OLG Köln: 24 Kap 23/20 DS-Rendite Fonds Nr. 127 VLCC Younara Glory GmbH & Co. Tankschiff KG

OBERLANDESGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

In dem Kapitalanlegermusterverfahren

des Herrn Prof. Dr. Michael Lemke, Reinhardtstraße 11, 10117 Berlin,

Klägers,

– Prozessbevollmächtigte: KWAG Rechtsanwälte, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3a, 28217 Bremen –

gegen

1. die Dr. Peters Asset Invest GmbH & Co. KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, die Dr. Peters Vertriebs-GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Christoph Bernd Seeger, Anselm Gehling und Dr. Albert Tillmann, Stockholmer Allee 53, 44269 Dortmund,

2. die DS-Fonds-Treuhand GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Marc Bartels, Stockholmer Allee 53, 44269 Dortmund,

Beklagte,

– Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte Spieker & Jaeger, Kronenburgallee 5, 44139 Dortmund –

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Hake, die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz und den Richter am Amtsgericht Moch
am 04.05.2020

beschlossen:

Der Vorlagebeschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 30.09.2019 – 3 O 379/17 – wird unter Zurückweisung der Musterfeststellungsanträge vom 23.01.2018 aufgehoben.

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten im Ausgangsverfahren 3 O 379/17 – LG Dortmund – Schadensersatz wegen einer Beteiligung an der „DS-Rendite-Fonds Nr. 127 VLCC Younara Glory GmbH & Co. Tankschiff KG“. Mit Schriftsätzen jeweils vom 23.01.2018 hat der Kläger beantragt, im Rahmen eines Kapitalanlegermusterverfahrens Feststellungen zur Unrichtigkeit des Prospekts und zur Verantwortlichkeit der Beklagten zu treffen. Neben dem oben genannten Ausgangsverfahren sind bei der mit der Sache befassten 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund weitere Verfahren anhängig, in denen die jeweiligen Kläger von den Beklagten mit einer im Wesentlichen gleichlautenden Begründung ebenfalls Schadensersatz verlangen; auch in diesen Verfahren sind jeweils gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt worden.

Am 30.09.2019 hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund im vorliegenden Verfahren sowie in sieben Parallelverfahren unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge inhaltlich gleichlautende Vorlagebeschlüsse im Sinne von § 6 Abs. 1 KapMuG des nachfolgenden Inhalts erlassen:

Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Beteiligungsangebotes „DS-Rendite-Fonds Nr. 127 VLCC Younara Glory GmbH & Co. Tankschiff KG“ in erheblichen Punkten unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Feststellungsziele (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG):

1.
Die Marktsituation im Zusammenhang mit der IMO-Regelung ist falsch dargestellt. Das Abwrackpotenzial wird falsch dargestellt und somit ein überbewertetes positives Markt- und Weltbild des Anlageschiffs geschaffen.

2.
An einer Aufklärung über die Verknüpfung zwischen Chartermarkt und Secondhand-Preisen bei Gebrauchttonnage fehlt es. Es fehlt die Aufklärung über die Tatsache, dass der Schiffswert den hoch volatilen Schwankungen ausgesetzt ist und grade nicht, nach dem Anleger bekannten, Wertverfall nach Nutzungsdauer berechenbar ist. Diese Besonderheit des Schiffsmarktes hätte dem Anleger offengelegt werden müssen.

3.
Es werden unrealistische Prognosen dargestellt, die grade keinen stabilen Wert aufgrund des hoch volatilen Charterratenmarkt haben können, die Konzeption enthält sich zudem vollständig zu der seinerzeit absehbaren Übertonnage, die einen Charterratenverfall erwarten ließen.

4.
Das Klumpen- und Spezialmarktrisiko wird nicht erläutert. Es fehlt an einer Darstellung, dass die hiesige Schiffsklasse nur auf eingeschränkten Routen einsetzbar ist und zudem die Einsatzbarkeit erheblich vom Angebot, der Nachfrage und der Stabilität der auf der Route befindlichen Förder- und Abnehmerregionen abhängt.

5.
Die Konkurrenz durch Einhüllentanker wird nicht erläutert, die weiterhin auf dem Schiffsmarkt eingesetzt wurden und in Marktkonkurrenz zu Doppelhüllentankern standen.

6.
Es erfolgen nur unzureichende Risikohinweise zur Fremdfinanzierung, insbesondere wichtige Informationen zur 105 %-Klausel, Loan-to-value und Basel II werden nicht vermittelt.

7.
An keiner Stelle erfolgten Hinweise auf Wirtschafts- oder Schiffskrisen aus der Vergangenheit und Gegenwart, die stets erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Seetransporten genommen haben.

8.
Dem Anleger wird die unterschiedliche Teilnahme am Risiko der Gesellschaft zwischen den Initiatoren nicht erklärt. Vor allem die Tatsache, dass die Initiatoren ihre Investition über die Vergütung um ein Vielfaches wieder aus der Gesellschaft kehren und dass der Anleger nur eine nachrangige Gläubigerposition im Falle einer Insolvenz einnimmt, wird dem Anleger nicht verdeutlicht.

9.
Die Betriebskosten wurden unrealistisch niedrig kalkuliert und in verschiedenen Prognoserechnungen unterschiedlich hoch dargestellt, weshalb dem Anleger ein verzerrtes Bild über die Wirtschaftlichkeit der Anlage dargestellt wurde.

10.
Die Nachschusspflicht wird fälschlich ausgeschlossen, wodurch dem Anleger ein weiteres Haftungsrisiko vorenthalten wird.

11.
Die Szenarien sind frei erfunden und suggerieren dem Anleger stets einen positiven Ausgang der Anlage, selbst bei Schieflage.

12.
Das Schiff wurde zu einem historischen Höchstpreis gekauft und war zudem kein Neubau. Dem Anleger bleibt verborgen, dass die Schiffspreisentwicklung im Kontext zur Charterratenentwicklung steht, als ein Sachwert Schiff (außer dem Schrottwert) kaum existiert.

13.
An keiner Stelle erfolgt ein angemessener Hinweis auf die mögliche Inanspruchnahme der Fondsgesellschaft durch Dritte, wodurch eine Mehrbelastung der Gesellschaft entstehen kann.

14.
Es erfolgt kein Hinweis auf die Rückforderbarkeit von Ausschüttungen gem. §§ 30, 31 GmbHG.

15.
Der Anleger wird nicht über eine mögliche Majorisierung aufgeklärt, wodurch eine Minderzahl von Anlegern Entscheidungen zu Lasten der Mehrheit treffen können, selbst wenn nachteilig für die Mehrheit treffen können, selbst wenn diese nachteilig für die Mehrheit sind.

16.
Der Veräußerungserlös wurde in Anbetracht der speziellen Marktsituation und der Volatilität unrealistisch hoch prognostiziert.

17.
Der Anleger wurde nicht auf die fünfjährige Kommanditistenhaftung hingewiesen, die auch nach Ausscheiden aus dem Handelsregister fortbesteht.

18.
Es erfolgen unzureichende Erläuterungen über den Versicherungsumfang, durch den die Anlage „Schiff“ geschützt werden soll.

19.
Die Abgaben über die zugrunde gelegten steuerrechtlichen Regelungen waren falsch. Die aktuellen steuerrechtlichen Grundlagen, aus der eine höhere Gewerbesteuerabgabe resultierte, wurde nicht miteinbezogen.

Die in den jeweiligen Verfahren erlassenen Vorlagebeschlüsse sind sodann im Zeitraum 01.10.2019 bis 07.10.2019 zum Zwecke der Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Parteien versandt worden. In den Verfahren 3 O 382/17 und 3 O 378/17 hat die Geschäftsstelle des Landgerichts den Vorlagebeschluss am 01.10.2019 abgesandt.

II.

1.
Der am 30.09.2019 ergangene Vorlagebeschluss ist aufzuheben, weil er der in § 7 KapMuG getroffenen Regelung widerspricht. Nach dieser Vorschrift ist mit dem Erlass eines Vorlagebeschlusses nach § 6 KapMuG die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzenden Verfahren unzulässig. Ein gleichwohl ergangener Vorlagebeschluss ist entgegen § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG für das Oberlandesgericht nicht bindend (§ 7 S. 2 KapMuG). Diese Wirkung ist nicht auf das Stadium der Verfahrenseinleitung beschränkt, vielmehr wird mit dem ersten Vorlagebeschluss insgesamt der Erlass weiterer gleichgerichteter Vorlagebeschlüsse unzulässig (KK-KapMuG/Kruis, § 7 Rdn. 21). Einen gleichwohl ergangenen Vorlagebeschluss hebt das Oberlandesgericht auf und weist den zugrunde liegenden Musterverfahrensantrag zurück (Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 7 Rdn. 5; KK-KapMuG/Kruis, § 7 Rn. 26).

Das Vorgehen des Landgerichts ist mit den dargestellten gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Tatsächlich hätte die Kammer lediglich in einem der bei ihr anhängigen Verfahren einen Vorlagebeschluss erlassen dürfen, während die weiteren Verfahren ohne einen solchen Vorlagebeschluss nur gemäß § 8 KapMuG auszusetzen gewesen wären. Der Senat hat deshalb lediglich eines der ihm vorgelegten Verfahren als Kapitalanlegermusterverfahren fortzuführen, während die in den weiteren Verfahren ergangen Vorlagebeschlüsse aufzuheben sind. Bei der Auswahl des danach fortzuführenden Verfahrens kommt es wegen der gesetzlich angeordneten Priorität in erster Linie auf den Zeitpunkt an, wann die einzelnen Vorlagebeschlüsse erlassen wurden – wann also der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beschluss der Post zur Beförderung übergeben hat (vgl. KK-KapMuG/Kruis, a.a.O., § 7 Rdn. 5; Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, a.aO., § 7 Rdn. 7). Auch nach diesem Maßstab kommen allerdings mehrere Verfahren – namentlich die Verfahren 3 O 382/17 und 3 O 378/17 – in Betracht, in denen die Geschäftsstelle nach dem in der jeweiligen Akte befindlichen Abvermerk bereits am 01.10.2019 den Vorlagebeschluss versandt hat. Da danach auch dieses Kriterium zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, hat der Senat von den beiden in Betracht kommenden Verfahren dasjenige ausgewählt, das zunächst bei ihm eingegangen ist; dies ist das Verfahren 3 O 382/17 (= 24 Kap 16/18). Die in den anderen Verfahren – und damit auch im vorliegenden Verfahren – ergangenen Vorlagebeschlüsse waren demgegenüber aus den dargelegten Gründen aufzuheben.

2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 24 Abs. 1 KapMuG).

 

Dr. Hake                Schwarz                Moch

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