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Streit um „Veggie-Burger“ eskaliert vor EU-Abstimmung – Union tief gespalten

gate74 (CC0), Pixabay
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Wird aus dem Veggie-Burger bald ein „Soja-Bratling“, aus dem Sellerie-Schnitzel ein „pflanzlicher Fladen“? Über diese scheinbar skurrile, aber wirtschaftlich und politisch brisante Frage entscheidet heute Mittag das Europäische Parlament – und der Ausgang ist völlig offen. Schon jetzt ist klar: Die Abstimmung sorgt für tiefe Risse, insbesondere innerhalb der deutschen Union.

Was ursprünglich als Initiative für Verbraucherschutz und Transparenz gestartet war, ist längst zu einem Symbol politischer Grundsatzfragen geworden – zwischen Tradition und Fortschritt, Marktinteressen und kulturellem Selbstverständnis. Im Zentrum steht die Frage, ob pflanzliche Ersatzprodukte künftig nicht mehr mit Begriffen wie „Wurst“, „Burger“ oder „Schnitzel“ bezeichnet werden dürfen, obwohl sie keinerlei Fleisch enthalten.

Uneinigkeit in der Union – CDU und CSU im offenen Widerspruch

Die Initiative zur Umbenennung stammt ausgerechnet aus der Europäischen Volkspartei (EVP) – also dem politischen Lager von CDU und CSU. Doch während sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Agrarminister Alois Rainer (CSU) öffentlich für das Verbot von Fleischbegriffen bei pflanzlichen Produkten aussprachen, herrscht im EU-Parlament der Unionsparteien das blanke Chaos.

Die französische EVP-Abgeordnete Céline Imart, selbst Landwirtin, argumentiert mit Verbraucherschutz: Wer „Wurst“ liest, solle auch Fleisch erwarten. Pflanzliche Produkte seien ernährungsphysiologisch nicht gleichwertig – das Etikett müsse dies widerspiegeln.

Doch kurz vor der Abstimmung zog sich der Rückhalt für ihren Antrag dramatisch zurück. Die deutschen EVP-Mitglieder kündigten überraschend an, nicht hinter dem Änderungsantrag ihrer Fraktionskollegin zu stehen. Der Fraktionszwang wurde aufgehoben, jede*r Abgeordnete stimmt nun nach eigenem Ermessen. Damit wackelt die Mehrheit – und der Vorschlag droht, im letzten Moment zu scheitern.

Wirtschaft gegen Wortverbot – Veggie-Branche in Sorge

Auch auf wirtschaftlicher Ebene steht viel auf dem Spiel: Supermarktketten wie Aldi und Lidl, ebenso wie Burger King oder Hersteller von Fleischersatzprodukten, sprechen sich vehement gegen die Umbenennungspflicht aus. In ihren Augen wäre das nicht nur marktfeindlich, sondern auch absurd – schließlich sei der Begriff „Veggie-Burger“ längst etabliert und kaum ein Kunde erwarte darin Rindfleisch.

Tatsächlich hat sich die Produktion pflanzenbasierter Alternativen seit 2019 mehr als verdoppelt. Deutschland gilt mittlerweile als einer der größten Produzenten Europas in diesem Segment – ein seltener Lichtblick in der zuletzt schwächelnden Ernährungsindustrie.

Entscheid über Worte – und über Weltbilder

Die heutige Abstimmung ist mehr als ein sprachlicher Formalkrieg. Sie spiegelt einen tieferliegenden Kulturwandel wider: Wie viel Wandel verträgt der Esstisch? Ist ein Schnitzel nur ein Schnitzel, wenn es aus Fleisch ist? Oder ist Sprache dynamisch – so wie sich auch Ernährung und Lebensstil verändern?

Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist der Begriff „Veggie-Burger“ längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Für andere steht er für einen Etikettenschwindel – und damit für den Verlust traditioneller Klarheit.

Ob der „Veggie-Burger“ bleibt, was er ist, oder künftig mit neuem Namen daherkommt, entscheidet sich heute im Straßburger Plenarsaal – in einer Abstimmung, die symbolisch viel größer ist als das Produkt auf dem Teller. Und selbst wenn der Antrag scheitert, bleibt ein bitterer Beigeschmack: Die Union zeigt sich einmal mehr orientierungslos bei einem Thema, das längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

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