Popppy und Ballooony – die Meinung von Rechtsanwalt Sascha Borowski – das Interview

Wie sehen Sie diesen Vorgang?

Der gesamte Fall ist vielschichtig und bedarf aus meiner Sicht einer intensiven Aufklärung. Hier sehe ich u.a. den Insolvenzverwalter in der Pflicht. Aber auch die Käufer der Automaten sollten sich zusammenschließen und ihre Interessen gegen die potenziellen Anspruchsgegner bündeln.

Zur Sache selbst ist auszuführen, dass das Geschäftsmodell wohl nicht tragfähig war und auch die Sanierungsbemühungen (bislang) scheiterten.

Aufgrund des mir bekannten Sachverhalts gehe ich davon aus, dass die Geschädigten nicht nur im Insolvenzverfahren Ansprüche geltend machen können und sollten. Eine Inanspruchnahme der Geschäftsführung wird von mir ebenso geprüft wie die Inanspruchnahme der Berater.

Wie definiert man dieses Geschäft aus Ihrer Sicht genau?

Auf den ersten Blick erinnert der Fall an Geschäftsmodelle insolventer Unternehmen, deren Gegenstand sogenannte Direktinvestments, wie bspw. Container, waren. Ich prüfe derzeit u.a. Verstöße gegen das Vermögensanlagengesetz sowie gegen weitere Rechtsvorschriften und werde hierüber gerne weiter berichten. Ob gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften verstoßen wurde, wird letztendlich eine Auslegungsfrage sein.

Unabhängig von der juristischen Einordnung der abgeschlossenen Verträge wird man Schadensersatzansprüche in mehrere Richtungen zu prüfen haben, um eine bestmögliche Schadenskompensation für die Automatenkäufer zu erreichen.

Den Service übernahm ja dann eine Service Gesellschaft, hier mit Namen Vendingjet GmbH, die mittlerweile auch in Insolvenz ist. Sind die Verträge damit auch nichtig?

Die Insolvenzverfahren sind bislang noch nicht eröffnet. Die Verträge werden erst einmal so lange weiter bestehen, bis der Insolvenzverwalter darüber entscheidet, ob er die Verträge fortführt oder beendet. Die Entscheidung über die Fortführung von Verträgen erfolgt regelmäßig im eröffneten Insolvenzverfahren und nicht im Insolvenzantragsverfahren. In letzterem Stadium befinden wir uns derzeit.

Was passiert mit den Einnahmen die noch in den Automaten, denen die tatsächlich vorhanden sind jetzt?

Die Käufer der Automaten schlossen – meist mit der VendingJet GmbH – einen sogenannten Mietvertrag. Dieser sieht vor, dass den Käufern/Vermietern der Automaten eine Miete gezahlt wird. Die Mieterin sollte die Automaten betreiben. Die durch den Betrieb der Automaten erwirtschafteten Einnahmen stehen damit den Mietern der Automaten und nicht den Automateneigentümern zu. Sollten die Mietverträge vorzeitig beendet worden sein, stellt sich die Frage, ob die Einnahmen den Eigentümern der Automaten zustehen.

Letzteres könnte für Automateneigentümer, die eine „Vereinbarung über Stundung und Nachrang“ geschlossen haben, relevant sein.

Meinen Informationen nach soll der GF des Unternehmens die komplette Telemetrieüberwachung ausgeschaltet haben und die Automaten dann geleert haben: Darf er das?

Die Frage ist absolut berechtigt. In den wenigsten Fällen werden die „Mietverträge“ gekündigt oder widerrufen sein, sodass die Vertragsparteien nicht nach Gutdünken handeln dürfen, sondern sich vertragstreu verhalten müssen. Grundsätzlich stehen die Einnahmen – so sehen es die mir vorliegenden Mietverträge vor – dem Betreiber und nicht dem Eigentümer der Automaten zu.

In der Abschaltung der Telemetrieüberwachung könnte ein Vertragsverstoß gesehen werden. Sollten Automaten infolge der Abschaltung abhandenkommen (sein), sind auch insoweit Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführung zu prüfen.

Zudem gab es ja den Versuch einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei, beauftragt von Herr Hebe, die maroden Gesellschaften zu retten. Dazu liegen ihnen, wie ich aus unserem Vorgespräch weiß ja Unterlagen vor. Was bedeutet die Unterschrift unter diese Vereinbarung möglicherweise für den Anleger?

Die Vereinbarung ist für die Automatenkäufer nicht günstig, aber in Teilen durchaus angreifbar.

Die mir vorliegende und mit den Worten „Vereinbarung über Stundung und Nachrang“ überschriebene Vereinbarung greift erheblich in die ursprünglich geschlossenen Verträge ein. Nicht selten wird die Angst vor der Insolvenz genutzt, um Vertragspartner zu Zugeständnissen zu bewegen. Dass Automatenkäufer diese Vereinbarung unterschrieben haben, ist daher absolut nachvollziehbar, wenn auch nicht günstig für sie.

Ansprüche und Forderungen sollen mit dieser Vereinbarung gestundet werden. Darüber hinaus sollen die ursprünglichen Ansprüche und Forderungen nachrangig werden. D.h. eine Befriedigung im Insolvenzverfahren erfolgt erst, wenn alle nicht nachrangigen Forderungen befriedigt wurden.

Kunden, die diese Vereinbarung unterzeichneten, könnten Glück im Unglück haben. Die Rangrücktrittsvereinbarung scheint der aktuellen Rechtsprechung nicht standzuhalten, sodass zumindest die Nachrangigkeit der Forderung fraglich ist.

Kurios ist, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, dass der Mietvertrag zwischen der VendingJet GmbH und den Automatenkäufern „storniert und aufgehoben“ werden soll (Ziffer 7 der Vereinbarung), die Wartung, Befüllung sowie die sonstige Betreuung aber weiter durchgeführt werden sollte (Ziffer 13 der Vereinbarung).

Hat er da möglicherweise auf sein Eigentum verzichtet, sich als möglicherweise auf Veranlassung des Vertriebs hin in eine jetzt im Insolvenzverfahren, schlechtere Situation begeben?

Einen Verzicht auf das Eigentum an den Automaten sehe ich in dieser Vereinbarung nicht, aber, und darauf weisen Sie zurecht hin, diese Vereinbarung erschwert die Durchsetzung der Rechte auch im Insolvenzverfahren.

Wenn ja, in wie weit ist der Vertrieb, der meinen Informationen nach die Automateneigentümer dazu überredet hat, in der Beraterhaftung?

Die Haftung der Berater hängt u.a. davon ab, ob sie auf den Abschluss aktiv hingewirkt haben. Allein die Weiterleitung zur Kenntnisnahme wird für eine Inanspruchnahme noch nicht ausreichen. Aber meist erfolgt die Darstellung solcher Vereinbarungen mündlich oder telefonisch mit einem nachdrücklichen Apell, die Stundungsvereinbarungen zu unterzeichnen. Im letzteren Fall sehe ich Haftungspotential. Weitere Anknüpfungspunkte treten oft in Gesprächen mit den Geschädigten zu Tage. Daher ist eine Prüfung des individuellen Falls unerlässlich, wenn Geschädigte nicht auf ihren Verlusten sitzen bleiben wollen.

Nun haben Sie Kenntnis von der Strafanzeige, die bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart vorliegt. In der geht es ja auch darum das weit über 1.000 Automaten verkauft wurden, aber niemals wirklich in Betrieb genommen wurden. Ja man hat sogar so getan als wenn es die Automaten geben würde. Würde sich das so bestätigen, wie würden sie das sehen?

Da sprechen Sie ein sehr heikles und auch komplexes Thema an. Hier müsste ich etwas weiter ausholen.

Die individuell zu vergebenden Seriennummern sollten den Käufern den Eigentumsnachweis erleichtern. Ob die Käufer tatsächlich Eigentümer der Automaten sind, ist fraglich. Gleichwohl sollten die Käufer ihre Forderungen für den Ausfall anmelden und Aussonderungsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen.

Soweit es die von Ihnen angesprochene mögliche Strafbarkeit betrifft, ist das Folgende zu beachten:

Die Staatsanwaltschaft muss grundsätzlich in beide Richtungen ermitteln. Sollte die Staatsanwaltschaft am Ende ihrer Ermittlungen zu dem Ergebnis einer strafbaren Handlung kommen, spricht viel dafür, dass eine Anklage erhoben wird. Über die Zulassung des Verfahrens wird dann das Gericht entscheiden.

Den Ausgang solcher Ermittlungs- und Strafverfahren sollten die Geschädigten aber nicht davon abhalten, ihre Ansprüche zu verfolgen. Mir sind zahlreiche Verfahren bekannt, in denen strafrechtliche Verurteilungen erst nach Jahren erfolgten.

Unabhängig von dem Ausgang eines Strafverfahrens verjähren aber sowohl die Schadensersatzansprüche als auch die Ansprüche im Insolvenzverfahren, weshalb der Ausgang eines Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens nicht abgewartet werden sollte.

Eine strafbare Handlung erleichtert aber die Durchsetzung von Ansprüchen. Den Ausgang eines Strafverfahrens muss man aber nicht abwarten, um auf deliktischer Grundlage gegen Beteiligte vorzugehen.

Was hätte der Vertrieb a Kenntnis des Zeitpunkts, dass es solche enormen Verwerfungen in den Unternehmen von Herrn Hebe gibt, aus ihrer Sicht tun müssen?

Sie spielen hier auf Aufklärungspflichtverletzungen an, die sich den Käufern ebenfalls aufdrängen. Hat der Vertrieb Kenntnis von Ungereimtheiten und/oder sogar von Unregelmäßigkeiten, hat er diese dem Kunden gegenüber offenzulegen. Hier sehe ich auch einen Ansatzpunkt, sich außerhalb des Insolvenzverfahrens schadlos zu halten.

Unter welchen Bedingungen sehen Sie hier eine mögliche Haftung der Berater?

Der Berater muss eine Beratungspflichtverletzung begangen haben. Einen klaren Fall der Beraterhaftung wird man wohl annehmen müssen, wenn der Berater Kenntnis davon hatte, dass die Automaten nicht rechtzeitig geliefert werden konnten. Aber auch weniger offensichtliche Pflichtverletzungen können eine Schadensersatzpflicht begründen. Hier ist das individuelle Gespräch sowie die Begleitumstände und etwaig ausgehändigte Unterlagen auszuwerten.

Vielen Dank an Rechtsanwalt Sascha Borowski:

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