Hanseatisches Oberlandesgericht: Beteiligungsgesellschaft MS „Santa-B Schiffe“ mbH & Co. KG

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 14 Kap 8/​16

Beschluss

In der Sache

Jürgen Schumacher, Orffweg 11, 52531 Übach-Palenberg

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KWAG, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3a, 28217 Bremen, Gz.: 0701/​15Q38/​Bu/​Bu

gegen

1)

MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawel, Palmaille 67, 22676 Hamburg

– Musterbeklagte –
2)

TVP Treuhand und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG, vertreten durch d. Verwaltung TVP Treuhand GmbH, diese vertreten durch ihre jeweils einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer Tobias Boehncke und Dr. Christian Gerlach, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –
3)

Reederei Claus-Peter Offen (GmbH & Co.) KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter Verwaltungsgesellschaft Reederei Claus-Peter Offen mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Claus-Peter Offen, Claus Oliver Offen, Jan Hendrik Offen und Andreas Baron von der Recke, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –
4)

TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH, vertreten durch die Geschäftsführer Tobias Boehncke und Tobias Lerchner, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –
5)

Sigbert Lang-Buchalik, Eichhornstraße 6, 63454 Hanau

– Musterbeklagter –
6)

Verwaltung Beteiligungsgesellschaft MS „Santa-B Schiffe“ mbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Jan-Hendrik Offen und Andreas Baron von der Recke, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –
7)

Sparkasse Harburg-Buxtehude, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Herrn Heinz Lüers, Sand 2, 21079 Hamburg

– Musterbeklagte –
8)

TARGOBANK AG & Co. KGaA, vertreten durch die Komplementärin TARGO Management AG, diese vertreten durch die Vorstände Peter Klein und Franz Josef Nick, Kasernenstraße 10, 40213 Düsseldorf

– Musterbeklagte –
9)

… entfallen …

– Musterbeklagter –
10)

… entfallen …

– Musterbeklagte –
11)

EFC AG, vertreten durch d. Vorstand Gordon Grundler, Lucia Fischer und Marc Stöhr, Harrlachweg 1, 68163 Mannheim

– Musterbeklagte –
12)

MPC Münchmeyer Petersen Capital Vermittlung GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawel, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –
13)

MPC Münchmeyer Petersen Capital AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten durch Ulf Holländer (Vorsitzender), Constantin Baack, Peter Ganz, Dr. Roman Rocke, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 3:
Rechtsanwälte Möhrle Happ Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Brandstwiete 3, 20457 Hamburg, Gz.: 30098 05877-13

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Berliner Allee 42, 40212 Düsseldorf, Gz.: 2017-0443

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 09630/​16-BVA/​atr

Prozessbevollmächtigte zu 2, 3 und 12:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Berliner Allee 42, 40212 Düsseldorf, Gz.: 2015-0619 MF/​nc

Prozessbevollmächtigte zu 4:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Berliner Allee 42, 40212 Düsseldorf, Gz.: 2016-0439

Prozessbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Westendstraße 28, 60325 Frankfurt

Prozessbevollmächtigte zu 6:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Berliner Allee 42, 40212 Düsseldorf, Gz.: 2016-0408 MF/​nc

Prozessbevollmächtigte zu 7:
Rechtsanwälte SCHLARMANNvonGEYSO Partnerschaft mbB, Veritaskai 3, 21079 Hamburg, Gz.: 00568-16/​Br/​ul

Prozessbevollmächtigte zu 8:
Rechtsanwälte Haver & Mailänder, Lenzhalde 83-85, 70192 Stuttgart, Gz.: 007107/​17 BB/​cg

Prozessbevollmächtigte zu 11:
Rechtsanwälte Peritus Rechtsanwaltsgesellschaft mbh, O4, 13-16 (Kunststraße), 68161 Mannheim, Gz.: 292/​18S ad

Prozessbevollmächtigte zu 13:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Berliner Allee 42, 40212 Düsseldorf

Nebenintervenientin zu 1:
comdirect bank Aktiengesellschaft, vertreten durch d. Vorstand Thorsten Reitmeyer, Holger Hohrein, Martina Plate, Martin Zielke, Pascalkehre 15, 25451 Quickborn

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Friedrich-Ebert-Anlage 35-37, 60327 Frankfurt am Main, Gz.: NPA/​83767-14/​JKO

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 14. Zivilsenat – durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Lohmann, den Richter am Amtsgericht Dr. Lanzius und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Leverenz am 22.10.2021:

Die Feststellungsziele zu Ziffer 2.) des Vorlagebeschlusses des Landgerichts vom 21.04.2016 (Az. 318 OH 1/​16) werden auf Antrag des Musterklägers wie folgt konkretisiert:

2.
Der am 28.02.2006 veröffentlichte Emissionsprospekt zur Beteiligungsgesellschaft MS „Santa-B Schiffe“ mbH & Co. KG ist in folgenden erheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend:

a)
Die Risiken aus dem volatilen Schiffsmarkt, dessen Besonderheiten, Entwicklungen und Perspektiven, insbesondere im Hinblick auf die absehbare Übertonnage werden im Emissionsprospekt nicht hinreichend dargestellt, namentlich fehlt es im Emissionsprospekt

aa)
an einer Darstellung der Tatsache, dass die Durchschnittscharterraten für Containerschiffe auch vor Prospektveröffentlichung seit mindestens dem Jahre 1993 extrem volatil waren,

bb)
an einer Darstellung der Tatsache, dass die volatilen Durchschnittscharterraten für Containerschiffe direkten Einfluss auf die Secondhand-Preise von Containerschiffen haben, diese also ebenfalls sehr volatil schwanken,

cc)
an einer Darstellung der extremen Auswirkungen von Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage auf die Höhe des Charterratenniveaus, mithin der Höhe der zu erzielenden Charterraten auf dem Markt,

dd)
an einer Darstellung, dass Charterraten für die Dauer einer mindestens 17,2-jährigen Fondslaufzeit rechnerisch unkalkulierbar sind,

ee)
an einer Darstellung des sog. „Schweinezyklus“ als risikoerhöhendem Umstand, sprich der Darstellung von Existenz und Folgen daraus, dass Angebotsmenge und Marktpreise in der historischen Entwicklung stets periodisch schwankten,

ff)
an einer Darstellung des sog. Kaskadeneffektes als risikoerhöhendem Umstand, sprich der Darstellung von Existenz und Folgen daraus, dass aufgrund größenbedingter Preisvorteile für den Transport eines Containers bei größeren Schiffen kleinere Schiffe aus ihren bis dahin vordergründig bedienten Fahrgebieten in andere, regelmäßig weniger lukrative Fahrgebiete verdrängt werden,

gg)
an einer Darstellung des Transshipment-Effektes als risikoerhöhendem Umstand, sprich den Auswirkungen auf die Anzahl der benötigten Schiffe und die Höhe des Container-Umschlags durch das „Umsteigen“ von Containern von größeren auf kleinere Schiffe (oder umgekehrt),

hh)
an einer Darstellung, dass durch die zum Zeitpunkt der Prospekterstellung beschlossene Abschaffung der Gruppenfreistellungsverordnung für Linienkonferenzen im Seefrachtverkehr (EWG Nr. 4045/​86) zum 18.10.2008 der Preisdruck auf die durchschnittlich am Markt erzielbaren Charterraten weiterwachsen musste,

ii)
an einer Darstellung der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe bereits eine Übertonnage auf dem Containerschiffschartermarkt bestand und aufgrund neu auf den Markt drängender Schiffe diese weiterwachsen musste.

b)
Im Hinblick auf das aktuelle und das zukünftig absehbare Marktumfeld zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe und die erkennbar wachsende Diskrepanz zwischen Angebot an Containerschiffstransportfläche und Nachfrage danach, werden im Emissionsprospekt die prognostizierten Charterraten für die „San Amerigo“, die „San Andres“ und die „San Antonio“ mit jeweils 18.450,– USD pro Tag und Schiff sowie die „Santa Bettina“, die „Santa Bianca“ und die „Santa Brunella“ mit jeweils 21.750,- USD pro Tag und Schiff sowie nach Ende der unterstellten fünfjährigen Charterperioden für die „San Albano“, die „San Alberto“, die „San Alessandro“, die „San Alfonso“, die „San Alfredo“ und die „San Alvaro“ mit jeweils 18.450,– USD pro Tag und Schiff sowie für die „Santa Balbina“ und die „Santa Belina“ mit jeweils 21.750,– USD pro Tag und Schiff unvertretbar hoch angesetzt.

c)
Die Angabe auf den Seiten 34 und 60 des Emissionsprospektes, dass die vereinbarten Preise der Fondsschiffe „sehr günstig“ seien, und die Angabe auf Seite 34 des Emissionsprospektes, dass die Fondsschiffe Wettbewerbsvorteile hätten, ist im Hinblick auf den Schiffsmarkt zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe und der baulichen Beschaffenheit der konkreten Fondsschiffe irreführend.

d)
Die im Emissionsprospekt abgedruckten Sensitivitätsanalysen auf den Seiten 101 bis 105 sind insgesamt wegen unrealistisch niedrig angegebener Abweichungen irreführend.

e)
Die im Emissionsprospekt auf Seiten 84/​85 abgedruckte Liquiditätsprognose und die auf Seiten 86/​87 abgedruckte Ertragsprognose sind für einen objektiven Leser nicht nachvollziehbar, da entscheidende Angaben zu den einzelnen Fondsschiffen im Prospekt fehlen, die den dort dargestellten Zahlen zugrunde liegen.

f)
Die Weichkosten sind auf den Seiten 78/​79 des Emissionsprospektes nicht hinreichend transparent dargestellt, insbesondere wird nicht hinreichend deutlich, welcher vom Anleger investierte Betrag überhaupt werthaltig in die Fondsschiffe fließt.

g)
Die zahlreichen Risiken im Zusammenhang mit den Fremdfinanzierungen der Fondsschiffe werden nicht hinreichend deutlich dargestellt, es fehlt

aa)
an einer Darstellung, dass in den Fremdfinanzierungsverträgen jeweils sog. Loan-to-Value-Klauseln vereinbart wurden, was bedeutet, dass dann, wenn der aktuelle Wert des Schiffes den vertraglich vereinbarten Wert unterschreitet, die Bank neue Sicherheiten oder Sondertilgungen verlangen kann;

bb)
an einer Darstellung, dass in den Fremdfinanzierungsverträgen jeweils eine sog. 105%-Klausel vereinbart wurde, was bedeutet, dass die finanzierende Bank bei einer wechselkursbedingten Überschreitung des Kreditlimits um mehr als 5 % die Rückführung des Kredits auf das Limit verlangen kann.

Darüber hinaus werden nicht bestehende Absicherungen im Hinblick auf die Fremdfinanzierungen der Fondsschiffe vorgetäuscht, wenn es auf Seite 110 des Emissionsprospektes zum einen heißt, dass die Reederei Claus-Peter Offen für die Darlehen der Commerzbank AG im Rahmen der 105%-Klausel haften würde und zum anderen, dass als weitere Sicherheit die Reederei Claus-Peter Offen eine 80%-Kapitaldienstgarantie gegenüber der DnB NOR abgegeben habe.

h)
Auf personelle Verflechtungen, wirtschaftliche Interessen der Musterbeklagten und der damit einhergehenden Interessenkonflikte wird nicht hinreichend hingewiesen, namentlich

aa)
wird nicht hinreichend deutlich, dass und was die Musterbeklagte zu 3) als Gesellschafterin der Verkäufergesellschaften aus den Schiffsverkäufen der Verkäufergesellschaften an die Ein-Schiffsgesellschaften an wirtschaftlichen Vorteilen erhält, weil zum einen unterschiedliche Zahlen in der Tabelle auf Seite 59 des Prospekts vom Leser zusammengesucht und ins Verhältnis gesetzt werden müssten, um darüber hinaus zu summieren, welche Mehrerlöse die Verkäufergesellschaften in Relation zum Baupreis erhalten, zum anderen ausweislich Seite 58 des Prospekts angeblich kalkulierte Zinsen und Kosten der Bauratenfinanzierung sowie angebliche Gebühren für die Endfinanzierung und angebliche weitere Kosten der Verkäufergesellschaften im Prospekt nicht dargestellt werden, auf Seite 59 des Prospekts ohne nähere Erklärung irreführend behauptet wird, dass für die Santa-A-Schiffe keine Gewinne generiert werden würden, sondern nur für die Santa-B-Schiffe ein Gewinn in Höhe von durchschnittlich ca. USD 1,2 Millionen pro Schiff erzielt werden würde und schließlich für einen durchschnittlich versierten Leser mangels entsprechender Erklärung auch nicht hinreichend deutlich wird, dass und in welcher Höhe die Musterbeklagte zu 3) von Mehrerlösen der Verkäufergesellschaften als Gesellschafterin dieser profitiert;

bb)
stellt die aktive Bewerbung auf Seite 7 des Emissionsprospektes damit, dass die Musterbeklagte zu 3) ihr Vertrauen in den wirtschaftlichen Erfolg dieses Fonds dokumentiere, indem sie sich mit 20,165 Mio. EUR kommanditistisch beteilige, eine konkrete Täuschung des Anlegers dar, da diesem nicht hinreichend offengelegt wird, dass die Musterbeklagte zu 3) allein durch Zwischengewinne aus den Schiffsverkäufen und Einnahmen aus der vorbereitenden Bereederung längst Beträge vereinnahmt hat, die diese 20,165 Mio. EUR weit übersteigen;

cc)
wird nicht erwähnt, dass zwischen der Musterbeklagten zu 2) und der Musterbeklagten zu 13) ein Beherrschung- und Gewinnabführungsvertrag bestand, der weitreichende Weisungsrechte der Musterbeklagten zu 13) gegenüber der Musterbeklagten zu 2) vorsah, was die Gefahr begründet, dass die Musterbeklagte zu 2) ihre Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen der Treugeber nicht ordnungsgemäß nachkommt;

i)
Die ausweislich Seite 91 des Emissionsprospektes in Ansatz gebrachten Betriebskostensteigerungen von 3 % pro Jahr sind unvertretbar niedrig kalkuliert.

j)
Es werden mit der Darstellung auf Seite 111 des Emissionsprospektes fälschlich werthaltige Platzierungsgarantien vorgetäuscht, obwohl die Platzierungsgaranten wirtschaftlich nie in der Lage waren, Emissionskapital in Höhe von insgesamt 176.905.000 EUR aufzubringen.

k)
Über das Risiko einer möglichen Inanspruchnahme der Fondsgesellschaft durch Dritte klärt der Emissionsprospekt nicht auf, namentlich nicht darüber, dass bei einer möglichen Insolvenz des Charterers eines Fondsschiffes, die Gläubiger dieses Charterers berechtigt sind, die Fondsgesellschaft selbst für Ansprüche gegen den Charterer in Anspruch zu nehmen und ein Fondsschiff dafür zu arrestieren.

l)
Eine Nachschusspflicht wird auf Seiten 10 und 31 des Emissionsprospektes mit der jeweiligen Aussage „Eine Nachschusspflicht besteht nicht.“ fälschlich ausgeschlossen.

m)
Das Risiko der Rückforderbarkeit von Ausschüttungen gemäß §§ 30, 31 GmbHG analog wird im Emissionsprospekt fälschlich nicht erwähnt.

Dr. Lohmann
Richter
am Oberlandesgericht
Dr. Lanzius
Richter
am Amtsgericht
Dr. Leverenz
Richter
am Oberlandesgericht

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