Mark Branson: BaFin Chef

In der Finanzindustrie wie auch der Finanzmarktregulierung kommt niemand mehr um Sustainable Finance herum. Ein wichtiger Schritt fand im August dieses Jahres statt. Seitdem sind Finanzberater dazu verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundinnen und Kunden abzufragen. Aber was ist eine nachhaltige Finanzdienstleistung?

Die Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Wir sollten uns daher zuerst klar darüber werden, wer am besten welche Fragen beantworten kann: Es ist grundsätzlich Aufgabe der Wissenschaft, zu definieren, was nachhaltig im Sinne der Umwelt ist. Zu entscheiden, welche Energiequellen wir benötigen, bis wir den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft geschafft haben, ist Sache der Politik.

Auf europäischer Ebene wurde mit der Taxonomieverordnung eine Antwort geliefert. Die Idee, die dahintersteckt, ist gut und enorm wichtig, aber bei der konkreten Ausgestaltung haben sich politische und wissenschaftliche Diskurse gemischt. Das erhöht die Komplexität eines ohnehin schon komplexen Themas. Wir laufen damit Gefahr, Anlegerinnen und Anleger zu verwirren oder sogar zu enttäuschen.

Wir sind zum Schluss gekommen, dass ein einfaches Labelling „grün“ oder „nicht-grün“ kaum den heterogenen und unterschiedlich differenzierten Präferenzen von Anlegern gerecht werden kann. So ist beispielsweise für manche Atomkraft nachhaltig, für andere – obwohl taxonomiekonform – wiederum gar nicht.

Wir als Aufsicht dürfen unser Mandat – nämlich die Überwachung und Regulierung von Finanzmarktrisiken – nicht überschreiten. Es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, ob die Technologie, die den Investitionen zugrunde liegt, als nachhaltig einzustufen ist. Das ist weder unsere Rolle, noch verfügen wir über das notwendige Fachwissen. Stattdessen können wir Transparenz schaffen – und damit Verbraucherinnen und Verbraucher stärken. Diese müssen erkennen können, ob, zum Beispiel, ein Produkt auf Unternehmen basiert, die „grün“ sind, oder den Übergang zu einer grünen Wirtschaft gestalten. Sie müssen erkennen können ob Unternehmen der Atomkraft- oder Gasindustrien darin liegen.

Erst wenn mündige Anlegerinnen und Anleger den Inhalt und Zweck der Produkte kennen, besteht die Chance, dass sie eine bewusste und gut informierte Entscheidung treffen können. Das bedeutet aber auch: Das Produkt muss in geeigneter Form gekennzeichnet sein, um die Komplexität des Themas, mindestens teilweise widerzuspiegeln. Wir plädieren deshalb dafür, die Eigenverantwortung von Anlegern zu respektieren und zu fördern – durch die nötige Transparenz. In diese Richtung haben wir in diesem Jahr unsere Praxis verschärft.

Die BaFin prüft und kontrolliert, ob das in der Praxis umgesetzt wird. In den letzten zwölf Monaten hat die BaFin bereits 167 Publikumsinvestmentvermögen als nachhaltig genehmigt, Tendenz steigend. Alle mussten unseren neuen Transparenzstandards und Vorgaben zum nachhaltigen Produktinhalt erfüllen. So gehen wir gegen Greenwashing vor.

Einen komplexen Sachverhalt mit einem einfachen Etikett zu versehen kann zur Folge haben, dass nicht „drin“ ist, was Anlegerinnen und Anleger erwarten. Die Idee, dass allein ein einfaches Etikett die Welt verbessert, mag verlockend sein. Aus Aufsichtsperspektive sind Transparenz, klare Standards zum Mindestmaß nachhaltiger Anteile am Produkt und eine marktgetriebene Auswahl aus verschiedenen Arten von nachhaltigen Finanzprodukten jedoch der bessere Weg, Anlegerpräferenzen zu bedienen.

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