Muss der Anleger weiter monatliche Beiträge zahlen, obwohl die Gesellschaft „pleite“ ist? von Rechtsanwalt Tsanko Kalchev aus Frankfurt am Main

Besprechung von BGH, Urteil vom 16.05.2017, Az.: II ZR 284/15, HGB §§ 232, 235, 236.

Sachverhalt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte kürzlich eine praktisch sehr bedeutsame Konstellation zu entscheiden. Es stellte sich die Frage, ob die stillen Gesellschafter nach Liquidation der atypischen stillen Gesellschaft weiter zur Leistung ihrer Beiträge verpflichtet sind. Diese Sachverhalte kommen häufig vor und sollen daher kurz erläutert werden. In diesen Fällen beteiligt sich ein größeres Publikum von Anlegern an einer Gesellschaft mit einer monatlichen Rateneinlage. Es zahlt monatlich einen relativ geringen Betrag und soll an dem jährlichen Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt werden. Die durch die Anleger generierten Mittel sollen häufig größere Projekte finanzieren. Die Probleme entstehen aber, wenn die Projekte nicht erfolgreich umgesetzt werden und die Gesellschaft liquidiert oder insolvent wird.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall sollten Beiträge von atypischen stillen Gesellschafter zur „Finanzierung erforderlicher Investitionen des Geschäftsinhabers für die von ihm beabsichtigte Tätigkeit im Fahrzeugleasing- und Vermietungsgeschäft dienen“. Im Jahr 2009 wurde aber beschlossen, dass die stille Gesellschaft liquidiert wird. Die Beklagte bzw. die Anlegerin hat daraufhin die Beitragszahlung eingestellt. Die Klägerin bzw. deren Rechtsnachfolgerin hat dann die Beklagte unter anderem aufgefordert, Beiträge bis zum 28. Februar 2014 sowie weitere künftige 38 monatliche Raten zu zahlen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen, da sie es nicht eingesehen hat, an eine Gesellschaft weiter zu zahlen, die liquidiert wird.

Damit stellt sich die Frage: Muss der Anleger weiter zahlen, obwohl die Gesellschaft „pleite“ ist?

Der BGH hat diese Frage eindeutig bejaht. Dieses -auf den ersten Blick fragwürdige- Ergebnis hat der BGH mit dem Regelungsgehalt von §§ 232 Abs. 2, 236 Abs. 2 HGB dogmatisch richtig und zutreffend begründet.

Aus den §§ 232 Abs. 2, 236 Abs .2 HGB ergibt sich:

  • § 232 Abs. 2 HGB – Gewinn-/Verlustrechnung
    (2) 1Der stille Gesellschafter nimmt an dem Verlust nur bis zum Betrag seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage teil.
  • § 236 Abs. 2 HGB
    (2) Ist die Einlage rückständig, so hat sie der stille Gesellschafter bis zu dem Betrag, welcher zur Deckung seines Anteils am Verlust erforderlich ist, zur Insolvenzmasse einzuzahlen.

Danach müssen die stillen Gesellschafter grundsätzlich nur bis zu ihrem Verlustanteil haften. Eine Ausnahme ist aber dann gegeben, wenn die Einlage „Eigenkapitalcharakter“ hat. Einen solchen hat sie nach dem BGH, wenn die stillen Gesellschafter einem Kommanditisten vergleichbare Mitwirkungs- und Kontrollrechte haben, ihre Informations- und Kontrollrechte dem § 233 HGB und § 716 BGB entsprechen und der Abfindungsanspruch der Gesellschafter nachrangig ist. In den meisten Prospekten werden genau diese Regelungen zu finden sein. Damit werden die Beiträge der Anleger bzw. die Einlagen als eigenkapitalähnlich qualifiziert und sind auch nach Beendigung bzw. Insolvenz zu erstatten.

Dieses Ergebnis verwundert angesichts der klaren Rechtslage nicht. Es ist aber dem Anleger gleichwohl schwer zu vermitteln, dass er Beiträge in eine beendete Gesellschaft weiter einzahlen soll.

 

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