VGH Baden-Württemberg

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 22.12.2021, 10 S 3427/20

Leitsätze

1. Es bestehen keine im Eilverfahren durchgreifenden Bedenken an der Vereinbarkeit der in § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG normierten Ermächtigungsgrundlage mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG).

2. Der Zugriff der öffentlichen Hand auf die Sicherheitsleistung gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG setzt neben einer Pflichtverletzung des Systems einen Anspruch voraus, der zugunsten einer Stelle der öffentlichen Hand auf eine vollständige oder teilweise Kompensation der durch die Pflichtverletzung verursachten Kosten oder finanziellen Verluste gerichtet ist (Forderungsakzessorietät).

3. Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Mitbenutzung kommunaler Wertstoffhöfe im Rahmen der Leichtverpackungsentsorgung nicht einseitig durch Rahmenvorgaben angeordnet werden darf (Fortführung der Senatsrechtsprechung im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 13.10.2020 – 10 S 2820/20 -).

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Oktober 2020 – 14 K 1696/20 – geändert. Die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobenen Anfechtungsklage wird insoweit wiederhergestellt, wie die im Bescheid festgesetzte Sicherheitsleistung einen Betrag von 3.915.117,– EUR übersteigt. Im Übrigen wird der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragstellerin drei Viertel und der Antragsgegner ein Viertel.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 159.537,– EUR festgesetzt.

Gründe

1
I. Die Beteiligten streiten um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer von der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin erhobenen Anfechtungsklage gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners und Beschwerdeführers. Der Bescheid verpflichtet die Antragstellerin zur Beibringung einer Sicherheitsleistung in Form einer Bürgschaft für etwaige finanzielle Nachteile, welche die öffentliche Hand durch Pflichtverletzungen der Antragstellerin oder von ihr beauftragter Dritter bei der Entsorgung von Verpackungsabfall erleiden könnte.
2
Die Antragstellerin ist ein für das Gebiet des Landes Baden-Württemberg genehmigtes System im Sinne von § 3 Abs. 16 Satz 1 des Verpackungsgesetzes (VerpackG). Ursprünglich war in Anwendung von Vorschriften der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) durch einen Bescheid des Umweltministeriums des Antragsgegners vom 22.12.1992, geändert mit Bescheid vom 02.11.2011 (nachfolgend: Feststellungsbescheid), festgestellt worden, dass die Antragstellerin ein flächendeckendes System zur regelmäßigen Abholung gebrauchter, restentleerter Verkaufsverpackungen eingerichtet hat (§ 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 VerpackV). Nach der VerpackV war eine solche Feststellung eine notwendige Voraussetzung dafür, dass das die Verpackungen abholende Unternehmen ein „System nach § 6 Abs. 3 VerpackV“ betreibt und die Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen mithin durch die Beauftragung dieses Unternehmens ihrer Rechtspflicht zur Beteiligung an einem solchen System gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV genügen konnten. Unter der Geltung des VerpackG, das zum 01.01.2019 an die Stelle der VerpackV getreten ist, gilt der Feststellungsbescheid vom 22.12.1992 gemäß § 25 Abs. 1 KrWG als Systemgenehmigung im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 VerpackG zugunsten der Antragstellerin fort (§ 38 Abs. 1 VerpackG).
3
Unter Abschnitt II, Ziff. 7 des Feststellungsbescheids wurde die Antragstellerin unter Hinweis auf § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV dem Grunde nach dazu verpflichtet, eine angemessene, insolvenzsichere Sicherheit für den Fall zu leisten, dass sie oder die von ihr Beauftragten die Pflichten nach der Verpackungsverordnung ganz oder teilweise nicht erfüllen und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder die zuständigen Behörden Kostenerstattung wegen Ersatzvornahme verlangen können. Die Sicherheitsleistung wurde zuletzt auf 750.000,– EUR festgesetzt.
4
Der im Hauptsacheverfahren angegriffene verfahrensgegenständliche Bescheid des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft wurde am 17.01.2020 erlassen und unter dem Datum des 24.01.2020 öffentlich im Staatsanzeiger bekannt gemacht.
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Unter Ziff. I Satz 1 des Bescheids wird bestimmt, dass die Nebenbestimmung in Ziff. 26 des o.g. Feststellungsbescheids folgende Fassung erhält:
6
„Das duale System hat gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG eine angemessene, insolvenzfeste Sicherheit für den Fall zu leisten, dass es oder die von ihm beauftragten Dritten Pflichten nach diesem Gesetz, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllt und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen.“
7
Unter Ziff. I Satz 2 wird angeordnet, dass die Sicherheitsleistung in Form einer unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgerschaft auf erstes Anfordern einer Sparkasse, Großbank oder Kreditversicherung oder alternativ in Form der Hinterlegung nach dem baden-württembergischen Hinterlegungsgesetz zu erbringen ist.
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Unter Ziff. II des Bescheids wird die Sicherheitsleistung der Höhe nach auf 5.317.900,– EUR festgesetzt. Zur Berechnung dieses Betrags führt die Behörde in der Begründung des Bescheids im Wesentlichen aus, dass sie die finanziellen Risiken von drei möglichen Sicherungsfällen herausgegriffen und beziffert hat: erstens die Verletzung der gesetzlichen Pflicht zum Systembetrieb (§ 14 Abs. 1 Satz 1 VerpackG), zweitens die Verletzung der gesetzlichen Pflicht zur Zahlung der sog. Nebenentgelte aus § 22 Abs. 9 VerpackG und drittens die Verletzung von Pflichten zur Zahlung der sog. Mitbenutzungsentgelte für die Inanspruchnahme von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsstrukturen, die sich aus Abstimmungsvereinbarungen oder aus Rahmenvorgaben ergeben.
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Hinsichtlich der Systembetriebspflicht ermittelte der Antragsgegner anhand der Zahlen für das Jahr 2017 die durchschnittlichen Kosten, die für die Erfassung und Entsorgung der von der Systempflicht betroffenen Leichtverpackungen in Baden-Württemberg in einem Monat insgesamt anfallen. Dabei wurde ein Sicherheitszuschlag von 10 % in Ansatz gebracht, um der Volatilität der Marktpreise gerecht zu werden. Es wurden zudem die – im Vergleich zum Recycling höheren – Kosten für eine Verbrennung des Abfalls angesetzt, weil es nach Ansicht des Antragsgegners im Sicherungsfall zweifelhaft ist, ob die erforderlichen Kapazitäten für eine stoffliche Verwertung kurzfristig im Markt verfügbar wären. Der sich hieraus ergebende Betrag in Höhe von 9.025.057,97 EUR wurde entsprechend der Marktanteile auf die verschiedenen Systeme verteilt. Hinsichtlich der Marktanteile wurden die Zahlen aus der Zwischenmeldung für das 4. Quartal 2019 mit Stichtag 05.09.2019 zugrundegelegt, die von der Zentralen Stelle Verpackungsregister veröffentlicht wurden. Für im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bereits genehmigte neue Systeme wurde ein fiktiver Marktanteil von 2 % in Ansatz gebracht. Auf die Antragstellerin entfiel im Ergebnis ein Anteil in Höhe von 30,59 %.
10
Hinsichtlich der Nebenentgelte ging der Antragsgegner von den aus den Landkreisen für das Jahr 2018 gemeldeten Zahlen sowie einem abzusichernden Zeitraum von drei Monaten aus. Es ergaben sich daraus Zahlungsverpflichtungen gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in Höhe von insgesamt 3.332.424,97 EUR, die wiederum nach Marktanteilen auf die einzelnen Systeme umgelegt wurden. Dabei legte die Behörde – abweichend von ihrer Vorgehensweise hinsichtlich der Systembetriebspflicht – die von der Gemeinsamen Stelle ermittelten und für die Aufteilung der Nebenentgelte gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 VerpackG maßgeblichen Marktanteile zugrunde. Für die Antragstellerin ergab sich daraus ein Marktanteil in Höhe von 34,64 %.
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Hinsichtlich der Mitbenutzungsentgelte unterschied der Antragsgegner zwischen der Entsorgung von Verpackungsabfällen aus Papier, Pappe und Karton (PPK) sowie Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen (sog. Leichtverpackungen, LVP). Hinsichtlich der PPK-Fraktion wurden in die Berechnung der Sicherheitsleistung die in Abstimmungsvereinbarungen vereinbarten Pflichten der Systeme zur Vergütung der Mitbenutzung von öffentlich-rechtlichen Sammelstrukturen einbezogen (§ 22 Abs. 4 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 1 VerpackG). Bezüglich der Leichtverpackungsabfälle wurden die Entgelte für die Mitbenutzung kommunaler Wertstoffhöfe angesetzt, die in Abstimmungsvereinbarungen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 VerpackG) vereinbart oder in Rahmenvorgaben (§ 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG) festgesetzt wurden. Dabei wurden – wie schon bei den Nebenentgelten – die bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern Baden-Württembergs für das Jahr 2018 erhobenen Werte für einen Zeitraum von drei Monaten angesetzt. Es ergaben sich Zahlungsverpflichtungen der Systeme in Höhe von insgesamt 4.049.877,67 EUR. Die Verteilung erfolgte wiederum anhand des von der Gemeinsamen Stelle ermittelten Marktanteils. Angaben zur Aufschlüsselung der Mitbenutzungsentgelte hinsichtlich der Leichtverpackungsabfälle und der Abfälle aus Papier, Pappe und Karton enthält die Begründung des Bescheids nicht. Der Antragsgegner führt zudem aus, dass eine Aufschlüsselung der Kosten nach Kreisen und damit eine passgenauere Verteilung der Kosten auf die Systeme aus Gründen des Schutzes vertraulicher Geschäftsinformationen nicht möglich sei (Bescheid S. 11).
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Unter Ziff. III des Bescheids wird es der Antragstellerin erlaubt, die Sicherheitsleistung in zwei Teilen zu erbringen, sofern sie dies der Genehmigungsbehörde zuvor angezeigt hat.
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Unter Ziff. IV wird die sofortige Vollziehbarkeit aller Regelungen des Bescheids angeordnet. Der Antragsgegner begründet dies unter anderem damit, dass ohne die sofortige Erbringung einer Sicherheitsleistung die Gefahr bestehe, dass bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens letztlich der Steuerzahler das Risiko einer Insolvenz eines Systembetreibers trage. Außerdem sprächen „die mittlerweile rechtskräftigen Urteile des VG Stuttgart zur Sicherheitsleistung nach der Verpackungsverordnung […] auch bei summarischer Betrachtung für eine überwiegende Rechtmäßigkeit der Neufestsetzung“.
14
Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 19.02.2020 Klage erhoben (Az. 14 K 1018/20). Am 27.03.2020 hat sie außerdem die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag mit Beschluss vom 13.10.2020 stattgegeben.
15
Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung offengelassen, ob die Begründung der Sofortvollzugsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Jedenfalls überwiege das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Der Bescheid vom 17.01.2020 sei bei summarischer Prüfung rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in eigenen Rechten, weshalb die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben werde. Der Antragsgegner habe es versäumt, das ihm nach § 18 Abs. 4 VerpackG zustehende Entschließungsermessen auszuüben, ob überhaupt eine Sicherheitsleistung festgesetzt wird. Dieser Ermessensausfall sei einer nachträglichen Heilung (§ 114 Satz 2 VwGO) nicht zugänglich. Außerdem fehle es an einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherheitsleistung und den Interessen der Antragstellerin, die durch Rechte von Verfassungsrang (Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt seien (Ermessensdefizit).
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Unabhängig davon fehlt es nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch an einem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse für die Festsetzung der streitgegenständlichen Sicherheitsleistung. Schon mangels entsprechender Darlegungen des Antragsgegners sei nicht erkennbar, dass die Vollziehbarkeit der neu festgesetzten Sicherheitsleistung von einer „solchen Unaufschiebbarkeit geprägt wäre, aufgrund derer dem Antragsgegner ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann“. Es hätte, so das Gericht, dargelegt werden müssen, dass der Eintritt des Sicherungsfalls noch vor Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache ernsthaft möglich sei, etwa infolge einer aktuell drohenden Insolvenz. Das finanzielle Risiko der öffentlichen Hand sowie der Allgemeinheit könne in diesem Zusammenhang nicht allein mit allgemeinen Darlegungen zur Fragilität der wirtschaftlichen Lage auf dem Entsorgungsmarkt für Verpackungsabfälle begründet werden.
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Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 27.10.2020. Wie der Antragsgegner in diesem und weiteren Schriftsätzen dargelegt, ist der Bescheid vom 17.01.2020 seiner Ansicht nach rechtlich nicht zu bestanden. Bedenken an der Verfassungskonformität der Ermächtigungsgrundlage in § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG seien – wie der Antragsgegner im Einzelnen ausführt – unbegründet. Ein Ermessensausfall sei nicht gegeben, denn die Grundsatzentscheidung über das „Ob“ der Sicherheitsleistung sei bereits durch den ursprünglichen Feststellungsbescheid vom 22.12.1992 getroffen worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Sicherheitsleistung hätten sich durch das zwischenzeitliche Inkrafttreten des § 18 Abs. 4 VerpackG nicht verändert. Es wäre deshalb nach Ansicht des Antragsgegners eine „überflüssige Förmelei“, eine abermalige Ermessensentscheidung zu verlangen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Erweiterung der Sicherungsfälle durch den Gesetzgeber zum Anlass hätte genommen werden sollen, nunmehr abweichend von der bereits getroffenen Entscheidung ganz auf die Festsetzung einer Sicherheitsleistung zu verzichten. Zudem sei die im Feststellungsbescheid dargestellte Risikolage des Systems unverändert und bedürfe keiner Neubewertung. Dessen unbeschadet habe der Antragsgegner sehr wohl abermals Ermessenserwägungen (auch) hinsichtlich der Notwendigkeit der Anpassung der Sicherheitsleistung sowie der Festsetzung der Sicherheitsleistung angestellt und diese im streitgegenständlichen Bescheid dokumentiert. Die Formulierung auf Seite 4 des Bescheids („Die Anordnung einer Sicherheitsleistung steht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde.“) zeige deutlich, dass sich der Antragsgegner seines Entschließungsermessens bewusst gewesen sei. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang außerdem auf eine länderübergreifende Arbeitsgruppe, die sich im Vorfeld des Erlasses der neuen Festsetzungsbescheide gegenüber der Antragstellerin und anderen Systemen in monatelangen Beratungen mit der Notwendigkeit der Erhebung der Sicherheitsleistung sowie mit deren Berechnungsmethode auseinandergesetzt habe. Auch ein Ermessensdefizit sei nicht gegeben, denn die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Antragstellerin seien im Bescheid berücksichtigt worden. Die Festsetzung der Sicherheitsleistung sei auch in der Höhe nicht zu beanstanden und genüge insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
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Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung begründet der Antragsgegner unter anderem damit, dass kein intensiver Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdegegnerin vorliege. Die Erbringung einer Sicherheitsleistung sei eine „ohne weiteres reparable Maßnahme“, da die Sicherheitsleistung nach einer für die Antragstellerin positiven Entscheidung im Hauptsacheverfahren unproblematisch zurückgewährt werden könne. Zudem sei es unzutreffend, ein besonderes Vollzugsinteresse davon abhängig zu machen, ob der abzusichernde Tatbestand unmittelbar oder mit Sicherheit zu erwarten bevorstehe. Selbst dieser strenge Maßstab sei aber im vorliegenden Fall erfüllt.
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Die Antragstellerin ist der Beschwerde mit Schreiben vom 18.12.2020 und weiteren Schriftsätzen entgegengetreten. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Antragsgegner das erforderliche Erschließungsermessen nicht ausgeübt habe. Auf die im Feststellungsbescheid getroffene Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ der Sicherheitsleistung könne sich der Antragsgegner schon deshalb nicht berufen, weil die gesetzliche Grundlage für die Anforderung einer Sicherheitsleistung zwischenzeitlich neugefasst und erweitert worden sei. Davon abgesehen sei die im Bescheid vorgesehene Erhöhung der Sicherheitsleistung unverhältnismäßig. Die Mitbenutzungs- und Nebenentgelte seien schon deshalb keine angemessenen Maßstäbe für die Bemessung der Sicherheitsleistung, weil insoweit auch bei einem Ausfall eines Systems keine Beeinträchtigung der von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erbrachten Leistungen drohe. Es handele sich vielmehr großteils um „Selbstkosten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger“ für Leistungen, die sie ihren Bürgern im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge ohnehin schuldeten. Die Entsorgungssicherheit sei durch den Ausfall eines Systems in keiner Weise gefährdet, weil das mit der Sammlung von Abfällen beauftragte Drittunternehmen den Systemen gegenüber zur Entsorgung aller Abfälle verpflichtet sei und eine Sortierung des Abfalls im Übrigen faktisch ausscheide. Die Antragstellerin hat unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.08.2020 (12 CS 20.1750, veröffentlicht bei juris) ferner ausgeführt, dass und weshalb die Ermächtigungsgrundlage des § 18 Abs. 4 VerpackG ihrer Ansicht unter anderem mangels hinreichender Bestimmtheit verfassungswidrig ist. § 18 Abs. 4 VerpackG dehne die Sicherungsfälle ins Uferlose aus, wenn jegliche nur denkbare (geringfügige) Pflichtverletzung der Systeme berücksichtigt werden dürfe. Außerdem sei gesetzlich nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Antragsgegner etwaige Beträge aus den hinterlegten Sicherheitsleistungen an einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auskehren dürfe.
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Während der Rechtshängigkeit des Verfahrens wurde die Vorschrift des § 18 Abs. 4 VerpackG mit Wirkung zum 03.07.2021 geändert (Art. 1 Nr. 17 lit. d Gesetz zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunstoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 09.06.2021, BGBl. I-1699). Zum einen wurde die bis dahin nur aus einem Satz bestehende Vorschrift durch die Sätze 2 und 3 ergänzt, die den Begriff der Angemessenheit der Sicherheitsleistung näher bestimmen. Zum anderen wurde der nunmehrige § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG geändert. Während es dort ursprünglich hieß, dass die Behörde jederzeit eine Sicherheit verlangen „kann“, ist nunmehr vorgesehen, dass die Behörde eine Sicherheit verlangen „soll“.
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Für die Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Behördenakten verwiesen.
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II. Die fristgerecht erhobene (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) sowie auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg.
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1. Der im Beschwerdeverfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab ergibt sich aus § 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Gemäß diesen Vorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof eine eigene Abwägung zwischen dem Aufschubinteresse der Antragstellerin und dem behördlichen Interesse an der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts nur dann vorzunehmen, wenn sich der angegriffene Beschluss aus einem vom Beschwerdeführer dargelegten Grund als fehlerhaft erweist (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, § 146 Rn. 15a m. w. N.).
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2. Mit Erfolg wendet sich der Antragsgegner und Beschwerdeführer gegen die tragende Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid bereits infolge eines Ermessensausfalls rechtswidrig sei und die Antragstellerin in subjektiven Rechten verletze.
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In der im Zeitpunkt des Erlasses des verfahrensgegenständlichen Bescheids geltenden Fassung räumte § 18 Abs. 4 VerpackG der zuständigen Behörde ein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung ein, ob sie zur Absicherung finanzieller Risiken der öffentlichen Hand aus Pflichtverletzungen der Systeme eine Sicherheitsleistung verlangt. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht grundsätzlich auch im Eilverfahren, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtwidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dazu gehört auch die Feststellung, ob das Ermessen überhaupt betätigt wurde oder ein sog. Ermessensausfall vorliegt (vgl. Aschke in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Aufl., § 40 Rn. 81). Das Ermessen wurde betätigt, wenn sich die Behörde der fehlenden eindeutigen gesetzlichen Bestimmung der von ihr zu treffenden Entscheidung bewusst war und sich in dem damit eröffneten Rahmen mit den für und gegen die Entscheidung sprechenden Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat. Beides muss sich zudem objektiv erkennbar in der Begründung des Bescheids manifestiert haben (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.02.2014 – 8 S 2146/13 – VBlBW 2015, 78, 80; BayVGH, Urteil vom 06.02.2014 – 2 B 13.2570 – BayVBl 2015, 274, 275; Ruffert in Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl., § 40 Rn. 48; Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 40 Rn. 202). Der Rechtsfehler des Ermessensausfalls ist mithin nicht am Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts ablesbar, sondern ist eine auf den zum Erlass des Verwaltungsakts hinführenden Vorgang bezogene und in diesem Sinne verfahrensrechtliche – wenngleich nicht formelle – Fehlerkategorie. Es spricht deshalb nach Einschätzung des Senats vieles dafür, dass eine nachträgliche ex nunc wirkende Änderung der Anforderungen an die Ermessensausübung einen Verwaltungsakt, der im Zeitpunkt seines Erlasses den dafür geltenden Anforderungen nicht genügte, jedenfalls bei einem Ermessensausfall nicht nachträglich rechtmäßig werden lassen kann. Dies entspricht der Unmöglichkeit einer nachträglichen Heilung eines Ermessensausfalls durch die Behörde selbst nach § 114 Satz 2 VwGO. Die mit Wirkung zum 03.07.2021 erfolgte Umstellung des § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG auf eine sog. Soll-Vorschrift wäre dann für den zuvor erlassenen verfahrensgegenständlichen Bescheid von vornherein unbeachtlich. Im Übrigen wäre die Behörde auch bei Geltung einer Sollvorschrift nicht von der Verpflichtung entbunden gewesen, ihr Ermessen auszuüben, weil sie zumindest das Vorliegen eines atypischen Falls zu prüfen gehabt hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18.16 – BVerwGE 160, 193 Rn. 29 m. w N.).
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Die Frage kann aber im Ergebnis offenbleiben, weil auch nach dem im Erlasszeitpunkt geltenden Recht ein Ermessensausfall nicht festzustellen ist. Der Antragsgegner hat die Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ einer Sicherheitsleistung unter Ziff. I Satz 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheids getroffen, indem er die im Feststellungsbescheid vom 22.12.1992 enthaltene Nebenbestimmung zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung durch eine neue, seine erweiterten Befugnisse unter Geltung des Verpackungsgesetzes nutzende Regelung ersetzt hat. In der schriftlichen Begründung zu dieser „Ersetzungsanordnung“ wiederholt der Antragsgegner zunächst den Inhalt der früheren Festsetzung und weist dann darauf hin, dass das am 01.01.2019 in Kraft getretene Verpackungsgesetz den „Anwendungsbereich der Sicherheitsleistung“ (gemeint ist: den Kreis der Pflichtverletzungen, bei deren Vorliegen die Behörde zur Deckung ihrer Kosten zu einem Zugriff auf die erbrachte Sicherheitsleistung berechtigt ist) erheblich erweitere. „Daher“, so heißt es im unmittelbaren Anschluss, bestehe der Bedarf, die Feststellungsbescheide sowie die festgesetzten Sicherheitsleistungen an die neue Rechtslage anzupassen und sie in für alle dualen Systeme gleicher Art und Weise auszugestalten. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung stehe sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde.
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Bei einem auf das Wort „daher“ verengten Blick könnte diese Begründung in der Tat darauf hindeuten, dass sich die Behörde zwar mit der Notwendigkeit von Sicherheitsleistungen „im Allgemeinen“, nicht aber mit der Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung in dem konkret zu entscheidenden Einzelfall auseinandergesetzt und direkt aus der Existenz einer abstrakt-generellen Befugnisnorm auf das Bedürfnis ihrer möglichst weit reichenden Anwendung geschlossen hat. Nach der vorläufigen Einschätzung des Senats geht es aber zu weit, allein daraus auf einen Ermessensausfall zu schließen. Die dargestellte Passage der Begründung spricht mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf das pflichtgemäße Ermessen im Gegenteil dafür, dass sich die Behörde ihres Entscheidungsspielraums bewusst war und nicht irrtümlich von einer vollständigen rechtlichen Bindung ausging. Ferner findet die erforderliche Auseinandersetzung mit dem Einzelfall jedenfalls in den ausführlichen Erwägungen zur Höhe der Sicherheitsleistung und insbesondere zur Verhältnismäßigkeit statt. Indem die Behörde die für eine Eignung und Erforderlichkeit der in bestimmter Höhe bemessenen Sicherheitsleistung zur Förderung eines Sicherungszwecks sprechenden Gesichtspunkte darlegt, stellt sie indirekt zugleich fest, dass der Sicherungszweck ihrer Ansicht nach im konkreten Einzelfall besteht; ohne eine Entscheidung über das „Ob“ kann es auch keine Entscheidung über das „Wie“ geben (im Ergebnis ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.06.2021 – 20 B 883/20 – juris). Schließlich hat die Behörde durch die im Tenor des Bescheids erfolgende Bezugnahme auf den Feststellungsbescheid zumindest konkludent erkennen lassen, dass die damals für eine positive Betätigung des Entschließungsermessens angestellten Erwägungen fortgelten sollen. Dies ergibt sich daraus, dass der neue Bescheid die ursprüngliche Festsetzung nicht aufhebt, sondern lediglich abändert. Es ist aus der Perspektive eines objektiven Empfängers des Verwaltungsakts auch nicht erkennbar, weshalb es ausgerechnet die durch das VerpackG im Vergleich zur früheren Rechtslage vorgenommene Erweiterung der Sicherungsfälle rechtfertigen sollte, die frühere positive Ermessensbetätigung nunmehr anders vorzunehmen. Damit ist nicht gesagt, dass die Feststellung eines Ermessensausfalls allein schon aufgrund der Bestandskraft des früheren Bescheids ausgeschlossen wäre (VG Stuttgart, Urteil vom 14.12.2017 – 14 K 2847/15 – juris Rn. 78), sondern nur, dass die Behörde beim Erlass des neuen Bescheids ausdrücklich oder konkludent auf frühere Erwägungen Bezug nehmen und diese in die Gegenwart fortschreiben kann. Eben dies ist hier geschehen.
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3. Die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobenen Anfechtungsklage ist insoweit wiederherzustellen, wie die im Bescheid festgesetzte Sicherheitsleistung einen Betrag von 3.915.117,– EUR übersteigt. In dieser Höhe – mithin in Höhe von 1.402.783,– EUR – erweist sich der Bescheid bei summarischer Prüfung nämlich als rechtswidrig, weshalb ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung unbeschadet der in formeller Hinsicht insgesamt ordnungsgemäßen Begründung (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) nicht besteht. Im Übrigen überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aufschubinteresse der Antragstellerin, denn der Bescheid ist insoweit voraussichtlich rechtmäßig und es besteht eine besondere, die Abweichung vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigende Eilbedürftigkeit des Vollzugs.
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a) Zunächst bestehen entgegen der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertretenen Ansicht (Beschluss vom 28.08.2020 – 12 CS 20.1750 – juris; Beschluss v. 16.06.2021 – 12 CS 20.1645 – Rn. 19 ff.) keine durchgreifenden Bedenken an der Vereinbarkeit der in § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG normierten Ermächtigungsgrundlage mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG).
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aa) Der Tatbestand des § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG, das heißt die gesetzliche Beschreibung der sicherbaren finanziellen Nachteile, ist dabei nach Auffassung des Senats einer engen Auslegung bedürftig und auch zugänglich. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann eine Sicherheitsleitung für den Fall verlangt werden, dass den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden durch eine Pflichtverletzung des Systems zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen. Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, von dieser Befugnis seien ohne weitere Einschränkung alle durch eine Pflichtverletzung verursachten finanziellen Nachteile der öffentlichen Hand erfasst. So könnte auch die dem Gesetzentwurf zum neuen Verpackungsgesetz beigefügte Begründung zu lesen sein, in der es heißt, dass die betroffene Behörde neben den Kosten einer Ersatzvornahme „auch andere Zusatzkosten wie beispielsweise zusätzliche Ermittlungs- und Verwaltungskosten oder Kosten für andere Vollstreckungsmaßnahmen über die Sicherheitsleistung ersetzt verlangen“ können soll, „sofern diese kausal auf dem Pflichtverstoß beruhen“ (BT-Drucks. 18/11274 S. 103 f.).
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Eine solche weite, auf die Gesetzesbegründung gestützte Auslegung könnte in der Tat verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, denn der Gesetzgeber hätte dann eine unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten möglicherweise als wesentlich zu erachtende Entscheidung über die finanzielle Kompensation für rechtswidriges Verhalten in einem sehr weitgehenden Maße der Exekutive überlassen und dieser damit einen in seiner Weite kaum vorhersehbaren und kontrollierbaren Zugriff auf das Vermögen der Systeme erlaubt. Das im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel interpretierte Verursachungskriterium wäre bei der Bestimmung der Sicherungsfälle ein ebenso grober Filter wie der Begriff der „zuständigen Behörden“. Nach der vorläufigen Einschätzung des Senats ist § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG deshalb enger dahingehend zu verstehen, dass der Zugriff der öffentlichen Hand auf die Sicherheitsleistung neben einer Pflichtverletzung des Systems auch einen Anspruch voraussetzt, der zugunsten einer Stelle der öffentlichen Hand auf eine vollständige oder teilweise Kompensation der durch die Pflichtverletzung verursachten Kosten oder finanziellen Verluste gerichtet ist. Das Recht zur Befriedigung aus der Sicherheitsleistung ist akzessorisch zu einer zu sichernden Forderung. Bei dieser Auslegung ist eine Verletzung des Vorbehalts des Gesetzes in Verbindung mit der Wesentlichkeitstheorie aller Voraussicht nach zu verneinen. Die Voraussetzungen des Entstehens der Hauptforderung und damit mittelbar auch des Zugriffsrechts auf die Sicherheitsleistung werden nach diesem Verständnis durch das die Tatbestandsvoraussetzungen der Hauptforderung definierende und den Anspruch auf der Rechtsfolgenseite bestimmende Gesetz definiert, dessen Anwendung zudem einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Die Forderungsakzessorietät bezieht mithin den parlamentarischen Gesetzgeber stärker in die Verantwortung ein und beschränkt den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG.
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Für die hier vertretene Auslegung, der zufolge auf die Sicherheit nur zur Befriedigung einer Hauptforderung zurückgegriffen werden darf, gibt es auch im Wortlaut des Gesetzes gewichtige Anhaltspunkte. § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG verwendet mit dem Ausdruck „Sicherheitsleistung“ einen zivilrechtlich durch § 232 BGB vorgeprägten Begriff. Im Zivilrecht werden Sicherheitsleistungen stets in Bezug auf einen hierdurch zu sichernden Anspruch erbracht, wohingegen eine Vereinbarung, die den Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen zum Ausgleich bestimmter finanzieller Nachteile des Gläubigers verpflichtet, etwa als Versicherungs- oder Garantievertrag einzuordnen sein kann. Im Sinne einer Forderungsakzessorietät hat auch der Antragsgegner die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage verstanden, wenn er der Antragstellerin unter Ziff. II des Bescheids als Sicherungsmittel die Beibringung einer Bankbürgschaft aufgegeben hat. Ein Bürgschaftsvertrag ist gemäß § 765 Abs. 1 BGB als Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger eines Dritten definiert, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Die Inanspruchnahme eines Bürgen setzt mithin neben dem Eintritt des Bürgschaftsfalles das Bestehen einer Forderung des Gläubigers gegen Hauptschuldner voraus (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 765 Rn. 1). Für ein abweichendes öffentlich-rechtliches Verständnis der Begriffe der Sicherheitsleistung und der Bürgschaft fehlt es in Rechtsprechung und Literatur an Anhaltspunkten. Im Hinblick auf den zu § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG parallelen Tatbestand des § 17 Abs. 4a BImSchG hat der Senat bereits entschieden, dass der dortige Sicherungsfall – die Nichterfüllung von Nachsorgepflichten aus § 5 Abs. 3 BImSchG – das Bestehen einer Hauptverbindlichkeit des Schuldners voraussetzt (Senatsurteil vom 11.05.2021 – 10 S 709/19 – juris Rn. 36).
33
bb) Auch die hinreichende Bestimmtheit der vom Gesetz verwendeten Begriffe der Kosten und der finanziellen Verluste dürfte auf der Grundlage der hier vorgenommenen Auslegung des Gesetzes zu bejahen sein. Kosten und finanzielle Verluste im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG sind hiernach nur solche finanziellen Nachteile, deren vollständige oder teilweise Kompensation durch eine unmittelbar oder mittelbar an eine Pflichtverletzung eines Systems anknüpfende Anspruchsnorm zugunsten der öffentlichen Hand angeordnet wird.
34
cc) Schließlich genügt der in § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG auf der Rechtsfolgenseite verwendete Begriff der Angemessenheit – entgegen der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 28.08.2020 – 12 CS 20.1750 – a. a. O.; Beschluss vom 16.06.2021 – 12 CS 20.1645 – Rn. 19 ff.) – den verfassungsrechtlichen Anforderungen von Normen.
35
Keine durchgreifenden Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich der Bestimmtheit. Im Unterschied zu abgaberechtlichen Normen, die unmittelbar an den Abgabenschuldner gerichtete Rechtsbefehle enthalten, ist Adressatin der Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung nicht unmittelbar das zur Zahlung verpflichtete Unternehmen, sondern die rechtsstaatlich gebundene, demokratisch legitimierte und der judikativen Kontrolle unterliegende Verwaltung. Es ist die Aufgabe der Verwaltung, die aufgrund des abstrakt-generellen Charakters eines Gesetzes immer vorhandene Lücke zum einzelnen Anwendungsfall zu schließen und in diesem Sinne nicht nur rechtsgebunden, sondern auch rechtserzeugend zu wirken. Der gesetzliche Begriff der Angemessenheit ist ein weit verbreiteter, judikativ vielfach operationalisierter Begriff, der sich zur Definition harter Obergrenzen behördlicher Entscheidungen bewährt hat. Da die behördlich festgesetzten Sicherheitsleistungen keinen Entgeltcharakter haben, sondern sie der Ausfallsicherung anderweitig begründeter und definierter Ansprüche dienen, kann auch keine Parallele zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV (BVerwG, Urteil vom 26.03.2015 – 7 C 17.12 – BVerwGE 152, 1 [8 f.] Rn. 30) gezogen werden (a. A. BayVGH a. a. O.). Im Unterschied zu der vom Bundesverwaltungsgericht für nicht hinreichend bestimmt erachteten Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV findet der Begriff der Angemessenheit vorliegend einen klaren Bezugspunkt und zugleich eine Obergrenze in Gestalt der finanziellen Nachteile, welche für die öffentliche Hand durch eine Pflichtverletzung verursacht werden können. Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 04.06.2021 zudem darauf hingewiesen, dass die „inhaltliche Reichweite behördlicher Befugnisse zur Anforderung von Sicherheitsleistungen bei anderen Formen des Umgangs vor allem Privater mit Abfällen, die sich etwa aus § 18 Abs. 6 Satz 3, § 36 Abs. 3 KrWG, § 18 Abs. 1 und 4 DepV, und § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ergeben, im Wesentlichen durch vergleichbare Kriterien festgelegt wird, ohne dass die Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit höherrangigem Recht und ihre Tauglichkeit als Rechtsgrundlagen für den Erlass von Anordnungen zur Leistung von Sicherheit bislang, soweit ersichtlich, grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt war“ (Az. 20 B 883/20 a. a. O. Rn. 26). Dabei verzichten alle genannten Vorschriften sogar auf die ausdrückliche Normierung des Erfordernisses der Angemessenheit zur Steuerung und Begrenzung der Höhe der Sicherheitsleistung. Ein nennenswerter Unterschied zur Rechtslage im VerpackG ist damit nicht verbunden, denn der Begriff der „Angemessenheit“ beschreibt im Grunde genommen eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit (vgl. nur Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 17 BImSchG, Rn. 196, die den Begriff der Angemessenheit auch mit Blick auf § 17 Abs. 4a BImSchG verwenden). Dass der Gesetzgeber das oft ungeschriebene Angemessenheitskriterium in § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG ausdrücklich normiert hat, kann ihm schwerlich den Vorwurf der Unbestimmtheit einbringen.
36
Angesichts dieses Befunds kann offenbleiben, welche Bedeutung den zur Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit mit Wirkung zum 03.07.2021 erlassenen neuen Bestimmungen des § 18 Abs. 4 Sätze 2 und 3 VerpackG beizumessen ist und ob sie auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid anzuwenden sind.
37
Der Vorbehalt des Gesetzes in Verbindung mit der sog. Wesentlichkeitstheorie verpflichtet den Gesetzgeber ebenfalls nicht dazu, die Rechtsfolge des § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG inhaltlich dichter zu normieren und die Exekutive damit bei der Entscheidung über die Höhe der Sicherheitsleistung präziser zu steuern. Vielmehr sprechen gerade auf einem wirtschaftlich volatilen Markt wie dem der Abfallwirtschaft und angesichts der Verschiedenheit der auf dem Markt tätigen Systeme gewichtige Gründe dafür, der Verwaltung einen eher weiten Spielraum zu belassen, innerhalb dessen sie die „angemessene“ Sicherheitsleistung nach den konkreten Umständen des Einzelfalles bestimmen kann. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die – nach dem Vorstehenden auf die Sicherung gesetzlich vorgeprägter Ansprüche begrenzte – Pflicht zur Sicherheitsleistung ein schwerwiegender und damit womöglich nur durch eine engmaschige gesetzliche Regelung legitimierbarer Grundrechtseingriff wäre. Die den Unternehmen durch die Beibringung einer Sicherheitsleistung entstehenden Kosten sind im Verhältnis zu den auf dem Markt der Leichtverpackungsentsorgung zu erwirtschaftenden Gewinnen moderat und nicht ernsthaft geeignet, ein Unternehmen von der Tätigkeit im Markt abzuhalten. Zu berücksichtigen ist auch, dass den im Markt tätigen Unternehmen gerade durch staatlich gesetztes Recht – nämlich durch die grundsätzliche Überlassungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 KrWG und das insoweit als Ausnahme konzipierte, aus der Sicht der Verbraucher ökonomisch vorzugswürdige, weil gebührenfreie alternative Recht aus § 13 VerpackG zur Überlassung der Verpackungsabfälle an ein System – ein ökonomisch vergleichsweise sicherer Markt überhaupt erst eröffnet wird und jedes Unternehmen, das sich zum Eintritt in diesen Markt entscheidet, von vornherein damit rechnen muss, einer engen rechtlichen Bindung und staatlichen Kontrolle zu unterliegen.
38
b) Auf der Grundlage des Vorstehenden ist auch der verfahrensgegenständliche Bescheid selbst hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 LVwVfG).
39
Bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Er belastet das betroffene Unternehmen, das Adressatin des Verwaltungsakts ist, mit dem Rechtsbefehl zur Beibringung der Sicherheitsleistung (vorliegend durch die Bürgschaftserklärung eines Dritten) und begünstigt die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und die zuständigen Behörden, denen durch eine Pflichtverletzung des Unternehmens zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen. Die „Behörde nach Absatz 1 Satz 1“ (in Baden-Württemberg also das Umweltministerium als oberste Abfallrechtsbehörde, § 23 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 4 LKreiWiG) wird durch den Bescheid stillschweigend verpflichtet, die genannten öffentlichen Stellen im Sicherungsfall für die ihnen entstehenden zusätzlichen Kosten oder finanziellen Verluste aus der erhaltenen Sicherheit zu befriedigen. Ob dieser objektiv-rechtlichen Verpflichtung ein subjektives Recht der öffentlichen Stellen bzw. ihrer Rechtsträger gegenüber der „Behörde nach Absatz 1 Satz 1“ bzw. ihrem Rechtsträger korrespondiert, kann hier dahinstehen.
40
aa) Im Verhältnis zum betroffenen System – der Antragstellerin – ist der Bescheid ohne Zweifel hinreichend bestimmt. Das System wird zur Beibringung einer Bankbürgschaft mit bestimmten Eigenschaften und in bestimmter Höhe verpflichtet.
41
bb) Zur Bestimmung der Sicherungsfälle wiederholt der Bescheid den Wortlaut des § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG. Abweichend von der früheren Rechtslage unter der Geltung der VerpackV setzt der Zugriff auf die Sicherheitsleistung nicht mehr zwingend eine Verletzung gesetzlich geregelter Pflichten durch das System voraus. Es genügt die Verletzung von Pflichten, die sich aus einer Abstimmungsvereinbarung des Systems mit einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus einer von diesem erlassenen Rahmenvorgabe nach § 22 Abs. 2 VerpackG ergeben. Das Instrument der Sicherheitsleistung steht zudem nicht nur zur Absicherung von finanziellen Risiken der für die Anordnung zuständigen Behörde oder ihrem Rechtsträger zur Verfügung, sondern erfasst alle zusätzlichen Kosten oder finanziellen Verluste, die bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern sowie „den zuständigen Behörden“ entstehen.
42
Der Senat verkennt nicht, dass ein Bescheid nicht zwangsläufig allein deshalb hinreichend bestimmt ist, weil er den Wortlaut der Rechtsfolgenbestimmung seiner – ihrerseits hinreichend bestimmten – gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage wiederholt. An die Bestimmtheit einer behördlichen, unmittelbar in subjektive Rechte eingreifenden und vollstreckbaren Verfügung können höhere Anforderungen gestellt sein als an das Gesetz. Die vom Antragsgegner zuletzt vorgetragene Ansicht, es gehe „im Wesentlichen“ nur um die Absicherung von Kosten für Ersatzvornahmen und die Zahlung von Mitbenutzungs- und Nebenentgelten, findet im Bescheid selbst keine Stütze. Allerdings werden etwaige Unklarheiten hinsichtlich der Sicherungsfälle, von denen unmittelbar die durch die Sicherungsleistung begünstigten Hoheitsträger, mittelbar aber auch das System selbst betroffen wären (vgl. § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB), durch die im Gesetz vorgegebene und im Bescheid selbst durch die Wahl des Sicherungsmittels der Bürgschaft bestätigte Forderungsakzessorietät auf ein juristisch handhabbares Maß reduziert. Die Anspruchsvoraussetzungen der zu sichernden Hauptforderung ergeben sich aus dem jeweils anwendbaren Recht (z. B. LVwVG oder Abstimmungsvereinbarung). Dem vom Zugriff auf die Sicherheitsleistung mittelbar betroffenen System steht – wovon der Senat ausgeht – ein gerichtlicher Rechtsbehelf zur Verfügung, um die Rechtmäßigkeit dieses Zugriffs überprüfen zu lassen.
43
Spezifisch mit § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG verbundene Zweifelsfälle können sich freilich im Hinblick auf den vom Gesetz vorausgesetzten Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Entstehung des Anspruchs ergeben (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG: „dadurch“). Nach der vom Antragsgegner vertretenen Ansicht werden nicht allein Ansprüche gesichert, die der öffentlichen Hand gegenüber dem sich pflichtwidrig verhaltenden System selbst zustehen, sondern auch Ansprüche gegenüber den übrigen Systemen eines bestimmten Sammelgebiets. Der Antragsgegner verweist hierzu auf den Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Anordnung nach § 2 Abs. 2 VerpackG, § 62 KrWG i. V. m. §§ 25, 31 Abs. 1 LVwVG. Infolge des pflichtwidrigen Verhaltens eines Systems könne letztlich die gesamte Entsorgung von Leichtverpackungen in einem Sammelgebiet zusammenbrechen, weil dem mit der Sammlung beauftragten Dritten infolge des Ausfalls eines seiner Vertragspartner ein aus § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) abzuleitendes Leistungsverweigerungsrecht auch gegenüber allen anderen Systemen zustehe, bis es zu einer den Ausfall kompensierenden Anpassung der Sammelverträge gekommen sei. Wenn auch nur eines der Systeme nicht mehr für seine anteiligen Sammelkosten aufkomme, könne der Entsorger die Leistung verweigern, bis die übrigen Systeme einer Anpassung des Vertrags dahingehend zustimmen, dass der beauftragte Dritte wieder 100 % seiner Leistung vergütet erhalte. Ein Zurückbehaltungsrecht bestehe darüber hinaus auch dann, wenn die Insolvenz noch nicht eingetreten, wohl aber „zu befürchten“ sei. Ob die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit aller Systeme tatsächlich zur Geschäftsgrundlage jedes einzelnen Entsorgungsvertrags gehört und sich die vom Antragsgegner vertretene Rechtsansicht damit zivilrechtlich als tragfähig erweist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls kann es zu einer rechtmäßigen Ersatzvornahme in der geschilderten Konstellation nur kommen, wenn und soweit der Dritte von seinem Leistungsverweigerungsrecht gegenüber den Systemen tatsächlich Gebrauch macht, die Systeme sich diesem Begehren unbeschadet ihrer gesetzlichen Verpflichtung zum Systembetrieb (§ 14 VerpackG) verweigern und diese Haltung auch nach der Androhung der Verwaltungsvollstreckung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 LVwVG) nicht aufgeben. Ob sich die Kosten der Verwaltungsvollstreckung in diesem nach Ansicht des Senats wohl eher fernliegenden Fall noch der ursprünglichen Pflichtverletzung desjenigen Systems zurechnen lassen, das etwa infolge einer (drohenden) Insolvenz seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Sammlungsunternehmen nicht mehr nachkommt, bedürfte im Streitfall näherer Erörterung. Die zuständige Behörde war nicht verpflichtet, diese Auslegung des Gesetzesbegriffs („dadurch“) schon beim Erlass des Bescheids vorwegzunehmen. Der Bescheid verliert mithin nicht dadurch seine hinreichende Bestimmtheit i.S.v. § 37 Abs. 1 LVwVfG, dass er nicht alle denkbaren durch eine Pflichtverletzung im Sinne des Gesetzes verursachten Forderungen benennt und damit noch Raum für Rechtsstreitigkeiten belässt.
44
c) Als teilweise rechtsfehlerhaft erweist sich der Bescheid allerdings hinsichtlich der festgesetzten Höhe der Sicherheitsleistung. Wie dargestellt, hat die Behörde die Sicherheitsleistung kalkulatorisch aus mehreren Komponenten zusammengesetzt. Einbezogen wurden erstens das finanzielle Risiko der öffentlichen Hand hinsichtlich eines Ausfalls der Antragstellerin bei der Erfassung von Leichtverpackungsabfällen, zweitens die gesetzlichen Ansprüche der Entsorgungsträger auf die Zahlung von Nebenentgelten (§ 22 Abs. 9 VerpackG) und drittens die Pflichten zur Zahlung von Entgelten für die Mitbenutzung öffentlicher Entsorgungsstrukturen aus Abstimmungsvereinbarungen (§ 22 Abs. 1 VerpackG) und Rahmenvorgaben (§ 22 Abs. 2 VerpackG).
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aa) Hinsichtlich der ersten Komponente – der Sicherung gegen den Ausfall der Leichtverpackungsentsorgung – hat der Senat keine durchgreifenden Zweifel an der Angemessenheit der festgesetzten Sicherung, denn der öffentlichen Hand können aufgrund von Pflichtverletzungen der Antragstellerin Ansprüche in der kalkulatorisch angesetzten Höhe zuwachsen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin trotz des vom Antragsgegner befürchteten „Dominoeffekts“ beim Ausfall auch nur eines einzelnen Systems das Systemrisiko nur in Höhe ihres eigenen Marktanteils zugewiesen wird. Es ist nach der Einschätzung des Senats derzeit jedenfalls faktisch nicht auszuschließen, dass es vorübergehend zu Störungen bei der Entsorgung von Verpackungsabfall aus privaten Haushalten kommt, wenn ein System seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Drittbeauftragten nicht oder nicht vollständig nachkommt. Allerdings dürften sich die angefallenen Verpackungsabfälle faktisch nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand nachträglich nach den zuständigen Entsorgungssystemen trennen lassen, weshalb es nicht nur beim Ausfall eines kleineren Systems in den meisten Landkreisen und kreisfreien Städten überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass der Drittbeauftragte die Sammlung des gesamten Leichtverpackungsabfalls wie zuvor fortsetzt. Dennoch ist es zumindest nicht gänzlich fernliegend, dass der Drittbeauftragte die Erfüllung seiner Leistungspflichten auch gegenüber den übrigen Systemen verweigert, bis die mit diesen geschlossenen Verträge in der Weise angepasst wurden, dass der Dritte für den Ausfall des Systems finanziell kompensiert wird, mithin wieder 100 % seiner Leistungen vergütet erhält. Die vom Antragsgegner hierzu vorgetragene Konstruktion eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage, die dem Drittbeauftragten einen Anspruch auf Vertragsanpassung vermitteln soll, ist zwar nach dem Gesagten nicht frei von rechtlichen Zweifeln, wird aber im juristischen Diskurs vertreten. Zumindest bis zu einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage ist ihr deshalb eine potentielle faktische Wirksamkeit beizumessen. Es kommt hinzu, dass die Leichtverpackungsabfälle zwar durch einen von den Systemen gemeinsam beauftragten Dritten bei den privaten Haushalten eingesammelt werden, von diesem jedoch anschließend nach Marktanteilen zur Abholung durch die einzelnen Systeme oder deren Beauftragte bereitgestellt werden, die sie entsprechend § 14 Abs. 2 VerpackG in Sortieranlagen verbringen und damit der eigentlichen Verwertung zuführen (§ 14 Abs. 2 VerpackG). Zumindest auf dieser Entsorgungsstufe ist denkbar, dass Abfälle im Fall einer Systeminsolvenz beim Drittbeauftragten vorübergehend liegenbleiben und eine Ersatzvornahme durch die öffentliche Hand erforderlich wird. Zudem kann durch das Volllaufen der Lagerkapazitäten der wirtschaftliche Druck auf das Erfassungsunternehmen steigen, die Sammlung der Leichtverpackungsabfälle zumindest in einem bestimmten Gebiet ganz einzustellen.
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Die kalkulatorische Berücksichtigung einer Ausfalldauer von einem Monat bleibt deutlich hinter der jüngst vom Gesetzgeber nunmehr in § 18 Abs. 4 Satz 2 VerpackG getroffenen Wertung zurück. Nach dieser Vorschrift ist die Sicherheitsleistung „in der Regel“ angemessen, wenn der abzusichernde Zeitraum drei Monate nicht überschreitet“ (§ 18 Abs. 4 Satz 2 VerpackG); sogar ein längerer Sicherungszeitraum ist nach § 18 Abs. 4 Satz 3 VerpackG mit entsprechender Begründung möglich. Der vom Antragsgegner angesetzte Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % auf die bei den Systemen festgestellten Entsorgungskosten trägt dem nach aller Lebenserfahrung naheliegenden Umstand Rechnung, dass die öffentliche Hand bei einem kurzfristigen „Selbsteintritt“ in die Entsorgung möglicherweise nicht zu den gleichen Preisen im Markt einkaufen kann wie ein etablierter privater Entsorger, zumal die Verträge nur für kurze Zeit geschlossen werden könnten. Es erscheint zudem denkbar, dass die Abfälle nicht kurzfristig einer stofflichen Verwertung zugeführt werden können und sich deshalb nur eine Verbrennung als Entsorgungsweg offensteht.
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Zumal unter Berücksichtigung des der Erfassung finanzieller Risiken immanenten Prognosecharakters kann die gewählte Ermittlung des Marktanteils der Antragstellerin und der Kosten der Leichtverpackungsentsorgung jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht beanstandet werden. Der Senat macht sich insoweit die überzeugenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 04.06.2021 – 20 B 883/20 – a. a. O.) entsprechend zu eigen. Es wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, dass sich die vom Antragsgegner zugrunde gelegten Marktanteile (Stichtag 05.09.2019) zwischenzeitlich gänzlich unrealistisch wären.
48
Der vom Antragsgegner im verfahrensgegenständlichen Bescheid vorgesehene Zeitraum von grundsätzlich einem Jahr für die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Höhe der Sicherheitsleistungen erscheint unter dem Blickwinkel der gebotenen praktischen Handhabbarkeit des Instruments der Sicherheitsleistungen insgesamt sowie des verwaltungsmäßigen Aufwands für die Ermittlung und Umsetzung potenziell angezeigter „Freigaben“ bzw. „Nachforderungen“ der individuell für die Systeme festgesetzten Sicherheitsleistungen nicht als unvertretbar lang (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.06.2021 a. a. O.). Dass eine Anpassung der Sicherheitsleistung – soweit vorgetragen und ersichtlich – bislang tatsächlich nicht erfolgt ist, stellt die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht in Frage.
49
bb) Die Angemessenheit der Sicherheitsleistung steht auch insoweit nicht in Zweifel, wie in die Berechnung auch ein Betrag zur Absicherung der gesetzlich definierten Nebenentgelte eingeht.
50
cc) Als fehlerhaft erweist sich die rechnerische Grundlage des Bescheids bei summarischer Prüfung allerdings im Hinblick auf die Mitbenutzungsentgelte. Der Antragsgegner hat nämlich, wie dargelegt, in die Kalkulation auch solche Entgelte einbezogen, die für die einseitig durch Rahmenvorgabe angeordneten Mitbenutzungen kommunaler Wertstoffhöfe im Rahmen der Leichtverpackungsentsorgung anfallen. Wie der Senat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits entschieden hat, steht die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG für Anordnungen der Mitbenutzung kommunaler Wertstoffhöfe für die Sammlung von Leichtverpackungsabfällen jedoch nicht zur Verfügung (Senatsbeschluss vom 13.10.2020 – 10 S 2820/20 – juris), das heißt die entsprechenden Rahmenvorgaben sind – woran der Senat festhält – rechtswidrig. Inwieweit die Höhe der aufgrund der entsprechenden Rahmenvorgaben vereinbarten Mitbenutzungsentgelte in der Folge dieser Entscheidung etwa durch Kündigung nach § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB zurückgegangen und die Kalkulationsgrundlage des verfahrensgegenständlichen Bescheids schon aus diesem Grund fehlerhaft geworden ist, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Davon unabhängig stellt sich die Frage, ob § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG so zu verstehen ist, dass auch finanzielle Nachteile aus der Verletzung von rechtswidrigen, aufgrund ihrer Rechtsnatur als Verwaltungsakte aber dennoch rechtswirksamen Rahmenvorgaben sicherungsfähig sind, oder ob wegen der darin liegenden Perpetuierung der Rechtsverletzung eine einschränkende Auslegung des gesetzlichen Tatbestands geboten ist oder ob die materielle Rechtswidrigkeit nicht zumindest bei der Ausfüllung des Begriffs der Angemessenheit bzw. auf Ermessensebene zu berücksichtigen wäre. Bekanntlich sind rechtswidrige Verwaltungsakte nach Eintritt der Bestandskraft rechtmäßig vollstreckbar (§ 2 Nr. 1 LVwVG) und können von der öffentlichen Hand erbrachte Leistungen nach einer zwar rechtswidrigen, aber wirksamen Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsakts rechtmäßig durch Verwaltungsakt zurückverlangt werden (§ 49a Abs. 1 LVwVfG). Die Interessenlage bei der finanziellen Absicherung des § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG, die zu den Instrumenten des Verwaltungsvollstreckungsrechts hinzutritt, ist damit aber nicht vergleichbar. Auch wenn ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht durch eine Sicherheitsleistung absicherbar ist, werden seine Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit nicht in Zweifel gezogen und wird der Belang der Rechtssicherheit damit allenfalls am Rande berührt. Der Grundgedanke der Bestandskraft – letztlich die Fähigkeit des Verwaltungsakts, „Rechtsbeziehungen auf Dauer klarzustellen, zu stabilisieren und Rechtsfrieden zu schaffen“ (vgl. Ammelburger, Strukturprobleme der Bestandskraftlehre, 1997, S. 5; ähnlich Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl., § 10 Rn. 13) – wird durch die Verlagerung der Vollziehung des Verwaltungsakts in den im Vergleich zur Verwaltungsvollstreckung deutlich schwächer verfahrensrechtlich einhegten, neue Rechtsstreitigkeiten provozierenden Zugriff auf die Sicherheitsleistung jedenfalls nicht gefördert. Der Senat neigt deshalb der Einschätzung zu, dass ein durch die Verletzung einer zwar formell bestandskräftigen, aber rechtswidrigen Rahmenvorgabe verursachter finanzieller Nachteil der öffentlichen Hand jedenfalls mit Blick auf das Erfordernis der Angemessenheit bzw. auf Ermessensebene nicht kalkulatorisch bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung berücksichtigt werden darf.
51
Aufgrund des dargelegten Kalkulationsirrtums der Behörde hat der Senat erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der festgesetzten Sicherheitsleistung, soweit sie den Betrag von 3.915.117,– EUR überschreitet. Allerdings dürften die drei von der Behörde bei der Kalkulation herausgegriffenen Sicherungsfälle nach der Einschätzung des Senats nicht alle Konstellationen abdecken, in denen der öffentlichen Hand aus einer Pflichtverletzung eines Systems Ansprüche zuwachsen können, die zu einem Zugriff auf die Sicherheitsleistung berechtigen. Das könnte dafür sprechen, dass die Sicherheitsleistung im Ergebnis trotz des dargestellten Berechnungsfehlers insgesamt nicht zu hoch – also in angemessener Höhe – festgesetzt wurde. Jedoch kann es – zumal in einem Eilverfahren – nicht die Aufgabe des Gerichts sein, eine unter Zugrundelegung fehlerhafter rechtlicher Annahmen kalkulierte Sicherheitsleistung durch eine eigene Sachverhalts- und Risikoermittlung im Ergebnis zu „retten“. Der Fehler bei der Berechnung der Sicherheitsleistung schlägt deshalb unmittelbar auf den Bescheid durch. Für den Senat ist zudem nach Aktenlage nicht ohne Weiteres erkennbar, wie sich der für die Mitbenutzungsgebühren angesetzte Betrag auf die Entsorgung von Abfällen aus Papier, Pappe und Karton und die Leichtverpackungsentsorgung aufteilt und wie hoch innerhalb der zweiten Kategorie der Anteil des auf Rahmenvorgaben entfallenden Sicherungsinteresses ist. Eine weitere diesbezügliche Sachaufklärung war im gerichtlichen Eilverfahren auch unter Berücksichtigung des vom Antragsgegner selbst dargelegten erheblichen Verwaltungsaufwands, der mit einer Erhebung der Daten bei den Kommunen verbunden ist, nicht geboten. Eine weitere Beschränkung der Teilrechtswidrigkeit des Bescheids auf den Anteil, der rechnerisch auf die in Rahmenvorgaben festgelegten Mitbenutzungsentgelte bei der Leichtverpackungsentsorgung entfällt, war mithin nicht möglich.
52
d) Soweit sich der verfahrensgegenständliche Bescheid als rechtmäßig erweist, ist ein besonderes, über das materielle Interesse an der Geltung des Verwaltungsakts selbst hinausgehendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegeben. Dieses Interesse resultiert daraus, dass der Eintritt eines Sicherungsfalls noch vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts nicht von vornherein ausgeschlossen ist und es in diesem Fall zu einer dauerhaften, typischerweise nicht mehr rückgängig zu machenden finanziellen Belastung der öffentlichen Hand durch die Folgen einer Verletzung der in § 18 Abs. 4 Satz 1 VerpackG bezeichneten Pflichten käme.
53
Allerdings kann die gesetzliche Regelfolge der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen (§ 80 Abs. 1 VwGO), worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist, nicht allein schon deshalb aufgehoben werden, weil dies aus der Sicht der Behörde irgendeinen Vorteil bringt. Die Feststellung eines besonderen Vollzugsinteresses beinhaltet deshalb auch Elemente einer Abwägung (Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 387) zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geschützten Interesse an einem effektiven Rechtsschutz des Rechtsschutzsuchenden. Diese Abwägung hat das Gericht – anders als es das Verwaltungsgericht anzunehmen scheint – selbst vorzunehmen. Es kann sich also nicht damit begnügen, „Abwägungsfehler“ der Behörde etwa in Gestalt einer fehlenden Berücksichtigung der Grundrechtsrelevanz des Falls festzustellen.
54
Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Anschluss an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 28.08.2020 a. a. O.; Beschluss vom 16.06.2021 – 12 CS 20.1645 – Rn. 7) vertretenen Ansicht überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug einer rechtmäßigen Festsetzung einer Sicherheitsleistung das Aufschubinteresse des Betroffenen nicht erst dann, wenn der Eintritt des Sicherungsfalls noch vor Ergehen einer Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ernsthaft droht. Zum einen wäre das Instrument der Sicherheitsleistung nach diesem Maßstab bis zur Hauptsacheentscheidung faktisch wirkungslos, weil ein System, dessen Pflichtverletzung bereits ernsthaft und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit droht, jedenfalls in aller Regel nicht mehr in der Lage sein wird, die geforderte Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft beizubringen. Damit wäre die – auch grundrechtlich gerechtfertigte – Entscheidung des Gesetzgebers teilweise umgangen, die Risiken einer wirtschaftlichen Betätigung, die den Systemen in Abweichung von der Grundentscheidung des § 17 Abs. 1 Satz 1 VerpackG gestattet wird, nicht den Steuerzahlern aufzuerlegen, sondern den Unternehmen, die mit dieser Betätigung im Normalfall Gewinne erwirtschaften können. Dem entspricht, dass mit der Sicherheitsleistung gerade ein allgemeines, latent vorhandenes Ausfallrisiko abgedeckt werden soll (vgl. in Bezug auf den Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – 7 C 44.07 – BVerwGE 131, 11 Rn. 21; Beschluss vom 03.03.2016 – 7 B 44.15 – Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 6 = juris Rn. 16). Zum anderen dürfte der vorliegend in Rede stehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) durch eine an die berufliche Tätigkeit anknüpfende Pflicht aus den oben dargelegten Gründen entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch nicht sehr stark ins Gewicht fallen. Es versteht sich zudem von selbst, dass die Sicherheitsleistung – wovon auch der Antragsgegner ausgeht – zurückzugewähren wäre, wenn die streitgegenständliche Verfügung im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden würde. Dieser Folgenbeseitigungsanspruch (Gersdorf in BeckOK VwGO, § 80 Rn. 202) umfasst nach vorläufiger Einschätzung des Senats auch die Erstattung der weiteren Kosten (hier: Avalzins), die durch eine rechtswidrige Anordnung des Sofortvollzugs unmittelbar verursacht worden sind.
55
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
56
5. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG auf 159.537,– EUR festzusetzen. Der Senat legt dabei in Orientierung an die Empfehlungen der Nr. 2.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163) den Betrag der Mehrkosten zugrunde, welcher der Antragstellerin durch die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung entstanden ist. Die Mehrkosten entsprechen den Kosten für die Bereitstellung der Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft in Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistung. Nach Einschätzung des Senats ist hierfür ein Wert in Höhe von 2 % der Bürgschaftssumme p.a. angemessen, mithin 106.358,– EUR. Es waren nicht lediglich die Mehrkosten für eine Bankbürgschaft in den nunmehr verlangten Höhe gegenüber der aufgrund des ursprünglichen Feststellungsbescheids anzusetzen, weil der verfahrensgegenständliche Bescheid gemäß Ziff. I Satz 1 insoweit an die Stelle dieses Bescheids getreten ist. Da die Kosten für die Bankbürgschaft dauerhaft anfallen, war entsprechend § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG der dreifache Jahresbetrag zu berücksichtigen. Entsprechend der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 war für den einstweiligen Rechtsschutz die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren geltenden Streitwerts festzusetzen.
57
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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