Die Debatte um Verantwortung, Regulierung und künstliche Intelligenz erreicht Spotify mit voller Wucht. Der Streamingdienst steht mitten in einer Kontroverse, weil seine Viral-Charts zunehmend von rechtsextremen, rassistischen und zum Teil offen ideologisch motivierten KI-Songs dominiert werden. Was zunächst in den Niederlanden auffiel, entwickelt sich inzwischen zu einem globalen Phänomen – und zeigt, wie unkontrolliert KI-generierte Inhalte die Musiklandschaft beeinflussen können.
Ein neues Problemfeld: Viral-Charts als Verstärker extremistischer Inhalte
Im Gegensatz zu klassischen „Top-Charts“, die primär nach Hörzahlen funktionieren, fließen in die Viral-Charts auch andere Dynamiken ein:
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Wie oft ein Song geteilt wird
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Wie häufig er gespeichert wird
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Wie viel über ihn diskutiert wird
Diese Faktoren machen die Viral-Charts besonders anfällig für koordiniertes Teilen, algorithmische Verstärkung – und damit auch für Manipulation durch extremistische Gruppen.
Bereits im November berichteten Medien, dass die niederländischen Viral-Charts regelrecht von rechtsextremen KI-Songs überschwemmt wurden. Doch Experten gehen längst davon ab, dass es ein regionales Problem ist.
Der Hamburger Produzent Johann Scherer bringt es deutlich auf den Punkt:
„Ich glaube nicht, dass das ein niederländisches Phänomen ist. […] Das erwartet uns überall. Darauf muss man sich vorbereiten.“
Globaler Viral-Hit: Ein KI-Song als musikalisches Denkmal für einen Rechtsextremen
Der momentan weltweit viralste Song trägt den Titel „We Are Charlie Kirk“ – ein KI-generiertes Stück, das den im September ermordeten rechtsextremen US-Aktivisten Charlie Kirk glorifiziert. Musikalisch hochdramatisch, pathetisch und mit religiöser Symbolik aufgeladen, zeichnet der Song ein heroisiertes Bild eines extremistischen Agitators.
Veröffentlicht wurde er nur wenige Tage nach dem Attentat, was nahelegt, dass er gezielt und strategisch produziert wurde – wohl auch, um sich das Momentum der öffentlichen Aufmerksamkeit zunutze zu machen.
Der angebliche Interpret „Spalexma“ ist unbekannt. Sicher ist nur:
Hier haben Menschen KI eingesetzt, um eine politische Botschaft in den digitalen Raum zu tragen – und sie erfolgreich über einen der größten Musikdienste der Welt zu verbreiten.
Rechtsextreme Songs auch in Deutschland sichtbar
Ein Blick in die deutschen Viral-50 zeigt: Das Problem ist längst nicht auf die USA oder die Niederlande begrenzt.
Zwischen harmlos wirkenden, aber eindeutig frauenfeindlichen Titeln tauchen dort offen rassistische und neonazistische Songs auf. Besonders brisant:
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Ein Song mit dem Titel „Arisches Kind“, abrufbar für jeden
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Der Interpret „Luni“ ist ein Pseudonym von Michael Regener, ehemaliger Sänger der verbotenen Neonazi-Band Landser
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Der Song ist eine Produktion der Lunikoff Verschwörung, deren Werke bereits früher indiziert wurden
Zwar wurde der ursprünglich strafbare Begriff „Untermenschen“ durch „Menschen“ ersetzt, doch die ideologische Ausrichtung des Songs bleibt unmissverständlich.
Das Ergebnis:
Rechtsextreme Musik – verschleiert, algorithmisch begünstigt und massenhaft gehört – liegt frei verfügbar auf Spotify.
Eine neue Gefahr: KI ermöglicht extremistische Inhalte in nie dagewesener Geschwindigkeit
Die Kombination aus:
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Künstlicher Intelligenz,
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Globalem Vertrieb über Streamingdienste,
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Chart-Systemen, die sich leicht beeinflussen lassen,
führt zu einer Situation, die Experten zunehmend beunruhigt.
Sie warnen davor, dass KI-Musik nicht nur die Produktion extremistischer Inhalte vereinfacht, sondern diese Inhalte auch professioneller klingen lässt, schneller verbreitet und algorithmisch verstärkt, bevor Plattformen überhaupt reagieren können.
Forderungen an Spotify: Verantwortung übernehmen – und zwar jetzt
Kritiker verlangen von Spotify:
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Strengere Inhaltskontrollen
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Klare Regeln für KI-generierte Musik
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Transparenz über die Herkunft von Songs
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Schnellere Löschungen bei extremistischen Inhalten
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Mechanismen, die Chart-Manipulationen erschweren
Die aktuelle Lage demonstriert, wie schnell sich KI-Werke – selbst solche mit rassistischen und rechtsextremen Botschaften – in den Mainstream schieben können, wenn Plattformen nicht konsequent gegensteuern.
Fazit: Spotify steht an einem Wendepunkt
Die Gefahr ist nicht nur musikalischer Natur. Sie betrifft:
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Jugendschutz,
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Demokratieschutz,
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Digitale Radikalisierung,
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Und die Verantwortung großer Plattformen in einer KI-getriebenen Zukunft.
Spotify muss nun zeigen, dass es die Herausforderung ernst nimmt. Denn der aktuelle Zustand beweist:
Extremistische Inhalte sind nicht länger ein Randphänomen – sie erreichen die Charts.
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