Kammergericht: Sonstige Entscheidungen 8 Kap 1/21 LIGNUM Sachwert Edelholz AG

Kammergericht

Az.: 8 Kap 1/​21

Beschluss

In Sachen

gegen

1)

Dr. Andreas Nobis, ul. Kiril i Metodiy Nr. 4, 7119 Pet Kladenci, Bulgarien
– Musterbeklagter –

2)

Peter Alexander Nobis, Etage 1, Kurfürstenstraße 21, 10785 Berlin
– Musterbeklagter –

3)

Andreas Rühl, Bruckäckerweg 15, 72770 Reutlingen
– Musterbeklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Schukran, Schudnagies & Krüger, Schlüterstraße 42, 10707 Berlin, Gz.: 159/​20

Prozessbevollmächtigte zu 3:
Rechtsanwälte Wüterich, Breucker, Charlottenstraße 22, 70182 Stuttgart, Gz.: 277/​20

hat das Kammergericht – 8. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bulling, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und die Richterin am Kammergericht Witt-Klein am 07.02.2022 beschlossen:

Zur Musterklägerin wird

Frau Sabine Hungerland

bestimmt.

GRÜNDE:

1.

Die Bestimmung der Musterklägerin beruht auf § 9 Abs. 2 Satz 1, 2 KapMuG, wobei der Senat im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens insbesondere die Verständigung mehrerer Kläger auf die Musterklägerin, § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KapMuG, sowie den Umstand, dass die Musterklägerin den höchsten Einzelanspruch verfolgt, § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KapMuG, berücksichtigt hat. Zudem ist die Musterklägerin im Hinblick auf die von ihr beauftragten Prozessbevollmächtigten, die eine Vielzahl von Klägern vertreten, auch im besonderen Maße geeignet, das Musterverfarhen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten angemessen zu führen, § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KapMuG.

2.

Mehrere Musterkläger waren nicht zu bestimmen.

Grundsätzlich geht das Gesetz von der Auswahl nur eines Musterklägers aus. Diese Grundregel dient dem Verfahrensziel, einen für alle betroffenen Ausgangsverfahren einheitlichen Musterentscheid zu ein und demselben Feststellungsziel herbeizuführen (BT-Drucks. 15/​5091, S. 25; Reuschle in: Kölner Kommentar KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 9 Rn. 14; Rimmelspacher, FS Canaris (2007), Bd. 2 S. 343, 345). Zwar tritt diese Grundregel zurück, soweit zwingende Gründe dies gebieten. So setzt sich eine notwendige Streitgenossenschaft, die bereits im Ausgangsverfahren besteht, im Musterverfahren zwingend fort (Reuschle, aaO, § 9 Rn. 14; Lange in: Vorwerk/​ Wolf, KapMuG; 2. Aufl. 2020, § 9 Rn. 21). Von dieser Ausnahme abgesehen wird aber grundsätzlich nur ein Musterkläger ernannt (so auch Reuschle, aaO, § 9 Rn. 19; Lange in: Vorwerk/​ Wolf, KapMuG; 2. Aufl. 2020, § 9 Rn. 21).

Soweit vertreten wird, eine Ausnahme sei auch dann zu machen, wenn – wie hier wegen der unterschiedlichen Versionen des streitgegenständlichen Prospekts – in den Ausgangsverfahren unterschiedlich weit reichende, sich nur teilweise oder überhaupt nicht deckende Anträge auf Einholung eines Musterentscheides gestellt wurden (s. Rimmelspacher, aaO, S. 347,348; s.a. Maier- Reimer/​ Wilsing, ZGR 2006, S. 79,96), folgt der Senat dem nicht. Der Musterklägerin wird nicht die Parteirolle bezüglich eines Streitgegenstandes aufgedrängt, den weder sie noch ihre Prozessgegner zur Entscheidung gestellt hat (so aber Rimmelspacher, aaO, S. 348). Das globale Feststellungsziel im Musterverfahren ist nicht identisch mit dem Streitgegenstandsbegriff im jeweiligen Ausgangsverfahren. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 KapMuG, aus dem zu ersehen ist, dass die Gleichgerichtetheit für die Berücksichtigungsfähigkeit von Musterverfahrensanträgen lediglich eine Übereinstimmung im Lebenssachverhalt erfordert, während die Einzelfeststellungsziele voneinander abweichen können (s. Reuschle, aaO, § 9 Rn. 19). Dies folgt auch aus § 15 KapMuG, in dem der Gesetzgeber jedem Beteiligten des Musterverfahrens ein Antragsrecht auf Erweiterung einräumt, ohne dass mit der Einführung weiterer Feststellungsziele eine Parteienhäufung auf Seiten des Musterklägers verbunden ist. Weiterhin bestehen, da die Musterbeklagten die Abwehr sämtlicher Feststellungsziele begehren, keine Bedenken, dass ein Musterkläger die Parteirolle für die von ihm ursprünglich nicht favorisierten Feststellungsziele übernimmt (s. Reuschle, aaO, § 9 Rn. 19). Schließlich hätte der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des KapMuG zum 19.10.2012 die Möglichkeit gehabt, diese Frage zu klären (s. a. Lange in: Vorwerk/​Wolf, KapMuG; 2. Aufl. 2020, § 9 Rn. 21).

Dieser Beschluss ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 KapMuG unanfechtbar.

 

Bulling Dr. Henkel Witt-Klein
Vorsitzender Richter
am Kammergericht
Richterin
am Kammergericht
Richterin
am Kammergericht

 

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 KapMuG wird auf Folgendes hingewiesen:

Innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Bekanntmachung nach § 10 Absatz 1 KapMuG kann ein Anspruch schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht zum Musterverfahren angemeldet werden. Die Anmeldung ist nicht zulässig, wenn wegen desselben Anspruchs bereits Klage erhoben wurde. Der Anmelder muss sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Die Anmeldung eines Anspruchs muss enthalten:

1.

die Bezeichnung des Anmelders und seiner gesetzlichen Vertreter,

2.

das Aktenzeichen des Musterverfahrens und die Erklärung, einen Anspruch anmelden zu wollen,

3.

die Bezeichnung der Musterbeklagten, gegen die sich der Anspruch richtet, und

4.

die Bezeichnung von Grund und Höhe des Anspruchs, der angemeldet werden soll.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass bei Anmeldung eines Anspruchs eine Gebühr nach Ziff. 1902 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfällt.

 

Berlin, den 07. Februar 2021

Kammergericht, 8. Zivilsenat

Der Vorsitzende

Bulling
Vorsitzender Richter am Kammergericht

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