Auf eine Fremdwährung lautende Darlehen: Wenn der Verbraucher widerspricht, kann das nationale Gericht eine missbräuchliche Umrechnungsklausel nicht durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen

Published On: Montag, 12.09.2022By Tags:

Kann der Darlehensvertrag ohne diese Klausel nicht fortbestehen, ist er für nichtig zu erklären

In Polen haben mehrere Verbraucher auf Schweizer Franken (CHF) lautende Hypothekendarlehen aufgenommen, um Immobilien zu erwerben. Die Darlehen wurden im Wesentlichen in CHF verbucht und den Verbrauchern in polnischen Zloty (PLN) zur Verfügung gestellt, wobei zur Umrechnung der Ankaufskurs CHFPLN herangezogen wurde. Bei der Zahlung der Darlehensraten wurde dagegen zur Umrechnung der Verkaufskurs CHFPLN
herangezogen.

Diese Verbraucher erhoben beim Rayongericht WarschauŚródmieście Klagen mit dem Antrag, die Klauseln über
den oben genannten Umrechnungsmechanismus, die Bestandteil ihres jeweiligen Darlehensvertrags waren, nach der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen für missbräuchlich zu erklären.

Dieses Gericht möchte wissen, ob die Richtlinie einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der das nationale Gericht
nach der Feststellung der Nichtigkeit einer in einem Verbrauchervertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel, die
zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, die für nichtig erklärte Klausel entweder durch eine Auslegung der
Willenserklärungen der Vertragspartner oder durch die Anwendung einer dispositiven Vorschrift des nationalen
Rechts ersetzen kann, auch wenn der Verbraucher den Vertrag nicht aufrechterhalten möchte.

Außerdem möchte das polnische Gericht vom Gerichtshof wissen, ob sich das nationale Gericht, wenn es eine missbräuchliche Klausel aufhebt, darauf beschränken kann, den tatsächlich missbräuchlichen Teil der Klausel aufzuheben, oder ob es die betreffende Klausel vielmehr insgesamt aufheben muss. Schließlich ersucht es noch um Hinweise zum Beginn der Verjährungsfrist, die auf den Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers nach der
Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel anzuwenden ist.

Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof erstens darauf hin, dass die dem nationalen Gericht, ausnahmsweise eröffnete Möglichkeit, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift zu ersetzen, auf Fälle beschränkt ist, in denen die Streichung dieser missbräuchlichen Klausel dieses Gericht zwingen würde, den Vertrag in seiner Gesamtheit für unwirksam zu erklären, was für den
Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte.

Wenn der Verbraucher indessen darüber informiert wurde, welche
Folgen damit verbunden sind, wenn der Vertrag insgesamt für nichtig erklärt wird, und der Nichtigerklärung zugestimmt hat, ist die Voraussetzung, dass die Nichtigerklärung des Vertrags in seiner Gesamtheit für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, offensichtlich nicht erfüllt. Demzufolge erlaubt die Richtlinie
nicht die Anwendung einer nationalen Rechtsprechung, nach der das nationale Gericht, nachdem es die
Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Verbrauchervertrag festgestellt hat, die zur Nichtigkeit
dieses Vertrags insgesamt führt, die für nichtig erklärte Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen kann, auch wenn der Verbraucher dem widerspricht.

Ebenso wenig erlaubt es die Richtlinie, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine gerichtliche Auslegung zu ersetzen, da die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Klausel nur für unanwendbar zu erklären haben, ohne dass sie befugt wären, ihren Inhalt abzuändern.

Zweitens weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der das nationale Gericht nur den tatsächlich missbräuchlichen Teil einer Klausel aufheben und sie im Übrigen wirksam lassen kann, sofern eine solche Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt der Klausel
grundlegend zu ändern.

Drittens stellt der Gerichtshof fest, dass eine für Ansprüche eines Verbrauchers geltende Verjährungsfrist nur dann mit dem Unionsrecht vereinbar sein kann, wenn der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist. Wenn einer Klage eines Verbrauchers auf Rückerstattung, die nach der Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel erhoben wurde, eine Verjährungsfrist entgegengehalten wird, die mit dem Zeitpunkt jeder von ihm erbrachten Leistung in Lauf gesetzt wird, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt die Missbräuchlichkeit dieser Klausel nicht kannte, so wird dem Verbraucher kein wirksamer
Schutz gewährleistet.

Daraus folgt, dass das Unionsrecht einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die eine solche Praxis zulässt.
HINWEIS:
Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu
entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem

ähnlichen Problem be
fasst werden.

 

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