Informations(mis)management und Covid-19: Ein Beitrag von Salvatore Giacomuzzi

Ist es Ihnen aufgefallen? Beinahe jeder Bericht über Covid-19 in den Nachrichten beinhaltet zumindest 3, 4, 5 oder mehr Bilder von Nadelstichen in den Oberarm eines vermeintlichen Patienten. Die Macht des Bildes macht uns mächtig oder auch ohnmächtig. Welchen Einfluss hat die Art der Berichterstattung auf uns? Ich möchte hierzu einige aktuelle Studienergebnisse  anführen, um auf die gegenwärtige Problematik hinzuweisen.

Ciampaglia zeigte schon 2017/2018[1] auf, dass die massive, unkontrollierte und oft systematische Verbreitung falscher und irreführender Informationen im Internet und in den sozialen Medien eine große Gefahr für die Gesellschaft wie auch diffamierten Einzelpersonen darstellt. Digitale Fehlinformationen gedeihen, so Ciampagia, auf der Grundlage einer Reihe kognitiver, sozialer und algorithmischer Verzerrungen, und die Gegenmaßnahmen auf der Grundlage journalistischer Korrekturen greifen dabei nicht.

Ferrara et al. (2020)[2] betonten schon im ersten Jahr der Pandemie, wie Böswilliges und missbräuchliches Verhalten in den sozialen Medien zu negativen Auswirkungen geführt hat und Online-Aktivitäten starke Auswirkungen auf das persönliche und kollektive Leben haben können. Die Verbreitung von Falschinformationen, die Zunahme von KI-manipulierten Multimedia-Inhalten, das Vorhandensein von KI-gesteuerten automatisierten Konten und das Auftauchen verschiedener Formen von schädlichen Inhalten sind nur einige der Gefahren, denen Nutzer sozialer Medien – auch unbewusst – im Online-System begegnen. In Krisenzeiten machen diese Aktivitäten noch intensiver für uns, da diese Beeinflussungen für alltägliche Nutzer sozialer Medien zunehmen. Die derzeitige COVID-19-Pandemie macht, so die Autoren, hier keine Ausnahme und stellt aufgrund des dramatisch gestiegenen Informationsbedarfs die ideale Umgebung für die Entstehung von Infodemie dar (Situationen, die durch die undisziplinierte Verbreitung von Informationen gekennzeichnet sind, einschließlich einer Vielzahl von wenig glaubwürdigen, gefälschten, irreführenden und ungeprüften Informationen).

Darüber hinaus, so Ferrara et al., profitieren böswillige Akteure von diesen unkontrollierten Situationen und versuchen, das daraus resultierende Chaos auszunutzen. In solchen Szenarien, in denen viel auf dem Spiel steht, können sich die Auswirkungen von Fehlinformationen oder der Manipulation der Informationslandschaft in Einstellungen und Verhaltensweisen mit potenziell dramatischen Folgen für die öffentliche Gesundheit manifestieren.

Dahanani und Franz (2020)[3] untersuchten die Auswirkungen des COVID-19-Framings auf Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit in den Vereinigten Staaten. Die Autoren beobachteten eine bemerkenswerte Zunahme vorurteilsbehafteter und fremdenfeindlicher Haltungen, die das Wohlergehen von Minderheitengruppen bedrohen und zur allgemeinen Belastung der öffentlichen Gesundheit durch das Virus beitragen. Ziel ihrer Arbeit war es daher, zu untersuchen, welche Aspekte der COVID-19-Pandemie zu einer Zunahme von Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit beitragen. Genauer gesagt wurde in dieser Studie ein experimentelles Design verwendet, um die Auswirkungen der Verwendung stigmatisierter Sprache zur Beschreibung des Virus sowie der Bedrohung der körperlichen Gesundheit und des wirtschaftlichen Wohlstands durch das Virus auf COVID-19-Vorurteile zu untersuchen. Die Daten wurden bei einer Stichprobe von 1451 Erwachsenen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten erhoben. Die Ergebnisse zeigten, dass die Betonung des Zusammenhangs zwischen China und COVID-19 anstelle einer neutralen Darstellung des Virus die negativen Einstellungen gegenüber asiatischen Amerikanern, die Überzeugung, dass Ressourcen vorrangig für Amerikaner und nicht für Einwanderer eingesetzt werden sollten, und die allgemeine Fremdenfeindlichkeit erhöhte. Die Betonung der schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus steigerte auch die Überzeugung, dass asiatische Amerikaner eine Bedrohung für die Ressourcen darstellen und steigerte ebenso die allgemeine Fremdenfeindlichkeit. Im Gegensatz dazu verstärkten Botschaften, die die ernsten Gesundheitsrisiken von COVID-19 betonten, nicht die Voreingenommenheit gegenüber asiatischen Amerikanern oder Fremdenfeindlichkeit. Die Ergebnisse der beiden Autoren deuten darauf hin, dass bestimmte Arten von Botschaften zur öffentlichen Gesundheit im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten, insbesondere die Darstellung des Virus in Bezug auf sein Herkunftsland oder seine wahrscheinlichen wirtschaftlichen Auswirkungen, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit hervorrufen.

Diese Beispiele zeigen in dramatischer Weise auf wie Meinungen, Einstellungen und Verhalten manipuliert werden können. Nicht selten werden hierbei große und nachhaltige Schäden für ganze Gesellschaften, aber auch Einzelpersonen angerichtet. Gesetzliche Regelungen gibt es hierzu nur sehr wenige und sind meistens zahnlos, da Einzelpersonen kaum gegen Multinationale Informationskonzerne etwas ausrichten können.

Unsere Zukunft wird zu einem großen Teil davon abhängen, wie wir mit diesen Instrumenten der Information umgehen lernen. Waren es die Physiker im letzten Jahrhundert, welche die Entwicklung der Atombombe schlussendlich bedauerten, so könnte es in diesem Jahrhundert die Informationsgesellschaft selber werden wenn wir nicht adäquate und verbindliche Richtlinien schaffen.

[1] Journal of Computational Social Science volume 1, pages147–153 (2018)

[2] Journal of Computational Social Science volume 3, pages271–277 (2020)

[3] Soc Sci Med . 2021 Jan;269:113572. doi: 10.1016/j.socscimed.2020.113572. Epub 2020 Dec 3.

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