In Ramallah und Gaza-Stadt herrschten am Montag emotionale Szenen: etwa 250 verurteilte palästinensische Häftlinge sowie rund 1.700 ohne Anklage festgehaltene Personen aus dem Gazastreifen wurden von Israel freigelassen – im Rahmen eines historischen Austauschs gegen 20 israelische Geiseln und die Leichname von vier weiteren.
Emotionale Szenen bei Rückkehr in Ramallah und Gaza
In Ramallah stiegen zahlreiche Männer sichtlich geschwächt aus den Bussen des Roten Kreuzes. Viele waren in Keffiyeh-Schals gehüllt, manche konnten kaum gehen. Angehörige empfingen sie mit Tränen, Umarmungen und stiller Ergriffenheit.
„Er ist bereit, die Freiheit zu umarmen“, sagte Amro Abdullah (24), der seinen Cousin Rashid Omar (48) in Empfang nahm – dieser war seit 2005 wegen Mordes in israelischer Haft.
Feierlichkeiten, aber auch Vorsicht
Während viele Familien in Gaza ausgelassen feierten, war die Stimmung in der Westbank zurückhaltender. Medienberichten zufolge hatten israelische Behörden Familien davor gewarnt, öffentlich zu sprechen oder die Freilassung zu feiern – aus Sorge vor Bildern mit Hamas-Flaggen, wie sie bei früheren Gefangenenaustauschen zu sehen waren.
In Khan Younis im südlichen Gazastreifen bereiteten sich Hilfseinrichtungen wie das Nasser-Krankenhaus auf die Ankunft der Freigelassenen vor. Ein provisorisches Feldlazarett war eingerichtet worden.
„Es ist ein Tag der Freude – trotz allem, was wir im Krieg verloren haben“, sagte Muhammad Hasan Saeed Dawood (50), dessen Sohn an einem israelischen Kontrollpunkt festgenommen worden war.
Gesundheitszustand und Berichte über Misshandlung
Mehrere Helfer und Familienangehörige berichteten übereinstimmend, dass viele der entlassenen Gefangenen unterernährt, geschwächt und teilweise verletzt gewesen seien. Laut der Organisation Palästinensischer Gefangenenclub sollen viele der Inhaftierten in den letzten Monaten gezielt unterernährt und ärztlich unzureichend versorgt worden sein.
„Die Körper sind vom Hunger geschwächt, sie haben Schläge erlitten“, sagte Sprecherin Aya Shreiteh (26).
„Aber dieser Tag gibt uns Hoffnung. Freiheit ist möglich, trotz allem.“
Die BBC konnte die Misshandlungsvorwürfe nicht unabhängig verifizieren. Allerdings hatte Israels Oberstes Gericht zuletzt selbst eingeräumt, dass palästinensische Häftlinge nicht ausreichend mit Nahrung versorgt würden.
Politischer Hintergrund: Phase eins von Trumps Friedensplan
Die Freilassungen sind Teil der ersten Phase eines von US-Präsident Donald Trump vermittelten Friedensplans, der den monatelangen Krieg zwischen Israel und der Hamas beenden soll. Der Krieg war am 7. Oktober 2023 durch Angriffe der Hamas auf Süd-Israel ausgelöst worden, bei denen etwa 1.200 Menschen getötet und 251 Geiseln genommen wurden.
Als Reaktion darauf führte Israel eine massive Militäroffensive durch, bei der laut Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza über 67.000 Palästinenser getötet wurden.
Am Freitag trat eine Waffenruhe in Kraft. In den kommenden Wochen sollen die nächsten Phasen des Friedensplans verhandelt werden – darunter der Wiederaufbau Gazas, ein möglicher Rückzug Israels und die Frage, wer die Kontrolle über das Gebiet übernehmen soll.
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