Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinie über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen

Published On: Mittwoch, 08.05.2024By Tags:

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die Richtlinie über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte
Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID und
Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen

Vom 21. Dezember 2023

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 21. Dezember 2023 die Richtlinie über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen (Long-COVID-Richtlinie/​LongCOV-RL) beschlossen:

I.

„Richtlinie über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen (Long-COVID-Richtlinie/​LongCOV-RL)

§ 1

Rechtsgrundlage, Zweck und Versorgungsziele

(1) Die Richtlinie regelt auf Grundlage von § 92 Absatz 6c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung von Patientinnen und Patienten nach § 2 durch Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer nach § 3.

(2) Die Richtlinie beschreibt hierfür eine strukturierte Patientenversorgung, legt Rahmenbedingungen einer inter­disziplinären und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit fest und definiert Anforderungen an die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Die Vorgaben sollen die Durchführung einer indikationsbezogenen und strukturierten Diagnostik sowie die Umsetzung der Grundsätze einer biopsychosozialen Behandlung nach aktuellem medizinischem Kenntnisstand sicherstellen.

(3) Ziele der Versorgung nach dieser Richtlinie sind eine verbesserte, bedarfsgerechte und zeitnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten nach § 2. Diese Ziele werden konkretisiert durch

1.
die zeitnahe und niedrigschwellige Erreichbarkeit eines zentralen ärztlichen Ansprechpartners, der die leitliniengerechte, bei Bedarf multimodale Versorgung ermöglicht und die patientenindividuell notwendige Koordination der Versorgungsangebote übernimmt, gestützt durch telemedizinische Verfahren,
2.
eine bei Bedarf interdisziplinäre Diagnostik und Therapie,
3.
die Zuordnung nach Schwere der Erkrankung (gemessen an der Einschränkung der Alltagsaktivität und Teilhabe),
4.
die Versorgung auf der Grundlage eines individualisierten, strukturierten und aktuellen Behandlungsplans,
5.
eine Stärkung der strukturierten Zusammenarbeit von Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern,
6.
die Unterstützung der Patientinnen und Patienten beim Zugang zu klinischen Studien zur Verbesserung der Versorgungsmöglichkeiten,
7.
die Ermöglichung einer gezielten, zeitnahen Überleitung in eine Versorgung außerhalb dieser Richtlinie,
8.
grundsätzlich im Rahmen des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung auch vorzusehende Angebote zur Verbesserung des Krankheitsverlaufs, der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten, wie zum Beispiel durch Linderung von Symptomen und Abwendung einer Verschlechterung des Verlaufs unter Beachtung der post-exertionellen Malaise (PEM).
§ 2

Definition der Patientengruppe

(1) Die Richtlinie regelt die Versorgung von Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen mit dem Verdacht auf oder einer festgestellten Long-COVID-Erkrankung. Als Long-COVID werden ein post-akut anhaltendes oder neu auftretendes Symptom oder Krankheitsbild oder mehrere solcher Symptome oder Krankheitsbilder in Folge einer akuten SARS-CoV-2-Infektion bezeichnet, die länger als vier Wochen nach Infektion andauern oder ab einer Zeit von vier Wochen nach Infektion auftreten. Hierzu werden auch Folgen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion gezählt, die als Post-COVID bezeichnet werden und länger als zwölf Wochen (bei Kindern und Jugendlichen nach acht Wochen) nach Infektion andauern oder neu auftreten. In diesem Sinne werden von der Richtlinie auch Patientinnen und Patienten erfasst, die

1.
infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 den Verdacht oder die Diagnose einer Myalgischen Enzephalomyelitis/​eines Chronic Fatigue Syndromes (ME/​CFS) aufweisen oder
2.
nachfolgend einer Impfung zur Prophylaxe einer COVID-19-Erkrankung Long-COVID-ähnliche Symptome aufweisen.

(2) Von der Richtlinie erfasst wird auch der Verdacht auf oder eine festgestellte Erkrankung, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Erkrankungsausprägung wie Long-COVID aufweist. In diesem Sinne werden von der Richtlinie auch Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen erfasst, die

1.
infolge einer Infektion post-akut eine der Long-COVID-Erkrankung ähnliche Symptomatik aufweisen oder
2.
eine ME/​CFS aufweisen.

(3) Die Diagnosestellung erfolgt leitlinienbasiert beziehungsweise nach aktuellem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse auf Basis einer symptomorientierten differenzialdiagnostischen Abklärung oder als Ausschlussdiagnose. Die differenzialdiagnostische Abklärung und insbesondere die Diagnosestellung als Ausschluss­diagnose sollen den zeitnahen Behandlungsbeginn bei hinreichender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Erkrankung nach § 2 nicht behindern. Ein Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung gemäß Absatz 1 und Absatz 2 setzt voraus, dass Symptome oder Beschwerden bestehen, die eine behandlungswürdige Einschränkung der Alltagsfunktion und Lebensqualität bewirken und einen negativen Einfluss auf Sozial-, Arbeits- oder Schulleben haben, die nicht hinreichend durch andere Erkrankungen erklärbar sind.

(4) Die Versorgung nach dieser Richtlinie umfasst Patientinnen und Patienten, bei denen der Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung nach Absatz 1 oder Absatz 2 vorliegt, und beginnt mit der Durchführung der Maßnahmen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1. Liegt zu Beginn bereits eine bestätigte Diagnose einer Erkrankung gemäß Absatz 1 oder Absatz 2 vor, so sind die Maßnahmen entsprechend anzupassen. Die Versorgung nach dieser Richtlinie wird nach Durchführung dieser Maßnahmen nur dann fortgeführt, wenn diese zur Feststellung des Vorliegens einer Erkrankung nach Absatz 1 oder Absatz 2 geführt haben oder bei Vorliegen einer bestätigten Diagnose einer Erkrankung gemäß Absatz 1 oder Absatz 2. Die Versorgung nach dieser Richtlinie endet, wenn eine Versorgung über § 5 Absatz 2 (Beobachtung des Krankheitsverlaufs) hinaus stattgefunden hat, in der Folge jedoch kein weiterer Koordinierungsbedarf gemäß § 4 Absatz 4 mehr vorliegt. Sie endet ebenfalls, wenn die Patientin oder der Patient im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden soll und die Bestimmungen der Richtlinie dem in der Studie vorgesehenen Vorgehen entgegenstünden.

§ 3

Teilnehmende Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer und Versorgungsebenen

(1) Die Versorgung von Patientinnen und Patienten nach § 2 erfolgt gemäß dieser Richtlinie durch an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer.

Sie kann in Abhängigkeit von der Art, Schwere und Komplexität der Erkrankung in den Ebenen hausärztliche Versorgung (§ 5), fachärztliche Versorgung (§ 6) und spezialisierte ambulante Versorgung (§ 7) erfolgen.

(2) In der hausärztlichen Ebene erfolgt die Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Absatz 1a Satz 1 SGB V teilnehmen, einschließlich Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte.

(3) In der fachärztlichen Ebene erfolgt die Versorgung durch Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die an der fachärztlichen Versorgung nach § 73 Absatz 1a Satz 2 SGB V teilnehmen, sofern eine Facharztbezeichnung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung vorliegt. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten (einschließlich Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten, die Neuropsychologische Therapie nach Anlage I Nummer 19 § 6 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung erbringen) sind dieser Versorgungsebene zuzuordnen. Die fachärztliche Versorgung umfasst auch die Versorgung durch ermächtigte Ärztinnen oder Ärzte und ermächtigte Einrichtungen. Bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sind dies insbesondere auch Sozialpädiatrische Zentren und spezialisierte pädiatrische Ärztinnen und Ärzte und Einrichtungen.

(4) Die Versorgung auf der Ebene der spezialisierten ambulanten Versorgung erfolgt durch Hochschulambulanzen im Sinne von § 117 SGB V sowie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die folgende Kriterien erfüllen:

1.
ein dem Fachgebiet entsprechendes umfassendes Angebot einer ambulanten, fachärztlichen Versorgung der Fachgebiete Neurologie, Innere Medizin und Kardiologie, Innere Medizin und Pneumologie,
2.
das Angebot einer psychotherapeutischen Versorgung oder neuropsychologischen Diagnostik,
3.
die Möglichkeit einer akutstationären Versorgung für relevante Fachgebiete evtl. in geregelter Kooperation,
4.
das Vorhalten von telemedizinischen Angeboten und
5.
Beteiligung an klinischer Forschung zu Erkrankungen gemäß § 2 sowie Information über laufende Studien und Forschungsergebnisse.

(5) Den an der Versorgung nach dieser Richtlinie adressierten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern wird empfohlen, sich über Erkrankungen nach § 2 und deren koordinierte Versorgung insbesondere interdisziplinär strukturiert auszutauschen (wie zum Beispiel in Fortbildungen, Netzwerken oder sonstigen Formaten).

§ 4

Behandlungsplan und Koordination der Versorgung

(1) Wesentliche Elemente in der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer Erkrankung nach § 2 sind die Behandlungskoordination und der Behandlungsplan. Die Patientin oder der Patient verständigt sich mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt auf deren oder dessen koordinierende Funktion.

(2) Die Koordination umfasst

1.
die Übernahme der Rolle der zentralen Ansprechperson im Versorgungsprozess für die Patientin oder den Patienten,
2.
die Steuerung der Behandlung in medizinischen Fragen zu Diagnostik- und Therapieoptionen unter Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte entlang der mit der Patientin oder dem Patienten gemeinsam festgelegten Behandlungsziele und entsprechend dem vorliegenden Schweregrad,
3.
die Erstellung eines Behandlungsplans unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Basis-Assessments nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 und weiterer Diagnostik mit Behandlungszielen, Angaben zu den nächsten Behandlungsschritten und den geplanten weiteren Maßnahmen, wenn gemäß § 2 Absatz 3 eine Diagnose hinreichend wahrscheinlich ist,
4.
nach Möglichkeit die Vorabklärung und Planung individuell erforderlicher diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen sowohl in somatischer als auch in psychischer Hinsicht; belastungsadaptierte Planung des Umfangs der Eingangsdiagnostik bei Vorliegen des Verdachts einer Belastungsintoleranz mit PEM oder einer Symptomkonstellation, die eine ME/​CFS vermuten lässt, sowie gesicherter ME/​CFS-Diagnose,
5.
die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer gemäß § 3 Absatz 3 oder Absatz 4,
6.
die Berücksichtigung von Vorschlägen zur Anpassung und Aktualisierung des Behandlungsplans anderer an der Behandlung beteiligter Leistungserbringerinnen oder Leistungserbringer,
7.
die Vernetzung mit anderen an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten nach dieser Richtlinie beteiligten Leistungserbringerinnen oder Leistungserbringern für diese Koordination,
8.
die Zusammenführung, Bewertung, Dokumentation und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
9.
die Veranlassung notwendiger Überweisungen sowie Leistungen nach § 8,
10.
die Einbeziehung relevanter Bezugspersonen, sofern erforderlich,
11.
die Übernahme der Rolle der Ansprechperson für andere Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer sowie kooperierende Einrichtungen und Organisationen (zum Beispiel Selbsthilfeorganisationen, Jugendämter, Arbeitgeber, Kindertagesstätten, Schulen, Ausbildungsstätten, Universitäten),
12.
gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit weiteren Gesundheitsprofessionen und flankierenden Diensten, insbesondere ambulante Pflegedienste zur häuslichen Krankenpflege, Heilmittelerbringerinnen und Heilmittelerbringer, Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V mit Leistungsangeboten für Patientinnen und Patienten mit einer Erkrankung nach § 2,
13.
die bedarfsgerechte Begleitung eines unterstützenden Selbstmanagements (gegebenenfalls auch in Gruppen) sowie Information über Angebote zur Stärkung der Gesundheitskompetenz, zur Krankheitsbewältigung und dem bestmöglichen Erhalt beziehungsweise Wiederherstellung der Arbeits-, Ausbildungs- oder Schulfähigkeit,
14.
Hinweise auf Schulungsangebote und sonstige Informationsquellen (zum Beispiel Flyer, Internetseiten) für Betroffene, Sorgeberechtigte, andere Leistungserbringende sowie kooperierende Einrichtungen.

(3) Der Behandlungsplan nach Absatz 2 Nummer 3 muss mindestens Angaben zu erwogenen oder bestätigten Diagnosen, den Ergebnissen der Befunderhebung nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 und therapierelevanten Ergebnissen durchgeführter diagnostischer Untersuchungen sowie zu auf der Grundlage dieser Ergebnisse geplanten Diagnostik- und Therapiemaßnahmen enthalten, sowie Angaben dazu, durch wen und in welchen Zeiträumen diese Maßnahmen durchgeführt werden sollen, und Angaben zur Verlaufskontrolle. Der Behandlungsplan sowie die Behandlungsziele sind mit der Patientin und dem Patienten abzustimmen und ihnen in Textform zugänglich zu machen.

(4) Eine Koordination im Rahmen der Richtlinie setzt voraus, dass nach den Maßnahmen gemäß § 5 Absatz 1 Nummern 1 und 2 und in der Folge die Behandlung der Erkrankung oder Erkrankungen nach § 2 pro Quartal durch mindestens eine weitere Leistungserbringerin oder einen weiteren Leistungserbringer unterschiedlicher Disziplin gemäß § 3 Absatz 3 oder 4 erforderlich ist.

§ 5

Diagnostik und Behandlung in der hausärztlichen Versorgung

(1) Aufgaben der hausärztlichen Versorgung, die im Fall von Kindern und Jugendlichen auch die Betreuung durch Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin meint, sind im Sinne dieser Richtlinie insbesondere:

1.
Basis-Assessment: die Abklärung des Verdachtes auf das Vorliegen einer Erkrankung gemäß § 2 durch systematische Erfassung und Bewertung des Gesundheitszustandes der Patientin oder des Patienten in der Regel einschließlich

a)
ausführlicher, strukturierter Anamnese einschließlich Impfanamnese und Erfassung häufiger Symptome sowie mutmaßlichem Trigger, Zeitpunkt des Auftretens und Dauer der Symptome einschließlich Fatigue, Belastungsintoleranz, orthostatische Intoleranz (OI), Dyspnoe, Schmerz, Schlafstörungen und psychischer Status, gegebenenfalls als Fremdanamnese durch eine Bezugsperson bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Personen mit stark eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit oder kognitiver Funktion,
b)
ausführlicher körperlicher Untersuchung mit Erfassung des neurologischen und Ernährungsstatus (inklusive BMI), unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen und Komorbiditäten,
c)
Erfassung des funktionellen Status (leichte, mäßige oder schwere Funktionseinschränkung) anhand etablierter Skalen sowie der Einschränkungen der Teilhabe der Betroffenen (im Fall von Kindern und Jugendlichen auch eingeschränkter Berufstätigkeit von Sorgeberechtigten),
d)
bei hinweisender Symptomatik: strukturierter Ersterfassung einer möglichen orthostatischen Intoleranz (OI) und/​oder einer PEM und/​oder eines posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms (POTS),
2.
weitere Aufgaben zur Verdachtsabklärung:

a)
Durchführung notwendiger Differenzialdiagnostik,
b)
Überweisung an eine an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringerin oder einen teilnehmenden Leistungserbringer nach § 3 Absatz 3 oder Absatz 4, soweit kein fachärztlicher Überweisungsvorbehalt besteht,
3.
die Information, Aufklärung, Beratung, Betreuung und Anleitung der Patientinnen und Patienten oder ihrer Bezugsperson über das Krankheitsbild und zu ihren spezifischen Symptomen unter Berücksichtigung der Lebensumstände der Patientin oder des Patienten, gegebenenfalls bei wesentlich veränderter Symptomatik auch wiederholt,
4.
die Koordinierung der Behandlung sowie die Erstellung des Behandlungsplans nach § 4,
5.
die Durchführung therapeutischer Maßnahmen, soweit diese Gegenstand der hausärztlichen Versorgung sind, unter Berücksichtigung von Absatz 2 sowie die Überweisung zur Mit- oder Weiterbehandlung gemäß Absatz 4,
6.
die Verordnung von Leistungen nach § 8 gegebenenfalls per Videosprechstunde unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
7.
bei vorliegender spezifischer Indikation: die Beratung zu Selbst- und Leistungsmanagement (gegebenenfalls auch in Gruppen), zum Beispiel bei Vorliegen von PEM die Beratung zum Pacing, die Beratung zu Methoden der Krankheitsbewältigung und Stressreduktion sowie die Beratung und Anleitung zu Methoden der therapeutisch begleiteten körperlichen Aktivierung,
8.
die aufsuchende Versorgung durch Hausbesuche unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
9.
bei Bedarf Abstimmung mit Pflegediensten und anderen Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern zur Versorgung in der Häuslichkeit,
10.
bei Bedarf die Durchführung von Fernbehandlung und der telemedizinischen Betreuung unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
11.
bei Bedarf Teilnahme an Konsilen und Fallbesprechungen, wenn möglich digital,
12.
in Einzelfällen die Prüfung der Erforderlichkeit, Eignung und Möglichkeiten einer Behandlung der Patientin oder des Patienten in der spezialisierten ambulanten Versorgung nach § 7, soweit kein fachärztlicher Überweisungsvorbehalt besteht,
13.
der Vorschlag zur Vermittlung an eine Hochschulambulanz zu Zwecken der Forschung und Lehre im Sinne von § 117 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V oder an eine andere spezialisierte Einrichtung gemäß § 3 Absatz 4 unter Berücksichtigung der Veröffentlichungen zu geeigneten Patientinnen und Patienten nach § 7 Nummer 7.

(2) In der Frühphase der Symptomatik soll insbesondere auch die Möglichkeit von Verbesserungen im Zeitverlauf, die auch ohne spezifische Maßnahmen eintreten können, berücksichtigt werden; dies kann auch den vorübergehenden Verzicht auf spezifische weitere Maßnahmen unter Beobachtung des weiteren Krankheitsverlaufs zur Folge haben.

(3) Die Überweisung zur Auftragsleistung oder Konsiliaruntersuchung an eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 3 Absatz 3 oder in Einzelfällen § 3 Absatz 4, soweit kein fachärztlicher Überweisungsvorbehalt besteht, ist insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn

1.
die Verdachtsdiagnose einer Erkrankung nach § 2 durch das Basis-Assessment nach Absatz 1 Nummer 1 nicht hinreichend bestätigt werden konnte oder
2.
die Anwendung einer Untersuchungsmethode erforderlich ist, die von der hausärztlichen Leistungserbringerin oder dem hausärztlichen Leistungserbringer nicht selbst erbracht wird.

(4) Eine Überweisung zur Mit- oder Weiterbehandlung in die fachärztliche Versorgung nach § 3 Absatz 3 oder in Einzelfällen in die spezialisierte ambulante Versorgung nach § 3 Absatz 4, soweit kein fachärztlicher Überweisungsvorbehalt besteht, ist insbesondere erforderlich, wenn bei einer Patientin oder einem Patienten nach § 2 Symptome neu auftreten, unter Behandlung fortbestehen oder sich verschlechtern oder Warnhinweise auftreten. Als Warnhinweise sind unter anderem schlechter Allgemeinzustand, eine signifikante Gewichtszu- beziehungsweise -abnahme, unerklärliche oder neu aufgetretene neurologische Auffälligkeiten (zum Beispiel Sensibilität, Motorik, Schlucken, Sprache und Kognition), neue Schmerzsymptomatik, schlechte oder sich verschlechternde somatische oder psychische Befunde sowie unerklärliche Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik zu verstehen. Weiterhin ist zu überweisen, wenn die Symptomatik, die zu dem Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung gemäß § 2 geführt hat, darauf hinweist, dass eine Behandlung im Fachgebiet einer Fachärztin oder eines Facharztes erforderlich ist.

(5) Eine Überweisung ist nach den Erkenntnissen über die Zuordnung der Symptomatik zu Schwerpunkten der jeweiligen fachärztlichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Diagnostik nach Absatz 1 Nummer 1 auszurichten. Ist eine fachärztliche Mit- und Weiterbehandlung nicht erforderlich, erfolgt die hausärztliche Versorgung in der Regel auf Grundlage des gemäß § 4 Absatz 3 erstellten Behandlungsplans.

(6) Wenn die Beeinträchtigung des Alltagslebens unter Berücksichtigung der Lebensumstände der Patientin oder des Patienten nicht so gravierend ist, dass weitere Maßnahmen insbesondere über Absatz 2 hinaus erforderlich sind, erfolgt eine Unterstützung durch weitere Informationen und unterstütztes Selbstmanagement auch als Delegationsleistung sowie eine bedarfsentsprechende Weiterbehandlung in der hausärztlichen Versorgung.

§ 6

Diagnostik und Behandlung in der fachärztlichen Versorgung

(1) Aufgaben der fachärztlichen Versorgung im Sinne dieser Richtlinie sind insbesondere

1.
die Unterstützung der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer bei der differenzialdiagnostischen Abklärung des Verdachtes auf das Vorliegen einer Erkrankung nach § 2,
2.
die Durchführung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen,
3.
die Verordnung von Leistungen nach § 8 gegebenenfalls per Videosprechstunde unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
4.
Vorschläge zur Anpassung des individuellen Behandlungsplans für die koordinierende Ärztin oder den koordinierenden Arzt,
5.
bei Bedarf die Teilnahme an Konsilen und Fallbesprechungen, wenn möglich unter Nutzung bestehender tele­medizinischer Möglichkeiten,
6.
die Durchführung von Hausbesuchen bei Bedarf und soweit dies unter Beachtung der geltenden Vorgaben erforderlich und notwendig ist und die Nutzung bestehender Möglichkeiten der Fernbehandlung, der telemedizinischen Betreuung unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
7.
die Überweisung an andere Fachärztinnen und Fachärzte oder an der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Berufe unter Berücksichtigung von Absatz 3 unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
8.
nach Möglichkeit die Vorabklärung zwischen der überweisenden Ärztin oder dem überweisenden Arzt und einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer nach § 3 Absatz 4 vor einer weiterführenden Diagnostik oder Behandlung in der spezialisierten ambulanten Versorgung; im Rahmen der Vorabklärung der Austausch über die weiterführende Diagnostik und gegebenenfalls für die Behandlung relevanter Informationen über die Patientin oder den Patienten und Behandlungsmöglichkeiten; insbesondere bei Kindern und Jugendlichen die Berücksichtigung auch weiterführender Informationen, beispielsweise zum Sozial- oder Schulleben,
9.
die Überweisung an eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 3 Absatz 4 jeweils unter Berücksichtigung von § 6 Absatz 4, wenn wegen Art, Schwere oder Komplexität der Erkrankung eine Untersuchung oder Behandlung dort erforderlich ist oder
10.
ein Vorschlag zur Vermittlung an eine Hochschulambulanz zu Zwecken der Forschung und Lehre im Sinne von § 117 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V jeweils unter Berücksichtigung der Veröffentlichungen zu geeigneten Patientinnen und Patienten nach § 7 Nummer 7 und Berücksichtigung von Absatz 4.

(2) An der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer können die Koordinationsaufgaben nach § 4 und die Aufgaben nach § 5 wahrnehmen, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Verdachtsdiagnose einer Erkrankung nach § 2 aufgrund einer vorbestehenden Erkrankung aktuell in regelmäßiger Behandlung bei der fachärztlichen Leistungserbringerin oder dem fachärztlichen Leistungserbringer ist und diese oder dieser die Aufgaben in vollem Umfang erfüllen kann.

(3) Sofern erforderlich, veranlasst die Fachärztin oder der Facharzt beziehungsweise die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut die Beteiligung weiterer Fachgebiete bei Bedarf im Austausch oder bei zeitnaher Information der koordinierenden Ärztin oder des koordinierenden Arztes im Nachgang, falls besondere Eilbedürftigkeit besteht.

(4) Die Überweisung an eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 3 Absatz 4 sollte erfolgen, wenn die Patientin oder der Patient wegen Art, Schwere oder Komplexität der Erkrankung einer interdisziplinären Versorgung von mindestens zwei oder mehr Fachdisziplinen und der besonderen ärztlichen Expertise eines Fachgebietes bedarf, die über die Untersuchung und Versorgung nach den §§ 5 und 6 hinausgeht. Eine Überweisung an eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 3 Absatz 4 ist spätestens zu erwägen, wenn eine dreimonatige Arbeitsunfähigkeit, eine vierwöchige Schulunfähigkeit oder eine ME/​CFS-Erkrankung mit mindestens moderatem Schweregrad vorliegt.

§ 7

Diagnostik und Behandlung in der spezialisierten ambulanten Versorgung

Aufgaben der spezialisierten ambulanten Versorgung im Sinne dieser Richtlinie sind insbesondere

1.
die Unterstützung und Beratung der an der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer bei der differentialdiagnostischen Abklärung und bei der Behandlung der Patientinnen und Patienten; die besonderen Erfordernisse an die Versorgung betroffener Kinder und Jugendlicher sind gesondert zu beachten,
2.
die diagnostische und therapeutische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer Erkrankung nach § 2 auf Grundlage einer Überweisung,
3.
die bedarfsabhängige Information, Aufklärung, Beratung, Betreuung und Anleitung der Patientinnen und Patienten oder ihrer Bezugspersonen über das Krankheitsbild und zu ihren spezifischen Symptomen unter Berücksichtigung der Lebensumstände der Patientin oder des Patienten, gegebenenfalls bei wesentlich veränderter Symptomatik auch wiederholt,
4.
Vorschläge zur Anpassung des individuellen Behandlungsplans für die koordinierende Ärztin oder den koordinierenden Arzt,
5.
die Verordnung von Leistungen nach § 8 gegebenenfalls per Videosprechstunde unter Beachtung der geltenden Vorgaben,
6.
die Durchführung von telemedizinischen Leistungen, bei Bedarf die Teilnahme an Konsilen und Fallbesprechungen möglichst unter Nutzung bestehender telemedizinischer Möglichkeiten,
7.
spezialisierte ambulante Einrichtungen veröffentlichen Informationen zur Auswahl geeigneter Patientinnen und Patienten für die Behandlung und gegebenenfalls Forschung in der jeweiligen Einrichtung sowie, welche anamnestischen Informationen und diagnostischen Ergebnisse übermittelt werden sollen.
§ 8

Verordnung weiterer Leistungen

(1) Die Versorgung nach dieser Richtlinie schließt die Verordnung insbesondere von Leistungen nach § 73 Absatz 2 Nummer 5 bis 8 und 12 (Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen, Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen, Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege, Verordnung von Soziotherapie) und gegebenenfalls Nummer 14 (Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b) SGB V ein, soweit diese zur Versorgung der Patientinnen und Patienten nach § 2 erforderlich sind. Für die Verordnung gelten die gesetzlichen Vorgaben sowie die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 SGB V. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung sind insbesondere auch die erkrankungsspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Beispielsweise ist bei dem Vorliegen einer Belastungsintoleranz mit PEM auf die Einhaltung der individuellen Leistungsgrenzen zu achten. Bei allen Verordnungen sollten Besonderheiten wie PEM, ausgeprägte Reizempfindlichkeit oder eingeschränkte Mobilität ausdrücklich vermerkt werden. Im Fall von PEM sollte die Möglichkeit der aufsuchenden und telemedizinischen Umsetzung der Verordnung geprüft werden.

(2) Die Versorgung nach dieser Richtlinie umfasst die Verordnung von stationärer Krankenhausbehandlung, wenn diese gemäß der Krankenhauseinweisungs-Richtlinie des G-BA auf der Grundlage von § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 SGB V erforderlich ist.

§ 9

Evaluation

Der G-BA prüft spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie, in welcher Form eine Evaluation zur Überprüfung gemäß des 1. Kapitels § 7 Absatz 4 der Verfahrensordnung erforderlich ist.“

II.

Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 21. Dezember 2023

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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