahren insgesamt gesperrt ist, während eine Erweiterung des ersten Musterverfahrens gem. § 15 KapMuG in Ansehung von Feststellungszielen, die lediglich in den dem potentiellen zweiten Musterverfahren zugrundeliegenden Ausgangsverfahren relevant sind, nur in Betracht kommt, sofern dennoch der übereinstimmende Teil des Gesamtlebenssachverhalts berührt ist (so im Ergebnis OLG Braunschweig Beschluss vom 23.10.2018 – 3 Kap 1/16 – unter II 3a der Gründe).

5) Auch wenn demnach die zu §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG geltenden Grundsätze zumindest teilweise auf das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 7, 8 KapMuG übertragbar sind, lässt sich hieraus dennoch kein Argument für eine enge oder für eine weite Auslegung gewinnen. Denn auch in §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG findet sich keine Definition des Begriffes „Lebenssachverhalt“.

cc) Für eine weite Auslegung des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 7, 8 KapMuG spricht jedoch eine teleologische Auslegung.

1) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Musterverfahren eine möglichst effektive und umfassende Klärung aller einer gemeinsamen Entscheidung zugänglichen Fragen an einer Stelle herbeiführen. Dieses Ziel erfordert es, sämtliche von den Parteien der Ausgangsverfahren aufgeworfenen Musterfragen nach Möglichkeit in einem Musterverfahren zu bündeln und dort zu entscheiden (BT-Drucks. 17/8799 S. 19; KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 6 Rn. 2, 8; Haufe Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 85, 88). Diese Bündelungs- und Kanalisierungsfunktion des Musterverfahrens kann nur dann verwirklicht werden, wenn das Erfordernis des gleichen Lebenssachverhalts im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG – ebenso wie im Sinne der §§ 4, 15 KapMuG – weit ausgelegt wird (vgl. Haufe Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 88). Denn eine zu enge Auslegung birgt die Gefahr, dass die von den Parteien der Ausgangsverfahren aufgeworfenen Fragen in mehreren gleichzeitig geführten parallelen Musterverfahren zu klären sind.

Der vorstehenden Argumentation kann nicht entgegengehalten werden, dass in der Gesetzesbegründung von der größtmöglichen Bündelung aller möglichen Feststellungsziele lediglich im Kontext der Abweichung vom Beibringungsgrundsatz die Rede ist (so aber S. 14 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeiers). Denn der Zusammenhang mit dem Beibringungsgrundsatz vermag nichts daran zu ändern, dass es sich bei der möglichst umfassenden Bündelung um ein allgemeines gesetzgeberisches Ziel handelt, das bei der Auslegung des KapMuG zu berücksichtigen ist.

2) Auch der Aspekt der Prozessökonomie spricht für eine weite Auslegung.

Nach dem Willen des Gesetzgebers dient die nunmehr in § 7 KapMuG geregelte Sperrwirkung dazu, im Interesse der Prozessökonomie parallel geführte Musterverfahren zu vermeiden. Es soll der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die Feststellung unterschiedlicher Anspruchsvoraussetzungen nicht nur in mehreren Musterverfahren, sondern auch vor verschiedenen Oberlandesgerichten verhandelt wird, weil dies einer zügigen, sachdienlichen und kosteneffizienten Erledigung der unterschiedlichen Musterfragen entgegenstünde (BT-Drucks. 15/5091 S. 24).

Würden als Folge einer engen Auslegung der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG mehrere Musterverfahren mit identischen Feststellungszielen oder zu mehreren anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen desselben Anspruchs geführt, bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen, zudem drohten doppelte Beweisaufnahmen. Dies widerspricht den gesetzgeberischen Zielen der Verfahrenseffizienz und der Ressourcenschonung (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 7 Rn. 2; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf KapMuG § 5 Rn. 1; vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15.6.2018, 3 Kap 1/16, aaO S. 9; Beschluss vom 23.10.2018, 3 Kap 1/16, aaO unter II.3.).

Die Gefahr divergierender Entscheidungen ist nicht unter Hinweis darauf hinzunehmen, dass der Gesetzgeber außerhalb des KapMuG die Gefahr abweichender Entscheidungen in Kauf nimmt, und dass zumindest in rechtlicher Hinsicht eine Rechtseinheit durch die gem. § 20 Abs. 1 KapMuG stets statthafte Rechtsbeschwerde hergestellt werden kann (vgl. S. 3 Rn. 7 des Schriftsatzes der Verfahrensbevollmächtigten Müller Seidel Vos vom 3.9.2018, Bl. I 83 und S. 17 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeier). Gegen den ersten Gesichtspunkt spricht, dass im Gegensatz zu Verfahren nach der ZPO, in denen jeweils über einen individualprozessualen Streitgegenstand zu befinden ist, das Musterverfahren der verbindlichen Klärung von Fragen dient, die sich in mehreren Ausgangsverfahren stellen. Diesem Ziel kann im Falle divergierender Musterentscheide nicht entsprochen worden. Zudem kann die Durchführung mehrerer Musterverfahren zu identischen Feststellungszielen zur Folge haben, dass ein Ausgangsverfahren im Hinblick auf mehrere Musterverfahren ausgesetzt wird und sodann eine Bindungswirkung an mehrere divergierende Entscheidungen eintritt. Allein die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ist nicht geeignet, dieser Gefahr wirksam entgegenzuwirken. Zum einen kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Rechtsbeschwerde auch wirklich eingelegt wird. Zum anderen sind tatsächliche Würdigungen der Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts nur eingeschränkt zugänglich.

Die Problematik mehrfacher Klärung identischer Feststellungsziele und divergierender Entscheidungen ließe sich auch nicht etwa durch eine Aussetzung des zweiten Musterverfahrens entsprechend § 148 ZPO lösen. Diese Vorschrift verlangt eine echte Präjudizialität in dem Sinne, dass ein Rechtsverhältnis den Gegenstand des anderen Verfahrens bildet (Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 148 Rn. 5 ff.), während bei § 8 KapMuG eine Abhängigkeit von der Feststellung deckungsgleicher Tatsachen oder Klärung von Rechtsfragen ausreicht, die für die Entscheidung mehrerer Rechtsstreite von Bedeutung sind. Selbst wenn eine solche Präjudizialität anzunehmen wäre oder wenn § 148 ZPO erweiternd in der Weise angewendet werden könnte, dass eine Abhängigkeit des zweiten Musterverfahrens von der Klärung eines Feststellungsziels im ersten Musterverfahren ausreicht, so bestünden gegen eine solche Verfahrensweise durchgreifende Bedenken, weil Musterkläger und Beigeladene des späteren Musterverfahrens über eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht Beigeladene des früheren Musterverfahrens werden und somit ihre Rechte dort nicht wahren könnten.

Ebenso wenig kann dem Verweis auf die gesetzgeberischen Ziele der Verfahrenseffizienz und der Ressourcenschonung entgegengehalten werden, dass das Verfahrensrecht der ZPO Instrumente bereithalte, um unnötige Verdoppelungen der Beweiserhebung zu reduzieren (so aber S. 17 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeiers). Insbesondere wird es allenfalls in seltenen Fällen in Betracht kommen, in einem Musterverfahren Zeugenaussagen, die in einem anderen Musterverfahren protokolliert wurden, lediglich als Urkunde einzuführen und auf die nochmalige Vernehmung des Zeugen zu verzichten. So setzt die Verwertung von Vernehmungsprotokollen aus anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises nicht nur einen Antrag voraus, sondern jede Partei hat das Recht, die unmittelbare Anhörung des Zeugen zu beantragen (BGH Beschluss vom 12.4.2011 – VI ZB 31/10 – NJW-RR 2011, 1079 Rn. 13; Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. Vor § 373 Rn. 12, 13). Zudem ist bei der urkundenbeweislichen Verwertung von Aussagen regelmäßig eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung nicht möglich (BGH Urteil vom 30.11.1999 – VI ZR 207/98 – NJW 2000, 1420, 1421 f.; Zöller/Greger aaO Vor § 273 Rn. 15). Vor diesem Hintergrund kommt die Verwertung von Vernehmungsprotokollen im Wege des Urkundenbeweises in der Praxis kaum vor. Sie wäre bei den Zeugen, deren Vernehmung sich das Landgericht vorgestellt hat (VB Rn. 245), auch kaum tunlich.

dd) Aspekte des effektiven Rechtsschutzes sprechen nicht gegen eine weite Auslegung des Erfordernisses des gleichen Lebenssachverhalts.

Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass im Falle einer weiten Auslegung des Erfordernisses des gleichen Lebenssachverhalts (einzelne) Kläger, die ihre Klage nur auf einen bestimmten Teilausschnitt des Geschehens beziehen, ggf. gezwungen sind, sich an den Kosten eines umfassenderen Musterverfahrens zu beteiligen (vgl. dazu S. 16 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeiers). Das führt aber nicht zwingend zu einer unzumutbaren Mehrbelastung, es kann sich sogar eine Ersparnis ergeben. So ist zu bedenken, dass jedenfalls für das vor dem Oberlandesgericht geführte Verfahren keine zusätzliche Gerichtsgebühr entsteht und Ausgangs- und Musterverfahren dieselbe Angelegenheit darstellen (§ 16 Nr. 13 RVG). Es fallen allenfalls Auslagen für eine etwaige Beweisaufnahme und unter Umständen eine gesonderte Vergütung des Musterklägervertreters an. Soweit mit diesen Auslagen Musterkläger und Beigeladene belastet sind, verteilen sie sich bei einem größeren Kreis von Beteiligten auf mehr Schultern. Fallen Kosten für eine Beweisaufnahme an, die nur Feststellungsziele mit Relevanz für einen abgrenzbaren Teil der ausgesetzten Verfahren betrifft, kann das Gericht von einer differenzierten Zuordnung im Wege der Kostentrennung Gebrauch machen. Mehrkosten in erheblichem Umfang können dagegen vermieden werden, wenn Beweisaufnahmen zur Klärung der selben tatsächlichen Umstände nicht doppelt durchgeführt werden müssen.

Mehrkosten können auch dann entstehen, wenn sich erst nach dem Abschluss des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens ein nunmehr gem. § 7 KapMuG zulässiges zweites Musterverfahren anschließt, in dem die im ersten Musterverfahren noch nicht geklärten Fragen als Feststellungsziele vorgelegt werden. Kommt es dagegen nach dem Ergebnis dieses ersten Verfahrens auf die weiteren Fragestellungen nicht mehr an, fallen auch keine zusätzlichen Kosten an. So entstehen die Kosten für ein zweites Musterverfahren ggf. dann nicht mehr, wenn nach dem rechtskräftigen Abschluss des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens das Klärungsbedürfnis entfallen ist.

Da nur eine weite Auslegung des Erfordernisses des gleichen Lebenssachverhalts im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG den gesetzgeberischen Zielsetzungen Rechnung trägt, sind zudem die Verzögerungen hinzunehmen, die dadurch entstehen, dass die Beteiligten der ausgesetzten Verfahren zunächst den Ausgang des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens abzuwarten haben, obwohl dessen Feststellungsziele sie ggf. nur teilweise betreffen. Den Klägern der Ausgangsverfahren entsteht dadurch, dass ein etwaiges weiteres Musterverfahren erst nach Beendigung des ursprünglichen Musterverfahrens durchgeführt werden kann, kein unzumutbarer Nachteil. Aus dem Erfordernis der Vorgreiflichkeit bzw. Abhängigkeit im Sinne des § 8 KapMuG folgt, dass eine Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG nur in Betracht kommt, wenn die Entscheidung der dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren von den im ersten Musterverfahren zu klärenden Tatsachen- und Rechtsfragen zumindest teilweise abhängt. Setzt aber eine Entscheidung der Ausgangsverfahren ohnehin die Beantwortung der im ersten Musterverfahren aufgeworfenen Fragen (bzw. von Teilen der aufgeworfenen Fragen) voraus, entsteht den Klägern der Ausgangsverfahren kein wesentlicher Nachteil, wenn diese Fragen auch vorab beantwortet werden (vgl. OLG Braunschweig Beschluss vom 23.10.2018 – 3 Kap 1/16 – unter II 3a der Gründe).

Im Übrigen können die mit der Unzulässigkeit weiterer Musterverfahren verbundenen Nachteile im Einzelfall zumindest teilweise durch die Möglichkeit der Erweiterung des Musterverfahrens ausgeglichen werden (BT-Drucks. 15/5091 S. 24; KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 7 Rn. 3; vgl. auch LG Stuttgart Beschluss vom 10.9.2008 – 21 O 408/05 – juris Rn. 43 f.).

c) Die weite Auslegung des gleichen Lebenssachverhalts im Rahmen der §§ 7, 8 KapMuG hat Auswirkungen für die Frage nach dem Umfang der Sperrwirkung in Konstellationen, in denen die einem zuerst eingeleiteten Musterverfahren zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände und die tatsächlichen Umstände, die den Ausgangsverfahren eines später eingeleiteten Musterverfahrens zugrunde liegen, nur teilweise im Rahmen einer Schnittmenge übereinstimmen. In derartigen Verfahren ist ein zweites Musterverfahren nicht nur im Hinblick auf den Teillebenssachverhalt der Schnittmenge gem. § 7 KapMuG unzulässig, vielmehr betrifft die Sperrwirkung den gesamten Lebenssachverhalt. Sofern nicht das zuerst eingeleitete Musterverfahren gem. § 15 KapMuG um diejenigen Feststellungsziele erweitert wird, die den Lebenssachverhalt außerhalb der Schnittstelle betreffen, hat dies zur Folge, dass zunächst abzuwarten ist, bis das erste Musterverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Im Anschluss können etwa noch klärungsbedürfte Feststellungsziele zum Gegenstand eines zweiten Musterverfahrens gemacht werden.

aa) Für eine derartige sukzessive Herangehensweise spricht bereits, dass ansonsten derselbe Ausgangsrechtsstreit mehrfach auszusetzen wäre: im Hinblick auf das zuerst eingeleitete Musterverfahren, sofern die Schnittmenge betroffen ist, und im Hinblick auf ein zeitlich späteres Musterverfahren, sofern über die Schnittmenge hinausgehende Fragen zu klären sind. Eine derartige doppelte Aussetzung widerspricht dem bereits erwähnten gesetzgeberischen Ziel der Prozessökonomie.

bb) Abgesehen hiervon geht der Gesetzgeber selbst davon aus, dass mehrere Gesamtlebenssachverhalte durch eine übereinstimmende Schnittmenge verklammert werden können.

Zum Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz alter Fassung hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem die eine Kapitalanlage finanzierende Bank sowohl aus Prospekthaftung im engeren Sinne wegen angeblicher Unrichtigkeiten des Prospekts als auch aus angeblicher Aufklärungspflichtverletzung bei Eingehung des Darlehensvertrags in Anspruch genommen wurde, entschieden, dass zunächst über die geltend gemachten Ansprüche aus vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichtverletzung zu entscheiden sei, bevor eine Aussetzung nach dem KapMuG im Hinblick auf das zur Frage der Prospekthaftung im engeren Sinne geführte Musterverfahren in Betracht komme. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass den Ansprüchen aus Prospekthaftung im engeren Sinne ein anderer Lebenssachverhalt zu Grunde liege als den Ansprüchen wegen einer Aufklärungspflichtverletzung. Ein fehlerhafter Prospekt führe nicht notwendig zur Haftung des Darlehensgebers, ein fehlerfreier Prospekt schließe seine Haftung nicht notwendig aus. Es fehle an gleichgerichteten Interessen, die durch das KapMuG zu bündeln seien (BGH Beschluss vom 30.11.2010 – XI ZB 23/10 – NJW-RR 2011, 327 Rn. 16 unter Bezugnahme auf BGH Beschluss vom 16.6.2009 – XI ZB 33/08 – NJW 2009, 2539 Rn. 14). Hintergrund der Entscheidung war der Umstand, dass Ansprüche aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach damaliger Gesetzeslage nicht musterverfahrensfähig waren, selbst wenn es sich um Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne handelte (vgl. BGH Beschluss vom 30.11.2010 – XI ZB 23/10 – NJW-RR 2011, 327 Rn. 11, 14).

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.11.2010 wird in den Gesetzesmaterialien zur Neufassung des Kapitalanlegermusterverfahrensgesetzes zum 1.11.2012, mittels der der Anwendungsbereich des KapMuG auf vertragliche und vorvertragliche Ansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung erweitert wurde, ausdrücklich in Bezug genommen. Insofern wird darauf hingewiesen, dass das KapMuG nach bisheriger Rechtslage nicht in der erforderlichen Weise für eine konzentrierte Erledigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen- und Rechtsfragen auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts sorgen könne. Wenn öffentliche Kapitalmarktinformationen Voraussetzung eines vertraglichen Anspruchs seien, bestehe kein überzeugender Grund, diese Anspruchsvoraussetzung nicht in einem Musterverfahren klären zu lassen. Infolge der Neufassung des KapMuG könnten Klagen aufgrund von Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn künftig in einem Musterverfahren zusammengefasst werden (BT-Drucks. 17/8799 S. 16).

Diese Erwägungen des Gesetzgebers verdeutlichen, dass der Gesetzgeber selbst eine Verklammerung mehrerer Lebenssachverhalte durch eine übereinstimmende Schnittmenge für möglich hält. Werden Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinn einerseits und im weiteren Sinn andererseits auf die Unrichtigkeit desselben Prospekts gestützt, überschneiden sich der die Prospekthaftung im engeren Sinn betreffende Gesamtlebenssachverhalt und der die Prospekthaftung im weiteren Sinn betreffende Gesamtlebenssachverhalt typischerweise nur in Teilen. Dennoch geht der Gesetzgeber davon aus, dass die die Fehlerhaftigkeit des Prospekts betreffenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen trotz aller Unterschiede in Ansehung der Haftung der einzelnen potentiellen Schuldner in einem einzigen Musterverfahren zusammengefasst werden können.

Im Übrigen ergibt sich aus der Gesetzesänderung, dass diese Rechtsprechung inzwischen überholt ist, weshalb sich hieraus (entgegen VB Rn. 107 f.) keine Argumente für eine enge Auslegung des Begriffs des gleichen Lebenssachverhalts entnehmen lassen. Abgesehen hiervon ist der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zu entnehmen, ob und inwieweit die Fragen, die im der Entscheidung zugrundeliegenden Musterverfahren zu klären waren, für den Anspruch auf Aufklärungspflichtverletzung in irgendeiner Weise erheblich sein konnten.

d) Als weitere Konsequenz der weiten Auslegung setzen die Identität des Lebenssachverhalts im Sinne des KapMuG und damit die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG nicht zwingend voraus, dass das zuerst eingeleitete Musterverfahren einerseits und die dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits dieselbe Kapitalmarkinformation zum Gegenstand haben. Vielmehr kann ein gleicher Lebenssachverhalt auch dann zu bejahen sein, wenn im Musterverfahren einerseits und in den dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits verschiedene Kapitalmarktinformationen streitgegenständlich sind.

aa) Sowohl in Ansehung der Frage nach der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG bzw. nach einer Aussetzung gem. § 8 KapMuG als auch im Rahmen der §§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG ist es nicht sachgerecht, im Falle verschiedener, aber inhaltlich zusammenhängender Kapitalmarktinformationen von unterschiedlichen Lebenssachverhalten auszugehen. Denn eine solche Sichtweise hätte insbesondere in Fällen, in denen ein Emittent wegen der Veröffentlichung mehrerer unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen und/oder wegen zu verschiedenen Zeitpunkten angeblich unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Anspruch genommen wird, zur Folge, dass selbst dann verschiedene Musterverfahren durchzuführen wären, wenn sämtlichen unrichtigen bzw. unterlassenen Mitteilungen eine einheitliche Gesamtthematik zugrunde läge. Gegebenenfalls würden diese verschiedenen Musterverfahren sogar bei verschiedenen Spruchkörpern oder bei verschiedenen Oberlandesgerichten geführt. Eine derartige Parzellierung einer einheitlichen Thematik wäre in prozessökonomischer Hinsicht nicht sachgerecht, sondern hätte zur Folge, dass ein zusammenhängender Vorgang künstlich aufgespalten wird (vgl. Haufe Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 90).

Dem entsprechend liegt im Ergebnis weder dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 (Az. 22 AR 1/17 Kap) noch dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 (Az. 5 OH 62/16) der Informationsträger als Abgrenzungskriterium des gleichen Lebenssachverhalts zugrunde.

1) Das Landgericht Stuttgart hat mit Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 unter I A 2 der Feststellungsziele fünf zeitlich auseinanderliegende Geschehnisse aufgeführt, bezüglich derer eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung in Betracht kommen soll. Da demnach mehrere unterlassene Veröffentlichungen im Hinblick auf unterschiedliche tatsächliche Umstände in Rede stehen, liegt im Ergebnis jedem Gliederungspunkt eine andere Kapitalmarktinformation zugrunde, so dass insgesamt fünf Kapitalmarktinformationen Gegenstand des Vorlagebeschlusses sind.

Dennoch hat das Landgericht Stuttgart zu Recht nicht fünf Musterverfahren eingeleitet, sondern sämtliche in Rede stehenden Informationsträger in einem Musterverfahren gebündelt. Die Einleitung getrennter Musterverfahren wäre insofern nicht sachgerecht gewesen, zumal auch die Frage im Raum steht, ob es sich bei den im Vorlagebeschluss aufgeführten tatsächlichen Umständen um selbstständige Zwischenschritte eines gestreckten Geschehensablaufs handelt oder um unselbstständige Ereignisse, die nicht für sich allein betrachtet ad-hoc-pflichtig sind. Diese Frage kann sachgerecht lediglich in einem einzigen Musterverfahren einer Klärung zugeführt werden.

2) Das Landgericht Braunschweig hat mit Vorlagebeschluss vom 5 OH 62/16 in A I bis XIX der Feststellungsziele 19 Umstände aufgeführt, die als Anknüpfungspunkte für unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen in Betracht kommen. Zudem wird in A I XX, XXI und XXII der Feststellungsziele hinsichtlich sieben Geschäftsberichten, acht Halbjahresfinanzberichten und zwölf Ad-hoc-Mitteilungen die Frage aufgeworfen, ob diese die Verhältnisse der Beklagten unrichtig darstellten, weil die finanziellen Risiken aus dem Komplex Abgasmanipulationen verschwiegen würden und keine Rückstellungen für diese Risiken enthalten seien. Sofern jede Kapitalmarktinformation einen eigenständigen Lebenssachverhalt bilden würde, könnten mehrere Kapitalmarktinformationen mangels Gleichgerichtetheit im Sinne des § 4 Abs. 1 KapMuG nicht Gegenstand desselben Musterverfahrens sein, vielmehr hätte das Landgericht Braunschweig insofern 46 einzelne Musterverfahren einleiten müssen mit der Folge, dass ein zusammenhängender Vorgang künstlich aufgespalten worden wäre.

3) Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass ein mehrere Kapitalmarktinformationen umfassender einheitlicher Lebenssachverhalt entgegen der von Prof. Dr. Halfmeier in seiner wissenschaftlichen Stellungnahme vom 28.8.2018 vertretenen Auffassung (vgl. S. 18 der Stellungnahme) nicht nur eine Ausnahme, sondern die Regel darstellt. Dies gilt zumindest dann, wenn Verstöße gegen die Ad-hoc-Pflicht und gegen vergleichbare Informationspflichten in Rede stehen.

bb) Auch der Wortlaut des § 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG spricht gegen das Erfordernis einer identischen Kapitalmarktinformation. Danach ist der Antrag auf Erweiterung des Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele bei dem Oberlandesgericht unter Angabe der Feststellungsziele und der öffentlichen Kapitalmarktinformationen zu stellen. Demnach geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein gleicher Lebenssachverhalt im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG auch dann bejaht werden kann, wenn mehrere, mithin verschiedene öffentliche Kapitalmarktinformationen betroffen sind (so auch Kruis in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 15 KapMuG Rn. 15).

cc) Ein Argument für die Auffassung, wonach als entscheidendes Abgrenzungskriterium auf die jeweilige Kapitalmarktinformation bzw. auf den in den Musterverfahrensanträgen jeweils in Bezug genommenen Informationsträger abzustellen ist, ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2016 (XI ZB 9/13, juris). Vielmehr betrifft diese Entscheidung die Konstellation, dass in einem vorausgegangenen Musterverfahren Feststellungen zu Unrichtigkeiten eines anlässlich des dritten Börsengangs der Telekom herausgegebenen Prospekts getroffen worden waren, und dass nunmehr in Folgeprozessen Schadensersatzansprüche auf die Unrichtigkeit des anlässlich des zweiten Börsengangs herausgegebenen Prospekts gestützt wurden. In dieser Konstellation hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Feststellungen des ersten Musterverfahrens nur in den gem. § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Verfahren und dort nur innerhalb des Streitgegenstands Wirkung entfalten, anlässlich dessen das Ausgangsverfahren im Hinblick auf das zugehörige Musterverfahren ausgesetzt worden sei. Für Folgeprozesse, denen lediglich parallele Fallgestaltungen zugrunde lägen, komme den Feststellungen des ersten Musterentscheids hingegen keine Bindungswirkung zu (BGH Beschluss vom 22.11.2016 – XI ZB 9/13 – juris Rn. 52 – BGHZ 213, 65). Vorliegend steht demgegenüber die Frage zur Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen die Ausgangsverfahren im Hinblick auf das noch anhängige zeitlich erste Musterverfahren gem. § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzen sind und – hierzu korrespondierend – wie der Umfang der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG im Einzelnen abzugrenzen ist. Die Frage nach etwaigen Folgeprozessen steht demgegenüber vorliegend nicht in Rede.

Ein abweichendes Ergebnis wird nicht durch die weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs getragen, eine Bindungswirkung komme auch dann nicht in Betracht, wenn Anleger, die bei beiden Börsengängen Aktien der Telekom erworben hätten, in einem einheitlichen Ausgangsverfahren Schadensersatzansprüche wegen der Unrichtigkeit beider Prospekte geltend machten und das Ausgangsverfahren im Hinblick auf beide Musterverfahren ausgesetzt worden sei (BGH Beschluss vom 22.11.2016 – XI ZB 9/13 – juris Rn. 53 – BGHZ 213, 65). Aus der Entscheidung ergibt sich nicht, dass es um eine undifferenzierte Aussetzung beider Streitgegenstände im Hinblick auf beide Musterverfahren gegangen wäre.

dd) Ebenso wenig ergibt sich ein Argument für den Informationsträger als alleiniges Abgrenzungskriterium aus der Reichweite der Bindungswirkung gem. § 22 KapMuG. Der Argumentation, wonach die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG voraussetze, dass die im zunächst eingeleiteten Musterverfahren getroffenen Feststellungen Bindungswirkung für die dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren entfalten könnten, was im Falle verschiedener Informationsträger verschiedener Emittenten nicht der Fall sei, ist entgegenzutreten. Denn gem. § 22 Abs. 1 KapMuG bindet der Musterentscheid die Prozessgerichte in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Verfahren, er wirkt vorbehaltlich des § 22 Abs. 3 KapMuG für und gegen alle Beteiligten des Musterverfahrens. Die im zeitlich zuerst eingeleiteten Musterverfahren getroffenen Feststellungen binden demnach sämtliche Beteiligten der Ausgangsverfahren, soweit diese gem. § 8 Abs. 1 KapMuG im Hinblick auf dieses Musterverfahren ausgesetzt wurden. Zwar mag eine Bindungswirkung im Ergebnis zu verneinen sein, wenn eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG zu Unrecht erfolgt ist (Kruis in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 22 KapMuG Rn. 14). Sind allerdings in Anwendung der vorstehenden Grundsätze die Voraussetzungen der Aussetzung (insbesondere Abhängigkeit und Vorliegen des gleichen Lebenssachverhalts) zu bejahen, erfolgt die Aussetzung zu Recht mit der Folge der Bindungswirkung gem. § 22 KapMuG.

e) Als weitere Konsequenz der weiten Auslegung setzt die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG nicht voraus, dass sich der zeitlich spätere Vorlagebeschluss gegen den Musterbeklagten richtet, der auch im zuerst eingeleiteten Musterverfahren Musterbeklagter ist. Vielmehr kann das Erfordernis eines gleichen Sachverhalts im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG auch dann bejaht werden, wenn keine teilweise personelle Identität der Musterbeklagten besteht. Das Bedürfnis, alle möglichen Feststellungsziele in einem Musterverfahren zu bündeln und dort zu entscheiden, wird im Falle einer Mehrzahl von Personen auf der Beklagtenseite eher gesteigert (vgl. Haufe Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz 2012 S. 98; KöKoKapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 6 Rn. 28).

Gegen das Erfordernis der teilweisen personellen Identität spricht zudem der Wortlaut des § 9 Abs. 5 KapMuG. Danach sind Musterbeklagte alle Beklagten der ausgesetzten Verfahren. § 9 Abs. 5 KapMuG sieht mithin ausdrücklich vor, dass sich ein Musterverfahren gegen mehrere Musterbeklagte richten kann, und dass sich der Kreis der Musterbeklagten insbesondere durch Aussetzungen noch erweitern kann (so auch S. 10 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeiers).

Zudem hat der Gesetzgeber gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG nF den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ausdrücklich auf Fälle der Anlageberatung und Anlagevermittlung ausgedehnt (BT-Drucks. 17/8799 S. 16; KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 1 Rn. 4, 87, 90). Er hat also bewusst Konstellationen einbezogen, in denen häufig keine personellen Überschneidungen vorliegen (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 8 Rn. 42 f.).

f) Der von Teilen der Literatur und auch im Vorlagebeschluss vertretenen Auffassung, wonach der Lebenssachverhalt im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG papier- bzw. emittentenbezogen zu definieren ist, vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen.

aa) Ebenso wenig, wie sich aus dem Wortlaut des Kapitalanlegermusterverfahrensgesetzes ein Argument für oder gegen eine papier- bzw. emittentenbezogene Auslegung des Begriffs des gleichen Lebenssachverhalts ergibt, lassen sich anhand einer historischen Auslegung entsprechende Erkenntnisse gewinnen.

In den Gesetzesmaterialien zum Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz wird – worauf Prof. Dr. Halfmeier auf S. 13 f. seiner wissenschaftlichen Stellungnahme vom 28.8.2018 zutreffend hinweist – lediglich der Fall in den Blick genommen, dass mehrere Prospektfehler bezüglich einer Emission gerügt werden oder dass bezüglich einer Emission mehrere Haftungsadressaten in Anspruch genommen werden (vgl. BT-Drucks. 15/5091 S. 21; BT-Drucks. 17/8799 S. 16). Für die vorliegende Konstellation, in der mehrere Emittenten – Mutter- und Tochtergesellschaft – auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen werden, der bezüglich der von ihnen emittierten Wertpapiere wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen über Umstände aus dem Bereich der Tochtergesellschaft eingetreten ist, finden sich demgegenüber keine Ausführungen in den Gesetzesmaterialien. Aus den Überlegungen zur strukturell damit nur wenig vergleichbaren Prospekthaftung lässt sich dafür nichts ableiten. Der Gesetzgeber hat die Problematik des Umfangs der Sperrwirkung bei parallelen Klagen gegen konzernverbundene Emittenten nicht erkannt (Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 KapMuG Rn. 13).

bb) Auch systematische Gesichtspunkte vermögen eine emittenten- bzw. papierbezogene Auslegung nicht zu rechtfertigen.

1) Aus dem in § 32b ZPO geregelten ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz des Emittenten folgt nicht, dass sich ein Musterverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf mehrere Emittenten beziehen soll (so aber gutachterliche Stellungnahme PD Dr. Mock aaO S. 8; wissenschaftliche Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeier aaO S. 12; vgl. auch S. 3 Rn. 6 des Schriftsatzes des Verfahrensbevollmächtigten Müller Seidel Vos vom 3.9.2018, Bl. I 83). Aus dem Umstand, dass die Zuständigkeitsvorschrift des § 32b ZPO zusammen mit dem KapMuG eingeführt wurde und mit diesem nach dem Willen des Gesetzgebers eine Einheit bilden soll, kann nicht gefolgert werden, dass aufgrund der durch § 32b ZPO vorgesehenen ausschließlichen Zuständigkeit der jeweiligen Landgerichte nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch verschiedene Musterverfahren vor verschiedenen Oberlandesgerichten stattfinden sollten, sofern verschiedene Wertpapiere verschiedener Emittenten im Streit stehen. Vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass trotz der etwaigen Zuständigkeit verschiedener Ausgangsgerichte ein einheitliches Musterverfahren zu führen ist.

Dies folgt bereits aus der Regelung des § 6 Abs. 2 KapMuG, wonach für den Vorlagebeschluss das Prozessgericht zuständig ist, bei dem der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt wurde. Diese Vorschrift geht von der Möglichkeit aus, dass – trotz der Verfahrenskonzentration in § 32b ZPO – eine Zuständigkeit unterschiedlicher Ausgangsgerichte bestehen kann. Auch die Regelung des § 7 S. 1 KapMuG spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer ausschließlichen Zuständigkeit mehrerer Ausgangsgerichte gesehen hat (OLG Braunschweig Beschluss vom 30.10.2017 – 1 W 35/17 – juris Rn. 45). Dasselbe ergibt sich aus dem Allgemeinen Teil der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanlegermusterverfahren durch die Bundesregierung vom 14.3.2005, wo die Notwendigkeit des Gesetzes unter anderem unter Hinweis darauf begründet wird, dass das Institut der Verfahrensverbindung gem. § 147 ZPO eine deutliche Einschränkung erfahre, weil es nicht möglich sei, Rechtsstreite zum Zwecke der Verbindung von einem Gericht an ein anderes zu verweisen (BT-Drucks. 15/5091 S. 14).

Ein weiteres Argument ergibt sich aus dem Umstand, dass gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG nunmehr insbesondere Schadensersatzansprüche gegen Anlageberater aus Prospekthaftung im weiteren Sinn Gegenstand eines Musterverfahrensantrags sein können, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass als Konsequenz Klagen aufgrund von Prospekthaftung im engeren Sinn gegen Emittenten etc. einerseits und aufgrund von Prospekthaftung im weiteren Sinn gegen Anlageberater und -vermittler andererseits in einem Musterverfahren zusammengefasst werden können (BT-Drucks. 17/8799 S. 16). Für Anlageberater ist indes der Gerichtsstand des § 32b ZPO nur dann einschlägig, wenn zugleich der Emittent mitverklagt wird. In Konstellationen, in denen ein Teil der Kläger der Ausgangsverfahren lediglich den Anlageberater oder -vermittler in Anspruch nimmt, liegt folglich nahe, dass verschiedene Ausgangsgerichte ihre Verfahren gem. § 8 Abs. 1 KapMuG im Hinblick auf ein einheitliches Musterverfahren auszusetzen haben.

Anderes folgt nicht daraus, dass in den Motiven zu § 118 GVG die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Musterverfahren insbesondere unter Hinweis darauf begründet wird, dass der Musterentscheid verschiedene Prozessgerichte binde, wenn gegen einen ausländischen Emittenten an den jeweiligen Prozessgerichten Musterfeststellungsanträge gestellt worden seien (so Prof. Dr. Halfmeier aaO S. 12 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 15/5091 S. 34). Dass in der Gesetzesbegründung insofern nur von ausländischen Emittenten die Rede ist, besagt nicht, dass nicht auch andere Konstellationen denkbar sind, in denen verschiedene Prozessgerichte durch einen Musterentscheid gebunden werden. Vielmehr handelt es sich bei der erwähnten Konstellation der Inanspruchnahme ausländischer Emittenten um einen besonders hervorgehobenen Beispielsfall. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass in den Gesetzesmotiven zu § 5 KapMuG aF = § 7 KapMuG davon die Rede ist, die Gefahr parallel geführter Musterverfahren bestehe „besonders“ bei der Inanspruchnahme eines ausländischen Emittenten (BT-Drucks. 15/5091 S. 24). Wie die Formulierung „besonders“ – und nicht etwa „nur dann“ (so aber Prof. Dr. Halfmeier aaO S. 12) – zeigt, wurde diese Konstellation lediglich exemplarisch als besonders relevant hervorgehoben. Dies schließt nicht aus, dass nach der Sichtweise des Gesetzgebers die Gefahr paralleler Musterverfahren auch in anderen Konstellationen bestehen kann (OLG Braunschweig Beschluss vom 30.10.2017 – 1 W 35/17 – juris Rn. 45).

Vor diesem Hintergrund ist auch der Argumentation, wonach der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 14.3.2005 stets nur von einem Emittenten als Ankerbeklagten ausgegangen sei und sich die Konstellation der Inanspruchnahme zweier Emittenten vom Regelungszweck des § 7 KapMuG unterscheide (Vorlagebeschluss Rn. 130; vgl. auch Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 KapMuG Rn. 7), entgegenzutreten. Diese Argumentation findet keinen Anhalt im Wortlaut des § 7 KapMuG. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, dass dieser Norm das Leitbild eines Emittenten als Ankerbeklagten zugrunde liegt.

2) Aus § 9 Abs. 5 KapMuG ergibt sich kein abweichendes Ergebnis. Zwar trifft es zu, dass nicht jeder Beklagte eines gem. § 8 KapMuG ausgesetzten Ausgangsverfahrens stets die Stellung eines Musterbeklagten erlangt. Vielmehr kommt – ebenso wie im Falle einer objektiven Klaghäufung – auch im Falle mehrerer Beklagter in Betracht, dass ein Ausgangsverfahren nur in Ansehung eines von mehreren Beklagten gem. § 8 KapMuG ausgesetzt wird, wenn die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nur in Ansehung eines Beklagten vom Ergebnis des Musterverfahrens abhängt. Dies schließt allerdings nicht aus, dass dennoch mehrere Emittenten Beklagte eines einheitlichen Musterverfahrens sein können, wenn eine Abhängigkeit vom Ergebnis des Musterverfahrens in Ansehung der Prozessrechtsverhältnisse zu mehreren Emittenten besteht.

3) Entgegen den Ausführungen in Rn. 109 des Vorlagebeschlusses ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 2 S. 2 Ziff. 2 und Ziff. 6 KapMuG, dass die Kapitalmarktinformation das gleiche Wertpapier betreffen muss. Allein der Umstand, dass der Gesetzestext als notwendigen Inhalt der Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags im Bundesanzeiger „die Bezeichnung des von dem Musterverfahrensantrag betroffenen Emittenten von Wertpapieren“ vorsieht, also im Singular von dem Emittenten spricht, lässt keine Rückschlüsse auf den Umfang der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG im Falle mehrerer Emittenten bzw. verschiedener Wertpapiere zu.

cc) Gegen eine Einschränkung der Reichweite der Sperrwirkung nach § 7 KapMuG durch das Erfordernis der Identität des Emittenten bzw. der Identität des von einer Kapitalmarktinformation betroffenen Wertpapiers spricht vielmehr wiederum eine teleologische Auslegung.

1) Wie bereits ausgeführt wurde, soll nach der Intention des Gesetzgebers mit der in § 7 KapMuG geregelten Sperrwirkung der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die Feststellung unterschiedlicher Anspruchsvoraussetzungen nicht nur in mehreren Musterverfahren, sondern auch vor verschiedenen Oberlandesgerichten verhandelt wird, weil dies einer zügigen, sachdienlichen und kosteneffizienten Erledigung der unterschiedlichen Musterfragen entgegensteht (BT-Drucks. 15/5091 S. 24). Zudem soll die Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG der Gefahr sich widersprechender Musterentscheidungen entgegenwirken (KöKoKapMuG/Kruis 2. Aufl. § 7 Rn. 2; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 KapMuG Rn. 1; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf KapMuG § 5 Rn. 1).

2) Sollte § 7 KapMuG eine Identität des Emittenten bzw. des von einer Kapitalmarktinformation betroffenen Wertpapiers voraussetzen, könnten die mit der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG verfolgten gesetzgeberischen Ziele nicht verwirklicht werden. Denn im Falle eines emittenten- bzw. papierbezogenen Verständnisses des Lebenssachverhalts gem. §§ 7, 8 KapMuG scheidet die Möglichkeit, dass mehrere Emittenten in einem Musterverfahren haftbar gemacht werden, von vornherein aus. Selbst wenn in Ansehung verschiedener Emittenten identische Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art aufgeworfen würden, wären diese Fragen in gesonderten Musterverfahren zu klären. Dies würde insbesondere die Gefahr mit sich bringen, dass in gesonderten Musterverfahren Beweisaufnahmen zu denselben tatsächlichen Umständen durchzuführen sind. Ebenso bestünde die Gefahr einander widersprechender Musterentscheide. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde vermag hieran ebenso wenig zu ändern wie die prozessualen Möglichkeiten zur Vermeidung einer doppelten Beweisaufnahme (vgl. hierzu bereits vorstehend unter 7b cc 2)).

3) Die vorstehenden Erwägungen lassen sich anhand der Konstellation verdeutlichen, dass sowohl die Mutter- als auch die Tochtergesellschaft übereinstimmende Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht haben. Steht nun im Streit, ob die Ad-hoc-Mitteilung falsch war, müsste diese Frage im Falle eines emittenten- bzw. papierbezogenen Verständnisses des Lebenssachverhalts in zwei Musterverfahren – ggf. jeweils nach der Durchführung einer aufwändigen Beweisaufnahme – geklärt werden. Zugleich bestünde die Gefahr, dass die beiden Mustergerichte auf der Grundlage der jeweiligen Beweisaufnahmen zu abweichenden Ergebnissen gelangen.

4) Auch in der vorliegenden Verfahrenskonstellation bestünde die Gefahr, dass in den vor dem Oberlandesgericht Braunschweig und vor dem Oberlandesgericht Stuttgart jeweils gesondert durchzuführenden Musterverfahren – ggf. nach einer Erweiterung der Feststellungsziele gem. § 15 KapMuG – über identische Fragstellungen zu befinden wäre.

So hätten sowohl das Oberlandesgericht Braunschweig als auch das Oberlandesgericht Stuttgart die Frage zu beantworten, ob in den Umständen, die das Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts aufzählt, Insiderinformationen im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF zu sehen sind. Obwohl insbesondere die Frage, ob den genannten Umständen Kursrelevanz zukommt, im Hinblick auf die Volkswagen AG einerseits und im Hinblick auf die Porsche SE andererseits einheitlich zu beantworten ist, und obwohl auch weitere Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG aF unabhängig von der Person des Emittenten zu beantworten sind (vgl. dazu vorstehend 4b dd 1) und 2)), bestünde die Gefahr, dass das Oberlandesgericht Braunschweig einerseits und das Oberlandesgericht Stuttgart andererseits in Ansehung der Frage nach dem Vorliegen von Insiderinformationen jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass sowohl das Oberlandesgericht Braunschweig als auch das Oberlandesgericht Stuttgart – ggf. nach einer Erweiterung der Feststellungsziele gem. § 15 KapMuG – Feststellungen zu den Kenntnissen der Mitglieder des Vorstands der Volkswagen AG, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Porsche SE sind bzw. waren, von den als Insiderinformationen in Betracht kommenden Umständen zu treffen und insbesondere dieselben Zeugen zu denselben Beweisthemen zu vernehmen hätten. In diesem Falle bestünde in besonderem Maße die Gefahr, dass die jeweiligen Beweisaufnahmen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen und einander widersprechende Musterentscheide ergehen. Eine doppelte Beweisaufnahme widerspräche zudem in besonderer Weise den Gesichtspunkten der Verfahrenseffizienz und der Ressourcenschonung.

5) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen steht die Zulassung zweier Musterverfahren in der vorliegenden Konstellation entgegen der im Vorlagebeschluss vertretenen Auffassung (vgl. Rn. 129 des Vorlagebeschlusses) im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Zielsetzung, den Tatsachenstoff in einem einzigen Musterverfahren zu klären. Eine Einschränkung der Reichweite der Sperrwirkung nach § 7 KapMuG durch das Erfordernis der Identität des Emittenten bzw. der Identität des von einer Kapitalmarktinformation betroffenen Wertpapiers hat zur Folge, dass die vom Gesetzgeber mit § 7 KapMuG verfolgten Ziele verfehlt werden.

dd) Sofern darauf verwiesen wird, dass sich die angeblich pflichtwidrig unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen nicht nur in Ansehung der Person des Veröffentlichungspflichtigen und in Ansehung der Wertpapierinhaber, sondern auch ihrem Inhalt nach unterschieden, da infolge des in § 15 WpHG aF vorausgesetzten Emittentenbezugs beispielsweise eine Ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG allein Insiderinformationen zum Gegenstand habe, die die Volkswagen AG beträfen, während die Ad-hoc-Mitteilung der Porsche SE nur auf die Porsche SE bezogene Insiderinformationen zum Inhalt habe, und da die Bekanntgabe einer Insiderinformation stets nur durch den jeweiligen Emittenten selbst im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung vorgenommen werden dürfe (Vorlagebeschluss Rn. 103 f., 110; vgl. auch S. 5 der gutachterlichen Stellungnahme PD Dr. Mock vom 7.9.2018 und S. 18 der wissenschaftlichen Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeier vom 28.8.2018), handelt es sich um rein formale Unterscheidungen. Sie vermögen das Vorliegen eines gleichen Lebenssachverhalts dann nicht in Zweifel zu ziehen, wenn – wie vorliegend (vgl. dazu im Einzelnen unten 8a aa, bb) – die Umstände, deren Einordnung als Insiderinformation in dem zuerst eingeleiteten Musterverfahren einerseits und in den dem zeitlich späteren Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits im Streit steht, in jeder Hinsicht deckungsgleich sind, und wenn zudem die Ad-hoc-Pflichten des einen Emittenten (hier: der Musterbeklagten zu 1) zumindest in tatsächlicher Hinsicht auf der Ad-hoc-Pflicht des anderen Emittenten (hier: der Musterbeklagten zu 2) aufbauen, beide also jedenfalls faktisch unauflöslich ineinander verwoben sind.

ee) Die Argumentation, wonach vorliegend das Ergebnis der ausschließlich gegen die Musterbeklagte zu 1 gerichteten Verfahren nicht von der Frage abhänge, ob die Musterbeklagte zu 2 in materiell-rechtlicher Hinsicht für etwaige Schäden in Finanzinstrumenten der Musterbeklagten zu 1 hafte (VB Rn. 106, 112 f.), vermag eine rein emittenten- bzw. papierbezogene Auslegung des § 7 KapMuG ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Zwar mag es sein, dass die Fragen nach der Haftung der Musterbeklagten zu 2 einerseits und der Musterbeklagten zu 1 andererseits angesichts des Haftungsbefreiungstatbestands des § 15 Abs. 3 WpHG aF nicht zwingend gleichlaufend zu beantworten sind (VB Rn. 106, 113; wissenschaftliche Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeier aaO S. 6; S. 2 Rn. 4 des Schriftsatzes des Verfahrensbevollmächtigten Müller Seidel Vos vom 3.9.2018, Bl. I 82), und dass auch aus einem etwa fehlenden Verschulden der Musterbeklagten zu 2 nicht automatisch der Schluss auf ein fehlendes Verschulden der Musterbeklagten zu 1 gezogen werden kann (gutachterliche Stellungnahme PD Dr. Mock aaO S. 6; S. 6 des Schriftsatzes des Verfahrensbevollmächtigten Nieding Barth vom 10.9.2018, Bl. I 97).

Jedoch verkennt diese Argumentation, dass der den jeweiligen Feststellungszielen des Musterverfahrens zugrundeliegende Lebenssachverhalt kollektivrechtlich zu definieren ist – wovon im Übrigen auch der Vorlagebeschluss ausgeht (VB Rn. 102). Bezugspunkt für die Frage nach dem Umfang der Sperrwirkung gem. §§ 7, 8 KapMuG ist nicht der im Ausgangsverfahren eingeklagte materiell-rechtliche oder der dort rechtshängige prozessuale Anspruch. Wie bereits dargelegt wurde (vgl. oben 7a cc), ist vielmehr maßgebend, ob ein tatsächlicher Umstand bzw. eine Rechtsfrage, die Inhalt eines der Feststellungsziele des zuerst eingeleiteten Musterverfahrens ist, und der diesem Feststellungsziel zugrundeliegende Lebenssachverhalt eines der Elemente bilden, aus denen sich der individualprozessuale Streitgegenstand der Ausgangsverfahren zusammensetzt. Vor diesem Hintergrund ist für die Frage nach der Sperrwirkung gem. §§ 7, 8 KapMuG nicht von Relevanz, ob die Frage nach der Haftung der Musterbeklagten zu 2 einerseits und der Musterbeklagten zu 1 andererseits unter Berücksichtigung weiterer Elemente des jeweiligen individualprozessualen Streitgegenstands unterschiedlich zu beantworten sein kann.

Hinzu kommt, dass im Rahmen des § 8 KapMuG – anders als im Falle einer Aussetzung gem. § 148 ZPO – nicht eine Aussetzung wegen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses in Rede steht. Vielmehr ist im Rahmen des § 8 KapMuG zu fragen, ob die Entscheidung des jeweiligen Ausgangsverfahrens von einem oder von mehreren im Musterverfahren zu klärenden Feststellungszielen abhängt. Entscheidend ist demnach, ob die einem zuerst eingeleiteten Musterverfahren zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände einerseits und die tatsächlichen Umstände andererseits, die den Ausgangsverfahren zugrunde liegen, in denen sich die Frage nach einer Aussetzung gem. § 8 KapMuG stellt, zumindest teilweise im Rahmen einer Schnittmenge übereinstimmen.

8. In Anwendung der vorgenannten Grundsätze liegt den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Ausgangsverfahren einerseits und dem vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren andererseits derselbe Lebenssachverhalt zugrunde.

a) Eine Identität des Lebenssachverhalts ergibt sich daraus, dass die in der Sachverhaltsdarstellung des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 aufgeführten Vorgänge, die den Einbau der Abschaltvorrichtung in Motoren der Baureihe EA 189 und die Aufdeckung der Manipulation betreffen, auch in der Sachverhaltsdarstellung des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 aufgeführt sind.

So beginnt die Sachverhaltsdarstellung des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 in Rn. 8 mit der Vorstellung der neuen Baureihe von Dieselmotoren unter der Bezeichnung EA 189 und dem Einbau der Abschalteinrichtung. In Rn. 9 bis 28 wird der weitere Verlauf, die Aufdeckung des Sachverhalts bis hin zu der Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 22.9.2015 dargestellt.

Ebenso ist im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 unter I der Gründe im 5. Absatz das Geschehen von der Vorstellung der neuen Baureihe von Dieselmotoren unter der Bezeichnung EA 189 über die Darstellung der eingebauten Abschaltvorrichtung bis zur Aufdeckung es Sachverhalts und zur Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 2 vom 22.9.2015 dargestellt.

Auch ansonsten decken sich zahlreiche Umstände, die dem Vorlagebeschluss vom 28.2.2017 und den entsprechenden Ausgangsverfahren zugrunde liegen, mit Umständen, die den Feststellungszielen des vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahrens zugrunde liegen.

aa) Die Umstände, deren Einordnung als Insiderinformation in dem vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren einerseits und in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits im Streit steht und in Ansehung derer – auch in tatsächlicher Hinsicht, vgl. vorstehend 4a – eine Abhängigkeit im Sinne der §§ 7, 8 KapMuG zu bejahen ist, sind in jeder Hinsicht deckungsgleich, sofern die in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart unter Feststellungsziel I A 2 3. bis 5. Spiegelstrich genannten Umstände (Rückrufaktion im Dezember 2014; Mitteilung der CARB an die Volkswagen AG vom 8.7.2015; Einräumen der Verwendung der Manipulationssoftware durch die Volkswagen AG gegenüber den US-Umweltbehörden am 3.9.2015) betroffen sind. Auch hinsichtlich der unter Feststellungsziel I A 1 1. und 2. Spiegelstrich aufgeführten Umstände besteht jedenfalls im Wesentlichen eine Deckung (vgl. hierzu im Einzelnen vorstehend 4a cc 1) und 2)). Dem entsprechend findet sich in Feststellungsziel I A 2 der Satz, dass „die Beklagte (zu 1) von nachstehenden Vorgängen aus der Sphäre der Volkswagen AG, die ausschließlich die Geschäftstätigkeit der Volkswagen AG betreffen“, unmittelbar betroffen sei.

bb) Dasselbe gilt in Ansehung der etwaigen Warnung durch den Zulieferer Bosch im Jahr 2007 und der etwaigen Information durch einen Techniker der Musterbeklagten zu 2 im Jahr 2011. Auch diese Umstände, deren Einordnung als Insiderinformation in dem vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren einerseits und in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits im Streit steht, sind in jeder Hinsicht deckungsgleich.

cc) In Ansehung der Frage nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ergibt sich die Identität des Lebenssachverhalts daraus, dass im vor dem Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahren einerseits und in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Ausgangsverfahren andererseits die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Kenntnis von jeweils identischen Umständen in Rede steht. Zudem stellt sich die Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast jeweils in Ansehung der Kenntnis identischer natürlicher Personen. Insbesondere werden in den Feststellungszielen I B 2 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart Fragen nach der Zurechnung etwaiger positiver Kenntnisse von Mitgliedern des Vorstands der Musterbeklagten zu 2, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Musterbeklagten zu 1 sind bzw. waren, aufgeworfen.

dd) Auch die methodischen Fragen zur Schadensberechnung, die sowohl im beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahren zu klären sind als auch in den dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 zugrundeliegenden Ausgangsverfahren streitig diskutiert werden, knüpfen im Ausgangspunkt an die unterlassene Veröffentlichung identischer als Insiderinformationen in Betracht kommender Umstände an.

b) Die vom Senat vertretene Auslegung des Begriffs des gleichen Lebenssachverhalts hat bei dieser Sichtweise gerade nicht zur Folge, dass sämtliche kapitalmarktrechtliche Klagen gegen andere Kfz-Hersteller zu einem Musterverfahren zusammengefasst und auf diese Weise die Rechte zahlreicher Betroffener in nicht gerechtfertigter Weise beschränkt werden könnten (so aber wissenschaftliche Stellungnahme Prof. Dr. Halfmeier aaO S. 15; gutachterliche Stellungnahme PD Dr. Mock aaO S. 4).

c) Keine anderweitige Betrachtungsweise ist infolge des Umstands gerechtfertigt, dass das Oberlandesgericht Braunschweig im unter dem Az. 3 Kap 1/16 geführten Musterverfahren mit Beschluss vom 23.10.2018 einen Antrag auf Erweiterung des dortigen Musterverfahrens um die Feststellungsziele abgelehnt hat, die dem Senat mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 vorgelegt wurden.

aa) Die Umstände, die dem vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren zugrunde liegen, und die Umstände, die in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart und den entsprechenden Ausgangsverfahren zugrunde liegen, stimmen lediglich teilweise im Rahmen einer Schnittmenge überein. Der gesamte Lebenssachverhalt jeden Komplexes wird durch zusätzliche Elemente geprägt. Hinsichtlich des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart und den entsprechenden Ausgangsverfahren sind hier insbesondere die Fragen nach einer eigenständigen Ad-hoc-verpflichtung einer Holding für Geschehnisse aus der Sphäre der Tochtergesellschaft, die Frage nach der unmittelbaren Betroffenheit durch Insiderinformationen aus dem Bereich der Geschäftstätigkeit der Tochtergesellschaft, die Frage nach der Wissenszurechnung im Falle eines Doppelmandats und die Frage nach einer Informationsabfrage und/oder -weiterleitungspflicht zu nennen.

bb) Vor diesem Hintergrund hat das Oberlandesgericht Braunschweig die Erweiterungsanträge, mit denen lediglich die Musterbeklagte zu 1 betreffende Fragen in das dortige Musterverfahren eingebracht werden sollten, mit der Begründung abgelehnt, dass insofern zwar derselbe Lebenssachverhalt in Ansehung der §§ 7, 8 KapMuG vorliege, hieraus aber nicht folge, dass sämtliche weiteren rechtlichen und tatsächlichen Fragstellungen im Zusammenhang mit einer Haftung der Musterbeklagten zu 1 den gleichen Lebenssachverhalt im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG beträfen (OLG Braunschweig Beschluss vom 23.10.2018 – 3 Kap 1/16 – II 2a der Gründe).

cc) Ob der Argumentation des Oberlandesgerichts Braunschweig insofern zuzustimmen ist, kann im Ergebnis offenbleiben. Selbst wenn der Begriff des gleichen Lebenssachverhalts im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG einerseits und im Rahmen von §§ 7, 8 KapMuG andererseits insofern unterschiedlich auszulegen sein sollte (vgl. dazu bereits oben 7b bb) 4)), würde den Klägern der dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart zugrundeliegenden Ausgangsverfahren kein unzumutbarer Nachteil entstehen.

Die vom Oberlandesgericht Braunschweig vertretene Auffassung hat zur Konsequenz, dass das mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 intendierte Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart jedenfalls so lange gem. § 7 KapMuG unzulässig ist, bis das vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführte Musterverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Sollten nach dem Abschluss des in Braunschweig geführten Musterverfahrens noch musterverfahrensfähige Fragen offen sein, die im Braunschweiger Musterverfahren nicht geklärt wurden, können diese Fragen im Anschluss zum Gegenstand eines weiteren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart geführten Musterverfahrens gemacht werden.

Die damit verbundene längere Verfahrensdauer ist für die Kläger der Ausgangsverfahren hinzunehmen. Ihnen entsteht dadurch, dass sie zunächst den rechtskräftigen Abschluss des vor dem Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Musterverfahrens abwarten müssen, kein unzumutbarer Nachteil. Denn die sukzessive Durchführung der Musterverfahren ist für die Kläger der Ausgangsverfahren auch mit Vorteilen verbunden, da im vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführten Musterverfahren Fragen vorab geklärt werden, die für die Entscheidung ihrer Verfahren relevant sind (vgl. OLG Braunschweig – 3 Kap 1/16 – Beschluss vom 23.10.2018 unter II 3a der Gründe; siehe außerdem vorstehend 7b dd).

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 6.2.2019 zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt Lang ergibt sich keine andere Betrachtungsweise aus dem Erfordernis einer Gleichbehandlung der Aktionäre der Musterbeklagten zu 1 einerseits und der Aktionäre der Musterbeklagten zu 2 andererseits. Dass die Aktionäre der Musterbeklagten zu 1 infolge des möglicherweise bestehenden Erfordernisses der sukzessiven Durchführung zweier Kapitalanlegermusterverfahren eine längere Verfahrensdauer bis zur Entscheidungsreife ihrer Ausgangsverfahren hinnehmen müssen, ist der verfahrensrechtlichen Konstellation geschuldet, dass das die Haftung der Musterbeklagten zu 2 betreffende Kapitalanlegermusterverfahren zuerst eingeleitet wurde. Die Ungleichbehandlung beruht folglich nicht auf Willkür, sondern ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt.

9. Weil eine Abhängigkeit im Sinne des § 7 KapMuG iVm § 8 Abs. 1 KapMuG unter mehreren Aspekten vorliegt und ein einheitlicher Lebenssachverhalt anzunehmen ist, ist das mit Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 vorgelegte Musterverfahren unzulässig.

Eine abweichende Betrachtungsweise ist entgegen der Auffassung des Vorlagegerichts nicht unter dem Aspekt einer etwa nach § 32b ZPO fehlenden Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig für die Entscheidung über Schäden in Finanzinstrumenten der Musterbeklagten zu 1 gerechtfertigt (VB Rn. 114 ff., 124 ff. zur „Kognitionsschranke“).

Diese Überlegung ist schon deshalb nicht erheblich, weil sie nur die unter A XXIV im Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.8.2016 aufgeführten Feststellungsziele betrifft, die u.a. die Frage nach der möglichen Haftung der (hiesigen) Musterbeklagten zu 2 für Schäden „aus Transaktionen in …Vorzugsaktien der Porsche SE“, also der Musterbeklagten zu 1 zum Gegenstand haben. Die Abhängigkeit der Stuttgarter Ausgangsverfahren vom Braunschweiger Musterverfahren geht darüber weit hinaus.

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob dieser Überlegung auch die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses (§ 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG) entgegensteht, was im Übrigen in erster Linie vom Oberlandesgericht Braunschweig zu entscheiden wäre.

C

Der Senat hat die Unzulässigkeit des Musterverfahrens und die Ablehnung der Bestimmung eines Musterklägers durch Beschluss auszusprechen. Den in der mündlichen Verhandlung vom 6.2.2019 gestellten weiteren Anträgen der Klägerin des Ausgangsverfahrens 22 O 288/16 ist nicht zu entsprechen.

1. Der Gesetzgeber hat in § 7 KapMuG nur die Sperrwirkung bestimmt, ohne zu regeln, wie damit im Verfahren umgegangen werden soll. Es ergibt sich aber aus der Natur der Sache, dass das Oberlandesgericht nach Eingang des Vorlagebeschlusses und nach Aussetzung jedenfalls einer namhaften Zahl von Ausgangsverfahren diese Sperrwirkung prüfen und bejahendenfalls durch Beschluss auch darüber entscheiden muss, dass es deshalb ausnahmsweise an der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses fehlt (KöKoKapMuG/Kruis, 2. Aufl., § 7 Rn. 26; Reuschle in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 7 Rn. 17; vgl. auch BT-Drucksache 17/8799 S. 20: „… Vorlagebeschluss zurückweisen“).

Damit ist auch die Bestimmung eines Musterklägers abzulehnen (Kruis und Reuschle, jeweils aaO), denn nach der Systematik des KapMuG kommt die Bestimmung eines Musterklägers nur in Betracht, wenn der Vorlagebeschluss das Oberlandesgericht bindet. Der Bestimmung eines Musterklägers bedarf es auch nicht zur Klärung der Frage nach der Sperrwirkung. Der Umstand, dass der Senat über diese Frage nach freigestellter mündlicher Verhandlung entscheidet (§ 128 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 KapMuG bzw. Art. 3 EGZPO), rechtfertigt keine andere Sichtweise (Beschluss vom 12.12.2018, Ziff. III, Bl. III 329 f; Beschluss im Protokoll vom 6.2.2019, Ziff. 1, Bl. IV 572). Ob das Oberlandesgericht gehindert wäre, die Sperrwirkung und damit die Unzulässigkeit des Musterverfahrens auszusprechen, wenn diese zunächst übersehen und ein Musterkläger bestellt wurde, wie die genannten Literaturstimmen annehmen, kann dahingestellt bleiben.

2. Entgegen der von Vertretern der Kläger ausgesetzter Verfahren geäußerten Vorstellung (Schriftsatz Tilp Rechtsanwälte vom 30.11.2018 unter XI., Bl. II 240 f. sowie Schriftsatz vom 13.12.2018, Bl. III 350 f. mit Hinweis auf den Meistbegünstigungsgrundsatz) bedarf es nicht der Bezeichnung des Beschlusses als „Musterentscheid“. Mit einem als solchen benannten Musterentscheid, der auch ein Beschluss ist (§ 16 Abs. 1 S. 1 KapMuG), wird nach der Konzeption des KapMuG über die Feststellungsziele entschieden (§ 2 Abs. 3 S. 2 KapMuG). Der Senat entscheidet nicht über die Feststellungsziele in Form eines für die Ausgangsverfahren verbindlichen Musters, sondern stellt die Unzulässigkeit einer solchen Entscheidung fest.

Abgesehen davon hätte die Bezeichnung als „Musterentscheid“, auch wenn sie für eine Entscheidung nach § 7 KapMuG zutreffend wäre, keine Auswirkungen. Insbesondere könnte sie für den Fall, dass gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel ansonsten nicht statthaft wäre, nicht die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde begründen. Ist ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung nicht statthaft, so wird ein Rechtsmittelzug nicht deshalb eröffnet, weil die Entscheidung fehlerhaft in der Form oder unter der Überschrift einer Entscheidung gefasst worden ist, gegen die ein Rechtsmittel statthaft wäre (Zöller/Heßler ZPO 32. Aufl. Vor § 511 Rn. 32 mwN). Wäre umgekehrt anzunehmen, dass gegen die verfahrensabschließende Entscheidung nach § 7 KapMuG die Rechtsbeschwerde nach § 20 KapMuG statthaft wäre, so hinge dies nicht von der Bezeichnung des Beschlusses als „Musterentscheid“ ab.

3. Die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens 22 O 288/16 beantragte Vorlage des vorliegenden Verfahrens analog § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO an den Bundesgerichtshof zur Bestimmung des Oberlandesgerichts, das über die streitgegenständlichen Feststellungsziele aus dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 zu entscheiden hat und/oder für die Entscheidung über diese Feststellungsziele zuständig ist, kommt nicht in Betracht.

Gem. § 36 Abs. 3 ZPO hat das Oberlandesgericht die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Der Senat hat weder ein zuständiges Gericht zu bestimmen noch will er dabei von einer ober- oder höchstrichterlichen Entscheidung abweichen. Er hat als das infolge des Vorlagebeschlusses gem. § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG unzweifelhaft zuständige Oberlandesgericht über die Frage der Sperrwirkung zu entscheiden, die keine Frage des Gerichtsstandes ist und vom Regelungsgehalt des § 36 Abs. 3 ZPO auch nicht annähernd erfasst wird. Mangels struktureller Gleichartigkeit dieser Rechtsfrage und mangels Regelungslücke darf diese Norm auch nicht analog angewendet werden.

4. Auch dem Antrag, ein Musterverfahren im Sinne der §§ 9 ff. KapMuG durchzuführen bzw. hilfsweise festzustellen, dass das vorliegende Verfahren ein Musterverfahren im Sinne der §§ 9 ff. KapMuG darstellt, ist nicht zu entsprechen.

Der Antrag auf Durchführung eines Musterverfahrens nach §§ 9 ff. KapMuG ist unzulässig, weil ein Musterverfahren nicht auf Antrag eines Klägers beim Oberlandesgericht, sondern infolge der Übermittlung des Vorlagebeschlusses durch das Landgericht eingeleitet wird (§ 6 Abs. 1 KapMuG). Infolge des Vorlagebeschlusses vom 28.2.2017 ist das Verfahren beim Oberlandesgericht anhängig. Es befindet sich im Stadium der Zulässigkeitsprüfung unter dem Gesichtspunkt der Sperrwirkung nach § 7 KapMuG. Ob das Verfahren bereits in diesem Stadium als Musterverfahren zu bezeichnen ist – wofür spricht, dass das Gesetz keine andere Bezeichnung vorsieht und generell die Bezeichnung einer Verfahrensart nicht davon abhängt, ob das Verfahren zulässig ist – oder ob es erst „Musterverfahren“ genannt werden kann, wenn die weiteren Schritte zur Durchführung des Verfahrens nach Abschnitt 2 KapMuG beginnend mit der Bestimmung des Musterklägers nach § 9 Abs. 2 KapMuG unternommen werden, und ob es deshalb noch zum Vorlageverfahren gem. Abschnitt 1 gehört oder gar ein eigenes Zwischenverfahren wäre, bedarf keiner Entscheidung. Aus den zu 2. genannten Gründen ist diese Frage ohne rechtliche Relevanz, insbesondere hängt davon nicht ab, ob ein Rechtsmittel statthaft ist. Soweit der Antrag weitergehend darauf zielen sollte, dass der Senat gem. § 9 Abs. 2 KapMuG einen Musterkläger bestimmen und sodann die weiteren in Abschnitt 2 vorgesehenen Verfahrensschritte einleiten solle, kommt dies deshalb nicht in Betracht, weil dafür nach der Systematik des KapMuG nur Raum ist, wenn die Bindungswirkung nach § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG greift und nicht wie hier ausnahmsweise wegen der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG fehlt.

Im Hinblick auf die fehlende Relevanz der Verfahrensbezeichnung fehlt dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag das Rechtsschutzinteresse.

D

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 11 Abs. 1 S. 1 KapMuG bzw. § 3 Abs. 1 EGZPO iVm § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 ZPO zuzulassen. Die Frage nach dem Umfang der Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt. Insbesondere die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage nach der Auslegung des Begriffs des einheitlichen Lebenssachverhalts im Sinne des KapMuG kann sich im Ausgangspunkt in jedem Kapitalanlegermusterverfahren stellen.

Die Rechtsfrage nach der Auslegung des § 7 KapMuG ist auch entscheidungserheblich.

1. Die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.2017 entfällt nicht ungeachtet einer Sperrwirkung gem. § 7 KapMuG bereits infolge von Perplexität.

Zwar entfällt die Bindung nach § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG, wenn es an einem Vorlagebeschluss fehlt, der eine geeignete Grundlage für die Durchführung eines Musterverfahrens darstellt (vgl. BGH Beschluss vom 26.7.2011 – II ZB 11/10 – juris Rn. 12, 16 – BGHZ 190, 383). Eine solche geeignete Grundlage kann dann fehlen, wenn ein Vorlagebeschluss hinsichtlich der dem Oberlandesgericht zur Entscheidung im Musterverfahren unterbreiteten Feststellungsziele derart widersprüchlich ist, dass sich ein zweifelsfreier Inhalt auch durch Auslegung nicht entnehmen lässt.

Jedoch sind etwaige Zweifel, ob das Vorliegen der Kenntnisse der Mitglieder des Vorstands der Volkswagen AG, die zugleich Mitglieder des Vorstands der Porsche SE sind bzw. waren, von den im Feststellungsziel I A 2 des Vorlagebeschlusses aufgezählten bzw. den in Rn. 245 des Vorlagebeschlusses genannten Umständen Gegenstand eines der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses ist (vgl. dazu die Ausführungen unter A II b des Hinweisbeschlusses des Senats vom 5.7.2018), jedenfalls ausräumbar. Insofern kommt in Betracht, dass im Verlaufe eines Musterverfahrens – ggf. nach entsprechenden Hinweisen des Senats – Klarstellungen erfolgen, die eine entsprechende Auslegung ermöglichen, oder dass sachdienliche Ergänzungsanträge gestellt werden (vgl. dazu BGH Beschluss vom 10.7.2018 – II ZB 24/14 – juris Rn. 33, 153; BGH Beschluss vom 19.9.2017 – XI ZB 17/15 – juris Rn. 66; zu den Grenzen der Hinweispflicht OLG Braunschweig Beschluss vom 6.12.2018 – 3 Kap 1/16 – veröffentlicht im Klageregister).

Hiervon abgesehen wäre von dieser Problematik nur ein Teil der vom Landgericht vorgelegten Feststellungsziele betroffen, was der Durchführung des Musterverfahrens im Übrigen ohnehin nicht entgegenstünde.

2. Eine Entscheidungserheblichkeit der Frage nach der Auslegung des § 7 KapMuG ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Vorlagebeschluss durch den Einzelrichter erlassen wurde. Eine Rückgabe des Vorlagebeschlusses an das Landgericht kommt nicht in Betracht.

Der Senat hat im Hinweisbeschluss vom 5.7.2018 die Frage aufgeworfen, ob für den Erlass des Vorlagebeschlusses die Zivilkammer zuständig gewesen sein könnte. Er hat problematisiert, dass das Landgericht von seinem eigenen Standpunkt aus zumindest die §§ 348, 348a ZPO hätte anwenden müssen, weshalb eine willkürliche Zuständigkeitsanmaßung in Erwägung zu ziehen sei.

In ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats vom 5.7.2018 haben mehrere Beteiligte die Auffassung vertreten, dass für den Erlass des Vorlagebeschlusses originär der Einzelrichter zuständig sei (vgl. etwa S. 5 des Schriftsatzes der Verfahrensbevollmächtigten Müller, Seidel, Vos vom 3.9.2018, Bl. I 85; S. 8 des Schriftsatzes der Verfahrensbevollmächtigten Nieding + Barth vom 10.9.2018, Bl. I 99, gegen KöKo-KapMuG/Vollkommer 2. Aufl. § 6 Rn. 48). Prof. Dr. Halfmeier vertritt zudem in seiner wissenschaftlichen Stellungnahme die Auffassung, dass ein etwaiger Verstoß gegen die Regelungen der §§ 348 ff. ZPO beim Landgericht nicht das ohnehin beim Oberlandesgericht vor dem Kollegialgericht durchzuführende Musterverfahren in einem Ausmaß betreffe, dass dies die Bindungswirkung beseitigen könne (aaO S. 22). In Anbetracht dieser Stellungnahmen erscheint eine Vorlage durch den Einzelrichter jedenfalls nicht als schlechthin unvertretbar und ein etwaiger Verstoß nicht als derart willkürlich, dass die Bindungswirkung alleine deshalb entfallen müsste.

 

Vatter

Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht

Dr. Schäffler

Richterin
am Oberlandesgericht

Dr. Schlecht

Richterin
am Oberlandesgericht

Verkündet am 27.03.2019

 

 

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