Jedes Zehntelprozent hat auf dem Zinsmarkt seine Wirkung Lohnt sich der Kampf um Zahlen hinter dem Komma?

Bei 7,5 Prozent Rendite im Jahr jubeln die Anleger und danken ihrem Bankberater für die große Leistung. Das bringt ein Aktienfonds mit grauem Hintergrund, denn die Anleger wissen nicht, was sie gerade tun. So viel Rendite gibt es nicht mit Stetigkeit und Sicherheit. Den Aufwand der Suche nach einem Fonds, der vielleicht weniger Gebühren kostet, spart sich der selbsternannte Anleger als aufgestiegener Fachmann. Vermeintliche Qualifikation und Faulheit liegen eng zusammen. Wenige Prozentpunkte können sich für Anleger bei einer langfristig orientierten Altersvorsorge auswirken. Sicher hat die langfristige Betrachtung gezeigt, dass der Aktienfonds langfristig besser ist als die beste Serie festverzinslicher Staatspapiere. Markowitz hatte das bereits 1949 herausgearbeitet. Bei einer durchschnittlichen Rendite von 7,5 Prozent nach 30 Jahren könnten ca. 100.000 Euro angesammelt worden sein – bei 7,8 Prozent im Jahr, d. h. mit 0,3 Prozent weniger Kosten für das Bankinstitut, wären es ca. 9.000 Euro mehr gewesen.

Das setzt voraus, dass sich der Anleger nicht im Grau des Lebens verliert, eventuell eine vermeintlich bessere Anlageform oder zur Unzeit ein schöneres Auto entdeckt! Diese Effekte stellen die Attraktivität von Indexfonds in Frage, denn Psychologie ist nicht eingepreist. Wer von Anlageinstituten den Dax oder andere Indizes abbilden lässt, zahlt meist nicht mehr als 0,1 bis 0,2 Prozent Gebühren im Jahr. Das ist wenig im Vergleich zu normalen Aktienfonds, die 1 bis 1,5 Prozent verlangen. Der Kostenunterschied kann sich bei langer Anlagedauer auf Tausende Euro belaufen.

Selten denkt der Mensch so intensiv. Einen hohen Wert von 0,3 Prozentpunkten oder mehr bemerkt er nicht. Zu Hause studiert er Prospekte, wo das Fleisch 50 Cent weniger kostet und fährt sogar zu einem weit entfernt liegenden Supermarkt, weil die Butter dort 30 Cent günstiger zu haben ist. Diese unterschiedliche Wahrnehmung ist nicht nur beim Kauf von Wertpapieren und Fondsanteilen zu beobachten. Immobilienerwerber freuen sich, wenn sie Kredit für weniger als drei Prozent pro Jahr erhalten können.  Bei 2,25 – 2,25 Prozent erscheint die Differenz egal. Der Unterschied liegt bei 10 Prozent. Nach 20 Jahren kann der ersparte Zins ein Drittel der Darlehenssumme betragen.

Die Wirkung kleiner Zahlen wird auch außerhalb von Kredit und Geldanlagen unterschätzt. Versicherungsprämien wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung gehören dazu. 0,5 Prozentpunkte Unterschied bei der Prämie können sich bei Verdiensten über 50.000 Euro im Jahr auf mehr als 250 Euro Ersparnis im Jahr summieren.  Zwischen der teuersten Kasse und dem günstigsten Anbieter liegen 1,2 Prozentpunkte bzw. 630 Euro weniger pro Jahr. Von anderen nicht von den Krankenkassen beworbenen Tarifen gar nicht erst zu reden!

Bei der Haushaltsplanung lässt sich das für Strom, Handy- oder Internetvertrag, Füllen des Heizöltanks mit einem Taschenrechner in wenigen Sekunden ausrechnen. Wenige machen sich die Mühe und verschenken auf diese Weise viel Geld, indem sie die Wirkung kleiner Zahlen nicht beachten. Über lange Zeiträume, riesige Bezugsgrößen oder exponentielles Wachstum verstärkt sich der Effekt und vermindert die wirtschaftliche Lebensqualität (Hackethal, A.;  Professor für Finanzen – Goethe-Uni, Frankfurt).

Menschen können sich oft nur Zahlen vorstellen, die ihr Jahresgehalt nicht überschreiten (Beutelspacher, A.; Mathe-Museum „Mathematikum“, Gießen). Ob ein Baukredit mit Zinsen 290.000 Euro oder 300.000 Euro kostet, interessiert nicht, obwohl der Unterschied 10.000 Euro beträgt.

Exponentielles Wachstum mit Zinseszinseffekt bedeutet jedes Jahr zwei Prozent Verzinsung und nach zehn Jahren 22 Prozent Wertzuwachs, statt 20 Prozent. Nicht nur der angelegte Betrag verzinst sich, sondern auch die jedes Jahr gutgeschriebene Zinszahlung. Das Verständnis schaffen die meisten Menschen biologisch nicht.

Die Evolution des Menschen brauchte die Zinseszinsrechnung nicht, weil materielle Dinge oder für den Mann eine schöne Frau als Ziel anzustreben war (Beutelspacher, ebda.). Das Phänomen des Zinseszinseffekts ist in den ersten Jahren kaum zu bemerken. Wer 30 Jahre lang für den Ruhestand spart, spürt ihn gerade in den letzten Jahren der Laufzeit. Das ist eine Begründung für die großen Unterschiede im Fondsbeispiel. Dennoch hat das aktuelle Zinsumfeld Vorteile, da es durch niedrige Zinsen über den Zinseszinseffekt weniger wirkt.

Zur Abrundung die Biologie: Neugeborene haben einen tieferen Sinn für physikalische und biologische Aspekte, bringen diese zum Unverständnis der Eltern als Phantasie und Kreativität in ersten Sätzen und Bildern. Diese Kompetenzen verlieren sie durch die Erziehung, die das Ziel hat strategische Planungen – beginnend mit den Vorgaben des Kindergartens – zu erfüllen (Eisenkolb, B. /Müller, JP…). Mühsam müssen den Kindern diese verlorenen Vorgaben über die Wege von Sprache und Mathematik wieder beigebracht werden.

Was lernen wir daraus? Abstrakte Prozentsätze sollten umgerechnet und im Verhältnis zu den täglichen Erlebnissen erfasst werden, um sie greifbar zu machen. Das ist besser für unsere Kinder und uns.

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