Musterverfahrensantrag 13 O 124/18 Nautessa Schiffsbetriebsgesellschaft MbH & Co. MS „Nedlloyd Marita“ KG und der Naulumo Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “ Maersk Nottingham“ KG

Landgericht Düsseldorf

Beschluss

In dem Rechtsstreit

des Herrn Manfred Grahl, Schilfweg 34, 01237 Dresden,

Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte KWAG Rechtsanwälte,
Lofthaus 4, Am Winterhafen 3 a, 28217 Bremen,

gegen

1.

die Commerz Real Fonds Beteiligungsgesellschaft mbH, vertr. d. d. Gf. Herrn Heiko Szczodrowski u. Herrn Rolf-Dieter Müller, Mercedesstraße 6, 40470 Düsseldorf,

2.

die Reederei Blue Star GmbH, vertr. d. d. Verwaltung Katharinen Schifffahrt GmbH, diese vertr. d. d. Gf. Herrn Ernst-Peter Komrowski, Kattrepel 2, 20095 Hamburg,

3.

die NAVIPOS Schiffsbeteiligungsgesellschaft mbH, vertr. d. d. Gf. Herrn Christian Moneke, Am Sandtorkai 62, 20457 Hamburg,

Beklagten,

Prozessbevollmächtigte zu 1, 3:
Rechtsanwälte SNB Law, Baumwall 7, 20459 Hamburg,
zu 2:
Rechtsanwälte Brock Müller Ziegenbein, Neuer Weg 1a, 24568 Kaltenkirchen,

A)
Dem Oberlandesgericht Köln werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:

I. Es wird festgestellt, dass der am 07.05.2008 veröffentlichte Emissionsprospekt zum „CFB-Fonds 168“, bestehend aus der NAUTESSA Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “NEDLLOYD MARITA“ KG und der NAULUMO Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “MAERSK NOTTINGHAM“ KG in erheblichen Punkten unrichtig, irreführend und unvollständig ist, als

1.

im Emissionsprospekt auf den Seiten 6, 7, 8, 10 und 20 mit Ausführungen zur „Sicherheit“, „Beschäftigungssicherheit“ und „hoher Planungssicherheit“ fälschlich tatsächlich nicht bestehende Sicherheiten in Bezug auf die Planbarkeit der Entwicklung des Fonds und einen Kapitalrückfluss dargestellt werden,

2.

es im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache fehlt, dass die volatilen Durchschnittscharterraten für Containerschiffe direkten Einfluss auf die Secondhand-Preise von Containerschiffen haben, diese also ebenfalls sehr volatil schwanken,

3.

es im Emissionsprospekt an einer Darstellung der extremen Auswirkungen von Angebot und Nachfrage auf die Höhe der zu erzielenden Charterraten fehlt,

4.

im Emissionsprospekt verschweigen wird, dass Charterraten für die Dauer einer mindestens 20jährigen Fondslaufzeit rechnerisch unkalkulierbar sind,

5.

es im Emissionsprospekt an einer Darstellung des Kaskadeneffektes als risikoerhöhendem Umstand fehlt,

6.

es im Emissionsprospekt an einer Darstellung des Transshipments-Effektes als risikoerhöhendem Umstand fehlt,

7.

im Emissionsprospekt die Tatsache verschwiegen wird, dass durch den Wegfall des Konferenzsystems ab dem Jahre 2008 der Preisdruck auf die Charterraten weiter wachsen musste,

8.

es im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache fehlt, dass zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe bereits eine Übertonnage auf dem Containerschiffsmarkt bestand und aufgrund neu auf den Markt drängender Containerschiffe diese Übertonnage weiter wachsen musste und schon deshalb die im Emissionsprospekt prognostizierten und kalkulierten (Anschluss)Charterraten unvertretbar hoch angesetzt waren,

9.

die Angabe im Emissionsprospekt auf den Seiten 11 und 27 , dass die Fondsschiffe zu einem marktgerechten bis günstigen Preis erworben worden seien, sowohl im Hinblick auf den überhitzten Schiffsmarkt zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe irreführend ist, da es an der Angabe fehlt, dass die Fondsschiffe in einem überhitzten Markt zu – im Verhältnis zum Niveau der vergangenen Jahre – sehr hohen Preisen erworben wurden, als auch im Hinblick darauf, dass die bereits im Jahre 2002 bestellten und um den Jahreswechsel 2003/2004 ausgelieferten Fondsschiffe zuvor im Eigentum eines anderen CFB-Fonds standen, der die Fondsschiffe für jeweils rund 27,5 Mio. USD erworben hatte und diese nunmehr „Gebrauchtschiffe“ an den streitgegenständlichen Fonds rund vier Jahre später für hohe 41,75 Mio. USD völlig überteuert verkaufte, also pro Schiff einen Aufpreis von 14,25 Mio. USD vereinnahmte, also 51,8 % mehr, als sie neu gekostet haben,

10.

im Emissionsprospekt auf den für die Beklagte zu 2) durch die Vereinnahmung von Provisionen beim Schiffsverkauf des CFB Nr. 146 bestehenden Interessenskonflikt nicht hingewiesen wird,

11.

im Emissionsprospekt auf die bestehenden personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Beklagten untereinander und daraus resultierenden Interessenskonflikten nicht hinreichend hingewiesen wird,

12.

es im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Risiken einer Ausflaggung fehlt,

13.

auf der Seite 49 des Emissionsprospektes werden die Betriebskosten mit 4.600,- USD pro Tag und Schiff und die jährliche Steigerung der Schiffsbetriebskosten mit 3 % p.a. jeweils unvertretbar niedrig prognostiziert und kalkuliert,

14.

die Weichkosten im Emissionsprospekt nicht hinreichend transparent dargestellt sind, im Gegenteil sogar irreführend, da Nebenkosten insgesamt fälschlich in Relation zum Gesamtaufwand dargestellt werden,

15.

im Emissionsprospekt im Rahmen der Darstellung von Risiken der Fremdfinanzierungen der Fondsschiffe die sog. Loan-to-Value-Klauseln nicht erwähnt wird, ebenso nicht die Besonderheiten aus Basel II,

16.

die im Emissionsprospekt abgedruckten Sensitivitätsanalysen auf den Seiten 54/55 insgesamt wegen unrealistisch niedrig angegebener Abweichungen irreführend sind,

17.

eine Nachschusspflicht auf der Seite 63 des Emissionsprospektes fälschlich ausgeschlossen wird, obwohl das Risiko besteht, dass ausländische Gerichte die deutsche Haftungsbeschränkung nicht anerkennen, da die Fondsschiffe in internationalen Gewässern unterwegs sind,

18.

im Emissionsprospekt über das Risiko einer möglichen Inanspruchnahme der Fondsgesellschaft durch Dritte nicht aufgeklärt wird, obwohl bei einer möglichen Insolvenz eines Charterers der Fondsschiffe, dessen Gläubiger berechtigt sind, die Fondsgesellschaften selbst für Ansprüche aus z.B. Kosten für die Löschung der Ladung, Lotsekosten, Bunkerkosten etc. durch Arrestierung des Schiffes von der Fondsgesellschaft einzufordern (sog. Charterers Default),

19.

im Emissionsprospekt das Risiko der Rückforderbarkeit von Ausschüttungen gem. §§ 30, 31 GmbHG analog nicht erwähnt wird.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten

1.

für den am 07.05.2008 veröffentlichte Emissionsprospekt zum „CFB-Fonds 168“, bestehend aus der NAUTESSA Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “NEDLLOYD MARITA“ KG und der NAULUMO Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “MAERSK NOTTINGHAM“ KG als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften, respektive aufgrund der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiten Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB verantwortlich sind

2.

bei der Veröffentlichung des am 07.05.2008 veröffentlichten Emissionsprospekt zum „CFB-Fonds 168“, bestehend aus der NAUTESSA Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “NEDLLOYD MARITA“ KG und der NAULUMO Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS “MAERSK NOTTINGHAM“ KG als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften, respektive aufgrund der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt haben.

3.

verpflichtet waren, über die in Ziffer I. festgestellten unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte im streitgegenständlichen Emissionsprospekt zum „CFB-Fonds 168“ aufzuklären und deshalb wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflichten haften.

B)
Dieser Vorlagebeschluss ist gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister des Bundesanzeigers öffentlich bekannt zu machen.

Gründe:

I.
Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegner Schadensersatzansprüche wegen einer auf Prospektfehlern beruhenden fehlerhaften Aufklärung im Vorfeld einer Beteiligung an der Nautessa Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS „Nedlloyd Marita“ KG und an der Naulumo Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. MS „Maersk Nottingham“ KG, gemeinsam angeboten als CFB-Fonds 168, geltend. Der Antragsteller zeichnete die Beteiligung vor dem Hintergrund der Angaben im Fondsprospekt vom 07.05.2008. Die Beklagte zu 1. war die Fondsinitiatorin, die Beklagten zu 2. und 3. waren Gründungsgesellschafterinnen der beiden Fondsgesellschaften.

II.
Der Antrag ist zulässig.

Die 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf ist für die Vorlage zuständig, § 6 Abs. 2 KapMuG. Zwar wurden nach § 3 Abs. 4 KapMuG keine Musterverfahrensanträge im Klageregister öffentlich bekannt gemacht, weil die Voraussetzungen zur Einleitung eines Musterverfahrens nach § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG bereits vorlagen (vgl. Vorwerk/Wolf, KapMuG/Radtke-Rieger/Riedel, 2. Aufl. 2020, KapMuG, § 3, Rn. 55). Soweit ersichtlich sind jedoch überhaupt nur Anträge bei der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf eingegangen, weshalb die Zuständigkeit eines anderen Gerichts nicht in Betracht kommt.

Das Quorum gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG ist erreicht. Es sind derzeit in folgenden Verfahren (alle 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf) Musterverfahrensanträge gestellt worden:

13 O 124/18 (1 Antrag des Klägers)

13 O 111/18 (14 Anträge der 14 Klageparteien)

Unerheblich ist, dass die Anträge nicht in mindestens zehn getrennten Prozessen gestellt wurden; es reicht vielmehr aus, wenn zehn einfache Streitgenossen jeweils einen auf die Durchführung des Musterverfahrens gerichteten Antrag gestellt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2008 – II ZB 6/07 –, BGHZ 176, 170-175, Rn. 10).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG).

 

Düsseldorf, 06.08.2020

13. Zivilkammer

 

Dr. Papst
Vorsitzender Richter am Landgericht
Dr. Schmitz
Richter am Landgericht
Dr. Schlömer
Richter

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