Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit Beschluss vom 07.11.2024 entschieden, dass die identifizierende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren gegen einen israelischen Staatsbürger ohne vorherige Anhörung des Betroffenen unzulässig ist. Damit wurde eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main, das einen Antrag auf Unterlassung zuvor abgewiesen hatte, aufgehoben.
Hintergrund des Falls
Der Kläger, ein israelischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Hessen, hatte sich gegen zwei hebräischsprachige Veröffentlichungen im Internet gewandt. In diesen wurde unter Nennung seines vollständigen Namens sowie mit einem Foto über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren berichtet. Unter anderem wurde erwähnt, dass Deutschland seine Auslieferung wegen Betrugs innerhalb einer kriminellen Vereinigung fordere und er auf dem Weg von Israel nach Kiew verhaftet worden sei.
Entscheidung des Gerichts
Das OLG stellte fest, dass die Berichterstattung in dieser Form sein Persönlichkeitsrecht verletzt und sein Interesse am Schutz seines guten Rufs gegenüber der Meinungs- und Pressefreiheit überwiegt.
Zwar sei die Presse grundsätzlich berechtigt, über strafrechtliche Verfahren zu berichten, auch unter Nennung konkreter Personen. Dies sei Teil ihrer öffentlichen Informationsaufgabe. Allerdings unterfällt die Berichterstattung in diesem Fall dem Bereich der Verdachtsberichterstattung. Damit gelten besondere Anforderungen, insbesondere die Verpflichtung, den Beschuldigten vor Veröffentlichung anzuhören und seine Stellungnahme zu berücksichtigen.
Das Gericht betonte:
„Eine den Beschuldigten identifizierende Berichterstattung beeinträchtigt zwangsläufig sein Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes.“
Die fehlende vorherige Anhörung sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Selbst wenn davon auszugehen gewesen wäre, dass der Kläger die Vorwürfe lediglich pauschal zurückweist, hätte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden müssen. Ein einfaches Dementi könne bereits dazu beitragen, den Eindruck einer Vorverurteilung zu vermeiden.
Untersagung der Bildveröffentlichung
Darüber hinaus untersagte das OLG auch die Veröffentlichung des Bildes des Klägers. Zwar sei das verwendete Foto neutral und nicht eigenständig herabsetzend, jedoch sei der Kläger keine Person des öffentlichen Lebens. Zudem sei über ihn unter Missachtung der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung berichtet worden.
Das Gericht verwies dabei auf die erhöhte Eingriffsintensität einer Bildveröffentlichung:
„Die visuelle Erkennbarkeit birgt das Risiko einer verstärkten ‚Prangerwirkung‘.“
Fazit und Rechtsfolgen
Das OLG Frankfurt stellte somit fest, dass eine identifizierende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren ohne vorherige Anhörung des Betroffenen unzulässig ist. Auch die Veröffentlichung eines Fotos verstärkt den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und ist daher nicht gerechtfertigt.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 07.11.2024, Az. 16 W 50/24
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.08.2024, Az. 2-03 O 330
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