BaFin-Verbraucherschutzforum

Mutiger, innovativer – und wenn nötig auch bissiger

(BaFinJournal) Kollektiver Verbraucherschutz ist eine Kernaufgabe der BaFin. Als Aufsicht ist es unser Anspruch, engagiert auf diesem Feld voranzugehen – und uns dabei stets am Puls der Zeit zu bewegen. Was heißt das konkret? Das verdeutlichen zwei Beispiele aus unserer Aufsichtspraxis. (Statement von Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Wertpapieraufsicht/Asset Management)

Ob wir eine Versicherung abschließen, Geld überweisen oder Wertpapieren kaufen, viele Finanzgeschäfte tätigen wir heute online. Wenn wir im Netz unterwegs sind, kommen wir oftmals mit Dark Patterns in Berührung. Dark Patterns, das bedeutet beispielsweise, dass in digitalen Entscheidungsumwelten, also auf Webseiten oder in Apps, Schaltflächen so gestaltet sind, dass sie User zu Handlungen verleiten, die vor allem im Interesse des Anbieters liegen.

Wie sieht das in der Praxis aus? Bei einem unserer Surf Days haben wir festgestellt, dass in einigen Trading Apps der „Kaufen“-Button sehr auffällig gestaltet war. Der Button zum Abbruch des Wertpapiergeschäfts war dagegen kaum wahrzunehmen. Eine solch unterschiedliche Gestaltung gleichwertiger Entscheidungsalternativen kann das User-Verhalten erheblich beeinflussen. Dann hat man gegebenenfalls schnell auf „Kaufen“ geklickt, obwohl man das gar nicht wollte. So etwas geht nicht.

Wir sind der Ansicht: Die Nutzung schlechter wahrnehmbarer Schaltflächen für gleichwertige Auswahlmöglichkeiten – also etwa fürs Kaufen und Abbrechen – verstößt gegen das Verbot der Irreführung und das Gebot der Redlichkeit nach § 63 Abs. 6 WpHG. Diese Auslegungsentscheidung haben wir auf unserer Webseite veröffentlicht. Damit haben wir übrigens Neuland betreten, denn die BaFin ist die erste Finanzmarktaufsichtsbehörde in Europa, die sich in einer solchen Form zu diesem Thema geäußert hat.

Ein weiteres Beispiel betrifft dem Umgang der Kreditwirtschaft mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem April 2021. Damals hatte der BGH eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank für unwirksam erklärt, die die stillschweigende Zustimmung des Kunden zu AGB-Änderungen annahm, wenn er nicht auf deren Ankündigung reagierte. Das war ein Urteil mit erheblichen Auswirkungen für viele Verbraucher. Wir haben gegenüber den Banken in einer Aufsichtsmitteilung ganz klar formuliert, was wir von ihnen erwarten – zum Beispiel, dass sie zu Unrecht erhobene Gebühren umgehend zurückzahlen.

Als Aufsicht halten wir nach, wie die Institute mit der Rückforderung von Entgelten umgehen und wie sie die Neuvereinbarung der Preise und Bedingungen handhaben. Dabei haben wir zum Beispiel festgestellt, dass fast alle Kreditinstitute ihre Preise und Bedingungen mit ihren Kunden neu aushandeln – ein wichtiger Schritt hin zur Umsetzung des BGH-Urteils. Wir haben zudem viele Gespräche mit Kreditinstituten und Verbänden zu dem Thema geführt und sind entschieden gegen Institute vorgegangen, die ihren Kunden suggerieren, sie seien von dem BGH-Urteil nicht betroffen.

Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie wir den kollektiven Verbraucherschutz bei der BaFin vorantreiben. Unsere umfassende Strategie auf diesem Gebiet stellen wir im Rahmen des Verbraucherschutzforums vor.

Abschließend ist mir ein Aspekt besonders wichtig: Nämlich dass wir mit Initiativen wie den oben beschriebenen den Wandel hin zu einer modernen Aufsichtskultur weiter vorantreiben. Denn mutiger, innovativer und, wenn nötig, auch bissiger für die Interessen der Gesamtheit der Verbraucher vorzugehen, darauf kommt es an. Das ist entscheidend, um die kollektiven Interessen der Verbraucher wirksam und dauerhaft zu schützen.

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