Sie tanzen in Designerkleidern durch eine Luxusvilla mit Meerblick, fliegen im Privatjet zum Super Bowl und lassen sich $4.000-Dinner schmecken – der Alltag der jungen OnlyFans-Stars im sogenannten Bop House wirkt für Millionen Follower auf TikTok wie ein modernes Märchen. Doch hinter dem goldglänzenden Vorhang verbirgt sich ein komplexes Bild zwischen wirtschaftlichem Erfolg, Selbstermächtigung – und gefährlicher Vorbildfunktion.
250 Millionen Dollar und ein Leben im Rampenlicht
Im Zentrum steht Sophie Rain, 20 Jahre alt, Selfmade-Millionärin und Mitgründerin des „Bop House“, einer Content-Villa in Miami, in der acht junge Frauen zwischen 19 und 25 Jahren leben. Alle sind auf OnlyFans aktiv – eine Plattform, auf der Fans gegen Bezahlung erotische Inhalte abonnieren können. Zusammen bringen sie fast 90 Millionen Follower auf sozialen Medien mit. Rains Jahresverdienst: über 40 Millionen Dollar.
Doch trotz ihres wirtschaftlichen Erfolgs sagt sie: „Ich denke viel darüber nach, was junge Mädchen von meinen Videos halten. OnlyFans ist ein großer Schritt – mit viel Stigma.“
Der gefährliche Glamour
Was Rain andeutet, ist auch für Fachleute wie Dr. Yann Poncin von der Yale School of Medicine besorgniserregend. Der Kinderpsychiater warnt: „Diese Videos zeigen ein unrealistisches Bild. Es sieht nach einem perfekten Leben aus – Geld, Autos, Luxus. Doch sie zeigen nicht, welchen Weg die jungen Frauen bis dahin gehen mussten.“
Die Geschichten hinter dem Erfolg sind oft von Armut, Ausgrenzung oder sogar Obdachlosigkeit geprägt. So berichtet Alina Rose, dass sie nach ihrem 18. Geburtstag von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt wurde. Erst als Stripperin, später auf OnlyFans, konnte sie ihre Existenz sichern. „Ich will nicht, dass meine kleine Schwester je in diese Situation kommt“, sagt sie.
Glanz mit Schattenseiten
Während sie auf Instagram und Twitter explizite Bilder teilt, achtet Kollegin Ava Reyes auf jugendfreundlichere Inhalte auf TikTok – aus Rücksicht auf junge Zuschauerinnen. „Ich weiß, dass Teenager zuschauen“, sagt sie, „aber ich will einfach mein Leben leben und Geld verdienen.“
Der Erfolg hat seinen Preis: Neben dem gesellschaftlichen Stigma klagen viele OnlyFans-Stars über psychische Belastung und einen konstanten Druck, neue Inhalte zu liefern. Trotzdem zeigt sich Sophie Rain dankbar: Mit ihrem Einkommen zahlte sie die Hypothek ihrer Eltern und schenkte ihrem Bruder ein Auto.
Influencer statt Ärztin?
Dass Influencerinnen wie die Frauen im Bop House junge Mädchen beeinflussen, zeigen die Kommentare unter deren Videos. „Ich will auch so sein wie ihr“, schreibt eine Nutzerin. Dr. Poncin sieht darin ein gesellschaftliches Warnsignal: „Teenager sind in einer Phase der Identitätssuche – und soziale Vergleiche in den sozialen Medien verstärken das Gefühl, selbst nicht genug zu sein.“
Eine Plattform mit zwei Gesichtern
OnlyFans erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von über 6,6 Milliarden Dollar. Über vier Millionen Content-Ersteller sind dort aktiv. Doch ohne bereits vorhandene Reichweite auf TikTok, Instagram oder Twitter sei der Einstieg auf der Plattform fast unmöglich, sagen Experten. Das bedeutet: Wer Erfolg will, muss sich auch jenseits der Erotik-Sparte als digitale Marke etablieren.
Sophie Rain formuliert es so: „OnlyFans ist zwar eine Erotikplattform, aber für mich ist es auch ein Weg zu reisen, Kontakte zu knüpfen und meine Familie zu unterstützen.“
„Wir sind Menschen“
Trotz des Erfolgs ist für viele klar: OnlyFans ist keine Dauerlösung. Rose etwa will später Sängerin und professionelle Gamerin werden. Der größte Wunsch: Anerkennung. „Die Leute denken, wir sind keine richtigen Menschen, weil wir OnlyFans machen. Aber wir sind genau das – Menschen.“
Fazit:
Das „Bop House“ ist mehr als eine Social-Media-WG. Es ist Sinnbild für einen neuen Zeitgeist – zwischen Emanzipation und Eskapismus, zwischen finanzieller Freiheit und fragwürdiger Vorbildfunktion. Während einige junge Frauen durch die Plattform ein selbstbestimmtes Leben führen, bleibt die Frage: Zu welchem Preis – und mit welchen gesellschaftlichen Folgen für die nächste Generation?
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